PT-Magazin - Ausgabe 5 2022
PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft Die Top-Themen: • Lebe stolz und frei! Risikopapst Gerd Gigerenzer über Risikokompetenz • Unternehmen im Kriegszustand - Was tun bei Bedrohungen von allen Seiten? • Raus aus der Knechtschaft - Unternehmer sollten aufhören, Untertan zu sein • "Heilige Kühe" vertreiben mit dem "Elefant im Raum"
PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft
Die Top-Themen:
• Lebe stolz und frei! Risikopapst Gerd Gigerenzer über Risikokompetenz
• Unternehmen im Kriegszustand - Was tun bei Bedrohungen von allen Seiten?
• Raus aus der Knechtschaft - Unternehmer sollten aufhören, Untertan zu sein
• "Heilige Kühe" vertreiben mit dem "Elefant im Raum"
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51<br />
KAMPF<br />
Wie Jeff Bezos, Richard Branson und<br />
Elon Musk den Weltraum erobern<br />
Die Ökonomisierung und die Militarisierung<br />
des Weltalls stehen im Fokus<br />
des Buchs „Kampf ums All“, das in der<br />
UNO-Denkfabrik Diplomatic Council erschienen<br />
ist. Auf 260 Seiten wird erklärt,<br />
„wie Jeff Bezos, Richard Branson und Elon<br />
Musk den Weltraum erobern und welche<br />
Rolle die NASA, die ESA, Russland und<br />
China“ dabei spielen, so der ungewöhnlich<br />
lange Untertitel. Tatsächlich beleuchtet<br />
Autor Andreas Dripke beinahe<br />
alle Aspekte der Weltraumfahrt, von den<br />
ersten Anfängen bis zur geplanten Besiedelung<br />
des Mars.<br />
Dabei folgt das Buch einer These: Die<br />
USA wollen den Weltraum mit Hilfe<br />
amerikanischer Unternehmen für sich<br />
vereinnahmen, weil sie ihn strategisch,<br />
wirtschaftlich und militärisch als über-<br />
ums ALL<br />
aus wichtig für ihre künftige Vormachtstellung<br />
auf der Erde und im All einstufen.<br />
Hierzu haben sie unter dem Namen<br />
Artemis Accords ein Regelwerk für die<br />
moderne Weltraumfahrt erarbeitet, von<br />
dem sie erwarten, dass es von der internationalen<br />
Staatengemeinschaft<br />
wie selbstverständlich akzeptiert wird.<br />
Länder und Unternehmen, die sich dem<br />
US-Diktat nicht unterwerfen, werden<br />
vom Artemis-Programm, dem amerikanischen<br />
Weg zum Mond, zum Mars und<br />
darüber hinaus, ausgeschlossen. China<br />
und Russland sind per se außen vor und<br />
haben als Reaktion bereits eine engere<br />
Zusammenarbeit im Weltraum vereinbart.<br />
Das US-Regelwerk verstößt an<br />
entscheidenden Stellen gegen den Sinn<br />
und Wortlaut des Weltraumvertrags der<br />
Vereinten Nationen. So sieht Artemis<br />
Accords die Inbesitznahme und Verteidigung<br />
von Gebieten auf dem Mond oder<br />
dem Mars vor, was im UNO-Vertragswerk<br />
ausdrücklich abgelehnt wird.<br />
Die US-Regierung macht die Regeln, die<br />
US-Wirtschaft das Geschäft<br />
Das Buch zieht zum Vorgehen der USA<br />
im All zwei Vergleiche: mit der Eroberung<br />
des amerikanischen Kontinents<br />
durch Siedler aus Europa seit dem 17.<br />
Jahrhundert und mit der Dominanz der<br />
US-Digitalkonzerne in der modernen<br />
Computerwelt. Der Autor geht von einer<br />
symbiotischen Entwicklung bei der Eroberung<br />
des Weltraums aus: Die US-Regierung<br />
gewährt die Rahmenbedingungen<br />
und den militärischen Schutz, während<br />
sich die amerikanische Wirtschaft daranmacht,<br />
die Ressourcen im All unter ihre<br />
Fittiche und neue Geschäftsmodelle wie<br />
den Weltraumtourismus auf den Weg zu<br />
© PIQSELS.COM | FRTIJ<br />
<strong>PT</strong>-MAGAZIN 5 <strong>2022</strong><br />
<strong>PT</strong>-MAGAZIN 5 <strong>2022</strong><br />
bringen.<br />
Elon Musks Weltraumfirmen SpaceX<br />
und Starlink stehen demnach exemplarisch<br />
für die unternehmerische Seite<br />
dieser „Public-Private-Partnership“. Dies<br />
folgt der Erkenntnis, dass Unternehmen<br />
schneller, flexibler und kostenbewusster<br />
agieren als nationale Weltraumbehörden<br />
wie etwa die NASA. Für die Besiedelung<br />
des Weltraums sei es von entscheidender<br />
Bedeutung, möglichst große Nutzlasten<br />
zu minimalen Kosten ins All befördern<br />
zu können. SpaceX habe diesbezüglich<br />
bereits heute mit der Rakete Falcon Heavy<br />
die Nase vorn und sei dabei, sich mit<br />
