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Script Ingenieurvermessung WPB, Teil A1 (S.1-61

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Fachhochschule Bochum<br />

Fachbereich Vermessung und Geoinformatik<br />

Ausgewählte Methoden<br />

der <strong>Ingenieurvermessung</strong><br />

5. Semester<br />

<strong>Ingenieurvermessung</strong> II (<strong>WPB</strong>) - <strong>Teil</strong> 1<br />

Prof. Dr.-Ing. M. Bäumker<br />

Version 21.10.2010


1 Einleitung<br />

Die täglichen Vermessungsarbeiten eines Vermessungsingenieurs erstrecken sich<br />

i.d.R. auf die koordinatenmäßige Bestimmung von Objektpunkten (Lage und Höhe)<br />

mittels eines Tachymeters oder Nivelliers. Für diese Arbeiten existieren vielfach<br />

Vorschriften zur<br />

� Durchführung der Messungen<br />

� Kontrolle der Messungen<br />

� Einhaltung von Fehlergrenzen<br />

In der <strong>Ingenieurvermessung</strong> wird der Vermessungsingenieur allerdings mit<br />

Vermessungsaufgaben konfrontiert, die sich einerseits mit den herkömmlichen<br />

Messverfahren nicht durchführen lassen und andererseits spezielle Messverfahren<br />

und Messsensoren erfordern. Darüber hinaus sind auch die<br />

Genauigkeitsanforderungen, die oft in Form von Toleranzen angegeben sind,<br />

deutlich höher. Zur Einhaltung dieser Genauigkeitsanforderungen sind daher oftmals<br />

spezielle Messverfahren und Messsensoren sowie die Berücksichtigung von bisher<br />

nicht näher betrachteten oder außer acht gelassenen Fehlereinflüssen erforderlich.<br />

Die hier speziell behandelten Themen sind:<br />

� präzise Höhenbestimmung (auch über längere Entfernungen)<br />

� Azimutbestimmung mittels Kreiselmessungen<br />

� Industriemesssysteme zur 3D-Koordinatenbestimmung<br />

� Anlage von Sondernetzen für Absteckungs- und Überwachungsaufgaben.<br />

2 Präzise Höhenbestimmung<br />

Die präzise Höhenbestimmung gehört zu den Standardaufgaben der<br />

<strong>Ingenieurvermessung</strong>. Obwohl für großräumige Ingenieurprojekte für die<br />

Höhenbestimmung auch das Satellitenmessverfahren (GPS, GLONASS) eingesetzt<br />

werden kann, wird die höchste Genauigkeit noch immer mit dem geometrischen<br />

Nivellement erreicht (bis zu 0.2 mm/km). Durch die Entwicklung der Digitalnivelliere<br />

(z.B. Leica NA 2000, Zeiss DiNi 10T, LEICA DNA 03)<br />

wurde das geometrische Nivellement zwar<br />

weitestgehend automatisiert und einfacher, die<br />

Problematiken in Bezug auf die Fehlereinflüsse und<br />

deren Elimination sind aber geblieben. Aber auch der<br />

Einsatz von Libellennivellieren in Bereichen mit einem<br />

schwingenden oder vibrierenden Untergrund oder in<br />

einer Umgebung mit starken Magnetfeldern oder bei<br />

Sichtbehinderungen hat heute noch seine<br />

Daseinsberechtigung. Von den verschiedenen Möglichkeiten zur präzisen<br />

Höhenbestimmung sollen hier folgende Verfahren näher beleuchtet werden:<br />

� Geometrisches Nivellement (Feinnivellement)<br />

� Trigonometrisches Nivellement<br />

� Strom- oder Talübergangsmessung<br />

1<br />

2.1 Geometrisches Feinnivellement<br />

Das geometrische Feinnivellement wird mit Nivellieren sehr hoher bzw. höchster<br />

Genauigkeit und Präzisionsnivellierlatten (<strong>Teil</strong>ung beachten!) durchgeführt, wobei<br />

Genauigkeiten von bis zu 0.2 mm/km erzielbar sind. Diese sehr hohe Genauigkeit ist<br />

nur erreichbar, wenn besondere Vorkehrungen zur Ausschaltung von<br />

systematischen und zufälligen Fehlern getroffen werden. Dieses sind neben der<br />

obligatorischen Hin- und Rückmessung:<br />

� gleiche Zielweiten (i.d.R. 30 m ± 0.5 m) � Einstellen der<br />

Entfernungstoleranz bei Digitalnivellieren<br />

� nivellitische Refraktion � Zielstrahl > 0.5 m über Boden; bei Bergstrecken:<br />

Durchführung der Messungen zu Zeiten mit einem geringen<br />

Temperaturgradienten (kleiner Quotient dn/dh)<br />

� Fehler der Nivellierlatten � Kalibration der Nivellierlatten in Bezug auf<br />

Maßstabs-, <strong>Teil</strong>ungs- und Nullpunktfehler<br />

� Schiefstellung der Latte � Kalibration der Dosenlibelle<br />

� Kompensator- oder Libellenfehler � Überprüfung und Kalibration des<br />

Instruments vor Messungsbeginn (z.B. nach Kukkamäki)<br />

� Kompensationsrestfehler bei automatischen Nivellieren � Verfahren rote<br />

Hose<br />

� Einsinken des Instrumentes � Beobachtungsreihenfolge RI, VI, VII, RII<br />

� Temperatureinflüsse auf das Instrument � Akklimatisation des Instruments,<br />

Benutzung eines Feldschirms<br />

Die Berechnung der Standardabweichung für einen Kilometer Doppelnivellement<br />

wird dabei gemäß<br />

✤✁h1km = 1<br />

2 $<br />

1<br />

n<br />

dd<br />

l[km]<br />

(Herleitung s. z.B. Skript Fehlerlehre und Statistik S. 29, 35-37)<br />

mit<br />

d = ✁hhin − ✁hrück<br />

n: Anzahl der <strong>Teil</strong>strecken<br />

l: Länge der <strong>Teil</strong>strecken in [km]<br />

berechnet, wobei die Berechnung mit mindestens zwei <strong>Teil</strong>strecken (n > 1) erfolgen<br />

sollte (z.B. durch Festlegung und Vermarkung von einen oder mehreren<br />

Zwischenpunkten).<br />

Beispiel für n=3:<br />

d1 = 0.8 mm<br />

l1 = 0.9 km<br />

dd<br />

l<br />

= 0.64 mm2<br />

0.9<br />

ù ✤✁h1km = 1<br />

2 $<br />

1<br />

n<br />

dd<br />

l[km]<br />

d2 = 1.2 mm<br />

l2 = 2.8 km<br />

dd<br />

l<br />

= 1.44 mm2<br />

2.8<br />

= 1<br />

2<br />

d3 = 1.5 mm<br />

l3 = 3.5 km<br />

dd<br />

l<br />

1<br />

3 $ 1.868 mm2<br />

km<br />

(Standardabweichung für 1 km Doppelnivellement)<br />

2<br />

= 2.25 mm2<br />

3.5<br />

= 0.395 mm


2.1.1 Korrektionen aufgrund des Erdschwerefeldes<br />

Beim Nivellement wird der Abstand zwischen zwei Äquipotentialflächen bestimmt.<br />

Als Bezugsfläche dient eine bestimmte Äquipotentialfläche, das sog. Geoid, das in<br />

erster Näherung mit der Meeresoberfläche übereinstimmt. Der Abstand der<br />

Äquipotentialflächen ergibt sich aber nur näherungsweise aus den beim Nivellement<br />

gemessenen Höhenunterschieden, da die Äquipotentialflächen gekrümmte und nicht<br />

exakt parallel zueinander verlaufende Flächen sind. Für die Nivellements höherer<br />

Ordnung sind daher zusätzliche Korrekturen aufgrund des Erdschwerefeldes<br />

anzubringen. Hierzu sind längs der Nivellementslinien Schweremessungen<br />

erforderlich. Die Korrekturen resultieren indirekt aus der Berechnung von<br />

Potentialwerten (geopotentielle Kote), die wie folgt aus den Lattenablesungen dhi<br />

und den Schweremessungen gi zu berechnen sind:<br />

✁W = WP − W0 = n<br />

✟ gi $ dhi = C<br />

U: Potentialwert des Niveauellipsoids (Modell)<br />

i=1<br />

W: wirklicher Potentialwert ellpsoidische Höhe: h = H + N<br />

P<br />

Äquipotentialfläche W=W P<br />

Meeresoberfläche<br />

Ellipsoid mit U = U0 = W0 N<br />

Die Potentialwerte WP für<br />

die einzelnen<br />

Nivellementspunkte<br />

werden anschließend über<br />

einen mittleren<br />

Schwerewert in einen<br />

Höhenwert umgerechnet.<br />

Je nachdem, ob der<br />

mittlere Schwerewert aus<br />

einem Modell<br />

(Normalschwere γ) oder<br />

aus einer Interpolation der<br />

wirklichen<br />

Erdschwerebeschleunigung g resultiert, spricht man von Normalhöhen oder<br />

orthometrischen Höhen.<br />

P<br />

1<br />

Normalhöhe: H mit<br />

N = C<br />

✏<br />

orthometrische Höhe: H = mit<br />

C<br />

g<br />

Δh 1<br />

Nivellement<br />

Δh<br />

2<br />

g g<br />

1 2<br />

H<br />

P 0<br />

Δh<br />

3<br />

g<br />

3<br />

3<br />

Erdoberfläche<br />

Geoid mit W = W0<br />

✏ = 1<br />

g = 1<br />

H $ H<br />

0<br />

H $ H<br />

✏ $ dH<br />

g $ dH<br />

0<br />

Δhn<br />

g<br />

n<br />

P<br />

2<br />

ΔH*<br />

Die Bezugsfläche für die orthometrischen Höhen, die bei exakter Kenntnis des<br />

Schwerefeldes eine exakte Potentialfläche repräsentieren, ist das Geoid. Den<br />

Normalhöhen liegt nicht das Geoid sondern das sog. Quasigeoid zugrunde, das im<br />

cm-Bereich mit dem Geoid übereinstimmt. Das Quasigeoid ist im Gegensatz zum<br />

Geoid aber keine echte Äquipotentialfläche<br />

Den Berechnungen der Normalhöhen liegt das System DHHN (Deutsches<br />

Haupthöhennetz 1992) sowie die Parameter des GRS 80 und die<br />

Nivellementspunktkoordinaten im System ETRS 89 zugrunde. Daneben existieren in<br />

den alten Bundesländern noch die sog. normalorthometrischen Höhen (oder<br />

sphäroidischen Höhen), die sich allerdings auf keine exakte Äquipotentialfläche<br />

beziehen, da bei der Berechnung der Potentialwerte an Stelle der gemessenen<br />

Schwerewerte gi die berechenbare Modellschwere γi benutzt wurde.<br />

Für die 1. Ordnungspunkte werden neben den Höhenwerten auch die Potentialwerte<br />

(geopotentielle Kote) geführt. Da die aus den Lattenablesungen ermittelten<br />

Höhenunterschiede in erster Näherung den Abstand der beiden Äquipotentialflächen<br />

repräsentieren, werden in der Praxis für die aus den einzelnen Lattenablesungen Δhi<br />

ermittelten Höhenunterschiede Korrekturwerte berechnet. Diese Korrekturwerte sind<br />

wie folgt aus den längs der Nivellementslinien zu messenden Schwerewerten g zu<br />

berechnen:<br />

a) Korrektion für orthometrische Höhen:<br />

E orth = ✟( g−✏ 0 45<br />

✏45 $ ✁hi) +<br />

0 g1−✏ 0 45<br />

✏45 0<br />

b) Korrektion für Normalhöhen:<br />

E N = ✟( g−✏ 0 45<br />

✏45 $ ✁hi) +<br />

0 ✏1−✏ 0 45<br />

✏45 0<br />

$ H1 − g 2 −✏ 0 45<br />

✏ 0 45<br />

$ H1 − ✏ 2 −✏ 0 45<br />

✏ 0 45<br />

$ H2<br />

$ H2<br />

mit der Normalschwere für die mittlere Breite 45°: ✏ 0 45 = 9.80<strong>61</strong>8 m<br />

s 2<br />

Beispiele:<br />

a) kleiner Höhenunterschied ✁h = 10 m:<br />

g1 = 9.81262 m s 2<br />

g 1 = 9.812662 m s 2<br />

H1 = 100 m<br />

g2 = 9.81260 m s 2<br />

g 2 = 9.812647 m s 2<br />

H2 = 110 m<br />

E orth = 6.56 $ 10 −3 m + 66.10 $ 10 −3 m − 72.54 $ 10 −3 m = 0.12 $ 10 −3 m = 0.12 mm<br />

4


) großer Höhenunterschied ✁h = 100 m:<br />

g1 = 9.81262 m s 2<br />

g 1 = 9.812662 m s 2<br />

H1 = 100 m<br />

g2 = 9.81220 m s 2<br />

g 2 = 9.812285 m s 2<br />

H2 = 200 m<br />

E orth = 0.0634 m + 0.006<strong>61</strong>0 m − 0.1245 m = 0.0050 m = 5 mm<br />

Diese Größenordnung ist nicht mehr zu vernachlässigen und bei Ingenieurprojekten<br />

in gebirgigen Regionen unbedingt zu berücksichtigen (z.B. beim Bau des<br />

Alpentransittunnels).<br />

2.1.2 Nivellitische Refraktion<br />

Eine Fehlerquelle, die insbesondere bei geneigtem Gelände und bei nicht gleichen<br />

Bodenabständen zwischen Nivellierlatte und Instrument auftritt, stellt die nivellitische<br />

Refraktion dar. Ursache hierfür ist der vertikale Temperaturgradient, der<br />

insbesondere bei den Luftschichten in Bodennähe bis zu -0.2°/m erreichen kann.<br />

Infolge einer unterschiedlichen Sonneneinstrahlung und einer unterschiedlichen<br />

Beschaffenheit der Erdoberfläche (Bewuchs) kann sich der Temperaturgradient<br />

örtlich stark ändern. Nimmt man nun einen parallelen Verlauf der Luftschichten zum<br />

Erdboden an, so wirkt sich die nivellitische Refraktion wie in der nebenstehenden<br />

Abbildung aus.<br />

Δhu<br />

Verlauf des Zielstrahls<br />

Nivellitische Refraktion<br />

Verlauf des Zielstrahls<br />

Beispiel für die Größenordnung der nivellitischen Refraktion:<br />

Annahme: oberer Temperaturgradient: -0.2°/m<br />

unterer Temperaturgradient: -0.1°/m<br />

Zielweite: 50 m<br />

5<br />

Δho<br />

Auswirkung der nivellitischen Refraktion:<br />

Aufwärtszielung: ✁ho = + 0.23 mm<br />

Abwärtszielung: ✁hu = + 0.11 mm<br />

Differenz (R-V): 0.12 mm<br />

Insbesondere bei länger an- oder absteigenden Nivellementswegen wirkt sich die<br />

nivellitische Refraktion systematisch aus. Möglichkeiten zur Reduzierung dieses<br />

Fehlereinflusses sind:<br />

� Verlauf der Zielstrahlen mindestens 0.5 m über dem Boden<br />

� kürzere Zielweiten<br />

� Durchführung des Nivellements zu Zeiten mit einem geringen<br />

Temperaturgradienten (morgens)<br />

� zusätzliche rechnerische Korrektion der nivellitischen Refraktion (aufwendig)<br />

Die zusätzliche rechnerische Korrektion erfordert die Bestimmung des vertikalen<br />

Temperaturgradienten für den Vor- und den Rückblick.<br />

2.1.3 Auswirkung einer Neigung des Zielstrahls<br />

Bei einem justierten und sorgfältig horizontierten Nivellier muss der Zielstrahl exakt<br />

horizontal verlaufen. Eine Neigung des Zielstrahls kann folgende Ursachen haben:<br />

� dejustiertes Fadenkreuz (Zielachse)<br />

� dejustierte Dosenlibelle<br />

� dejustierte Libelle bzw. Restfehler des Kompensators<br />

� Einspielfehler des Kompensators (Horizontschräge)<br />

� Einfluss von Temperaturänderungen auf die Libelle bzw. auf den<br />

Kompensator<br />

� Einfluss des Erdmagnetfeldes auf den Kompensator<br />

Ein Großteil dieser Fehler lässt sich durch gleiche Zielweiten bzw. durch das<br />

Verfahren rote Hose eliminieren. Für die einzuhaltenden Zielweiten im Hin- und<br />

Rückblick und die Neigung des Zielstrahls gilt folgender Zusammenhang mit dem<br />

Fehler der gemessenen Höhendifferenz:<br />

✑hV = sV $ ✒V<br />

✑hR = sR $ ✒R<br />

✑✁hR−V = sR $ ✒R − sV $ ✒V<br />

Für den Fall, dass die beiden Neigungen für den Hin- und Rückblick gleich sind, gilt:<br />

