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museenkoeln DasMagazin 2_/22

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UM<br />

Texte: Rüdiger Müller<br />

Zeichnung<br />

einer Bergamotte,<br />

Frucht und Blüte<br />

Die »Duftorgel«<br />

unterstützt den<br />

Parfümeur bei<br />

seiner Arbeit<br />

Immer der Nase nach<br />

Das Duftgedächtnis bestimmt uns ein<br />

Leben lang. Mit der Nase entdecken wir<br />

die Welt, Duft schafft Emotionen und<br />

Begehrlichkeiten. So tüfteln Parfümeure<br />

und Chemiker in vielen Lebensbereichen<br />

an der idealen Note. So soll im<br />

Supermarkt ein angenehmer Duft die<br />

Kauflaune der Kundschaft heben. Autohersteller<br />

wissen, dass die Liebe zum<br />

Automobil auch durch die Nase geht:<br />

Laut Umfrage ist der Duft im Innenraum<br />

eines Neuwagens für 47 Prozent<br />

der Fahrer*innen kaufentscheidend. Und<br />

auch danach erfreuen sie sich an der<br />

perfekt komponierten Duftmischung<br />

aus Leder, Textilien und Kunststoffen,<br />

dem typischen Neuwagenduft. Auch in<br />

der zumeist geruchsneutralen Welt der<br />

Museen denkt man immer häufiger darüber<br />

nach, die Nase ins Ausstellungserlebnis<br />

einzubeziehen. Das liegt zum<br />

einen an Künstler*innen, die Gerüche in<br />

ihre meist konzeptionelle Kunst aufnehmen.<br />

Zum anderen an der Motivation,<br />

das Gezeigte noch unmittelbarer an den<br />

Betrachter zu bringen. Warum sollte es<br />

vor einem Gemälde mit Sommerwiese<br />

nicht nach Blumen und Gras duften?<br />

Warum beim Bild des Fischmarkts nicht<br />

nach Hering und Makrele? Immanuel<br />

Kant (1724 – 1804) würde im Grabe<br />

rotieren: Riechen und Ästhetik sind für<br />

den Philosophen der Aufklärung unvereinbar,<br />

wahre Kunst braucht für ihn<br />

den gebührenden Abstand. Da stört der<br />

als primitiv und animalisch geächtete<br />

Geruchssinn nur, weil er ohne Umweg<br />

die Emotionen direkt ins Hirn katapultiert.<br />

Das lässt sich auch in historischen<br />

Ausstellungen nutzen: Für eine Ausstellung<br />

im Militärhistorischen Museum der<br />

Bundeswehr in Dresden rekonstruierte<br />

die norwegische Künstlerin Sissel Tolaas<br />

den Gestank in den Schützengräben<br />

des Ersten Weltkriegs, einer Mischung<br />

aus toten Körpern, Erde, Schweiß und<br />

Senfgas. Auch wenn es Besucher*innen<br />

an den Rand des Erträglichen brachte,<br />

Geschichte in Gerüchen zu erzählen,<br />

kann es ein besonders emotionales und<br />

eindringliches Erlebnis sein.<br />

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