Marokko-Königreich des Lichtes
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
FES UND DER MITTLERE ATLAS<br />
Orange, Indigo für das Blau und die Safranblume – die<br />
teuerste Zutat – für das Gelb.“ Heutzutage werden hier<br />
10 000 Häute pro Tag behandelt. „Dbagh Dar Dar Dhab“,<br />
lautet ein Sprichwort in Fes: „Die Gerberei ist eine<br />
Goldgrube!“ Oder wie Youssef einfach formuliert: „Fes<br />
hat Leder im Blut!“ In der Medina von Fes arbeiten schätzungsweise<br />
immer noch 30 000 Handwerker, obwohl die<br />
Töpfer, die Zellig-Handwerker und die Blechschmiede im<br />
Osten der Stadt einquartiert wurden. Dennoch halten auf<br />
dem Platz Seffarine immer noch viele Handwerksbetriebe<br />
die Stellung, wie zum Beispiel die Blechschmiede. Der<br />
Duft von Zedernholz – kennzeichnend für die Schreinereien<br />
– schwebt immer noch in der Luft, wenn man durch den<br />
Nejjarine Souk schlendert. An anderen Stellen befinden<br />
sich kleine Schneider-Ateliers, Stickereien, Schuhmacher<br />
und etliche andere auf Weiterverarbeitung spezialisierte<br />
Fachbetriebe. „Aber den Brokat-Meister Haj Ouazzani<br />
wird man nur mit ortskundiger Hilfe finden können“,<br />
meint Mouhib Brahim, ein junger Designer aus Fes und<br />
ergänzt: „Die große Kunst besteht in Fes darin, ein<br />
Geheimnis zu hüten!” Mouhib weiß den unermesslichen<br />
Schatz, den Fes mit seinem enormen Arsenal an<br />
begnadeten und spezialisierten Handwerkern aufbieten<br />
kann, richtig zu bewerten: „Unsere Handwerker können<br />
alles, sie sind sogar in der Lage, die historischen<br />
Denkmäler materialgerecht zu restaurieren.“ „Fes ist ein<br />
lebendiges Museum“, meint Chakib Kabbaj, Präsident der<br />
autorisierten Stadtführer in Fes. So wurde 2009 ein<br />
Schulungs- und Qualifizierungszentrum für Kunsthandwerk<br />
ins Leben gerufen. 2015 haben 450 Schüler eine<br />
Ausbildung in 25 verschiedenen Berufen absolviert. „Wir<br />
haben als Meister die besten Handwerker von Fes genommen”,<br />
ergänzt <strong>des</strong>sen Direktor Aboujaafar Ahmed<br />
stolz. „Die Selektion ist streng, aber im Anschluss können<br />
wir viel Arbeit garantieren”. Fes wurde 1981 von der<br />
UNESCO zum Welterbe der Menschheit ernannt. Die<br />
Stadt ist in der Tat eine ewige Baustelle. In den vergangenen<br />
Jahren wurde die Sanierung von über 50 historischen<br />
Denkmälern durchgeführt, resümiert Serrhini Fouad,<br />
Direktor der Agentur für Entwicklung und Rehabilitation<br />
der Medina. Auf der Liste steht auch die berühmte<br />
Medersa Seffarine, wo junge Theologiestudenten aus der<br />
nahe gelegenen Moschee Karaouine beherbergt sind.<br />
Diese bekamen – das muss man sich mal vorstellen –<br />
neben einer Kantine und Duschen auch Fernsehen und<br />
WLAN. Wer also dachte, Fes verharre auf ewig in seiner<br />
Vergangenheit, der irrt. Vielmehr spürt man allerorten,<br />
dass Fes mehr ist als die Summe seiner Handwerker. Man<br />
möchte den legendären Ruf als avantgardistische Stadt,<br />
der Fes jahrhundertelang vorauseilte, wiederbeleben. Eben<br />
wie im Jahre 859, als ein gewisser Sylvester II., der später<br />
Papst wurde, und der jüdische Philosoph Maimoni<strong>des</strong> die<br />
Karaouine-Universität, die älteste der Welt, besuchten.<br />
Oben: Nach den Erkundungen in der<br />
größten Medina der Welt können die<br />
Besucher in einem der zahlreichen, erstklassigen<br />
Hotels herrlich entspannen<br />
Links: Werkstatt und Verkaufsraum in<br />
einem – auf engstem Raum. Fes ist für<br />
seine Handwerker bekannt. Bei uns ist<br />
der Beruf <strong>des</strong> Scherenschleifers schon<br />
lange ausgestorben<br />
Unten: Die Medersa Attarine ist eine<br />
ehemalige Koranschule. Sie wurde 1323<br />
erbaut. Sie gehört zur Medina, die 1981<br />
von der UNESCO als Weltkulturerbe<br />
anerkannt wurde<br />
FES<br />
43