„Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Max Rudolf Frisch (1911-1991), Schweizer Schriftsteller und Architekt
3 Liebe Leserin, lieber Leser, Wwenn Sie dieses Magazin in der Hand halten, wird bei den allermeisten Ihrer Mieterinnen und Mieter die Heizperiode 2022 / 2023 begonnen haben. Damit ist ein „Experiment“ gestartet, das in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seinesgleichen sucht. Werden die Menschen mit halbwegs warmen Wohnungen durch den Winter kommen, ohne sich finanziell zu übernehmen? Zum Zeitpunkt, an dem diese Kolumne entsteht, scheint auch bei den politischen Verantwortlichen in Berlin die Botschaft der von Woche zu Woche mehr werdenden Demonstranten angekommen zu sein: Ohne Energiepreisdeckel wird es nicht gehen. Der zu erwartende Heizkostenhammer ist zu mächtig. Was in anderen europäischen Ländern möglich ist, muss auch hierzulande ein Weg sein, das Schlimmste zu verhindern. Wir brauchen klare und verständliche Hilfsmaßnahmen, die den Menschen den Glauben in die Handlungsfähigkeit des Staates erhalten. Ich bin davon überzeugt, dass ein Energiepreisdeckel nicht nur darüber entscheidet, ob Menschen ihre Wohnungen ausreichend heizen können. Es geht längst auch um unsere Art zusammenzuleben. Wenn die Menschen sich entscheiden müssen, ob die Wohnung erwärmt oder die Familie ernährt werden kann, entsteht eine Gefahr für den Staat. Der Verlust des Vertrauens in den schützenden Staat gefährdet die Demokratie. Wie wichtig die sozialen Vermieter gerade in diesen Tagen sind, belegen zwei Botschaften, die von unserer jüngsten Arbeitstagung in Lübeck ausgingen. Erstens: Keine Mieterin und kein Mieter wird bei einem <strong>VNW</strong>- Unternehmen seine Wohnung verlieren, weil sie oder er unverschuldet seine Heizungsrechnung nicht begleichen kann. Wir haben das Versprechen aus der Zeit der Corona-Pandemie erneuert. Zweitens: Die im <strong>VNW</strong> organisierten Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften in Norddeutschland sorgen mit ihren bezahlbaren Mieten von im Durchschnitt 6,26 Euro pro Quadratmeter – das sind gerade mal sechs Cent mehr als vor einem Jahr! –, dass der soziale Frieden in den Quartieren gewahrt wird und die Menschen auch bei schwerer See einen sicheren (Wohn-)Hafen haben. Allerdings gilt auch: Die sozialen Vermieter können die Auswirkungen der Krise nicht allein schultern. Da wären zunächst die Energieversorger. Manche von ihnen glauben, es reiche, eine Mitteilung über eine Erhöhung der Heizkostenvorauszahlung mit der Begründung zu versenden, die Kosten seien gestiegen. So, als würde das nicht auch auf unsere Unternehmen zutreffen. Gefordert sind zudem die Mieterinnen und Mieter. Wer jetzt seine Heizkostenvorauszahlung nicht erhöht, wird spätestens bei der Abrechnung (s)ein blaues Wunder erleben. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres mussten die deutschen Haushalte im Durchschnitt 850 Euro mehr für Energie ausgeben als im gesamten Jahr 2021. Am Ende könnten pro Haushalt bis zu 3 800 Euro mehr – allein für Energie – „auf der Uhr stehen“. Wenn ich die Mieterinnen und Mieter in die Pflicht nehme, so gilt das auch für die Mietervereine. Diese sollten ihren Mitgliedern reinen Wein einschenken und angesichts des tobenden Wirtschaftskrieges ihren Konfrontationskurs gegen die Vermieter aufgeben. Wer in der Stunde der Not die Mieterinnen und Mieter gegen deren Vermieter aufbringt, hat den Ernst der Lage nicht verstanden. Es ist unverantwortlich, wenn Vertreter des Mietervereins zu Hamburg in einem Zeitungsinterview ausführlich Tipps geben, wie Mieter ihre Miete mindern könnten, weil im Winter in der Wohnung eine Mindesttemperatur von 20 bis 22 Grad nicht erreicht wird – selbst wenn der Vermieter dafür nichts kann. Auch die Forderung, der Vermieter müsse im Falle eines Falles Ölradiatoren bereitstellen, halte ich angesichts der Folgekosten für bedenklich. Die Lage ist schon so schwierig genug. Wir brauchen daher mehr Mit- und weniger Gegeneinander. Wir stehen mitten in einem Wirtschaftskrieg und werden mit Energiepreisen angegriffen. Jetzt gilt es sich unterzuhaken, solidarisch zu verhalten und den Wohnfrieden zu wahren. Andreas Breitner, <strong>VNW</strong>-Vorstand und Verbandsdirektor