Die Fehler in unserem System Wege aus der Krise
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Der menschliche Körper steht <strong>in</strong> drei Bereichen mit se<strong>in</strong>er Umwelt <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung: Nerven-<br />
S<strong>in</strong>nessystem, Rhythmisches <strong>System</strong> und Stoffwechsel-Gliedmaßensystem. <strong>Die</strong> S<strong>in</strong>ne<br />
nehmen E<strong>in</strong>drücke auf, Nerven und Gehirn helfen, sie <strong>in</strong> Bil<strong>der</strong>, Empf<strong>in</strong>dungen, Gedanken<br />
und Ideen umzuwandeln. Rhythmisch atmet <strong>der</strong> Mensch, rhythmisch verteilen Herz und Blut<br />
Sauerstoff <strong>in</strong> alle Zellen. Magen und Darm verdauen Essen und Tr<strong>in</strong>ken, Muskeln wandeln<br />
die dabei gewonnene Energie <strong>in</strong> Kraft und Bewegung um. Nur, wenn je<strong>der</strong> dieser drei<br />
Bereiche se<strong>in</strong>e Funktion richtig erfüllt, ist <strong>der</strong> Körper e<strong>in</strong>e gesunde E<strong>in</strong>heit. 72<br />
Ähnlich steht <strong>der</strong> Mensch auf drei verschiedenen Ebenen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit se<strong>in</strong>en<br />
Mitmenschen. Im Geistesleben sollte Freiheit angestrebt werden, im Staats- und<br />
Rechtsleben Gleichheit und im Wirtschaftsleben Brü<strong>der</strong>lichkeit. Je<strong>der</strong> dieser drei Bereiche<br />
folgt eigenen Gesetzen und bräuchte eigene, ihm entsprechende Vertretungen.<br />
In den letzten Jahrhun<strong>der</strong>ten hat das Wirtschaftsleben die Vorherrschaft über Staat und<br />
Geistesleben errungen. Es sollte die verschiedenen Güter, die die e<strong>in</strong>zelnen Menschen<br />
brauchen und wollen, herstellen und verteilen. Tüchtige und fähige Leiter und Mitarbeiter, die<br />
am richtigen Platz arbeiten, führen e<strong>in</strong>e Firma zum Erfolg. Erfolgreiche Firmen machen<br />
Gew<strong>in</strong>n. Nicht erfolgreiche Firmen gehen <strong>in</strong> Konkurs. <strong>Die</strong> Brauchbarkeit bestimmt den Wert<br />
e<strong>in</strong>es Produktes, nicht die Zeit, die an ihm gearbeitet wurde. In <strong>unserem</strong> <strong>der</strong>zeitigen <strong>System</strong><br />
produzieren die Unternehmen nach Gutdünken ihrer Leitung. Meist versuchen sie mit<br />
aufwändigen Werbekampagnen, ihre Produkte abzusetzen. Durch diesen chaotischen Markt<br />
gehen viel Arbeit, Energie und Rohstoffe verloren. <strong>Die</strong>s könnte vermieden werden, wenn sich<br />
Vertreter von Produzenten und Verbrauchern vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Fertigung über die Produkte,<br />
ihre Qualitäten, Mengen und Preise abstimmen würden. Erzeuger und Handel sollten<br />
Assoziationen bilden, die geme<strong>in</strong>sam entscheiden, welche Firma wie viel von welchem<br />
Produkt herstellt.<br />
Vor <strong>der</strong> Industrialisierung freute sich <strong>der</strong> Handwerker über die von ihm hergestellten<br />
Gegenstände. Er sah, wie es an<strong>der</strong>en zugutekam. Als Folge <strong>der</strong> Arbeitsteilung arbeitet <strong>der</strong><br />
Fabrikarbeiter nur mehr an kle<strong>in</strong>en Teilchen. Oft weiß er nicht e<strong>in</strong>mal, an welchem Produkt er<br />
arbeitet. <strong>Die</strong> Arbeitsteilung geht Hand <strong>in</strong> Hand mit dem technischen Fortschritt. Lässt man<br />
Transport, Werbung und Gew<strong>in</strong>ne außer Acht, arbeitet je<strong>der</strong> Schuster zu teuer, <strong>der</strong> für sich<br />
e<strong>in</strong> Paar Schuhe anfertigt anstatt <strong>in</strong>dustriell gefertigte zu kaufen. Das Unbehagen über den<br />
Verlust <strong>der</strong> Freude, die Entfremdung <strong>der</strong> Arbeit stärkte den Wunsch, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />
mitzubestimmen, den Drang zur Demokratie.<br />
Der Staat sollte sich auf politische Fragen, auf die Rechts- und Staatsverhältnisse<br />
beschränken. Alle Fragen, die je<strong>der</strong> mündige Bürger als solcher beurteilen kann, sollten<br />
demokratisch entschieden werden. Dazu zählen Arbeitszeiten und –bed<strong>in</strong>gungen ebenso<br />
wie Bewerbungen um Sportveranstaltungen und öffentliche Bauvorhaben. Je<strong>der</strong> sollte<br />
möglichst viel selbst bestimmen, die Familie, wenn das Zusammenleben <strong>der</strong><br />
Familienmitglie<strong>der</strong> betroffen ist. Nur, wenn berechtigte Interessen e<strong>in</strong>er größeren<br />
Geme<strong>in</strong>schaft betroffen s<strong>in</strong>d, sollte diese entscheiden. Geme<strong>in</strong>den, Län<strong>der</strong>, Staaten und die<br />
gesamte EU sollten für alle politischen Fragen Volksbegehren und Volksentscheide nach<br />
Schweizer Vorbild e<strong>in</strong>führen.<br />
Der Staat sollte we<strong>der</strong> Wirtschaft betreiben, noch sich <strong>in</strong> die Wirtschaft e<strong>in</strong>mischen. Nur,<br />
wenn <strong>der</strong> Staat ke<strong>in</strong> Mitbewerber ist, kann er Spielregeln festlegen und ihre E<strong>in</strong>haltung<br />
wirksam überwachen. Der reale Sozialismus hat gezeigt, dass e<strong>in</strong> Staat die Wirtschaft kaputt<br />
macht, wenn er sie lenkt. Beamte sollen alle mündigen Bürger – o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest alle<br />
Angehörigen e<strong>in</strong>er Gruppe – gleich behandeln. Daher können sie ke<strong>in</strong>en Unternehmergeist<br />
entwickeln, <strong>der</strong> Bevölkerung zugute kommt. Überdies kann auf e<strong>in</strong> Heer von Beamten<br />
72 Rudolf Ste<strong>in</strong>er: <strong>Die</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong> höheren Welten, Taschenbuch<strong>aus</strong>gabe, 2. Auflage, Dornach 1988, ISBN 3-<br />
7274-0790-5, Seiten 254-255<br />
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