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Wilfried Härle: Aus ethischer Sicht (Leseprobe)

»Was sollen wir tun?« Das ist die Frage, die den ethischen Blick auf das Leben leitet. Orientiert man sich bei der Beantwortung dieser Frage allein an in den Massenmedien vertretenen Meinungen, wird man nicht zu einer eigenverantwortlichen ethischen Auffassung gelangen. Denn um die zu erreichen, muss man sich einerseits Klarheit über ethische Grundbegriffe wie »Freiheit«, »Verantwortung«, »Menschenwürde« und »Gewissen« verschaffen, andererseits ist es unverzichtbar, konkrete ethische Herausforderungen zu analysieren, die sich uns im Leben stellen: zum Beispiel »Altersdemenz«, »Schuld und Vergebung«, »Krieg und Frieden« oder »Beihilfe zur Selbsttötung«. Diese Güstrower Vorträge bieten zu beidem ihren Beitrag, und zwar so, dass dabei erhellende Zusammenhänge sichtbar werden. Sie wurden zwischen 2015 und 2021 anlässlich der Güstrower Herbstgespräche gehalten und fanden beachtliche positive Resonanz.

»Was sollen wir tun?« Das ist die Frage, die den ethischen Blick auf das Leben leitet. Orientiert man sich bei der Beantwortung dieser Frage allein an in den Massenmedien vertretenen Meinungen, wird man nicht zu einer eigenverantwortlichen ethischen Auffassung gelangen. Denn um die zu erreichen, muss man sich einerseits Klarheit über ethische Grundbegriffe wie »Freiheit«, »Verantwortung«, »Menschenwürde« und »Gewissen« verschaffen, andererseits ist es unverzichtbar, konkrete ethische Herausforderungen zu analysieren, die sich uns im Leben stellen: zum Beispiel »Altersdemenz«, »Schuld und Vergebung«, »Krieg und Frieden« oder »Beihilfe zur Selbsttötung«.
Diese Güstrower Vorträge bieten zu beidem ihren Beitrag, und zwar so, dass dabei erhellende Zusammenhänge sichtbar werden. Sie wurden zwischen 2015 und 2021 anlässlich der Güstrower Herbstgespräche gehalten und fanden beachtliche positive Resonanz.

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I Die therapeutische Beziehung aus christlicher <strong>Sicht</strong><br />

Kranke, sondern auch für Menschen, die unter ihrer Not,<br />

Schuld oder Isolierung leiden) heilsame Nähe Gottes bildet<br />

das Zentrum des Wirkens Jesu. Dem dienen als Zeichen<br />

auch seine Heilungen. Aber diese Heilungen sind nicht<br />

selbst die Sache, um die es geht, sondern sie sind „nur“ ein<br />

Zeichen für die anbrechende Gottesherrsschaft. Dort, wo<br />

sie zur Hauptsache gemacht werden (nach dem uns bekannten<br />

Motto „Hauptsache gesund“), da entzieht sich<br />

Jesus den Menschenmengen. Und damit sie nicht zur<br />

Hauptsache gemacht werden, gebietet Jesus das Schweigen<br />

darüber und verzichtet auf die Publicity, die damit unschwer<br />

zu erzielen wäre.<br />

Dass Heilungen ebenso wie Gesundheit nicht die<br />

Hauptsache sein können, ergibt sich aus christlicher <strong>Sicht</strong><br />

schon daraus, dass es allen Menschen bestimmt ist, „einmal<br />

zu sterben“ (Hebräer 9,27). Das Sterben ist in aller Regel<br />

die Endphase eines Krankheitsprozesses, der nicht<br />

mehr durch Heilung, sondern durch den Tod beendet<br />

wird. Das wäre und bliebe auch dann richtig, wenn es nicht<br />

in der Bibel stünde. Aber es gehört zum biblischen Realismus<br />

und zur Lebensklugheit, dies zumindest beiläufig<br />

zu erwähnen und zu bitten: „Lehre uns bedenken, dass wir<br />

sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90,12).<br />

Ich möchte dem ausdrücklich anfügen, dass es eine<br />

Wohltat ist, dass wir irgendwann sterben müssen und dürfen.<br />

Das sage ich nicht nur als Seelsorger an einer Seniorenresidenz<br />

– aber da wird es als Wunsch und Hoffnung der<br />

meisten Menschen unüberhörbar. Ein besonderes Geschenk<br />

ist es, wenn man von einem Menschen sagen kann: „Er<br />

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