✑✁hR−V = (sR − sV) $ ✒ = ✁sR−V $ ✒<br />

d ✁sR−V = ✑✁hR−V<br />

✒<br />

6


s = 30 m<br />

✒ = 2” = 9.70 $ 10<br />

Beispiel:<br />

−6 rad<br />

!<br />

[ 0.01 mm<br />

✑✁hR−V<br />

d ✁sR−V<br />

!<br />

[<br />

0.01 mm<br />

9.70 $ 10−6 = 1.0 m<br />

rad<br />

2.1.4 Zusätzliche Fehlerquellen bei Digitalnivellieren<br />

Beim Eisatz von Digitalnivellieren können folgende zusätzliche Fehlerquellen bei der<br />

digitalen Ablesung der Latte auftreten:<br />

� Abhängigkeit der digitalen Ablesung von der Beleuchtung der Latte<br />

� Abhängigkeit von der Größe des Gesichtsfeldes (Entfernung)<br />

� Abhängigkeit der digitalen Ablesung von dem Codeabschnitt der Latte<br />

� Abhängigkeit der digitalen Ablesung von der Fokussierung<br />

Aufgrund dieser Fehlerquellen ist neben der Einhaltung von gleichen Zielweiten<br />

außerdem eine möglichst gleichmäßige und konstante Beleuchtung der Latte durch<br />

das Sonnenlicht und eine exakte Fokussierung zu gewährleisten.<br />

2.2 Strom- und Talübergangsivellement<br />

Zur Ausschaltung<br />

der wichtigsten<br />

Fehlerquellen des<br />

Nivellements ist die<br />

Einhaltung von<br />

gleichen Zielweiten<br />

eine<br />

Grundvoraussetzun<br />

g. In einigen<br />

Anwendungsfällen<br />

kann es jedoch<br />

vorkommen, dass<br />

diese Forderung<br />

nicht einzuhalten ist,<br />

z.B. beim Übergang<br />

über Gewässer und<br />

Täler, wobei Zielweiten von 1 km und mehr vorkommen können. Über diese<br />

Entfernung ist außerdem eine Ablesung der Latte nicht mehr möglich.<br />

Für diese Fälle sind spezielle Messverfahren zur Höhenübertragung anzuwenden.<br />

Eines dieser Messverfahren stellt das Strom- und Talübergangsnivellement dar, für<br />

die eine spezielle Messausrüstung erforderlich ist. Zur Ausschaltung der<br />

Refraktionseinflüsse erfolgt eine gleichzeitige Beobachtung von beiden Seiten. Da<br />

7<br />

über diese große Entfernung keine Lattenablesung mehr möglich ist, werden<br />

spezielle Zieltafeln eingesetzt. Die Instrumenten und Zieltafelstandpunkte sollten<br />

möglichst dicht am Ufer liegen, da die Refraktion über Wasser und Land deutlich<br />

anders ist. Zwecks Elimination der Instrumentenfehler erfolgt außerdem ein<br />

Austausch der Instrumente. Bevor auf die Messmethoden eingegangen wird, soll<br />

noch einmal die Auswirkung ungleicher Zielweiten diskutiert werden.<br />

2.2.1 Auswirkung ungleicher Zielweiten<br />

Wie bei jedem Nivellement wirken auch beim Tal- oder Stromübergang folgende<br />

Einflüsse, wobei hier zwei gleichzeitig messende Instrumente vorausgesetzt werden:<br />

� Neigungsfehler der Instrumente: ✒I<br />

� Einfluss der Refraktion: ✒R<br />

� Einfluss der Erdkrümmung: ✒E<br />

✒II<br />

Die Auswirkung dieser Fehler hängt dabei wesentlich von der Zielweite ab. Für die<br />

an beiden Ufern aufgestellten Instrumente ergeben sich folgende Messungen für<br />

den Vor- bzw. Rückblick:<br />

mit<br />

Instrument I Instrument II<br />

∏ VI VI VI<br />

VI = VI + ✒I + ✒R + ✒E<br />

∏ RI RI RI<br />

RI = RI + ✒I + ✒R + ✒E<br />

∏ VII VII VII<br />

VII = VII + ✒II + ✒R + ✒E<br />

∏ RII RII RII<br />

RII = RII + ✒II + ✒R + ✒E<br />

: fehlerfreie Vor- bzw. Rückblicke<br />

VI, RI, VII, RII<br />

R' II<br />

R'I<br />

V' II<br />

Instrument I Instrument II<br />

8<br />

V'<br />

I


Aus den Messungen ergeben sich nun folgende Höhenunterschiede:<br />

∏ ∏ ∏ RI RI RI VI VI VI ✁hI = RI − VI = RI + ✒I + ✒R + ✒E − (VI + ✒I + ✒R + ✒E )<br />

RI RI RI VI VI VI = RI − VI + ✒I + ✒R + ✒E − (✒I + ✒R + ✒E )<br />

RI RI RI VI VI VI = ✁h + ✒I + ✒R + ✒E − (✒I + ✒R + ✒E )<br />

∏ ∏ ∏ RII RII RII VII VII VII ✁hII = RII − VII = RII + ✒II + ✒R + ✒E − (VII + ✒II + ✒R + ✒E )<br />

RII RII RII VII VII VII = RII − VII + ✒II + ✒R + ✒E − (✒II + ✒R + ✒E )<br />

RII RII RII VII VII VII = ✁h + ✒II + ✒R + ✒E − (✒II + ✒R + ✒E )<br />

Mittelt man nun die beiden Höhenunterschiede, so erhält man:<br />

✁h∏ = ✁hI ∏ ∏ + ✁hII 2<br />

= ✁h + ✒ RI RI RI VI VI VI RII RII RII VII VII VII<br />

I + ✒R + ✒E − (✒I + ✒R + ✒E ) + ✁h + ✒II + ✒R + ✒E − (✒II + ✒R + ✒E )<br />

2<br />

= ✁h + ✒ RI RI RI VI VI VI RII RII RII VII VII VII<br />

I + ✒R + ✒E − (✒I + ✒R + ✒E ) + ✒II + ✒R + ✒E − (✒II + ✒R + ✒E )<br />

2<br />

Unter der Annahme, dass die beiden langen Zielweiten und die beiden kurzen<br />

Zielweiten gleich sind und dass die Refraktionseinflüsse auf beiden Seiten identisch<br />

sind, gilt:<br />

VI RII ✒R = ✒R<br />

RI VII ✒R = ✒R<br />

VI RII ✒E = ✒E<br />

RI VII ✒E = ✒E<br />

d ✁h∏ = ✁h + ✒ RI−✒I VI+✒II RII−✒II VII I<br />

2<br />

D.h. bis auf die instrumentell bedingten Neigungsfehler heben sich alle<br />

Fehlereinflüsse auf. Tauscht man nun die Instrumente auf beiden Seiten aus, so<br />

ergibt sich entsprechend folgender Höhenunterschied:<br />

✁h ∏∏<br />

= ✁h + ✒II R∏∏ II<br />

V∏∏ −✒ II<br />

R∏∏ II +✒ I<br />

V∏∏ I −✒ I<br />

I<br />

2<br />

Solange die instrumentell bedingten Neigungsfehler (Fehler des Kompensators) sich<br />

nicht ändern, gilt aber:<br />

VI R∏∏ I ✒I = ✒I<br />

Instrument I: Instrument II:<br />

V I ∏∏<br />

RI ✒I = ✒I<br />

9<br />

VII R∏∏ II ✒II = ✒II<br />

RII V∏∏ II ✒II = ✒II<br />

Die Mittelung der beiden Höhenunterschieden führt dann zu:<br />

✁h = ✁h∏ + ✁h ∏∏<br />

2<br />

= ✁h<br />

= ✁h + ✒ RI VI RII VII<br />

I − ✒I + ✒II − ✒II<br />

+<br />

4<br />

✒ R∏∏ II<br />

II<br />

V∏∏ II − ✒II R∏∏ I + ✒I 4<br />

V∏∏ I − ✒I D.h. der so berechnete Höhenunterschied ist fehlerfrei. Das Hauptproblem sind hier<br />

aber die Instrumentenfehler (Fehler des Kompensators), da diese sich nach dem<br />

Abbau, dem Transport auf die andere Seite und dem dortigen Aufbau nicht<br />

verändern dürfen.<br />

2.2.2 Verfahren mit verschiebbarer Zieltafel<br />

Bei diesem Verfahren, das - wie zuvor erörtert - ein Wechsel der Instrumente<br />

vorsieht, werden zwei analoge Nivelliere oder Libellennivelliere hoher Genauigkeit<br />

eingesetzt (nicht mit Digitalnivellieren möglich!). Zwecks Ablesung der Messlatte am<br />

gegenüberliegenden Ufer wird dort eine verschiebbare Zielmarke montiert. Die<br />

Messanordung zeigt die nebenstehende Abbildung. Dabei ist darauf zu achten, dass<br />

die vier Standpunkte von Latte und Instrument möglichst ein Parallelogramm bilden<br />

sollten.<br />

I 1<br />

R1<br />

Δh 1<br />

Messung 1<br />

R2<br />

V<br />

1<br />

Beobachtungsreihenfolge:<br />

Δh 2<br />

V<br />

2<br />

I2 I 2<br />

1. gleichzeitig R1 und V2<br />

2. gleichzeitig V1 und R2<br />

3. Wechsel der Beobachtungsstandpunkte<br />

4. gleichzeitig R3 und V4<br />

5. gleichzeitig V3 und R4<br />

10<br />

R<br />

3<br />

Δh 3<br />

Messung 2<br />

R<br />

4<br />

V<br />

3<br />

Δh 4<br />

V<br />

4<br />

I 1


Die Ablesungen an den verstellbaren Zieltafeln sind in mehreren Sätzen<br />

(mindestens 5) durchzuführen und zu mitteln. Der Höhenunterschied ΔH zwischen<br />

den beiden Lattenstandpunkten berechnet sich dann wie folgt:<br />

✁h1 = R1 − V1<br />

✁h2 = R2 − V2<br />

✁h3 = R3 − V3<br />

✁h4 = R4 − V4<br />

✁H = ✁h1 + ✁h2 + ✁h3 + ✁h4<br />

4<br />

2.2.3 Verfahren mit der Talübergangsausrüstung von Zeiss<br />

Die Genauigkeit des zuvor gezeigten Verfahrens hängt wesentlich davon ab, ob sich<br />

die Instrumentenfehler nach dem Transport auf die andere Tal- oder Uferseite<br />

verändert haben. Von Vorteil wäre daher eine vorherige Kalibration der<br />

Instrumentenfehler, so dass ein Austausch nicht notwendig ist. Die Kalibration<br />

erfolgt hier durch eine spezielle Ausrüstung.<br />

Bei diesem Verfahren wird ein spezielles Instrumentarium mit vier Ni 2, die mit<br />

einem speziellen Drehkeilvorsatz ausgerüstet sind, eingesetzt. Jeweils zwei Geräte<br />

werden auf einer Platte installiert und mit Hilfe der beiden Drehkeile zur<br />

gegenseitigen Kollimation gebracht.<br />

Stromübergangsausrüstung von Zeiss mit vier Ni 2<br />

11<br />

Ni 2 mit speziellem Drehkeilvorsatz<br />

Auch bei diesem Verfahren ist neben der Gleichzeitigkeit der Messungen darauf zu<br />

achten, dass die langen Zielweiten über dem Wasser und die kurzen Zielweiten auf<br />

beiden Seiten gleich lang sind. Dadurch wird erreicht, dass die Korrektionen wegen<br />

der Erdkrümmung und der Refraktion in den beidseitig gemessenen<br />

Höhenunterschieden gleich sind und bei der Bildung des Mittelwertes herausfallen.<br />

Als Hauptfehlereinfluss verbleibt der Einfluss wegen der unterschiedlichen<br />

Refraktion auf beiden Seiten, der nur durch eine Wiederholung der Messung bei<br />

einer unterschiedlichen Wetterlage weiter reduziert werden kann.<br />

Messung 1<br />

Messung 2<br />

Das besondere an diesem Verfahren ist, dass vor der eigentlichen Messung die<br />

beiden auf einer Grundplatte montierten und auf Unendlich fokussierten Nivelliere<br />

mit Hilfe des Drehkeils zur gegenseitigen Kollimation gebracht werden. Dadurch wird<br />

erreicht, dass im Falle einer dejustierten Ziellinie die Ziellinie des einen Instrumentes<br />

um den gleichen Winkel nach oben zeigt wie die Ziellinie des anderen Instrumentes<br />

nach unten zeigt. Eine Neigung der Ziellinie mittels Fußschrauben ist wegen des<br />

Kompensators nicht möglich.<br />

12


Werden die Nivelliere nun um die Stehachse gedreht bzw. auf die Latte oder die<br />

Zielmarken ausgerichtet, so bleibt die Neigung erhalten. Das Mittel aus beiden<br />

Ablesungen entspricht dann wegen der entgegengesetzten Neigungen genau dem<br />

Horizont.<br />

Bei dem Drehkeil handelt es sich um einen Vorsatz ähnlich der der bekannten<br />

planparallelen Platte (Planplattenmikrometer) beim Ni 2. Im Gegensatz zur<br />

planparallelen Platte wird der Zielstrahl aber nicht parallel versetzt sondern um einen<br />

Winkel γ geneigt.<br />

Die eingestellte Neigung lässt sich an einer<br />

Skala, die sich von 0 bis 20 erstreckt, ablesen.<br />

Die Mittelstellung (= Neigung 0) befindet sich<br />

bei 10. Die bezifferten Hauptstriche sind<br />

weiterhin mit 10 <strong>Teil</strong>strichen unterteilt. Jeder<br />

<strong>Teil</strong>strich entspricht 2.0”, so dass insgesamt ein<br />

Messbereich von ± 200” abgedeckt ist. Durch<br />

eine zusätzliche Schätzung (von 1 bis 10) lässt<br />

sich die Neigung dann auf ± 0.2” bestimmen.<br />

Beispiel: 9.78; Dieses entspricht einer Neigung<br />

von 195.6” - 200.0” = -4.4”.<br />

13<br />

Durch die Möglichkeit der gegenseitigen Kollimation und dadurch bedingten<br />

entgegengesetzten (Rest-) Neigungen der beiden Instrumente werden die<br />

instrumentellen Fehler wegen der unterschiedlichen Zielweiten eliminiert. Die durch<br />

die Refraktion hervorgerufenen Fehler versucht man dadurch zu eliminieren, indem<br />

auf beiden Uferseiten gleichzeitig und mit gleichen Zielweiten beobachtet wird. Im<br />

Gegensatz zum Feinnivellement erfolgt aber keine Ablesung der Latte am anderen<br />

Ufer (wegen der großen Zielweite nicht möglich), sondern der Zielstrahl wird auf eine<br />

Zieltafel bzw. i.d.R. auf zwei senkrecht untereinander befestigte Zieltafeln<br />

nacheinander ausgerichtet. Auch hierzu wird die Verstellmöglichkeit des Zielstrahls<br />

mittels des Drehkeils und die Ablesung der Neigung an der Skala genutzt, d.h. das<br />

Nivellement wird mit einem geneigten Zielstrahl durch geführt.<br />

Die gegenseitige Kollimation wird nach jedem Rück- bzw. Vorblick wieder neu<br />

durchgeführt, wobei alternierend einmal das eine Instrument und anschließend das<br />

andere Instrument auf die Mittelstellung (10.00) eingestellt wird. Dabei wird auch die<br />

Libelle zur Horizontierung des Instruments neu eingespielt, wobei zur Eliminierung<br />

der Horizontschräge alternierend auf den Rückblick und anschließend auf den<br />

Vorblick horizontiert wird (vgl. Verfahren rote Hose).<br />

Messungsablauf (auf jeder Uferseite):<br />

Rückblick: zur aufgesetzten Latte auf dem Bolzen an der Zielmarkenhalterung<br />

(kurze Strecke, mittels Drehkeil auf volle cm einstellen)<br />

Vorblick: zu den beiden Zielmarken am anderen Ufer (lange Strecke)<br />

1. Messung des vertikalen Abstandes der beiden angezielten (am anderen Ufer!)<br />

Zieltafeln: b<br />

2. Gegenseitige Kollimation der beiden auf eine Grundplatte montierten Ni 2<br />

(Drehkeil des einen Instrument auf Mittelstellung n0 = 10,00 einstellen):<br />

14


Messungen (Drehkeilablesungen von Instrument A, B): n0<br />

3. Ausrichtung und Einstellung der Latte am selben Ufer bzw. der beiden Zieltafeln<br />

am anderen Ufer durch Verstellen der Drehkeile:<br />

Messungen untere Marke bzw. Zieltafel (Drehkeilablesungen von Instrument<br />

n1<br />

A, B): (unten)<br />

∏ n1 Messungen obere Marke bzw. Zieltafel (Drehkeilablesungen von Instrument<br />

n2<br />

A, B): (oben)<br />

∏ n2 4. Messung des Abstandes b der beiden angezielten Marken (cm-<strong>Teil</strong>striche)<br />

5. Allgemeine Berechnungen für die Messungen zu den beiden Marken bzw. zu den<br />

beiden Zieltafeln am anderen Ufer (Annahme: kleine Neigungswinkel):<br />

Instrument 1<br />

Instrument 2<br />

n 2<br />

n1 n'1 S<br />

n' 2<br />

obere<br />

Zieltafel<br />

n 0<br />

n' 0<br />

untere<br />

Zieltafel<br />

n 0 ∏<br />

h<br />

b = n0 − n1<br />

n2 − n1<br />

d h = b $ n0 − n1<br />

n2 − n1<br />

h∏ b = n0 ∏ ∏ − n1 ∏ ∏ n2 − n1<br />

d h ∏ = b $ n 0 ∏ − n 1 ∏<br />

n 2 ∏ − n1 ∏<br />

H =<br />

h + h∏<br />

2<br />

Die nach (3) berechnete Höhe H (für ein Doppelinstrument) entspricht dem wahren<br />

Horizont - bezogen auf die untere Zieltafel bzw. untere Marke. Da die<br />

Drehkeilablesungen sowohl im Nenner als auch im Zähler vorkommen, spielt es<br />

keine Rolle in welcher Einheit (rad, ”, Gon) die Neigungsmessungen verwendet<br />

werden. Für die Berechnung der Höhenunterschiede h, h’ und H werden die<br />

Zielweiten S bzw. S’ nicht benötigt. In dem Mittel H sind zwar die Neigungsfehler des<br />

Doppelinstruments eliminiert, nicht aber die Fehler aufgrund der Refraktion und<br />