dem geplanten Raketenraumschiff Starship<br />
die Pole-Position für Missionen und<br />
Versorgungsflüge in Richtung Mars zu<br />
sichern. Das Starship zeichnet sich nicht<br />
nur durch hohe Nutzlasten von über 100<br />
Tonnen aus, sondern vor allem durch seine<br />
Wiederverwendbarkeit als Schlüssel<br />
zur Wirtschaftlichkeit.<br />
Als ernsthafter Konkurrent ums All wird<br />
in dem Buch Jeff Bezos eingestuft. Während<br />
Musk seine Pläne häufig schon<br />
Jahre vorher lautstark ankündigt, geht<br />
Bezos erst an die Öffentlichkeit, wenn<br />
alles fix und fertig funktioniert. Doch die<br />
Visionen sind ähnlich gewaltig. Während<br />
Musk den Mars besiedeln will, schwärmt<br />
Bezos von 26.000 Kilometer langen zylindrischen<br />
Raumstationen, in denen<br />
gut eine Million Menschen Platz finden<br />
könnten (zum Vergleich: China hat mit<br />
den Planungen für eine Raumstation mit<br />
gerade einmal einem Kilometer Länge<br />
begonnen). Die Realisierung der Bezos-<br />
Station wird um 2075 herum angestrebt.<br />
Deutlich vorher soll Bezos’ Projekt Kuiper<br />
Realität werden. Es handelt sich dabei<br />
um einen mit Starlink vergleichbaren<br />
Satellitengürtel rund um die Erde zur Bereitstellung<br />
eines weltweiten Breitband-<br />
Internetzugangs.<br />
Bescheidene Rolle für Europa<br />
Die Rolle Europas in der Weltraumfahrt<br />
wird in dem Buch als bescheiden eingestuft.<br />
Ohne einen eigenen Weltraumbahnhof<br />
sei man auf amerikanische Hilfe<br />
angewiesen, zumal die zuvor genutzten<br />
russischen Startgelegenheiten mit dem<br />
Ukrainekrieg weggefallen seien.<br />
Immerhin gibt es viele Marktnischen, in<br />
denen die europäische Weltraumfahrt<br />
Fuß fassen könnte. So will die ESA das<br />
Schrottsammeln im All als „neuen kommerziellen<br />
Sektor der Raumfahrtindustrie<br />
entwickeln“. Schon heute umkreisen<br />
rund eine Million Brocken, die einen<br />
Zentimeter oder mehr messen, und etwa<br />
5.000 Schrottobjekte mit einer Größe<br />
von mindestens einem Meter die Erde.<br />
Neben dem Schrottsammeln gilt auch<br />
der Start von Kleinraketen zur Beförderung<br />
von Kleinstsatelliten als lukrative<br />
Nische für europäische Weltraumfirmen.<br />
In Planung ist sogar ein Weltraumbahnhof<br />
in der Nordsee für dieses im wahrsten<br />
Sinne des Wortes kleinteilige Geschäft.<br />
Im Vergleich zu den hochfliegenden US-<br />
Plänen nehmen sich die europäischen<br />
Nischen indes bescheiden aus.<br />
Der seit 2021 amtierende ESA-Chef Josef<br />
Aschbacher gestand bereits ein, dass<br />
Europa im Raketenbereich ins „Hintertreffen“<br />
geraten sei. Vor allem privatwirtschaftliche<br />
US-Unternehmen<br />
wie SpaceX machten der europäischen<br />
Raumfahrt massiv Konkurrenz. Die US-<br />
Raumfahrtbehörde NASA habe private<br />
Unternehmen – anders als in Europa<br />
– sehr gefördert. Ob dieser Vorsprung<br />
überhaupt noch aufzuholen sei, steht in<br />
den Sternen, gibt sich das Buch skeptisch.<br />
Wahrscheinlich wird die europäische<br />
Raumfahrt eher zu einem „Anhängsel“<br />
der US-Aktivitäten verkümmern, wobei<br />
die Abhängigkeit mit Worthülsen wie<br />
„Partnerschaft“ verbrämt wird.<br />
Absoluter Machtanspruch der USA auf<br />
das Weltall<br />
Als Beleg für den „absoluten Machtanspruch<br />
der USA auf das Weltall“ wird in<br />
dem Buch unter anderem die Gründung<br />
der US Space Force angeführt. Die Angehörigen<br />
der Weltraumstreitkräfte, die<br />
Wächter (englisch: Guardians), sollen ab<br />
2025 das Gebiet zwischen Erde und Mond,<br />
den sogenannten zislunaren Raum, lückenlos<br />
überwachen. Dies kommt einer<br />
Ausweitung der Reichweite gegenüber<br />
der heutigen Überwachung durch geostationäre<br />
Satelliten etwa um das Tausendfache<br />
gleich. Bereits 2021 stellte das<br />
westliche Militärbündnis NATO klar, dass<br />
Angriffe im All, etwa auf Satelliten eines<br />
Landes, den Bündnisfall auslösen, also<br />
als Attacke auf alle im Bündnis zusammengeschlossenen<br />
Staaten gewertet<br />
wird. •<br />
info<br />
"Kampf ums All -<br />
Wie Jeff Bezos,<br />
Richard Branson<br />
und Elon Musk den<br />
Weltraum erobern",<br />
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