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museenkoeln DasMagazin 2_/22

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ALL<br />

Kristallreliquiar mit Pergamentmalerei,<br />

Rhein-Maas-Gebiet/Köln (?), Anfang 13. Jh.,<br />

Dänisches Nationalmuseum, Kopenhagen<br />

Reliquienwagen, um 1200,<br />

Kathedrale Sainte-Croix, Orléans<br />

Ängste den Alltag dominierten, zeigt<br />

ein kleiner herzförmiger Bergkristallanhänger<br />

(Abb. Seite 14 rechts), der<br />

als sog. »Verschreistein« besonders<br />

werdende Mütter vor dem Erschrecken<br />

schützen sollte. Man glaubte, dass es<br />

dadurch zu Missbildungen am ungeborenen<br />

Kind kommen könne. Kühlkugeln<br />

aus Bergkristall, die man bei<br />

Hitze zur Erfrischung in den Händen<br />

hielt oder sie Kranken zur Senkung des<br />

Fiebers reichte, haben sich in einigen<br />

wenigen Exemplaren erhalten. Ab dem<br />

14. Jahrhundert tauchen sie häufiger<br />

in den Besitzinventaren von Fürsten<br />

und Kirchen auf. An der Berliner<br />

Kühlkugel lässt sich gut erkennen,<br />

dass diese Objekte noble Accessoires<br />

hochrangiger Persönlichkeiten waren:<br />

Die fein geschliffene Kugel ist in Silber<br />

gefasst und wurde in einem kunstfertigen<br />

Lederetui verwahrt oder mit auf<br />

Reisen genommen. Vor dämonischen<br />

Bedrohungen, Krankheiten oder gar<br />

dem Tode sollte der ›magische‹ Gürtel<br />

bewahren, der von einer kastilischen<br />

Familie über Generationen gehütet<br />

und benutzt worden sein dürfte. Das<br />

im Grenzbereich zwischen christlichem<br />

Glauben und Aberglauben entstandene<br />

Utensil ist reich mit Münzen und<br />

Amuletten, darunter auch mehrfach<br />

die Feigenhand, bestückt. In der Mitte<br />

hängt an einer Kette aus Rosenkranzperlen<br />

ein großer Kristallschädel (Abb.<br />

Seite 14 links). In ihm kommt der Gedanke<br />

des Memento mori (»Bedenke,<br />

dass Du sterben wirst!«) zum Ausdruck,<br />

das auch die aus schwarzem Gagat<br />

gefertigten Wendehäupter des Rosenkranzes<br />

versinnbildlichen. Vermochte<br />

die Kälte des kristallenen Schädels bei<br />

der Berührung möglicherweise eine<br />

Vorahnung des Todes über die Sinneswahrnehmung<br />

zu vermitteln?<br />

Die wichtigste Eigenschaft des<br />

Bergkristalls besteht zweifellos in seiner<br />

Transparenz. Ab dem 11. Jahrhundert<br />

gingen Bergkristall und Reliquie eine<br />

Allianz ein, die die gesamte mittelalterliche<br />

Kunstproduktion ganz wesentlich<br />

prägte: Lange bevor transparentes<br />

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