Erdkrümmung. Hierzu werden die Messungen des Doppelinstruments am anderen<br />

Ufer benötigt. Diese sollten möglichst gleichzeitig durchgeführt werden, und auch die<br />

beiden Zielweiten S, S’ sollten möglichst mit denen am anderen Ufer<br />

übereinstimmen.<br />

15<br />

b<br />

h' h<br />

H<br />

(1)<br />

(2)<br />

(3)<br />

Die Zielweiten S bzw. S’ lassen sich ebenfalls über die beiden gemessen<br />

Neigungen, die hier entweder in der Einheit rad (links) oder unter Berücksichtigung<br />

der Skalenfaktoren (rechts) zu verwenden sind, berechnen:<br />

S =<br />

S ∏ =<br />

b<br />

n2 − n1<br />

b<br />

n 2 ∏ − n1 ∏<br />

bzw.<br />

S =<br />

S ∏ =<br />

b $ ✯”<br />

(n2 − n1) $ 20.6” =<br />

b $ 206265”<br />

(n2 − n1) $ 20.6”<br />

(4a)<br />

b $ ✯”<br />

(n∏ ∏ =<br />

b $ 206265”<br />

2 − n1 ) $ 20.6” (n∏ ∏ (4b)<br />

2 − n1 ) $ 20.6”<br />

d.h. die Strecken lassen sich mit ausreichender Genauigkeit wie folgt aus den<br />

beiden Drehkeilablesungen und dem vertikalen Abstand b der beiden Zielmarken<br />

berechnen:<br />

mit<br />

S =<br />

S ∏ =<br />

b $ 10 000<br />

n2 − n1<br />

b $ 10 000<br />

n 2 ∏ − n1 ∏<br />

(4c)<br />

(4d)<br />

n0, n’0: Ablesungen der gegenseitigen Kollimation<br />

n1, n’1: Ablesungen untere Marke<br />

n2, n’2: Ablesungen obere Marke<br />

Die Zielweite S kann zusätzlich zur Refraktionskorrektion eingesetzt werden. Diese<br />

berechnet sich nach:<br />

cR = (1 − k) $ S2<br />

2$R<br />

(5) (Herleitung folgt auf S. 24ff)<br />

Die Refraktionskorrektur ist dann notwendig, wenn die beiden langen bzw. die<br />

beiden kurzen Zielweiten nicht identisch sind. In diesem Fall sind die auf beiden<br />

Talseiten berechneten Höhenunterschiede nach (5) zu korrigieren.<br />

Genauigkeitsbetrachtungen:<br />

In den o.a. Gleichungen (1) bis (4) müsste - streng genommen - an Stelle der<br />

Neigungen n der Tangens der Neigungen eingesetzt werden. Da aber die<br />

Neigungen maximal ±206” (Verstellbereich des Drehkeils) erreichen können, können<br />

die Neigungswinkel ohne Genauigkeitsverlust im Bogenmaß verwendet werden.<br />

Beweis:<br />

tan(206”) = 0.0009987165<br />

Differenz: 3 $ 10 (0.0003 mm/km)<br />

206”<br />

= 0.0009987162<br />

206264.8” −10<br />

16


Der eigentliche Höhenunterschied berechnet sich nach (1) bzw. (2), wobei hier nur<br />

der mit Instrument 1 bestimmte Höhenunterschied fehlertheoretisch näher betrachtet<br />

wird.<br />

h = b $ n0 − n1<br />

n2 − n1<br />

(1a)<br />

h ∏ = b $ n 0 ∏ − n 1 ∏<br />

n 2 ∏ − n1 ∏ (1b)<br />

n0, n’0: Ablesungen der gegenseitigen Kollimation<br />

n1, n’1: Ablesungen untere Marke<br />

n2, n’2: Ablesungen obere Marke<br />

b: vertikaler Abstand der beiden Zieltafeln bzw. Marken<br />

Die Differentiation von (1a) nach den vier fehlerbehafteten Größen ergibt:<br />

Øh<br />

Øb = n0 − n1<br />

n2 − n1<br />

Øh<br />

Øn0<br />

= b $<br />

1<br />

n2 − n1<br />

Øh<br />

Øn1<br />

= b $ −(n2 − n1 ) + (n0 − n1)<br />

(n2 − n1) 2<br />

= b $ n0 − n2<br />

(n2 − n1) 2 = S $ n0 − n1<br />

n2 − n1<br />

Øh<br />

= b $<br />

Øn2<br />

−(n0 − n1 )<br />

(n2 − n1 ) 2 = −S $ n0 − n1<br />

n2 − n1<br />

wobei nach (4a) gilt:<br />

Die Standardabweichung für ein Instrument (!) ergibt sich daher zu:<br />

✤h<br />

✤ h 2 = n0 − n1<br />

n2 − n1<br />

2<br />

2 2 2 2 n0 − n2<br />

$ ✤b + S $ ✤n0 + S $ n2 − n1<br />

(alle Neigungen in der Einheit rad!)<br />

+ S 2 $ −(n0 − n1 )<br />

(n2 − n1 )<br />

2<br />

2 $ ✤n1 2<br />

2 $ ✤n2 (6)<br />

S =<br />

b<br />

n2 − n1<br />

Die Standardabweichungen für eine Neigungsmessung setzt sich einerseits aus der<br />

Einstellung der Zielmarke bzw. der gegenseitigen Kollimation mittels des Drehkeils<br />

und der Ablesung selbst zusammen. Im Gegensatz zur gegenseitigen Kollimation<br />

unterliegt dabei die Einstellung der Zielmarke auch atmosphärischen Störungen<br />

(z.B. Flimmern), die sich insbesondere bei der langen Zielweite auf die<br />

Einstellgenauigkeit auswirkt. Die Schätzung der Drehkeilverstellung an der<br />

Ableseskala selbst lässt sich mit einer Standardabweichung von ca. ± 0.2”<br />

durchführen (s. o.a. Beispiel), so dass unter normalen Bedingungen folgende<br />

Standardabweichungen für die Neigungmessungen erreichbar sind:<br />

17<br />

� gegenseitige Kollimation: ✤n0 = 0.3” = 1.45 $ 10 −6 rad<br />

� Zielmarkeneinstellungen für kurze Zielweite (unten, oben) :<br />

✤n1, ✤n2 = 0.4” = 2 $ 10 −6 rad<br />

� Zielmarkeneinstellungen für lange Zielweite (unten, oben) :<br />

� vertikaler Abstand der Zielmarken: ✤b = 0.2 mm<br />

✤n1, ✤n2 = 0.8” = 4 $ 10 −6 rad<br />

Mit diesen Standabweichungen ergibt sich unter der Annahme, dass sich die<br />

Zieltafeln (unten, oben) symmetrisch zur Mitte des Zielstrahls von n0 befinden für<br />

eine Strecke von 300 m für die lange Zielweite folgende Standardabweichung für<br />

den Höhenunterschied:<br />

Neigungen bei symmetrischer Anordnung der Zieltafeln:<br />

n2 − n1 = b<br />

S<br />

n2 − n0 = b<br />

2 $ S<br />

n0 − n1 = b<br />

2 $ S<br />

Hieraus ergibt sich für die Differenzenquotienten:<br />

n0 − n1<br />

n2 − n1 =<br />

b $<br />

b<br />

2$S<br />

b<br />

S<br />

1<br />

n2 − n1 = b b<br />

S<br />

= 1 2<br />

= S<br />

b $ n0<br />

−b<br />

− n2 b $ 2$S<br />

2 =<br />

(n2 − n1) ( b<br />

−b2<br />

=<br />

)2 2 $ S<br />

b $ −(n0<br />

b<br />

− n1) −b $ 2$S<br />

2 =<br />

(n2 − n1) ( b<br />

−b2<br />

=<br />

)2 2 $ S<br />

S<br />

S<br />

S2<br />

$<br />

b2 = −<br />

S<br />

2<br />

S2<br />

$<br />

b2 = −<br />

S<br />

2<br />

Setzt man (7) in (6) ein, so erhält man schließlich für die lange Zielweite:<br />

✤ h 2 = 1 2<br />

2<br />

2 2 2 $ ✤b + S $ ✤n0 +<br />

S2 4 $ ✤2 n1 +<br />

S2 4 $ ✤2 n2<br />

= 1 4 $ (0.0002 m)2 + (300 m) 2 $ (1.45 $ 10 −6 rad) 2 +<br />

(7)<br />

(300 m)2<br />

4<br />

+ (300 m)2<br />

$ (4 $ 10<br />

4<br />

−6rad) 2<br />

= (0.05 mm) 2 + (0.44 mm) 2 + (0.6 mm) 2 + (0.6 mm) 2 = 0.91 mm2 d ✤h = 0.95 mm (für ein Instrument)<br />

18<br />

$ (4 $ 10 −6 rad) 2


Entsprechend erhält man für die kurze Zielweite mit S = 10 m:<br />

✤ h 2 = 1 2<br />

2<br />

2 2 2 $ ✤b + S $ ✤n0 +<br />

S2 4 $ ✤2 n1 +<br />

S2 4 $ ✤2 n2<br />

= 1 4 $ (0.0002 m)2 + (10 m) 2 $ (1.45 $ 10 −6 rad) 2 +<br />

(10 m)2<br />

4<br />

$ (2 $ 10 −6 rad) 2<br />

+ (10 m)2<br />

$ (2 $ 10<br />

4<br />

−6rad) 2<br />

= (0.05 mm) 2 + (0.01 mm) 2 + (0.01 mm) 2 + (0.01 mm) 2 = 0.0029 mm2 d ✤h = 0.05 mm<br />

Dieser Anteil ist gegenüber dem Anteil aus der langen Strecke nahezu zu<br />

vernachlässigen. Der Höhenunterschied H ergibt sich aus dem Mittelwert beider<br />

Instrumente, sodass bei Annahme gleicher Standardabweichungen gilt:<br />

✤H = 1<br />

2<br />

$ ✤h<br />

= 0.7 mm<br />

Mittel aus beide Seiten:<br />

✤ H =<br />

1<br />

4 $ ✤2 H1 +<br />

1 2 $ ✤H2 4<br />

= 1<br />

2 $ ✤H für ✤H1 = ✤H2 = 0.5 mm<br />

Dieses ist die mit einem Doppelinstrument unter normalen atmosphärischen<br />

Bedingungen erzielbare Standardabweichung für eine Zielweite von 300 m. Damit<br />

die Einflüsse wegen Refraktion und Erdkrümmung eliminiert werden, sind die an<br />

beiden Ufern ermittelten Höhenunterschiede H ebenfalls zu mitteln. Dabei ist zu<br />

beachten, dass die Zielweiten S, S’ auf beiden Ufern gleich sind, da anderenfalls<br />

vorher eine Korrektion nach (5) wegen der ungleichen Zielweiten anzubringen sind.<br />

Die Genauigkeit der Einhaltung der Zielweiten lässt sich durch Differentiation von (5)<br />

abschätzen:<br />

cR = (1 − k) $ S2<br />

2 $ R<br />

ØcR<br />

ØS<br />

= (1 − k) $ 2 $ S<br />

2 $ R = (1 − k) $ S R<br />

d ✁cR ¡ (1 − k) $ S R<br />

$ ✁S<br />

Fordert man nun, dass der Einfluss kleiner als 0.1 mm bleiben soll, so ergibt sich mit<br />

k = 0.13, R = 6371 000 m und S = 300 m folgende Anforderung für die Differenz der<br />

beiden Zielweiten:<br />

(8)<br />

✁S !<br />

[ ✁cR<br />

(1 − k) $ R S<br />

✁S !<br />

[ 0.0001 m<br />

$<br />

6371 000 m<br />

= 2.4 m<br />

(1 − 0.13) 300 m<br />

19<br />

Messungsablauf:<br />

Zur Genauigkeitssteigerung wird mit jedem Instrument der Rückblick zu der Latte<br />

am eigenen Ufer zweifach und der Vorblick zu den Zieltafeln am anderen Ufer<br />

sechsfach in folgender Reihenfolge gemessen:<br />

� Autokollimation (Instrument 1 auf 10,00 einstellen)<br />

� 1. Rückblick (auf cm-Marken)<br />

� Autokollimation (Instrument 2 auf 10,00 einstellen)<br />

� 1. Vorblick (auf Zieltafeln am anderen Ufer)<br />

� Autokollimation (Instrument 1 auf 10,00 einstellen)<br />

� 2. Vorblick (auf Zieltafeln am anderen Ufer)<br />

� Autokollimation (Instrument 2 auf 10,00 einstellen)<br />

� 3. Vorblick (auf Zieltafeln am anderen Ufer)<br />

� Autokollimation (Instrument 1 auf 10,00 einstellen)<br />

� 4. Vorblick (auf Zieltafeln am anderen Ufer)<br />

� Autokollimation (Instrument 2 auf 10,00 einstellen)<br />

� 5. Vorblick (auf Zieltafeln am anderen Ufer)<br />

� Autokollimation (Instrument 1 auf 10,00 einstellen)<br />

� 6. Vorblick (auf Zieltafeln am anderen Ufer)<br />

� Autokollimation (Instrument 2 auf 10,00 einstellen)<br />

� 2. Rückblick (auf cm-Marken)<br />

� Autokollimation (Instrument 1 auf 10,00 einstellen)<br />

Um restliche Fehler des Kompensators (Horizontschräge) zu eliminieren, muss vor<br />

jeder Kollimation die Dosenlibelle neu eingespielt werden und zwar alternierend mit<br />

der Ausrichtung des Okulars zum Vorblick bzw. zum Rückblick hin (vergleichbar mit<br />

dem Verfahren rote Hose). Für die Durchführung des Stromübergangsnivellements<br />

in dieser Reihenfolge gibt es ein spezielles Feldbuch, in dem diese Besonderheiten<br />

und die o.a. Messreihenfolge berücksichtigt sind.<br />

Zuletzt ist noch die Übertragung der Höhe des Bolzens an der Zieltafelbefestigung<br />

zum Höhenbolzen des Nivellementsfestpunktes oder einem sonstigen Festpunkt<br />

notwendig. Dieser Anschluss erfolgt in gewohnter Weise mittels Feinnivellement mit<br />

gleichen Zielweiten.<br />

Die Messungen mit dem zweiten Instrumentarium auf der anderen Talseite sind<br />

gleichzeitig durchzuführen, d.h. die langen Zielweiten und die kurzen Zielweiten<br />

müssen zur gleichen Zeit gemessen werden, damit der Einfluss der Refraktion<br />

eliminiert wird. Damit die Höhenunterschiede mit gleichem Vorzeichen<br />

herauskommen, sind die zuvor eingeführten Bezeichnungen bei der Reihenfolge der<br />

Messungen für den Vor- bzw. Rückblick auszutauschen.<br />

Insgesamt werden auf beiden Ufern aus den Messungen des Doppelinstruments<br />

jeweils zwei Höhen H1 und H2 bestimmt, die als Vor- und Rückblick zu betrachten<br />

sind. Aus diesen vier Messungen ist dann der Höhenunterschied zwischen den<br />

beiden Bolzen an der Zieltafelhalterung wie folgt zu berechnen:<br />

20


HB 1 Feinnivellement<br />

H R1<br />

Doppelinstrument I<br />

Δh1 I<br />

2<br />

✁h1 = R1 − V1 = H 2 I − H1 I<br />

✁h2 = R2 − V2 = H 1 II − H2 II<br />

H II<br />

1<br />

R2<br />

V<br />

1<br />

H I<br />

1<br />

Δh2 Doppelinstrument II<br />

V<br />

2 H II<br />

2<br />

✁H = ✁h1 + ✁h2<br />

2<br />

Feinnivellement<br />

HB 2<br />

Anschließend sind noch durch ein Feinnivellement die Höhen von den an der<br />

Zieltafelhalterung befindlichen Höhenbolzen zu den beiden Höhenfestpunkten HB1<br />

bzw. HB2 zu übertragen. Eine weitere Konstellation ist möglich, wenn auf den beiden<br />

Höhenbolzen mit den Doppelinstrumenten zwei volle cm-Marken (obere und untere<br />

Marke) einer Nivellierlatte angezielt werden. Die untere Marke der Nivellierlatte ist<br />

dabei als Höhe über dem Bolzen zu verwenden. Aus den Drehkeilmessungen ergibt<br />

sich dann der zu der unteren Marke zu addierende Abstand. Dann ergibt sich<br />

folgende Messanordnung:<br />

HB 1 Feinnivellement<br />

H I<br />

2<br />

R1<br />

Doppelinstrument I<br />

Δh1 H II<br />

1<br />

R2<br />

V<br />

1<br />

H I<br />

1<br />

21<br />

Δh2 Doppelinstrument II<br />

V<br />

2<br />

Feinnivellement<br />

H II<br />

2<br />

HB 2<br />

2.3 Trigonometrische Höhenbestimmung<br />

Das geometrische Feinnivellement ist das genaueste Verfahren zur<br />

Höhenübertragung, wobei Genauigkeiten von 0.2 mm/km erreichbar sind. Eine<br />

wichtige Voraussetzung dabei ist die Einhaltung von gleichen Zielweiten (maximal:<br />

ca. 30 m bis 50 m). Diese Voraussetzung ist manchmal aufgrund der örtlichen<br />

Gegebenheiten nicht immer gegeben, z.B. beim Tal- oder Stromübergang. Hier<br />

bietet sich die Höhenübertragung mittels einseitiger und gegenseitiger<br />

Zenitdistanzmessungen an. Dieses Verfahren wird auch als trigonometrisches<br />

Nivellement bezeichnet.<br />

2.3.1 Höhenbestimmung über kurze Entfernungen<br />

Für kurze Entfernungen bis ca. s = 250 m kann aufgrund der mit<br />

Zenitdistanzmessungen erreichbaren Genauigkeit die Erdkrümmung (Radius R)<br />

vernachlässigt werden, vgl. nachfolgendes Beispiel:<br />

✁✍ = s R<br />

$ ✯<br />

✁✍ =<br />

250 m<br />

$<br />

200 Gon<br />

6371 000 m ✜ = 0.0025 Gon = 2.5 mGon<br />

In diesem Fall erfolgt die Höhenübertragung nach den bekannten Formeln<br />

✁H = H2 − H1 = s $ cos z + i − t<br />

✁H = H2 − H1 = sh $ cot z + i − t<br />

mit<br />

s: Schrägstrecke<br />

sh: Horizontalstrecke<br />

z: Zenitdistanz<br />

i: Instrumentenhöhe<br />

(Kippachshöhe)<br />

t: Tafelhöhe<br />

Zur Elimination des Höhenindexfehlers muss die Zenitdistanzmessung in beiden<br />

