Militaer_3_2022
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0 2 8 H E E R & M E H R<br />
„VIELE HABEN ES GEAHNT“<br />
Vizeleutnant Charles Eismayer von der<br />
Garde galt lange als harter Ausbilder.<br />
Später outete er sich und heiratete<br />
seinen ehemaligen Grundwehrdiener.<br />
Sein Leben ist nun als Film „Eismayer“<br />
im Kino zu sehen. Militär Aktuell hat<br />
mit dem pensionierten Soldaten<br />
gesprochen.<br />
Interview: STEFAN TESCH<br />
Herr Vizeleutnant, wie<br />
fühlt es sich an, wenn<br />
sein Leben verfilmt<br />
wird?<br />
Scheiße! (lacht) Normalerweise<br />
wird nur die<br />
Geschichte von bekannten oder verstorbenen<br />
Persönlichkeiten verfilmt – und<br />
beides trifft bei mir nicht zu. Aber es<br />
freut mich trotzdem, denn der Film enthält<br />
die Kernbotschaft, das Bundesheer<br />
müsse sich beim Thema Homosexualität<br />
öffnen. Jungen Soldaten muss es heute<br />
möglich sein, sich in jedem Verband und<br />
jeder Kompanie problemlos zu outen.<br />
Sie haben den Ruf, ein extrem strenger<br />
Ausbilder gewesen zu sein. Woran liegt<br />
das?<br />
Ich war lange beim Jagdkommando,<br />
habe den Grundkurs absolviert sowie als<br />
Ausbilder gearbeitet. Dort genießt man<br />
trotz niedrigen Dienstgrades unter den<br />
Auszubildenden – unter denen ja sogar<br />
Offiziere sind – extrem viel Autorität.<br />
Ich habe die Einstellung „nur Leistung<br />
zählt“ dann auch in meiner Zeit beim<br />
Landwehrstammregiment 21 sowie bei<br />
der Garde beibehalten. Mir war dabei<br />
immer egal, was die Väter der Rekruten<br />
waren, auch wenn darunter vielleicht ein<br />
General war.<br />
Wie schwer ist Ihnen das Outing in<br />
der Kaserne gefallen?<br />
Ich habe mich innerlich lange davor<br />
gewunden. Aber nachdem Mario (Anmerkung:<br />
Ehemann Major Falak) sich<br />
an der Militärakademie geoutet hat,<br />
bin ich natürlich nachgezogen.<br />
Was haben Ihre Kameraden dazu<br />
gesagt und darauf reagiert?<br />
Was soll einem als Vizeleutnant schon<br />
passieren? Mir konnte niemand mehr<br />
ans Bein pinkeln. Das Outing war ein<br />
positiver Erfolg! Einige haben es ja bereits<br />
geahnt, aber niemand hat es ausgesprochen.<br />
Meinen Alltag und Dienst hat<br />
es jedenfalls enorm erleichtert, da ich<br />
etwa nicht mehr verstecken musste,<br />
wenn mich Mario abgeholt hat. Und ich<br />
musste daheim nichts wegräumen, wenn<br />
ich Besuch bekommen habe. Ich hätte<br />
mich viel früher outen sollen, denn man<br />
verschenkt mit dem ewigen Zuwarten<br />
viel zu viel Zeit.<br />
Wie gefällt Ihnen der Film über Sie?<br />
Beim ersten Mal war ich schockiert<br />
wegen der vielen Kraftausdrücke. Aber<br />
meine Kameraden haben gesagt: „Das<br />
bist schon du!“<br />
Wie viel an der Handlung entspricht<br />
der Realität und wie viel ist erfunden?<br />
Ich habe den Regisseur davor oft getroffen<br />
und wir haben viele Stunden geplaudert.<br />
Er meinte, 1:1 könne man die Geschichte<br />
nicht verfilmen, da die Zuschauer<br />
auch unterhalten werden wollen. Aber<br />
rund 80 Prozent des Films sind echt.<br />
Welche Szenen machen die restlichen<br />
20 Prozent aus?<br />
Den Heiratsantrag im Wiener Riesenrad<br />
gab es nie, denn wir haben uns in Dubai<br />
verlobt. Aber das war im Film aus Budgetgründen<br />
nicht möglich. Auch den<br />
Sturz in den Bach auf der Seetaler Alpe<br />
gab es nicht. Mario hätte so nicht reagiert,<br />
denn er ist mutig. Und ich habe<br />
nie in der Kaserne onaniert.<br />
„Eismayer“ von Regisseur<br />
David Wagner, mit Gerhard Liebmann<br />
(als Charles Eismayer), Luka Dimić<br />
(Mario Falak) und Julia Koschitz<br />
(Christina Eismayer).<br />
Österreich <strong>2022</strong>, 87 Minuten.<br />
LANGE DAVOR GEDRÜCKT Charles Eismayer wollte<br />
sich lange nicht outen – aus heutiger Perspektive hätte<br />
er den Schritt aber „viel früher setzen“ sollen.<br />
FOTOS: GOLDEN GIRLS FILMPRODUKTION, KARIM RAHOMA<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L