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38 <strong>VNW</strong><br />

Alles was<br />

RECHT ist!<br />

Alle Eigentümer müssen Selbstbeteiligung zahlen<br />

Feuer, Wasser, Sturm: Die Gebäudeversicherung<br />

sorgt in Eigentümergemeinschaften<br />

oft für Streit. Denn<br />

Schäden treten vielleicht nur in einzelnen<br />

Wohnungen auf – müssen sich<br />

trotzdem alle beteiligen? Vom BGH<br />

kommt jetzt ein klares Ja. Es gebe<br />

auch Vorteile.<br />

VON ANJA SEMMELROCH<br />

Karlsruhe (dpa). Von einer Gebäudeversicherung<br />

mit niedrigen Beiträgen profitiert<br />

in einer Eigentümergemeinschaft jeder –<br />

deshalb müssen sich alle den Selbstbehalt<br />

teilen, wenn ein Schaden auftritt. Davon<br />

gibt es auch keine Ausnahme, wenn nur<br />

eine einzige fremde Wohnung betroffen<br />

sein sollte. Das entschied der Bundesgerichtshof<br />

am Freitag 16. September 2022 in<br />

einem Musterfall aus Köln (Az: V ZR 69/21).<br />

Eine Wohngebäudeversicherung tritt<br />

ein, wenn ein Haus beschädigt oder zerstört<br />

wird. Abgesichert sind üblicherweise<br />

Schäden durch Leitungswasser, Feuer<br />

und durch Naturgefahren wie Sturm und<br />

Hagel. Für Elementarschäden zum Beispiel<br />

durch Überschwemmungen, Starkregen<br />

oder Erdrutsche muss oft eine Zusatzpolice<br />

abgeschlossen werden.<br />

Bei einem Schaden in den gemeinsam<br />

genutzten Bereichen, zum Beispiel<br />

im Treppenhaus, war schon vorher klar:<br />

Deckt die Versicherung die Kosten nicht<br />

komplett ab, müssen sämtliche Eigentümer<br />

in den sauren Apfel beißen und sich<br />

die restliche Summe teilen. Was aber,<br />

wenn nur in einer Wohnung die Einbauküche<br />

betroffen ist? "Über dieses Problem<br />

wird seit Jahren heftigst gestritten", hatte<br />

die Vorsitzende Richterin Bettina Brückner<br />

in der Verhandlung am 1. Juli gesagt.<br />

Mit dem höchstrichterlichen Urteil<br />

steht nun fest: Das Umlegen der Selbstbeteiligung<br />

auf alle Eigentümer ist auch<br />

in einem solchen Fall rechtens. Brückner<br />

sagte, ein höherer Selbstbehalt bedeute<br />

üblicherweise eine niedrigere Versicherungsprämie.<br />

Damit verringere sich das zu<br />

zahlende Hausgeld – und das sei für alle<br />

wirtschaftlich sinnvoll. Im Umkehrschluss<br />

bedeute das: Das gemeinsam eingegangene<br />

Risiko müsse auch von allen gemeinsam<br />

getragen werden.<br />

Der Kölner Fall ist allerdings speziell.<br />

Denn in den Wohnungen treten wegen<br />

mangelhafter Rohre eigentlich ständig<br />

irgendwo Wasserschäden auf. Die Versicherung<br />

hat deshalb die Selbstbeteiligung<br />

zwangsweise so weit heraufgesetzt, dass<br />

die Eigentümer fast alles aus der eigenen<br />

Tasche zahlen müssen – bei jedem Schadensfall<br />

15 000 Euro, hatte es in der Verhandlung<br />

geheißen. Für den BGH macht<br />

das keinen Unterschied: Der hohe Selbstbehalt<br />

sei dennoch im Interesse aller, sagte<br />

Brückner. Denn ohne diese Regelung würde<br />

sich vermutlich überhaupt kein Versicherer<br />

für den Gebäudekomplex mehr finden.<br />

Trotzdem ist der Fall noch nicht entschieden.<br />

Denn in der Anlage gibt es neben<br />

sehr vielen kleineren Wohnungen auch<br />

eine fast 1000 Quadratmeter große Gewerbeeinheit<br />

– bis vor einiger Zeit war<br />

dort ein Supermarkt. Deren Eigentümer<br />

hatten geklagt, weil sie wegen der riesigen<br />

Fläche bei jedem Schaden besonders<br />

viel Geld beisteuern müssen. Dabei sei bei<br />

ihnen selbst noch nie etwas passiert.<br />

Das Kölner Landgericht muss nun<br />

noch einmal prüfen, ob zumindest der<br />

Verteilungsschlüssel geändert werden<br />

muss. Die Hürden dafür seien aber recht<br />

hoch, sagte Brückner: Das Gesetz sieht<br />

eine Anpassung nur vor, wenn das Festhalten<br />

an der eigentlichen Regelung "aus<br />

schwerwiegenden Gründen (...) unbillig<br />

erscheint".<br />

Was das im konkreten Fall heißt, macht<br />

der BGH auch direkt klar: Sollte es bauliche<br />

Unterschiede zwischen der Gewerbeeinheit<br />

und den Wohnungen geben, die<br />

für die vielen Wasserschäden verantwortlich<br />

sind, könnte eine Anpassung geboten<br />

sein. Anders sieht es aus, wenn es nur am<br />

"unterschiedlichen Nutzungsverhalten"<br />

liegt – also daran, dass Bad und Küche in<br />

einer Wohnung einfach viel häufiger genutzt<br />

werden als in einem Supermarkt. In<br />

diesem Fall müssten die Eigentümer der<br />

Gewerbeeinheit auch in Zukunft jeden<br />

Schaden mit zahlen. h<br />

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