Lagen durchgeführt werden. Der Höhenindexfehler Iz resultiert aus dem<br />

Kompensatorfehler (bei älteren Theodoliten: Fehler der Höhenindexlibelle) und wirkt<br />

wie ein konstanter Ablesefehler, d.h. der Fehler wirkt auf alle<br />

Zenitdistanzmessungen in gleicher Weise:<br />

mit<br />

Z g = Z + Iz<br />

Z g : Messwert<br />

Z: fehlerfreier Wert (Sollwert)<br />

i<br />

22<br />

z<br />

s<br />

s h<br />

ΔH<br />

t


Für die Messung in zwei Lagen (Lage I: Index I; Lage II: Index II) gilt daher:<br />

g<br />

ZI = ZI + Iz<br />

g<br />

ZII = ZII + Iz<br />

wobei die Summe aus beiden Messungen im fehlerfreien Fall 400 Gon ergeben<br />

muss:<br />

ZI + ZII = 400 Gon d ZI = 400 Gon − ZII<br />

Die fehlerfreie Zenitdistanz aus Lage I und Lage II ergibt sich daher wie folgt:<br />

ZI,II = 1 2 $ (Z g g<br />

I + (400 Gon − ZII))<br />

= 1 2 $ (ZI + Iz + (400 Gon − (ZII + Iz)))<br />

= 1 2 $ (ZI + Iz + (400 Gon − (400 Gon − ZI + Iz)))<br />

= 1 2 (ZI + Iz + ZI − Iz)<br />

= ZI<br />

Der Höhenindexfehler lässt sich entsprechend bestimmen:<br />

Lösung:<br />

g g<br />

ZI + ZII − 400 Gon = ZI + Iz + ZII + Iz − 400 Gon<br />

= 2 $ Iz + ZI + (400 Gon − ZI) − 400 Gon<br />

= 2 $ Iz<br />

Iz = 1<br />

2 (Zg g<br />

I + ZII − 400 Gon)<br />

Bei der Zenitdistanz bestimmt man i.d.R. an Stelle des Höhenindexfehlers die<br />

Indexverbesserung vz. Fehler und Verbesserung unterscheiden sich nur durch das<br />

Vorzeichen, so dass hier folgendes gilt:<br />

vZ = −Iz<br />

vz = 1 2 $ (400 Gon − Z g g<br />

I − ZII )<br />

Die fehlerfreien Messwerte für Lage I und Lage II lassen sich daher auch wie folgt<br />

bestimmen:<br />

g<br />

ZI = ZI + vz<br />

g<br />

ZII = ZII + vz<br />

23<br />

Auf einem Standpunkt sollte der Höhenindexfehler bei den Zenitdistanzmessungen<br />

zu allen Zielpunkten konstant bleiben. Aus diesem Grunde wird i.d.R. bei der<br />

Ausgleichung der Zenitdistanzmessungen (mehrere Sätze) für jeden Standpunkt aus<br />

allen Messungen eine gemeinsame Höhenindexverbesserung (Mittelwert aus allen<br />

Zweilagenmessungen) berechnet und aus den Abweichungen der Einzelwerte vom<br />

Mittelwert hieraus die Standardabweichung für eine Zenitdistanzmessung bestimmt.<br />

Die Berechnungen hierzu lauten:<br />

mit<br />

v Z = 1 m $<br />

m<br />

✟ vzi<br />

i=1<br />

vi = v Z − vzi<br />

svz =<br />

s Z = svz<br />

n<br />

m<br />

i=1<br />

✟ vi 2<br />

m − 1<br />

v z:<br />

gemittelte Indexverbesserung<br />

vi: Verbesserungen<br />

m: Anzahl der Indexverbesserungen<br />

n: Anzahl der Sätze<br />

svz : Standardabweichung einer Indexverbesserung (bzw. einer<br />

Zenitdistanzmessung)<br />

s z:<br />

Standardabweichung einer in n-Sätzen gemessenen Zenitdistanz<br />

Für höhere Genauigkeiten bzw. längere Entfernungen sind zur Höhenübertragung<br />

zusätzlich die Erdkrümmung und die Strahlkrümmung in der Atmosphäre<br />

(Refraktion) zu berücksichtigen.<br />

2.3.2 Höhenbestimmung über lange Entfernungen<br />

Für längere Entfernungen und für die Höhenübertragung mit<br />

Genauigkeitsanforderungen von 1 mm oder höher sind die Erdkrümmung und die<br />

Refraktion zu berücksichtigen. Erfolgt die Zenitdistanzmessung nur von einem<br />

Standpunkt aus (einseitige Zenitdistanzmessung), muss die Höhenübertragung<br />

durch Einführung eines mittleren Refraktionskoeffizienten (z.B. k = 0.13) erfolgen.<br />

Bei gegenseitig und gleichzeitig beobachteten Zenitdistanzmessungen lässt sich der<br />

Refraktionskoeffizient zusätzlich schätzen und somit dessen Einfluss weitestgehend<br />

eliminieren.<br />

In der nachfolgenden Abbildung ist der Strahlverlauf durch die Erdatmosphäre<br />

dargestellt. Die Erdkrümmung ist darin mit R und die Strahlkrümmung mit r<br />

gekennzeichnet. Der mit dem Radius R und der Strecke S korrespondierende<br />

Zentriwinkel γ lässt sich nach<br />

24


A<br />

R<br />

S<br />

R = ✏ ✯<br />

S0 ✏<br />

= sin<br />

2 $ R 2<br />

S ¡ S0<br />

berechnen. In dem Dreieck ADE<br />

gilt weiterhin:<br />

DE<br />

sin ✏<br />

2<br />

=<br />

¡<br />

d DE ¡<br />

S0<br />

sin(100 − ✏)<br />

S<br />

cos ✏ ¡<br />

S<br />

1 + ...<br />

S $ sin ✏<br />

2<br />

1<br />

¡ S2<br />

+ ... (1)<br />

2 $ R<br />

Die nachfolgende Tabelle zeigt den nach (1) berechneten Einfluss der<br />

Erdkrümmung für verschiedene Strecken S.<br />

Strecke<br />

DE<br />

C<br />

z<br />

γ<br />

γ 2<br />

S<br />

r<br />

S 0<br />

R<br />

100 m<br />

0.8 mm<br />

D<br />

E<br />

B<br />

200 m<br />

3.1 mm<br />

500 m<br />

19.6 mm<br />

1000 m<br />

78.5 mm<br />

5 km<br />

1.962 m<br />

+ ...<br />

10 km<br />

7.848 m<br />

Die Refraktion (Strahlkrümmung) resultiert aus der Abnahme der Luftdichte mit der<br />

Höhe. Aufgrund des Brechungsgesetzes wird ein Strahl bei Eintritt von einem<br />

optisch dünneren in ein optisch dichteres Medium zum Einfallslot hin gebrochen.<br />

Hieraus resultiert der in der Abbildung dargestellte Strahlverlauf. Für die Krümmung<br />

dieses Strahlverlaufs kann in erster Näherung ein Krümmungsradius r angenommen<br />

werden. Aus langjährigen Beobachtungen lässt hierfür sich ein Mittelwert angeben:<br />

Mittelwert für die Strahlkrümmung:<br />

r ¡ 8 $ R<br />

d R r<br />

=<br />

R<br />

8 $ R ¡ 1 ¡ 0.125 ¡ 0.13<br />

8<br />

Das Verhältnis zwischen Erdkrümmung und Strahlkrümmung wird auch als<br />

Refraktionskoeffizient k bezeichnet. Mit dem Mittelwert der Strahlkrümmung r ergibt<br />

sich dieser zu:<br />

Refraktionskoeffizient: k = R r ¡ 0.13<br />

δ<br />

r<br />

100−γ<br />

Für die trigonometrische Höhenbestimmung sind die Einflüsse aus Erd- und<br />

Strahlkrümmung bei Entfernungen > 250 m zu berücksichtigen. Die hierzu<br />

erforderlichen Korrekturen werden nachfolgend hergeleitet.<br />

25<br />

A<br />

H 1<br />

R<br />

Gesucht ist hier der Höhenunter ΔH = H2 - H1. Aus (1) ist bereits bekannt:<br />

c1 ¡ S2<br />

2$R<br />

z Ss<br />

~100 g<br />

Entsprechend lässt sich c2 über den Radius r der Lichtkurve, den Zentriwinkel δ und<br />

die Schrägstrecke Ss herleiten:<br />

c2 ¡ S S 2<br />

2$r<br />

Unter der Annahme, das die Zenitdistanz ca. 100 g ist (Flachland), kann die<br />

Schrägstrecke Ss näherungsweise durch S ersetzt werden. Dann gilt:<br />

c2 ¡ S2<br />

2$r ¡ k$S2<br />

2$R<br />

Mit der Schrägstrecke Ss bzw. der Horizontalstrecke Sh lässt sich zunächst die<br />

Strecke berechnen:<br />

EF<br />

EF = SS $ cos z<br />

Sh = SS $ sin z<br />

EF = Sh $ cot z<br />

Aus der Abbildung ergibt sich<br />

die Höhe H2 aus folgenden<br />

Strecken:<br />

γ<br />

S<br />

A<br />

z<br />

26<br />

S h<br />

H 1<br />

c1<br />

R<br />

D<br />

E<br />

F<br />

c<br />

2<br />

B<br />

H 2<br />

Annahme: rechtwinkliges Dreieck AEF<br />

F<br />

E


H2 = H1 + DE + EF − BF<br />

= H1 + c1 + Sh $ cot z1 − c2<br />

= H1 + S2<br />

2 $ R + Sh $ cot z −<br />

k $ S2<br />

2 $ R<br />

= H1 + Sh $ cot z + (1 − k) $ S2<br />

2 $ R<br />

d ✁H = H2 − H1 = Sh $ cot z + (1 − k) $ S2<br />

2 $ R<br />

Dieses ist die Formel zur trigonometrischen Höhenübertragung mittels<br />

Zenitdistanzen und Streckenmessung, wobei die ellipsoidische Strecke S zur<br />

Vereinfachung durch die Horizontalstrecke Sh ersetzt werden kann. Man erkennt,<br />

dass die Anteile aus der Erdkrümmung und der Strahlkrümmung unterschiedliches<br />

Vorzeichen haben.<br />

2.3.2.1 Höhenbestimmung mit einseitig beobachteten Zenitdistanzen<br />

Unter Berücksichtigung der Kippachshöhe i und der Tafelhöhe t berechnet sich der<br />

Höhenunterschied aus einseitig beobachteten Zenitdistanzen wie folgt:<br />

✁H = H2 − H1 = Sh $ cot z + (1 − k) $ Sh 2<br />

2$R + i − t<br />

Die Standardabweichung des Höhenunterschieds ergibt sich - bei Vernachlässigung<br />

von i und t - wie folgt:<br />

mit<br />

Beispiel:<br />

2 Ø✁H<br />

✤✁H = ØSh<br />

Ø✁H<br />

ØSh<br />

Ø✁H<br />

Øz<br />

S = 300 m<br />

z = 95Gon<br />

k = 0.13<br />

2<br />

2 Ø✁H<br />

$ ✤Sh + ( Øz )2 2 Ø✁H<br />

$ ✤z + ( Øk )2 2 $ ✤k = cot z +<br />

= − Sh<br />

sin 2 z<br />

Ø✁H<br />

Øk = − S h 2<br />

2 $ R<br />

(1 − k) $ Sh<br />

R<br />

✤Sh = 0.01 m<br />

✤z = 0.5 mGon = 7.85 $ 10 −6 rad<br />

✤k = 0.10<br />

27<br />

2 ✤✁H = (0.079 −5 2 2<br />

+ 4 $ 10 ) $ (0.01 2 −6 2<br />

m) + (−302.9 m) $ (7.85 $ 10 )<br />

+ (−0.0071 m) 2 $ (0.1) 2<br />

= (0.000 79 m) 2 + (0.00238 m) 2 + (0.00071 m) 2 = 6.79 $ 10 −6 m 2<br />

d ✤✁h = 0.0026 m<br />

Die größte Unsicherheit resultiert hier aus der Zenitdistanzmessung. Für höhere<br />

Genauigkeitsansprüche und zur Elimination des Höhenindexfehlers ist immer eine<br />

Messung in zwei Lagen notwendig. Durch Messung mehrerer Sätze lässt sich die<br />

Genauigkeit weiter steigern. Da aber immer an derselben Kreisstelle gemessen<br />

wird, fallen Fehler des <strong>Teil</strong>kreises auch bei Messung mehrerer Sätze nicht heraus.<br />

Diese lassen sich aber bei Instrumenten mit mehreren Horizontalfäden dadurch<br />

eliminieren, dass die Satzmessung z.B. an dem Unter- bzw. Oberfaden wiederholt<br />

wird. Dabei ist aber zu beachten, dass sich der Indexfehler ändert.<br />

Die Standardabweichung für den Refraktionskoeffizienten k, der von der<br />

Atmosphäre durch den der Zielstrahl verläuft, abhängt, wurde hier mit 0.1 angesetzt.<br />

Als Näherungswert wurde hier der häufig verwendete Wert k = 0.13 verwendet. Die<br />

Auswirkung der Unsicherheit von k wächst aber im Gegensatz zur Unsicherheit der<br />

Zenitdistanzmessung (linearer Zuwachs mit der Entfernung) quadratisch mit der<br />

Entfernung, so dass bei längeren Strecken die Refraktion den größten Beitrag<br />

liefert.<br />

Für höhere Genauigkeitsansprüche besteht die Möglichkeit, den<br />

Refraktionskoeffizienten aus gegenseitig gleichzeitig beobachteten Zenitdistanzen<br />

abzuschätzen und so den Einfluss der Refraktion zu reduzieren.<br />

2.3.2.2 Höhenbestimmung mit gegenseitig gleichzeitig beobachteten<br />

Zenitdistanzen<br />

Werden auf beiden Standpunkten die Zenitdistanzen gleichzeitig beobachten, so<br />

lässt sich der Einfluss aus Erdkrümmung und Refraktion auf die Höhenbestimmung<br />

eliminieren und der Refraktionskoeffizient k schätzen. Für die Herleitung der<br />

Formeln wird der ebene Tangenssatz benötigt. Dieser lautet für das allgemeine<br />

Dreieck:<br />

α<br />

b<br />

c<br />

γ<br />

β<br />

a<br />

✍ − ✎<br />

tan =<br />

2<br />

a − b ✍ + ✎<br />

$ tan<br />

a + b 2<br />

✎ − ✏<br />

tan =<br />

b − c ✎ + ✏<br />

$ tan<br />

2 b + c 2<br />

✏ − ✍<br />

tan =<br />

c − a ✍ + ✏<br />

2 c + a $ tan<br />

2<br />

28


Auf beiden Standpunkten werden die Zenitdistanzen z1 und z2 möglichst gleichzeitig<br />

gemessen. Die Zenitdistanzen beziehen sich dabei auf die Richtung des<br />

gekrümmten Strahls. Diese Richtungen z1 und z2 unterscheiden sich von der<br />

geradlinigen Verbindung um die Winkel Δz1 bzw. Δz2. Für die weitere Ableitung<br />

werden noch die beiden Winkel vom Nadir zur geradlinigen Verbindung β1 und β2<br />

eingeführt.<br />

A<br />

H 1<br />

R<br />

Wendet man den Tangenssatz auf das Dreieck, das aus den Eckpunkten A, B und<br />

