J-Magazin_9_2022
Das Magazin des Jugendrotkreuzes zur humanitären Bildung. Ausgabe 9, September 2022: Themenschwerpunkt "Können wir Krise? So fit sind wir für die Vielfalt."
Das Magazin des Jugendrotkreuzes zur humanitären Bildung.
Ausgabe 9, September 2022: Themenschwerpunkt "Können wir Krise? So fit sind wir für
die Vielfalt."
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10<br />
Fitter für die Vielfalt<br />
Die Studie „Migration und Mehrsprachigkeit“ erlaubte vor fünf Jahren einen tiefen Blick<br />
in die tatsächliche Vielfalt unserer Schulklassen. Heuer wird sie aktualisiert.<br />
Von Robert Dempfer<br />
Barbara Herzog-Punzenberger<br />
Eci, peci, pec. Ti si mali zec …“ – „Duma<br />
duma dum. Kırmızı mum …“ – „Surf doch in die<br />
Welt hinaus! So bist du raus!“ Die Kinder der 4b wärmen<br />
sich an diesem Morgen mit Auszählreimen auf –<br />
in drei Sprachen. Türkisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch,<br />
Farsi, Polnisch, Russisch, Ungarisch und<br />
Ukrainisch sind die Muttersprachen der Kinder. Sie<br />
können auch Deutsch, aber die Erstsprache ist es nur<br />
für drei der Kinder in der Klasse. Deshalb läuft der<br />
Unterricht mehrsprachig ab.<br />
Sollten diese Kinder nicht alle Deutsch lernen, anstatt<br />
ihre Muttersprache zu pflegen? „Natürlich“, sagt<br />
die Klassenlehrerin, „aber das eine schließt das<br />
andere ja nicht aus.“ Mittlerweile ist es kein<br />
Geheimnis mehr, dass Kinder erst eine gewisse<br />
Kompetenz in ihrer Erstsprache erreichen<br />
müssen, um eine Zweitsprache erfolgreich<br />
zu erlernen und dem Regelunterricht<br />
folgen zu können.<br />
Mehrsprachigkeit wird trotzdem noch immer<br />
als Problem wahrgenommen. Die Erziehungswissenschafterin<br />
Barbara Herzog-Punzenberger<br />
sieht die Ursache darin, dass<br />
Österreich Menschen mit niedriger Qualifikation<br />
als Arbeitskräfte angeworben hat. In ihrer<br />
Studie „Migration und Mehrsprachigkeit –<br />
wie fit sind wir für die Vielfalt?“ (siehe<br />
QR-Code) hat sie vor fünf Jahren diese<br />
Vielfalt untersucht. Schlussfolgerung: Die<br />
Herkunft entscheidet über die Chancen<br />
eines Kindes, egal, ob es zugewandert ist<br />
oder schon lange hier lebt. So lagen auch<br />
die Schüler*innen einer Mittelschule in einer<br />
kleinen österreichischen Gemeinde,<br />
die Deutsch als Erstsprache vorweisen<br />
können, im Durchschnitt in Mathematik<br />
zwei Lernjahre zurück, in Englisch sogar<br />
drei.<br />
D<br />
Das Besondere an der Studie ist, dass die<br />
Forscherin das volle Potenzial der Datensätze<br />
von Bildungsstandardserhebungen<br />
nutzen konnte, auch die sogenannten<br />
Kontext bögen. Diese enthalten anonymisierte<br />
sozioökonomische Angaben und er-<br />
Das <strong>Magazin</strong> des Österreichischen Jugendrotkreuzes zu humanitärer Bildung