dem Mittelpunkt von R gebildet wird, an, so erhält man:<br />

Weiterhin gilt:<br />

Δz1<br />

z 1<br />

β 1<br />

tan ✎1 − ✎2<br />

2<br />

= (R + H2) − (R + H1 )<br />

(R + H2) + (R + H1 ) $ tan ✎1 + ✎2<br />

2<br />

d (R + H2) − (R + H1)<br />

(R + H2) + (R + H1)<br />

d<br />

H2 − H1<br />

2 $ R + H1 + H2<br />

H2 − H1 = 2 $ R + H1 + H2<br />

2<br />

✎1 + ✎2 + ✏ = 200 Gon<br />

d ✏ = 200 Gon − (✎1 + ✎2)<br />

γ<br />

Hm = H1 + H2<br />

2<br />

S<br />

Δz<br />

2<br />

und<br />

29<br />

Ss<br />

S h<br />

✎1−✎2<br />

tan 2<br />

=<br />

tan ✎1+✎2<br />

2<br />

✎1−✎2<br />

tan 2<br />

=<br />

tan ✎1+✎2<br />

2<br />

$ tan ✎1−✎2<br />

H 1<br />

2<br />

tan ✎1+✎2<br />

2<br />

tan ✎1 + ✎2<br />

2<br />

z<br />

2<br />

~100 g<br />

F<br />

c<br />

2<br />

B<br />

β2 c1<br />

E<br />

D<br />

H<br />

2<br />

R<br />

= cot ✏<br />

2<br />

✎1 = 200 Gon − (z1 + ✁z1)<br />

✎2 = 200 Gon − (z2 + ✁z2)<br />

Dann ergibt sich für den Höhenunterschied ΔH = H2 - H1:<br />

H2 − H1 = 2 $ (R + Hm) $<br />

tan ✎1−✎2<br />

2<br />

cot ✏<br />

2<br />

= 2 $ (R + Hm) $ tan 200 Gon−(z1+✁z1)−(200 Gon−(z2+✁z2))<br />

2<br />

cot ✏<br />

2<br />

= 2 $ R $ 1 + Hm<br />

R<br />

z2+✁z2−z1−✁z1<br />

tan 2<br />

$<br />

cot ✏<br />

2<br />

S<br />

Mit der Näherung R = ✏ ¡ erhält man weiter:<br />

Sh<br />

R ¡ tan ✏ d 1<br />

¡ tan ✏ Sh<br />

¡<br />

H2 − H1 = 2 $ R $ 1 + Hm<br />

R<br />

cot ✏<br />

2<br />

2<br />

2$R<br />

Sh<br />

$<br />

2 $ R $ tan z2 + ✁z2 − z1 − ✁z1<br />

2<br />

= Sh $ 1 + Hm<br />

R $ tan z2 + ✁z2 − z1 − ✁z1<br />

2<br />

Bei einem symmetrisch gekrümmten Strahlverlauf gilt außerdem:<br />

✁z1 = ✁z2<br />

d ✁H = H2 − H1 = Sh $ 1 + Hm<br />

R $ tan z2 − z1<br />

2<br />

Die Genauigkeit des aus gegenseitig gleichzeitig gemessenen Zenitdistanzen<br />

bestimmten Höhenunterschieds hängt von der Genauigkeit der Streckenmessung<br />

und der beiden Zenitdistanzmessungen ab und ergibt sich wie folgt:<br />

mit<br />

Beispiel:<br />

2 Ø✁H<br />

✤✁H = ØSh<br />

Ø✁H<br />

ØSh<br />

Ø✁H<br />

Øz1<br />

Ø✁H<br />

Øz2<br />

2<br />

2 Ø✁H<br />

$ ✤Sh + Øz1<br />

= 1 + Hm<br />

R $ tan z2 − z1<br />

2<br />

2<br />

2 Ø✁H<br />

$ ✤z1 + Øz2<br />

= Sh $ 1 + Hm<br />

R $<br />

−1<br />

z2−z1<br />

2 $ cos2( 2 )<br />

= Sh $ 1 + Hm<br />

R $<br />

1<br />

z2−z1<br />

2 $ cos2( 2 )<br />

30<br />

2<br />

2 $ ✤z2


2 ✤✁H = 1 +<br />

100 m<br />

6371 000 m<br />

+ (300 m) 2 $ 1 +<br />

+ (300 m) 2 $ 1 +<br />

z1 = 95 Gon<br />

z2 = 105 Gon<br />

Hm = 100 m<br />

Sh = 300 m<br />

R = 6371 000 m<br />

✤Sh = 0.01 m<br />

✤z1 = ✤z2 = 0.5 mGon = 7.85 $ 10 −6 rad<br />

2<br />

$ tan 2 (5 Gon) $ (0.01 m) 2 +<br />

100 m<br />

6371 000 m<br />

100 m<br />

6371 000 m<br />

2<br />

2<br />

$<br />

$<br />

−1<br />

2 $ cos 2(5 Gon)<br />

1<br />

cos 2(5 Gon)<br />

= (0.00079 m) 2 + (0.0012 m) 2 + (0.0012 m) 2<br />

= 0.0019 m<br />

2<br />

2<br />

$ (7.85 $ 10 −6 rad) 2<br />

$ (7.85 $ 10 −6 rad) 2<br />

In diesem Beispiel haben die Unsicherheiten der beiden Zenitdistanzmessungen<br />

den größten Anteil. Wird die Streckenmessung mit einer Standardabweichung von<br />

0.01 m durchgeführt, so kann der Fehleranteil aus der Streckenmessung i.d.R.<br />

gegenüber den Anteilen aus den Zenitdistanzmessungen vernachlässigt werden.<br />

Obwohl in der Berechnung der Höhendifferenz und der Standardabweichung kein<br />

Einfluss der Refraktion mehr enthalten ist, beeinflusst die Refraktion dennoch die<br />

Genauigkeit der Höhenmessung, da hier ein symmetrisch gekrümmter Strahlverlauf<br />

angenommen wurde, der i.d.R. nur für ein symmetrisches Geländeprofil und unter<br />

günstigen atmosphärischen Bedingungen vorausgesetzt werden kann. Um eine<br />

realistische Genauigkeit für den Höhenunterschied zu erhalten, ist deshalb eine<br />

Wiederholung der Messungen unter unterschiedlichen Wetterbedingungen<br />

notwendig. Aber auch die Schätzung des Refraktionskoeffizienten k und dessen<br />

zeitliche Änderung aus den gegenseitig gleichzeitig beobachteten Zenitdistanzen<br />

kann ein Indikator für den Einfluss der Refraktion sein.<br />

2.3.2.3 Bestimmung des Refraktionskoeffizienten aus gegenseitig gleichzeitig<br />

beobachteten Zenitdistanzen<br />

Aus den gegenseitig gleichzeitig gemessenen Zenitdistanzen lässt sich zusätzlich<br />

der Refraktionskoeffizient k abschätzen. Für dessen Herleitung werden folgende<br />

o.a. Gleichungen und Näherungen benutzt:<br />

31<br />

✏ = 200 Gon − (✎1 + ✎2)<br />

✎1 = 200 Gon − (z1 + ✁z1)<br />

✎2 = 200 Gon − (z2 + ✁z2)<br />

d ✏ = z1 + ✁z1 + z2 + ✁z2 − 200 Gon<br />

Da k = und ist, gilt:<br />

R Sh<br />

r R ¡ ✏<br />

✁z1 ¡ ✁z2 ¡ Sh<br />

2 $ r = Sh $ k<br />

¡ ✏ $ k<br />

2<br />

2 $ R<br />

und<br />

Sh<br />

r<br />

¡ ✑<br />

✑ ¡ ✁z1 + ✁z2<br />

✁z1 ¡ ✁z2 ¡ ✑ Sh<br />

¡<br />

2 2 $ r<br />

Einsetzen der gefundenen Beziehungen in die Gleichung für γ, wobei zur<br />

Vereinfachung sämtliche Winkel in der Einheit rad benutzt werden, ergibt:<br />

✏ = z1 + ✁z1 + z2 + ✁z2 − ✜<br />

✏ $ k<br />

¡ z1 +<br />

2 + z2<br />

✏ $ k<br />

+ − ✜<br />

2<br />

¡ z1 + z2 + ✏ $ k − ✜<br />

d ✏ $ (1 − k) = z1 + z2 − ✜<br />

d (1 − k) = z1 + z2 − ✜<br />

✏<br />

d k = 1 − z1 + z2 − ✜<br />

✏<br />

= 1 − R $ (z1 + z2 − ✜)<br />

sh<br />

Bei Verwendung der Zenitdistanzen in der Einheit Gon lautet diese Gleichung:<br />

k = 1 − R sh $<br />

✜<br />

200 Gon $ (z1 + z2 − 200 Gon)<br />

C.F. Gauss hat 1823 in Hannover auf diese Weise aus zahlreichen gegenseitig<br />

gleichzeitig gemessenen Zenitdistanzen einen Wert für k von 0.13 ± 0.04 abgeleitet.<br />

Dieser Wert ist allerdings nur ein Näherungswert und gilt nicht in unmittelbarer<br />

Bodennähe. Dort kann der Wert für k sogar zwischen -1.0 und 1.0 schwanken.<br />

2.3.2.3 Zentrierung von Zenitdistanzmessungen<br />

Bei der Herleitung der Gleichungen für den Höhenunterschied ΔH und den<br />

Refraktionkoeffizienten k aus gegenseitig gleichzeitig gemessenen Zenitdistanzen<br />

32


wurde unterstellt, dass der eine Instrumentenstandpunkt gleichzeitig der Zielpunkt<br />

des anderen Beobachters sein muss und dass außerdem die Tafelhöhe identisch<br />

mit der Instrumentenhöhe sein muss. Dieses ist in der Praxis kaum realisierbar. In<br />

der Regel wird man neben dem Instrumentenstandpunkt eine weitere Zieltafel für<br />

den anderen Beobachter aufstellen. Dieses führt dazu, dass eine einfache<br />

Korrektion des berechneten Höhenunterschieds mittels der gemessenen<br />

Instrumenten- und Tafelhöhe wie bei der Höhenbestimmung mit einseitig<br />

gemessenen Zenitdistanzen nicht mehr mit cm-Genauigkeit durchgeführt werden<br />

kann.<br />

In diesem Fall ist - ähnlich wie bei den Horizontalrichtungen - eine Zentrierung der<br />

Zenitdistanzmessungen auf einen gemeinsamen Nullpunkt notwendig. Dabei sind<br />

sowohl die unterschiedlichen Instrumenten- und Tafelhöhen als auch die<br />

unterschiedlichen Entfernungen zwischen Standpunkt und Zielpunkt zu<br />

berücksichtigen.<br />

Zentrierung von (gegenseitig gleichzeitig gemessenen) Zenitdistanzen<br />

t 2<br />

z2<br />

S2 z1<br />

i S1<br />

1<br />

Instrument 1<br />

Instrument 2<br />

i 2<br />

t1<br />

a)<br />

b)<br />

i<br />

z<br />

z<br />

z'<br />

z<br />

z'<br />

Solllage<br />

z<br />

Δ<br />

z<br />

Δ<br />

S h<br />

S h<br />

S h<br />

(Soll)<br />

S' h<br />

ΔH<br />

(Soll)<br />

ΔH<br />

ΔS<br />

t<br />

ΔH'<br />

ΔH<br />

✁H ∏ = ✁HSoll − i + t d ✁HSoll − ✁H ∏ = i − t<br />

Ziel der Zentrierung ist es, die Zenitdistanzmessung z’ in die Zenitdistanz z für einen<br />

Punkt P (Solllage) zu überführen, der um eine Entfernung ΔS verschoben ist (Fall a)<br />

und in der die Instrumentenhöhe i und die Zieltafelhöhe t eliminiert sind (Fall b).<br />

Dabei wird angenommen, dass die Entfernung ΔS, die Instrumentenhöhe i und die<br />

Tafelhöhe t kleine Größen sind (< 10 m). Für diesen Fall kann die Korrektur mittels<br />

der Differentialformel erfolgen.<br />

33<br />

Die Ausgangsgleichung bildet die trigonometrische Höhenberechnungsformel aus<br />

einseitig gemessenen Zenitdistanzen, in der die Anteile aus Erdkrümmung und<br />

Refraktion sowie die Instrumenten- und Tafelhöhe vernachlässigt werden können:<br />

✁H = Sh $ cot z + (1 − k) $ Sh 2<br />

+ i − t<br />

2 $ R<br />

✁H ¡ Sh $ cot z d Sh<br />

= tan z<br />

✁H<br />

Die Umstellung dieser Näherungsformel für ΔH und anschließende Differentiation<br />

führt zu:<br />

z = arctan Sh<br />

✁H<br />

Øz<br />

ØSh<br />

=<br />

1 +<br />

1<br />

Sh<br />

✁H<br />

2 $<br />

1<br />

=<br />

sin z $ cos z<br />

✁H Sh<br />

Øz<br />

Ø✁H =<br />

1<br />

1 + Sh<br />

✁H<br />

2<br />

$ − Sh<br />

✁H 2 = − sin2 z<br />

Sh<br />

Mittels dieser Differenzenquotienten lassen sich nun die gemessenen<br />

Zenitdistanzen wie folgt korrigieren:<br />

mit<br />

z = z ∏ + ✁z<br />

✁z =<br />

✁z[rad] =<br />

✁z[Gon] =<br />

Øz<br />

$ ✁S +<br />

ØSh<br />

sin z $ cos z<br />

Sh<br />

sin z $ cos z<br />

Sh<br />

sin z<br />

Sh<br />

✁S = ShSoll − S h ∏<br />

✁hit = ✁HSoll − ✁H ∏ = i − t<br />

Øz<br />

Ø✁H<br />

$ ✁S − sin2 z<br />

Sh<br />

$ ✁hit<br />

$ ✁S − sin2 z<br />

Sh<br />

$ ✁hit<br />

$ ✁hit $ 200<br />

✜ =<br />

$ (✁S $ cos z − ✁hit $ sin z) $ 200<br />

✜<br />

In den o.a. Formeln zur Berechnung der Korrekturen können ohne<br />

Genauigkeitsverlust die Zenitdistanz z durch z’ und die Strecke Sh durch S’h ersetzt<br />

werden.<br />

34


Beispiele:<br />

Fall a)<br />

Fall b)<br />

S h ∏ = 501 m<br />

z ∏ = 95.0000 Gon<br />

ShSoll = 500 m<br />

Sh = 500 m<br />

z ∏ = 95.0000 Gon<br />

i = 1.50 m<br />

t = 2.50 m<br />

✁S = ShSoll − S h ∏ = −1 m<br />

✁z[Gon]] =<br />

sin z $ cos z<br />

Sh<br />

$ ✁S $ 200<br />

✜<br />

z = z ∏ + ✁z = 94.99004 Gon<br />

✁hit = ✁HSoll − ✁H ∏ = i − t = −1 m<br />

✁z[Gon] = − sin2 z<br />

Sh<br />

$ ✁hit $ 200<br />

✜<br />

z = z ∏ + ✁z = 95.12654 Gon<br />

= −0.00966 Gon<br />

= 0.12654 Gon<br />

Bei gegenseitig gleichzeitig beobachteten Zenitdistanzen ist es zweckmäßig, die<br />

Zentrierung auf die mittlere Strecke bzw. auf eine der beiden gemessenen Strecken<br />

durchzuführen. Zentriert man dann den Instrumentenstandpunkt auf die Höhe der<br />

neben dem Instrument befindlichen Zieltafel, so erhält man aus den korrigierten<br />

Zenitdistanzen direkt den Höhenunterschied zwischen den beiden Zieltafeln. Da bei<br />

gegenseitig gleichzeitig gemessenen Zenitdistanzen die Zieltafel i.d.R. in<br />

unmittelbarer Nähe des Instruments (10 m - 20 m) stehen sollte, lässt sich der für<br />

die Korrektur notwendige Höhenunterschied wie folgt aus der Zenitdistanzmessung<br />

z (in 2 Lagen!) und der Horizontalstrecke Sh zu dieser Zieltafel (kurze Entfernung!)<br />

berechnen:<br />

hier:<br />

✁h = Sh $ cot z<br />

∏ ∏<br />

✁h1 = S10 $ cot z10 ∏ ∏<br />

✁h2 = S20 $ cot z20 ✁z1 = − sin2 z 1 ∏<br />

Sh<br />

✁z2 = − sin2 z 2 ∏<br />

Sh<br />

35<br />

$ ✁h1 $ 200<br />

✜<br />

$ ✁h2 $ 200<br />

✜<br />

z1 = z 1 ∏ + ✁z1<br />

z2 = z 2 ∏ + ✁z2<br />

2.3.3 Trigonometrisches Stromübergangsnivellement mit gegenseitig- gleich<br />

zeitig gemessenen Zenitdistanzen<br />

Das Verfahren beruht auf gegenseitig gleichzeitig mit zwei Tachymetern<br />

gemessenen Zenitdistanzen und Strecken. Hierzu werden auf beiden Seiten des<br />

Gewässern jeweils eine Zieltafeln mit Prisma und ein Tachymeter positioniert. Dabei<br />

ist darauf zu achten, dass die Entfernungen über dem Gewässer ungefähr gleich (<<br />

5 m) und die Entfernungen zu den Zieltafeln auf der gleichen Uferseite < 20 m sein<br />

sollten. Der Höhenanschluss zu einem nahe gelegenen Höhenbolzen lässt sich<br />

ebenfalls trigonometrisch zu einem weiteren Prisma (oder alternativ eine<br />

Nivellierlatte), das über den Höhenbolzen (A, B) positioniert wird, durchführen. Auch<br />

hier sollte die Entfernung möglichst nicht 20 m überschreiten. Die Messanordnung<br />

ergibt sich aus nachfolgenden Abbildung.<br />

t 1<br />

A<br />

Trigonometrisches Stromübergangsnivellement<br />

Instrument 2<br />

z ,<br />

21<br />

s<br />

21<br />

ΔH 23<br />

ΔH<br />

z ,<br />

23<br />

s<br />

21<br />

23<br />

z ,<br />

12<br />

s<br />

12<br />

z ,<br />

13<br />

s<br />

13<br />

ΔH<br />

13<br />

Instrument 1<br />

z ,<br />

11<br />

s<br />

11<br />

ΔH<br />

11<br />

Messanordnung beim trigonometrischen Stromübergangsnivellement<br />

Bei dem Messungsablauf ist darauf zu achten, dass die Zenitdistanzmessungen<br />

über das Gewässer möglichst zeitgleich erfolgen. Zweckmäßigerweise erfolgt die<br />

Messung der Zenitdistanzen in mehreren Vollsätzen. Die Zenitdistanzmessungen zu<br />

den Zielen auf der gleichen Uferseite muss ebenfalls in beiden Lagen erfolgen. Die<br />

Anforderungen an die Streckenmessungen ist bei nahezu horizontalen Visuren mit <<br />

0,05 m völlig ausreichend und muss daher nur einmalig erfolgen.<br />

Für die Höhenberechnungen werden folgende Messungen (Gesamtmittel der<br />

Satzmessungen) benötigt:<br />

Messungen von Instrument 1: z11, s11, z12, s12, z13, s13<br />

Messungen von Instrument 2: z21, s21, z22, s22, z23, s23<br />

Δ<br />

H<br />

12<br />

Weiterhin werden die Tafelhöhen t1, t2 über den beiden Höhenbolzen benötigt.<br />

36<br />

ΔH<br />

22<br />

z ,<br />

22<br />

s<br />

22<br />

t 2<br />

ΔH<br />

AB<br />

B


2.3.3.1 Konventionelle Berechnung der Höhenunterschiede<br />

Aus den Zenitdistanz- und Streckenmessungen werden zunächst die sechs rohen<br />

Höhenunterschiede berechnet, wobei auch für die langen Strecken über das<br />

Gewässer keine Erdkrümmung- und Refraktionskorrektur erfolgen muss (schadet<br />

aber auch nicht).<br />

sh11 = s11 $ sin z11<br />

✁H11 = sh11 $ cot z11<br />

sh12 = s12 $ sin z12<br />

✁H12 = sh12 $ cot z12<br />

sh13 = s13 $ sin z13<br />

✁H13 = sh13 $ cot z13<br />

sh21 = s21 $ sin z21<br />

✁H21 = sh21 $ cot z21<br />

sh22 = s22 $ sin z22<br />

✁H22 = sh22 $ cot z22<br />

sh23 = s23 $ sin z23<br />

✁H23 = sh23 $ cot z23<br />

Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Tafelhöhen über den Höhenbolzen<br />

berechnet sich der Höhenunterschied zwischen den beiden Höhenbolzen wie folgt:<br />

mit<br />

✁HAB = HB − HA = ✁H1−✁H2<br />

2<br />

✁H1 = t1 − ✁H13 + ✁H11 − ✁H22 + ✁H23 − t2<br />

✁H2 = t2 − ✁H23 + ✁H21 − ✁H12 + ✁H13 − t1<br />

Durch die Mittelung der beiden Höhenunterschiede werden sowohl die<br />

Erdkrümmung als auch die Refraktion eliminiert, vorausgesetzt die beiden langen<br />

Strecken sind annähernd gleich (1 m .. 5 m).<br />

Wie unschwer an der Abbildung zu erkennen ist, lässt sich auch ein<br />

Schleifenschlussfehler ε berechnen:<br />

✒ = −✁H12 + ✁H11 − ✁H22 + ✁H21<br />

37<br />

Dieser lässt sich auch zur Abschätzung des Refraktionskoeffizienten heranziehen.<br />

Für die rohen Höhenunterschiede gilt unter zusätzlicher Berücksichtigung der<br />

Erdkrümmungs- und unbekannten Refraktionskorrektur:<br />

oder<br />

c ✁H11 = ✁H11 + (1 − k) $ s2 h11<br />

2 $ R<br />

c ✁H21 = ✁H21 + (1 − k) $ sh21 2 $ R<br />

2 s<br />

c h11<br />

✁H11 = ✁H11 − (1 − k) $<br />

2 $ R<br />

s<br />

c h21<br />

✁H21 = ✁H21 − (1 − k) $<br />

2 $ R<br />

2<br />

2<br />

Unter Berücksichtigung dieses Zusammenhanges lässt sich dann bei<br />

Vernachlässigung weiterer Fehler für den Schleifenschlussfehler schreiben:<br />

✒ = −(1 − k) $ s2 h11<br />

2 $ R − (1 − k) $ s2 h21<br />

2 $ R = −(1 − k) $ sh11 2 $ R<br />

d k = 1 +<br />

2 $ R $ ✒<br />

2 sh11 2 + sh21 2 2 + sh21<br />

Wiederholt man die Messungen zu einem anderen oder weiteren Zeitpunkt, so lässt<br />

sich mit dieser Methode eine zusätzliche Kontrolle über den zeitlichen Verlauf des<br />

Refraktionskoeffizienten erreichen.<br />

Nach Berechnung des Refraktionskoeefizienten lässt sich dann der endgültige<br />

Höhenunterschied auch wie folgt streng berechnen:<br />

sh11 = s11 $ sin z11<br />

c ✁H11 = sh11 $ cot z11 + (1 − k) $ s2 h11<br />

2 $ R<br />

sh21 = s21 $ sin z21<br />

c ✁H21 = sh21 $ cot z21 + (1 − k) $ s2 h21<br />

2 $ R<br />

c<br />

✁HAB = HB − HA = t1 − ✁H13 + ✁H11 − ✁H22 + ✁H23 − t2<br />

c<br />

✁HAB = HB − HA = −(t2 − ✁H23 + ✁H21 − ✁H12 + ✁H13 − t1)<br />

38


Beide Berechnungen für über die Korrektion der beiden Höhenunterschiede<br />

✁HAB<br />

für die langen Strecken sollten hier exakt zum gleichen Ergebnis führen. Zusätzlich<br />

muss sich der Schleifenschlussfehler ε zu null ergeben:<br />

c c !<br />

✒ = −✁H12 + ✁H11 − ✁H22 + ✁H21 = 0<br />

2.3.3.2 Berechnung der Höhenunterschiede und des Refraktionskoeffizienten<br />

aus zentrierten Zenitdistanzen<br />

Bei dieser Methode geht man davon aus, dass die Zenitdistanzmessungen über das<br />

Gewässer gegenzeitig-gleichzeitig von nur zwei Standpunkten erfolgen, wobei<br />

folgende Möglichkeiten bestehen:<br />

� von Zieltafel zu Zieltafel<br />

� von Tachymeter zu Tachymeter<br />

In diesem Fall lässt sich der Höhenunterschied zwischen den beiden Zieltafeln (oder<br />

beiden den Tachymetern) und der Refraktionskoeffizient aus den zentrierten<br />

Zenitdistanzen wie folgt berechnen:<br />

✁H = H2 − H1 = Sh $ 1 + Hm<br />

R $ tan z2 − z1<br />

k = 1 − R sh $<br />

✜<br />

200 Gon $ (z1 + z2 − 200 Gon)<br />

Beispiel einer Zentrierung für eine trigonometrische Höhenübertragung bei<br />

gegenseitig-gleichzeitig gemessenen Zenitdistanzen<br />

In dem nachfolgenden Beispiel wurden für ein Stromübergangsnivellement mit<br />

beiden Instrumenten gleichzeitig die Zenitdistanzen und Strecken über ein<br />

Gewässer gemessen. Für die Zentrierungsberechnung und spätere<br />

Höhenübertragung müssen außerdem die Zenitdistanzen zu der Zieltafel auf der<br />

selben Uferseite gemessen werden. Zusätzlich werden für den Höhenanschluss an<br />

die beiden Höhenbolzen die Zenitdistanzen und die Strecken zu den beiden<br />

Prismen über den Höhenbolzen benötigt.<br />

39<br />

2<br />

t 1<br />

A<br />

Trigonometrisches Stromübergangsnivellement<br />

Instrument 2<br />

z ,<br />

21<br />

s<br />

21<br />

ΔH 23<br />

ΔH<br />

z ,<br />

23<br />

s<br />

21<br />

23<br />

z ,<br />

12<br />

s<br />

12<br />

z ,<br />

13<br />

s<br />

13<br />

ΔH<br />

13<br />

Zunächst werden aus den Zenitdistanz- und den Streckenmessungen die<br />

Höhenunterschiede berechnet (ohne Erdkrümmungs- und Refraktionskorrektur für<br />

die Höhendifferenzen über das Gewässer!):<br />

sh11 = s11 $ sin z11<br />

✁H11 = sh11 $ cot z11<br />

sh21 = s21 $ sin z21<br />

✁H21 = sh21 $ cot z21<br />

sh12 = s12 $ sin z12<br />

✁H12 = sh12 $ cot z12<br />

sh22 = s22 $ sin z22<br />

✁H22 = sh22 $ cot z22<br />

sh13 = s13 $ sin z12<br />

✁H13 = sh13 $ cot z13<br />

sh23 = s23 $ sin z22<br />

✁H23 = sh23 $ cot z23<br />

Die Entfernungen zu der Zieltafel und den Höhenbolzen auf der selben Uferseite<br />

sollte 20 m nicht überschreiten, da anderenfalls für die Höhenunterschiede doch<br />

eine Korrektur wegen Erdkrümmung und Refraktion notwendig wird.<br />

Als vorzugebende Sollstrecke für die Zentrierung kann nun z.B. eine der beiden<br />

Horizontalstrecken oder auch das Mittel der beiden Strecken über das Gewässer<br />

benutzt werden:<br />

shm = sh11 + sh21<br />

2<br />

✁s1 = shm − sh11<br />

✁s2 = shm − sh21<br />

Δ<br />

H<br />

12<br />

Instrument 1<br />

z ,<br />

11<br />

s<br />

11<br />

ΔH<br />

11<br />

40<br />

ΔH<br />

22<br />

z ,<br />

22<br />

s<br />

22<br />

t 2<br />

ΔH<br />

AB<br />

B


a) Zentrierung auf die beiden Zieltafeln<br />

Für den Fall, dass die Zentrierung der beiden Zenitdistanzen auf die beiden<br />

Zieltatfeln erfolgt, sind nun die Zenitdistanzen wie folgt zu korrigieren:<br />

✁z1T =<br />

✁z2T =<br />

sin z<br />

Shm<br />

sin z<br />

Shm<br />

z1T = z11 + ✁z1T<br />

z2T = z21 + ✁z2T<br />

$ (✁S1 $ cos z11 − (−✁H12) $ sin z11) $ 200<br />

✜<br />

$ (✁S2 $ cos z21 − (−✁H22) $ sin z21) $ 200<br />

✜<br />

Der Höhenunterschied zwischen den beiden Zieltafeln und der<br />

✁HT1T2<br />

Refraktionskoeffizient k berechnen sich dann unter Berücksichtigung einer mittleren<br />

Geländehöhe HM nach<br />

✁HT1T2 = HT2 − HT1 = Shm $ 1 + Hm<br />

R $ tan z2T − z1T<br />

2<br />

k = 1 − R<br />

shm $<br />

✜<br />

200 Gon $ (z1T + z2T − 200 Gon)<br />

Hiermit berechnet sich dann der Höhenunterschied zwischen den beiden<br />

Höhenbolzen wie folgt:<br />

✁HAB = HB − HA = t1 − ✁H13 + ✁H12 + ✁HT1T2 − ✁H22 + ✁H23 − t2<br />

b) Zentrierung auf die Kippachsen der beiden Tachymeter<br />

Für den Fall, dass die Zentrierung der beiden Zenitdistanzen auf die Kippachse der<br />

Tachymeter erfolgen soll, ergeben sich folgende Zentrierungsberechnungen:<br />

✁z1K =<br />

✁z2K =<br />

sin z<br />

Shm<br />

sin z<br />

Shm<br />

z1K = z11 + ✁z1K<br />

z2K = z21 + ✁z2K<br />

$ (✁S1 $ cos z11 − (−✁H22) $ sin z11) $ 200<br />

✜<br />

$ (✁S2 $ cos z21 − (−✁H12) $ sin z21) $ 200<br />

✜<br />

Der Höhenunterschied zwischen den Kippachsen der beiden Tachymeter ✁HK1K2<br />

und der Refraktionskoeffizient k berechnen sich dann unter Berücksichtigung einer<br />

mittleren Geländehöhe HM nach<br />

41<br />

✁HK1K2 = HK2 − HK1 = Shm $ 1 + Hm<br />

R $ tan z2K − z1K<br />

2<br />

k = 1 − R<br />

shm $<br />

✜<br />

200 Gon $ (z1K + z2K − 200 Gon)<br />

Hiermit berechnet sich dann der Höhenunterschied zwischen den beiden<br />

Höhenbolzen wie folgt:<br />

✁HAB = HB − HA = t1 − ✁H13 + ✁HK1K2 + ✁H23 − t2<br />

Welche der drei hier vorgestellten Methode zur Berechnung des<br />

Höhenunterschiedes und des Refraktionskoeffizienten benutzt wird, ist dem<br />

Anwender überlassen, da sämtliche Methoden zum gleichen Ergebnis führen.<br />

2.3.4 Trigonometrisches Nivellement<br />

Das trigonometrische Nivellement ist vom Beobachtungsverfahren vergleichbar mit<br />

dem geometrischen Nivellement. An Stelle eines Nivelliers, das im Idealfall eine<br />

horizontale Ziellinie realisiert, wird beim trigonometrischen Nivellement ein<br />

Tachymeter benutzt. Die Höhenberechnung erfolgt im Hin- und Rückblickverfahren<br />

mittels der gemessenen Strecken und Zenitdistanzen. Als Zielobjekt kann sowohl<br />

eine Nivellierlatte als auch ein Prisma benutzt werden.<br />

t R<br />

Trigonometrisches Nivellement<br />

s<br />

R<br />

s hR<br />

z R<br />

i<br />

Die Berechnung des Höhenunterschieds erfolgt mittels der Formel zur<br />

trigonometrischen Höhenmessung, wobei aufgrund der gleichen Zielweiten der<br />

Anteil aus Erdkrümmung und Refraktion unberücksichtigt bleiben kann.<br />

42<br />

z V<br />

ΔH R<br />

s<br />

V<br />

s hV<br />

t V<br />

ΔH V


mit<br />

✁H = ✁HV − ✁HR + tV − tR<br />

✁HR = shR $ cot zR + i − tR = sR $ cos zR + i − tR<br />

✁HV = shV $ cot zV + i − tV = sV $ cos zV + i − tV<br />

Für den Fall, dass die Tafelhöhe von Vorblick und Rückblick identisch sind (z.B. die<br />

Latte wird immer an derselben Stelle angezielt), fällt die Tafelhöhe bei der<br />

Berechnung des Höhenunterschiedes nach (1) heraus. Die Vorteile des<br />

trigonometrischen Nivellements sind:<br />

� Verlauf des Zielstrahls in gleicher Höhe (> 0.5 m) über dem Boden auch bei<br />

geneigtem Gelände<br />

� größere Zielweiten, auch bei geneigtem Gelände<br />

� Elimination des Höhenindexfehlers auch bei Messung in einer Lage<br />

Die Genauigkeit hängt dabei von folgenden Faktoren ab:<br />

(1)<br />

� Standardabweichung der Zenitdistanzmessung<br />

� Standardabweichung der Streckenmessung<br />

� Länge und Unterschiede der Zielweiten<br />

� Unterschiede in den Refraktionseinflüssen zwischen Hin- und Rückblick<br />

Während die ersten beiden Fehlereinflüsse aufgrund der Messgenauigkeit des<br />

Tachymeters leicht abgeschätzt werden können, sind die Einflüsse der Refraktion -<br />

auch bei Einhaltung gleicher Zielweiten - schwierig abzuschätzen. Auf jeden Fall<br />

sollten Zielstrahlen, die in einer Höhe < 0.5 m über dem Boden verlaufen, vermieden<br />

werden. Bei ungleichen Zielweiten ist der Refraktionseinfluss zusammen mit der<br />

Erdkrümmung nach der bereits o.a. Formel zur trigonometrischen<br />

Höhenübertragung zu berücksichtigen:<br />

✁H = ShR $ cot zR + (1 − k) $ S2 hR<br />

+ i − tR 2 $ R<br />

− ShV $ cot zV + (1 − k) $ ShV + i − tV 2 $ R<br />

= ShR $ cot zR − ShV $ cot zV + (1 − k) $ S2 2<br />

hR − ShV<br />

− tR + tV<br />

2 $ R<br />

2<br />

Fordert man nun, dass bei Annahme gleicher Refraktion für den Hin- und Rückblick<br />

und bei Vernachlässigung der Refraktion und Erdkrümmung der Fehler pro<br />

Aufstellung < 0.01 mm bleiben soll, so ist folgende Anforderung an die beiden<br />

Zielweiten zu erfüllen:<br />

43<br />

(2)<br />

(1 − k) $ S2 2<br />

hR − ShV<br />

2 $ R<br />

!<br />

[ 0.01 mm<br />

(1 − k) $ (ShR + ShV ) $ (ShR − ShV ) !<br />

[ 0.01 mm<br />

2 $ R<br />

!<br />

✁S = ShR − ShV [<br />

0.01 mm $ 2 $ R<br />

¡<br />

0.01 mm $ R<br />

= 0.0115 mm $<br />

(1 − k) $ (ShR + ShV ) (1 − k) $ Sh<br />

R<br />

Sh<br />

Für einen mittleren Wert für k von 0.13 resultiert hieraus folgende Anforderung für<br />

die Differenz :<br />

✁S = ShR − ShV<br />

S [m]<br />

ΔS [m]<br />

50 m<br />

1.5 m<br />

100 m<br />

0.73 m<br />

200 m<br />

0.37 m<br />

300 m<br />

0.24 m<br />

500 m<br />

0.15 m<br />

Die Auswirkung der Messunsicherheiten in den Strecken- und<br />

Zenitdistanzmessungen lässt sich an Hand der Näherungsformel wie folgt<br />

abschätzen, wobei von gleichen Standardabweichungen für den Hin- und Rückblick<br />

ausgegangen wird :<br />

✁H ¡ ShR $ cot zR − ShV $ cot zV<br />

2<br />

ShR 2 2 2 2 2 $ ✤z ✤✁H = cot zR $ ✤S + cot zV $ ✤S +<br />

sin 4 +<br />

zR<br />

ShV<br />

2 $ ✤z sin 4 zV<br />

Beispiel: ✤s = 0.01 m<br />

z = 100 Gon<br />

z = 95 Gon<br />

z = 90 Gon<br />

z = 85 Gon<br />

= (cot2zR + cot2 2 S<br />

2 hR<br />

zV) $ ✤S + (<br />

sin 4 zR<br />

✤z = 0.5 mGon<br />

S = 50 m<br />

0.6 mm<br />

1.2 mm<br />

2.3 mm<br />

3.4 mm<br />

S = 100 m<br />

1.1 mm<br />

1.6 mm<br />

2.5 mm<br />

3.6 mm<br />

+ S2 hV<br />

sin 4 2 ) $ ✤z zV<br />

S = 200 m<br />

2.2 mm<br />

2.5 mm<br />

3.2 mm<br />

4.1 mm<br />

(σz in [rad]!)<br />

S = 300 m<br />

3.3 mm<br />

3.5 mm<br />

4.1 mm<br />

4.9 mm<br />

Dabei ist anzumerken, dass bei horizontalen Visuren (z = 100 Gon) ein Fehler in der<br />

Streckenmessung sich nicht auswirkt. Für einen Nivellementsweg von 1 km sind bei<br />

einer Zielweite von S = 100 m insgesamt n = 5 Aufstellungen notwendig. Für das<br />

trigonometrische Nivellement im Hin- und Rückweg resultiert hieraus bei Annahme<br />

von Zenitdistanzen von z = 95 Gon eine Standardabweichung für den gesamten<br />

Höhenunterschied von<br />

44


✤✁H1km = n 2<br />

= 5<br />

2<br />

$ ✤✁H<br />

$ 1.6 mm = 2.5 mm<br />

Das Beispiel zeigt, dass das geometrische Feinnivellement in der Genauigkeit dem<br />

trigonometrischen Nivellement überlegen ist. Aufgrund der Wirtschaftlichkeit stellt<br />

das trigonometrische Nivellement aber eine echte Alternative dar.<br />

45<br />

3 Azimutbestimmung mit Vermessungskreisel<br />

Als Azimut wird eine orientierte Richtung bezeichnet. Während in der Navigation die<br />

Bezugsrichtung für den Kurswinkel die geographische Nordrichtung ist, wird für<br />

Vermessungsaufgaben i.d.R. die Richtung in Bezug auf die Richtung der x-Achse<br />

(Hochwert) benötigt. Diese Richtung wird auch mit Gitternord bezeichnet und<br />

unterscheidet sich von der geographischen Nordrichtung um die so genannte<br />

Meridiankonvergenz γγγγ.<br />

Die Azimutbestimmung für Vermessungsaufgaben wird zur Orientierung von<br />

Richtungsmessungen und von nicht angeschlossenen Polygonzügen eingesetzt,<br />

wenn z.B. die Richtungsübertragung mittels Fernziele nicht möglich ist, wie z.B. im<br />

Markscheidewesen oder im Tunnelbau. Als Messgeräte werden Kreisel eingesetzt,<br />

die die natürliche Erdrotation zur Bestimmung der Nordrichtung ausnutzen.<br />

3.1 Grundlagen<br />

Die Azimutbestimmung mittels Kreiselmessungen basiert auf der Messung der<br />

Erdrotation. Die erzielbare Genauigkeit hängt dabei von der geographischen Breite<br />

und der Kreiseldrift ab.<br />

3.1.1 Die Erdrotation<br />

Das Signal, das zur Bestimmung der Nordrichtung (Azimut) genutzt wird, ist die<br />

breitenabhängige Horizontalkomponente der Erddrehrate, die in Richtung der<br />

Rotationsachse der Erde auftritt und von West nach Ost erfolgt. Die<br />

Horizontalkomponente entspricht dabei am Äquator (ϕ = 0°) der vollen Erddrehrate<br />

mit<br />

Kurswinkel ψ<br />

Nord<br />

x b<br />

Navigation Nord Vermessung<br />

Hochwert (x)<br />

Azimut A<br />

γ<br />

P<br />

2<br />

ψ<br />

turn right<br />

y b<br />

Ost<br />

✡E = 7.292115 $ 10 −5 rad<br />

s = 15.04107 o /h<br />

und nimmt zu den beiden Polen hin ab. An den beiden Polen ist die<br />

Horizontalkomponente null, d.h. der gesamte Betrag der Erddrehrate tritt als<br />

Vertikalkomponente auf, so dass eine Azimutbestimmung mittels Kreiselmessungen<br />

46<br />

Meridian<br />

P 1<br />

A<br />

Ostwert (y)


dort nicht mehr möglich ist. Da die Erdrotation von West nach Ost erfolgt, wirkt keine<br />

Drehung um die nach Osten zeigende Koordinatenachse.<br />

ϕ<br />

ϕ<br />

Horizontal- und Vertikalkomponente der Erdrotation<br />

Erddrehrate Ω<br />

E<br />

Nord<br />

lokales<br />

Koordinatensystem<br />

Lotrichtung<br />

ϕ ϕ<br />

Lotrichtung<br />

Nord<br />

lokales<br />

Koordinatensystem<br />

Führt man nun ein lokales, an die Lot- und Nordrichtung orientiertes lokales<br />

Koordinatensystem (x, y, h) ein, so ergeben sich folgende Komponenten:<br />

Beispiele:<br />

Breite ϕ<br />

Ωx<br />

Ωh<br />

→<br />

✡ lokal =<br />

✡x<br />

✡y<br />

✡h<br />

0°<br />

15.04107°/h<br />

0°/h<br />

= ✡E $<br />

cos ✩<br />

0<br />

sin ✩<br />

25°<br />

13.63184°/h<br />

6.35663°/h<br />

50°<br />

9.666821°/h<br />

11.52213°/h<br />

75°<br />

3.89292°/h<br />

14.52856°/h<br />

90°<br />

0°/h<br />

15.04107°/h<br />

Eine Azimut- oder Kurswinkelbestimmung allein aufgrund von Kreiselmessungen ist<br />

wegen der Breitenabhängigkeit der Horizontalkomponente nur bis Breiten von ca.<br />

75° ... 80° sinnvoll.<br />

3.1.2 Kreisel<br />

Als Kreisel kann jeder um eine Achse rotierende Kreisel bezeichnet werden. Diese<br />

mechanischen Kreisel haben die Eigenschaft, dass diese aufgrund der Trägheit und<br />

des Drehimpulses die Lage der Rotationsachse im Raum beibehalten möchten.<br />

Wird nun durch eine äußere Kraft versucht, die Rotationsachse zu kippen, so<br />

reagiert der Kreisel hierauf durch eine sog. Präzessionsbewegung. Neben diesen<br />

mechanischen Kreiseln gibt es auch optische Kreisel, die mittels Lichtwellen in der<br />

47<br />

Lage sind Drehbewegungen zu messen. Hierzu gehören die Laserkreisel und die<br />

faseroptischen Kreisel. Die höchste Genauigkeit wird mit den bandgehängten und<br />

schweregefesselten Kreisel erzielt, die eine stationäre Aufstellung erfordern. Von<br />

den optischen Kreiseln, die insbesondere in der Inertialnavigation eingesetzt<br />

werden, zählen die Laserkreisel zu den genauesten Drehratensensoren (Drift <<br />

0.001°/h), die auch eine Orientierung im Fluge erla uben. Der Prozess der<br />

Nordrichtungsbestimmung mittels Kreisel wird auch Gyrocompassing genannt.<br />

3.1.2.1 Mechanische Kreisel<br />

Das Verhalten eines mechanischen Kreisel wird durch seine Rotationsachse, seine<br />

Rotationsgeschwindigkeit und seinem Massenträgheitsmoment (Masse in Bezug auf<br />

den Abstand zur Rotationsachse) bestimmt.<br />

ω<br />

Massen i<br />

m Δ im Abstand ri<br />

zur Rotationsachse<br />

ω<br />

ri<br />

Δm<br />

i<br />

Das Massenträgheitsmoment J berechnet sich dabei wie folgt aus dem Abstand ri<br />

und der Masse Δmi.<br />

n<br />

2 J ¡ ✟ ri $ ✁mi (diskret)<br />

J =<br />

i=1<br />

M<br />

r<br />

0<br />

2 $ dm (koninuierlich)<br />

Das Massenträgheitsmoment J bestimmt zusammen mit der<br />

Rotationsgeschwindigkeit ω (Winkelgeschwindigkeit, Drehrate) die Rotationsenergie<br />

Wrot des Kreisels (vergleichbar mit der kinetischen Energie Wkin einer mit einer<br />

Geschwindigkeit V sich gradlinig bewegenden Masse m):<br />

Wkin = 1 $ m $ V2<br />

2<br />

Wrot = 1 $ J $ ✬2<br />

2<br />

Einheiten:<br />

kg $ m 2<br />

s 2<br />

kg $ m 2 $ rad2<br />

s 2<br />

h [N $ m]<br />

h [N $ m]<br />

Die Rotation kann dabei um jede beliebige Achse erfolgen, wobei hier nur die<br />

Kreisel in Betracht kommen, die eine Rotation um eine ihrer Hauptachsen ausführen<br />

und eine symmetrische Massenverteilung zur Rotationsachse aufweisen<br />

48


(Schwerpunkt liegt in der Rotationsachse). Anderenfalls können beträchtliche<br />

Lagerkräfte auftreten, die ein Taumeln des Kreisels verursachen können.<br />

Eine weiterer wichtiger Parameter, der zur Beschreibung der Effekte bei<br />

mechanischen Kreiseln notwendig ist, ist der Drehimpuls H, der oft auch als Drall<br />

bezeichnet wird. Dieser berechnet sich aus den drei Massenträgheitsmomenten der<br />

drei Hauptachsen (J1, J2, J3) und den entsprechenden Drehgeschwindigkeiten (ω1,<br />

ω2, ω3):<br />

H =<br />

J1 $ ✬1<br />

J2 $ ✬2<br />

J3 $ ✬3<br />

= H1 + H2 + H3<br />

einem Kardanrahmen<br />

aufgehängten freien Kreisel<br />

reagiert der Kreisel hierauf<br />

mit einer Drehbewegung<br />

senkrecht zu dem<br />

wirkenden Drehmoment und<br />

der Rotationsachse. Diese<br />

Reaktion bzw. das<br />

Ausweichen des<br />

Kreiselrotors wird auch<br />

Präzession genannt. In dem<br />

nebenstehenden Beispiel<br />

verursacht das einwirkende<br />

Drehmoment M3 eine<br />

Drehbewegung ω2 auf den<br />

Drehgeschwindigkeitsvektor<br />

49<br />

→<br />

✬ =<br />

✬1<br />

✬2<br />

✬3<br />

Die Richtung des<br />

Drehimpulsvektors H fällt nur<br />

mit der Richtung des<br />

Drehgeschwindigkeitsvektors<br />

ω zusammen, wenn die<br />

Massenträgheitsmomente<br />

gleich sind oder nur eine<br />

Drehbewegung um eine<br />

einzige Hauptachse vorliegt<br />

(vgl. Abbildung links).<br />

Wirkt nun eine äußere Kraft in<br />

Form eines Kräftepaars F, das<br />

über einen Hebelarm eine<br />

Drehbewegung (= Drehmoment M<br />

mit M = F % r,)<br />

auf den Kreisel<br />

ausübt, so ändert sich der<br />

Drehimpulsvektor. Bei einem in<br />

kardanisch aufgehängten Kreisel. Der Kreisel weicht solange aus, bis dass die<br />

Rotorachse des Kreisels parallel und gleichsinnig zum einwirkenden Drehmoment<br />

steht. (Satz vom gleichsinnigen Parallelismus). Im Idealfall, wenn kein äußeres<br />

Drehmoment wirkt, behält der Kreisel seine Lage im Raum bei. Aufgrund einer nicht<br />

perfekten Lagerung des Kreisels sowie kleine Unwuchten und<br />

Rotationsschwankungen ist dieser Idealfall in der Praxis nicht gegeben, so dass der<br />

Kreisel i.d.R. ständig äußeren Drehmomenten unterliegt, die sich in Form einer sog.<br />

Kreiseldrift bemerkbar machen.<br />

Je nachdem, wie ein Kreisel aufgehängt ist, unterscheidet man folgende<br />

Kreiseltypen:<br />

Freie Kreisel sind Kreisel mit drei Freiheitsgraden, deren Laufachse die Richtung im<br />

Inertialraum beibehält und die weder gestützt noch geführt werden.<br />

Wegen der unvermeidbaren Kreiseldrift, können diese Kreisel nur für<br />

eine sehr kurze Zeit zur Stabilisierung einer Richtung eingesetzt<br />

werden.<br />

Lotkreisel sind Kreisel, welche die Richtung einer Plattform gegenüber der<br />

Lotrichtung bestimmen und z.B. die Anzeige eines künstlichen<br />

Horizonts steuern können.<br />

Kurskreisel sind Kreisel, die Richtung einer Plattform um die Lotrichtung<br />

ermöglichen, wobei i.d.R. als Bezugsrichtung die Nordrichtung dient. In<br />

diesem Fall messen die Kurskreisel das Azimut. Kurskreisel sind<br />

jedoch nicht in der Lage aufgrund der Erddrehung die geographische<br />

Nordrichtung autonom zu finden.<br />

Wendekreisel sind Kreisel mit zwei<br />

Freiheitsgraden, die die<br />

Drehgeschwindigkeit der Plattform<br />

um eine festgelegte Achse<br />

anzeigen (hier ). Die Anzeige<br />

✬3<br />

erfolgt dabei entweder aufgrund<br />

des Ausweichens der<br />

Rotationsachse oder aufgrund<br />

eines äußeren Drehmoments (hier<br />

M2),<br />

das die Rückstellung der<br />

Rotationsachse bewirkt.<br />

Kreiselkompasse sind Kreiselsysteme, die in der Lage sind, autonom die<br />

Nordrichtung zu finden. Hierzu zählt der Schiffskreiselkompass und<br />

der Meridian- oder Vermessungskreisel.<br />

3.1.2.2 Optische Kreisel<br />

Zu den optischen Kreiseln zählen die Laserkreisel und faseroptischen Kreisel. Diese<br />

Kreisel nutzen zur Messung von Drehbewegungen den sog. Sagnac Effect aus, d.h.<br />

50


eine Lichtwelle behält seine Phasenlage bzw. Eigenschaften in Bezug auf ein<br />

inertiales Koordinatensystem bei.<br />

Spiegel<br />

Photodetektor<br />

Anode<br />

Spiegel<br />

Kathode<br />

Umlenkprisma<br />

Resonatorblock<br />

Anode<br />

Spiegel<br />

Laserkreisel (links) sind z.Zt. die genauesten Kreisel mit Driften < 0.001°/h und<br />

werden vorwiegend in sog. Inertialsystemen und in der Inertialnavigation eingesetzt.<br />

Die genauesten faseroptischen Kreisel (rechts) haben Driften im Bereich von 0.01°/h<br />

und größer. Damit sämtliche Drehbewegungen eines Fahrzeugs erfasst werden<br />

können, sind immer drei Kreisel notwendig. Die Inertialsysteme, die zusätzlich drei<br />

Beschleunigungsmesser enthalten, sind ebenfalls in der Lage die Nordrichtung -<br />

auch unter Bewegung - zu finden. Neben diesen hochgenauen Kreisel etablieren<br />

sich immer mehr für einfache Regelungsaufgaben die sog. MEMS-Kreisel<br />

(Micro-Electro-Mechanical-System). Hierzu zählen auch die Piezo-, Ceramic- und<br />

Quartzkreisel (z.B. als Weinglaskreisel, Stimmgabelkreisel).<br />

Prinzipiell erfolgt die Bestimmung der Nordrichtung durch Integration bzw. Mittelung<br />

der gemessenen Drehraten der drei Kreisel über eine bestimmte Zeitdauer (mehrere<br />

Minuten). Die drei Komponenten werden mittels der Lagewinkel, die aus den<br />

Beschleunigungen abgeleitet werden, in ein zunächst unorientiertes lokales<br />

Koordinatensystem (x’, y’, z = Lotrichtung zum Nadir) transformiert. Für die so<br />

transformierten Komponenten (ωx’, ωy’, ωz) gilt unter Berücksichtigung der wirkenden<br />

Horizontalkomponete der Erddrehrate (Ωx):<br />

51<br />

Licht-<br />

quelle<br />

Photodetektor<br />

Strahlteiler<br />

R ω<br />

Spule<br />

✡x = ✡E $ cos ✩<br />

✬x ∏<br />

✬y ∏<br />

✬z<br />

= ✡E $<br />

cos ✩ $ cos ✫<br />

− cos ✩ $ sin ✫<br />

− sin ✩<br />

Aus diesen beiden gemessenen<br />

Horizontalkomponenten (ωx’, ωy’) lässt<br />

sich dann die Richtung der x’-Achse in<br />

Bezug auf die geographische<br />

Nordrichtung wie folgt bestimmen:<br />

✫ = arctan −✬ y∏<br />

✬ x∏<br />

Die Genauigkeit hängt dabei von der Größe der breitenabhängigen horizontalen<br />

Erddrehrate und der Kreiseldrift ab und lässt sich wie folgt abschätzen:<br />

Beispiel:<br />

Nord (x)<br />

✒✫ =<br />

ω y'<br />

ψ<br />

Kurswinkel ψ<br />

turn right<br />

✒g<br />

✡E$cos ✩<br />

✒g = 0.001 o /h<br />

✡E = 15 o /h<br />

✩ = 51 o<br />

Ωx<br />

ω x'<br />

y'<br />

x'<br />

Ost (y)<br />

d ✒✫ = 0.001<br />

9.44 = 1.06 $ 10 −4 rad = 0.00<strong>61</strong> o = 6.7 mGon<br />

Da die horizontale Komponente mit zunehmender Breite abnimmt und an den Polen<br />

null ist, nimmt auch die Genauigkeit entsprechend ab. An den Polen scheitert die<br />

Bestimmung der Nordrichtung mittels Kreiselmessungen.<br />

52


3.2 Der Vermessungskreisel<br />

Bei dem Vermessungskreisel handelt es sich<br />

um einen bandgehängten und<br />

schweregefesselten Kreisel. Der Kreisel hängt<br />

an einem dünnen, aber kräftigen und<br />

elastischen Metallband (Torsionsfaden) und<br />

schwingt frei in der Luft. Durch den<br />

Aufhängepunkt oberhalb des Schwerpunktes<br />

ist der Kreisel automatisch an die Lotrichtung<br />

gekoppelt (schweregefesselt). Der<br />

Kreiselrotor ist als Außenläufer eines<br />

Elektromotors in der Kreiselkappe gelagert.<br />

Nachführeinrichtung<br />

obere Bandklemme<br />

Trageband<br />

untere Bandklemme<br />

Kreiselmast<br />

Schwerpunkt<br />

Rotorachse<br />

Kreiselkappe<br />

mit Kreisel<br />

Die aktuelle Stellung der Kreiselachse (Rotorachse) bzw. dessen<br />

Richtungsänderung kann über einen festen Spiegel am Kreiselmast mittels<br />

Autokollimation abgegriffen bzw. abgelesen werden.<br />

Erddrehrate<br />

Z x<br />

Ω<br />

E<br />

Ω<br />

N<br />

Aufgrund der Schwerebeschleunigung<br />

g wird der am Band aufgehängte<br />

Kreisel stets an die Lotrichtung<br />

gefesselt, wodurch sich die<br />

Rotorachse senkrecht zur Lotrichtung<br />

ϕ<br />

y<br />

Ω<br />

V<br />

ausrichten wird. Aufgrund des<br />

Drehimpulses möchte der Kreisel aber<br />

die ursprüngliche Lage beibehalten.<br />

Die Erdrotation ΩE, die im lokalen<br />

g<br />

z<br />

Koordinatensystem eine Komponente<br />

um die Lotrichtung (ΩV) und um die<br />

nach Norden zeigende Achse (ΩN)<br />

aufweist, führt dazu, dass sich das<br />

ϕ<br />

Y<br />

lokale Koordinatensystem gegenüber<br />

der Rotorachse des Kreisels, der seine<br />

Lage im Raum beibehalten möchte,<br />

verändert. Für den Fall, dass die Rotorachse des Kreisels nicht nach Norden (oder<br />

Nord<br />

53<br />

Süden) zeigt, übt dann die Schwerebeschleunigung g ein äußeres Drehmoment, das<br />

sog. Fesselmoment, auf den Kreisel aus, und versucht, die Rotorachse wieder<br />

horizontal auszurichten. Hierauf reagiert nun der Kreisel mit einer<br />

Präzessionsbewegung, d.h. der Kreiselrotor weicht in einer Drehbewegung<br />

senkrecht zu dem äußeren Drehmoment und dem Rotationsvektor des Kreisel aus -<br />

führt also eine Drehbewegung um den Faden, an dem der Kreisel aufgehängt ist,<br />

aus. Diese Drehbewegung hält solange an, bis dass die Rotationsachse des<br />

Kreisels parallel zur Nordkomponente der Erddrehrate zeigt.<br />

Nord<br />

α<br />

Dreh-<br />

vektor<br />

Ω V<br />

g<br />

β<br />

Ω N<br />

Erddrehrate Ω<br />

E<br />

Nord<br />

Lotrichtung<br />

Aufgrund der Torsion des Fadens, an dem der Kreisel aufgehängt ist, wird sich die<br />

Nordrichtung nicht direkt sondern aufgrund der Präzession des Kreisels in Form<br />

einer gedämpften Schwingung einstellen. Die Schwingungsdauer T hängt dabei von<br />

zwei Momenten (Kraft, die über einen Hebelarm angreift) ab:<br />

� das Richtmoment R<br />

� das Fesselmoment M.<br />

Die Größe dieser Momente und die daraus resultierende Schwingungszeit hängen<br />

von den Eigenschaften des Kreisels (Masse, Aufhängung,<br />

Rotationsgeschwindigkeit), der beiden Erddrehratenkomponenten und den beiden<br />

Auslenkungswinkeln α und β ab. Unter Berücksichtigung der beiden<br />

Erddrehratenkomponenten gilt<br />

R = JK $ ✬K $ ✡E $ cos ✩ $ sin ✍ = HK $ ✡N $ sin ✍<br />

E = M $ sin ✎ oder HK $ ✡V = m $ g $ l $ sin ✎<br />

✡N = ✡E $ cos ✩<br />

✡V = ✡E $ sin ✩<br />

T = 2✜ $<br />

HK<br />

M$(✡N+ D B<br />

H K )<br />

¡ T0<br />

cos ✩<br />

54<br />

g<br />

Ω N<br />

Ω V


Hierin bedeuten:<br />

R: Richtmoment<br />

E: Elevationsmoment<br />

M: Fesselmoment<br />

JK: Trägheitsmoment des Kreisels<br />

ωK: Winkelgeschwindigkeit des Kreisels (Drehrate, Rotationsgeschwindigkeit)<br />

Hk: Drehimpuls des Kreisels<br />

α: Winkel (Abweichung) gegenüber Nord<br />

β: Winkel (Abweichung) gegenüber der Lotrichtung<br />

m: Masse des schwingenden Systems<br />

g: Schwerebeschleunigung am Messort<br />

l: Länge des Bandes zwischen Aufhängepunkt und Schwerpunkt<br />

T0: Schwingungszeit T am Äquator<br />

DB: Rückstell- bzw. Torsionsmoment des Aufhängefadens<br />

Typische Schwingungszeiten für T0 liegen im Bereich von 5 min bis 15 min. Die<br />

Schwingungszeiten T nehmen dabei mit zunehmender Breite zu. Die Amplitude wird<br />

durch die Anfangsstellung (Winkel α = Abweichung von der Nordrichtung) bestimmt.<br />

Für ein schnelles Einschwingen des Kreisels sollte die Nordrichtung deshalb bereits<br />

auf besser als 1 Gon (0.1 Gon - 0.3 Gon) voreingestellt sein.<br />

α<br />

3.2.1 Beobachtungsverfahren<br />

Nach dem Aufstellen und Horizontieren schwingt der Kreisel in Form einer<br />

gedämpften Schwingung um die genähert eingestellte Nordrichtung. Die jeweilige<br />

Richtung der Kreiselachse kann mittels einer Autokollimationseinrichtung auf eine<br />

Hilfsskala projiziert, an der die Amplitude abgelesen wird. Zur Reduzierung des<br />

Torsionsmomentes des Aufhängefadens ist es vorteilhaft, den Kreisel ständig durch<br />

Verdrehen der Bandklemme vorsichtig der Bewegung nachzuführen. Diese Methode<br />

mit manueller Nachdrehung der Bandklemme ist die klassische Methode, die einen<br />

geringen gerätetechnischen Aufwand aber einen geschulten Beobachter erfordert<br />

und außerdem viel Zeit beansprucht. Zur Bestimmung der Nordrichtung mit<br />

Nachführung des Vermessungskreisels kommen zwei Verfahren zur Anwendung:<br />

� Umkehrpunktmethode<br />

� Durchgangsmethode<br />

T<br />

55<br />

Zeit t<br />

α<br />

α N<br />

Bei der Umkehrpunktmethode wird ausgenutzt, dass an den Umkehrpunkten die<br />

Bewegung kurzfristig zum Stillstand kommt. Dieser Moment wird abgewartet und es<br />

erfolgt eine erste Ablesung u1. Am zweiten Umkehrpunkt erfolgt dann die Ablesung<br />

u2 und am dritten die Ablesung u3. Aus diesen Ablesungen lässt sich die Stellung der<br />

Rotorachse in Bezug auf die Nordrichtung wie folgt bestimmen:<br />

✍N =<br />

(u1+u3 )<br />

2<br />

+ u2<br />

2<br />

Zur Genauigkeitssteigerung können noch weitere Umkehrpunkte bestimmt und in<br />

die Berechnung eingeführt werden.<br />

Bei der Durchgangsmethode werden die Zeiten t1, t2, t3 ... zwischen zwei<br />

Nulldurchgängen gemessen. Für den Fall, dass die Mittellage nicht der Nordrichtung<br />

entspricht, ergeben sich für die beiden Durchgänge einer kompletten Schwingung T<br />

zwei unterschiedliche Zeiten. Aus den beiden Schwingungszeiten t1, t2 und der<br />

Amplitude lässt sich dann der Differenzwinkel Δα berechnen.<br />

α<br />

α N<br />

Δα<br />

u1<br />

t 1<br />

u 2<br />

Da bei beiden Methoden die Schwingung während der Bewegung beobachtet<br />

werden muss, kommen nur Kreisel mit einer großen Schwingungszeit T ( > 5 min) in<br />

Betracht. Eine lange Schwingungszeit lässt sich nur mit dünnen Fäden mit einer<br />

geringen Torsionssteifigkeit erzielen, was gleichzeitig eine hohe Empfindlichkeit<br />

gegenüber Stößen und anderen äußeren Einwirkungen bedeutet. Ein weiteres<br />

Problem ist der Torsionsnullpunkt des Fadens, der mit der Nulllage zusammenfallen<br />

und der sich während der Messung nicht ändern sollte.<br />

56<br />

T<br />

u 3<br />

Umkehrpunktmethode<br />

t 2<br />

T<br />

t 3 t 4<br />

Durchgangsmethode<br />

Zeit t<br />

Zeit t


57<br />

Ein Beispiel für einen bandgehängten<br />

Kreisel, der manuell nachgeführt<br />

werden muss, ist der Aufsatzkreisel<br />

GAK 1 von Wild, der auf einem T 16<br />

montiert werden kann.<br />

Technische Daten des GAK 1:<br />

Höhe<br />

Durchmesser<br />

Aufhängeband<br />

Querschnitt<br />

Bandzug<br />

Kreisel<br />

Drehzahl<br />

Drehimpuls<br />

Hochlauf<br />

Bremszeit<br />

Halbschwingzeit (mittl. Breiten)<br />

Einsatzbereich<br />

Temperaturbereich<br />

Winkelwert pro Skaleninterv.<br />

Standardabweichung<br />

Eingangsspannung<br />

Stromaufnahme<br />

340 mm<br />

85 mm<br />

Nivaflex<br />

0,4 x 0,02 mm<br />

ca. 550 g<br />

Perkin-Elmer Typ<br />

831<br />

ca. 22000 U/min<br />

1,86 x 10 -6 cm²gs -1<br />

ca. 1,5 min<br />

ca. 50 s<br />

ca. 4 min<br />

bis ca. 75° geogr.<br />

Breite<br />

-40 °C bis 50 °C<br />

0,19 gon / 10'<br />

10 mgon / 30"<br />

12 V =<br />

4 A max.<br />

Kürzere Schwingungszeiten und damit<br />

kürzere Messzeiten lassen sich nur mit<br />

bandgehängten Kreisel erzielen,<br />

dessen Aufhängebänder eine hohe<br />

Torsionssteifigkeit aufweisen und die<br />

automatisch nachgeführt und<br />

abgelesen werden. Zu dieser<br />

Generation von bandgehängten<br />

Kreiseln gehört der Gyromat 2000 von<br />

DMT (DeutscheMontanTechnologie für<br />

Rohstoff, Energie, Umwelt). Mit Hilfe<br />

einer automatischen Nachführregelung<br />

wird bei dem Gyromat das<br />

Gerätegehäuse dem einschwingenden<br />

Kreisel nachgeführt, wobei keine<br />

Vorausrichtung erforderlich ist. Die<br />

Messzeit in dem genauesten<br />

Messmodus beträgt 9 min bei einer<br />

Standardabweichung von 1 mGon. Die<br />

Verwendung des Gyromats ist mit<br />

verschiedenen Theodoliten und<br />

58<br />

Tachymetern<br />

möglich. Die<br />

technischen Daten<br />

sowie die<br />

wichtigsten<br />

Baugruppen sind<br />

nebenstehend<br />

aufgeführt.<br />

Dieser Kreisel wird<br />

vorwiegend im<br />

Tunnelbau (u.a.<br />

beim Eurotunnel,<br />

Alptransittunnel)<br />

und anderen<br />

Ingenieurprojekten<br />

eingesetzt.


3.2.2 Berechnung der Nordrichtung (Azimut)<br />

Die mittels der Kreiselmessung bestimmte Richtung αn ist noch um<br />

verschiedene Winkel zu korrigieren. Der Zusammenhang ist in der nebenstehenden<br />

Abbildung dargestellt.<br />

Der aus der Kreiselmessung stammende Wert α0 ist zunächst um den Eichwert E,<br />

der die Abweichung der Richtung der Rotorachse bzw. des Kreiselzeigers von der<br />

Nordrichtung beinhaltet, wie folgt zu korrigieren:<br />

<strong>Teil</strong>kreisnull<br />

Kreiselzeiger<br />

α N<br />

α 0<br />

✍N = ✍0 + E<br />

E<br />

N<br />

G (X)<br />

γ<br />

Das geographische Azimut ✍P zum Zielpunkt P errechnet sich dann aus der<br />

Nordrichtung des Kreiselzeigers ✍N und der <strong>Teil</strong>kreisblesung r<br />

(Horizontalrichtung) in Richtung des Zielpunktes P:<br />

✍P = r − ✍N = r − ✍0 − E<br />

r<br />

α P<br />

Standpunkt<br />

A P<br />

In der Regel wird für geodätische Anwendungen an Stelle des geographischen<br />

Azimutes αP das auf Gitternord (bei Verwendung von Gauß-Krüger- oder<br />

UTM-Koordinaten) bezogene Azimut AP benötigt. In diesem Fall muss zusätzlich die<br />

Meridiankonvergenz γ wie folgt berücksichtigt werden:<br />

AP = ✍P − ✏ = r − ✍N − ✏ = r − ✍0 − E − ✏<br />

In Gebieten mit einer großen Lotabweichung und insbesondere im Hochgebirge ist<br />

eine weitere Korrektion notwendig. Die Lotabweichungskorrektion ✁✍✔✛,<br />

die<br />

vergleichbar mit der Korrektion des Stehachsfehlers ist, berechnet sich aus den<br />

beiden Lotabweichungskomponenten in Nord- bzw. Ostrichtung ( ✔, ✛)<br />

und der<br />

Zenitdistanz z wie folgt:<br />

✁✍✔✛ = −(✔ $ tan ✩ + (✛ $ sin ✍P − ✔ $ cos ✍P) $ cot z)<br />

59<br />

P<br />

Zielpunkt<br />

mit<br />

✛ = ✂ − ✩<br />

✔ = (✆ − ✘) $ cos ✩<br />

Diese Werte können auch aus Geoidhöhen bzw. Quasigeoidhöhen berechnet<br />

werden.<br />

Die Meridiankonvergenz (ellipsoidische: γ bzw. ebene: c) variiert mit dem<br />

Abstand vom Hauptmeridian λ0 und berechnet sich in erster Näherung zu:<br />

c ¡ ✏ ¡ ✁✘ $ sin ✩<br />

✁✘ = ✘ − ✘0<br />

ϕ, λ: geographische Koordinaten des Standpunktes<br />

Diese Näherungen gewährleisten bereits eine Genauigkeit von besser 1 mGon. Für<br />

höhere Genauigkeitsansprüche sind die nachfolgenden Reihenentwicklungen zu<br />

benutzen.<br />

:<br />

Pol ( ϕ =90°)<br />

Äquator<br />

Hauptmeridian<br />

X (Hoch)<br />

λ 0<br />

Δλ<br />

Y (Rechts)<br />

c,γ<br />

60<br />

P(ϕ,λ)<br />

λ<br />

ebene Meridiankonvergenz c<br />

ellipsoidisch: γ<br />

S ell<br />

ϕ = const<br />

Gauß-Krüger-Abbildung des Ellipsoids


KZ = trunc(<br />

✘ − 1.5<br />

) + 1<br />

3<br />

✘0 = 3 0 $ KZ<br />

✘ − ✘0<br />

✁✘ = ✯<br />

✩0[ o] =<br />

x<br />

111092 m<br />

✁x = x − G0<br />

x = H<br />

y = R − Kz $ 10 6 − 500 000 m<br />

e 2 = 2 $ f − f 2<br />

RN =<br />

✔ =<br />

a<br />

1 − e 2 $ sin 2 ✩0<br />

1<br />

1 − e 2 − 1 $ cos2 ✩0<br />

t = tan ✩0<br />

a) ebene und ellipsoidische Meridiankonvergenz (c, γ) aus ellipsoidischen<br />

Koordinaten<br />

c = ✁✘ $ sin ✩ + 1 3 $ sin ✩ $ cos2 ✩ $ (1 + 3 $ ✔) $ ✁✘ 3 $ ✯<br />

✏ = ✁✘ $ sin ✩ + 1 3 $ sin ✩ $ cos2 ✩ $ (1 + ✔) $ ✁✘ 3 $ ✯<br />

b) ebene Meridiankonvergenz c aus Gauß-Krüger-Koordinaten oder aus<br />

UTM-Koordinaten<br />

∏ ∏ ∏ c = b01 $ y + b11 $ ✁x $ y + b21 $ ✁x2 ∏ $ y + b03 $ y3 ∏ + b31 $ ✁x3 ∏ $ y + b13 $ ✁x $ y3 + ...<br />

mit<br />

∏ t<br />

b01 = RN<br />

∏ 1+t<br />

b11 = 2 +✔<br />

R2 N<br />

∏ 1 ∏ ∏ ∏ 1+4$t<br />

b03 = − 3 $ b21 b31 = −b13 = 2 +3$t4 3$R4 N<br />

∏ t$(1+t<br />

b21 = 2−✔) R3 N<br />

Bricht man die Reihenentwicklung nach dem ersten Term ab, so erhält man für c:<br />

∏ c ¡ b01 $ y = t tan ✩0<br />

$ y =<br />

RN RN<br />

$ y = tan( x<br />

111092 m $ ✯)<br />

$ y<br />

RN<br />

Für Genauigkeitsanforderungen von besser als 1 mGon und bei längeren Strecken<br />

(> 1 km) ist zusätzlich die Richtungsreduktion zwischen der Richtung T der<br />

gekrümmten ellipsoidischen Strecke (auf dem Ellipsoid) und der Richtung t der<br />

Horizontalstrecke in der Abbildungsebene (Gauß-Krüger oder UTM) zu<br />

berücksichtigen. Diese berechnet sich wie folgt aus den ebenen Koordinaten des<br />

Stand- und des Zielpunktes:<br />

T − t = y1$✯<br />

2$R N 2 $ 1 − y 1 2<br />

3$R N 2 $ (x2 − x1) + ✯<br />

6$R N 2 $ 1 − 3$y 1 2<br />

2$R N 2<br />

<strong>61</strong><br />

$ (y2 − y1) $ (x2 − x1)

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