05.01.2023 Aufrufe

FOCUS 02/2023_Vorschau

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

AUSGABE 2 7. Januar 2<strong>02</strong>3 € 4,90<br />

Die Duelle<br />

des Jahres<br />

Baerbock gegen Habeck,<br />

Wüst gegen Merz<br />

und Faeser gegen alle<br />

Benedikt<br />

XVI.<br />

Erinnerungen an<br />

den deutschen Papst,<br />

der die Kirche<br />

erschütterte – und an<br />

der Welt scheiterte<br />

KAMPF UM<br />

ROHSTOFFE<br />

Lithium, Kobalt und<br />

seltene Erden:<br />

So kann Deutschland<br />

seine Abhängigkeit<br />

verringern


Alle <strong>FOCUS</strong>-Titel to go.<br />

focus-shop.de<br />

JETZT<br />

E-PAPER LESEN:


EDITORIAL<br />

Unser Staat – übermächtig und überfordert<br />

Von Robert Schneider, Chefredakteur<br />

Foto: Peter Rigaud/<strong>FOCUS</strong>-Magazin<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

sind Sie gut ins neue Jahr gekommen? Für<br />

die allermeisten gilt wohl: besser als viele<br />

Polizisten und Rettungssanitäter in Berlin<br />

und Hamburg, aber auch in Hagen,<br />

Bochum oder Essen. Womit wir beim ersten<br />

großen Thema des neuen Jahres wären:<br />

den Gewaltexzessen, zu denen Horden<br />

zumeist junger Männer die Silvesternacht<br />

missbraucht haben. Die Empörung darüber<br />

schlug hohe Wellen. Die Forderungen<br />

reichten vom bundesweiten Böllerverbot<br />

über die Ausrüstung der Feuerwehr- und<br />

Rettungskräfte mit Bodycams bis zur Verbesserung<br />

der Integrationsanstrengungen.<br />

Offensichtlich hat ein nicht geringer Teil<br />

der Chaoten und Gewalttäter einen Migrationshintergrund.<br />

Nebenbei bemerkt: Ich<br />

darf das noch sagen, der Berliner Polizei<br />

will ein neuer Sprech-Knigge verschiedene<br />

Begriffe rund um die Migration (z. B.<br />

das Wort „Asylbewerber“) untersagen.<br />

Ich glaube allerdings nicht, dass Probleme<br />

dadurch verschwinden, dass man sie<br />

nicht mehr benennt.<br />

Meine Befürchtung ist, dass das Gerede<br />

der vergangenen Tage, das durch den beginnenden<br />

Wahlkampf in Berlin zusätzlich<br />

befeuert wurde, folgenlos bleibt. Diese<br />

Sorge ist schon deshalb begründet, weil<br />

gerade Berlin sich mit dem Phänomen der<br />

Gewaltexplosion in Silvesternächten seit<br />

2017 herumschlägt, die sich auch gegen<br />

Polizei, Feuerwehr und Sanitäter – also<br />

gegen unseren Staat – richtete. Damals<br />

wurden die Gesetze verschärft, der Strafrahmen<br />

auf fünf Jahre erhöht.<br />

Mich würde interessieren, ob dieser<br />

Strafrahmen jemals ausgeschöpft worden<br />

ist. Die 145 von der Berliner Polizei<br />

während der diesjährigen Silvesterrandale<br />

Festgenommenen befanden sich kurz<br />

danach bereits wieder auf freiem Fuß.<br />

Juristisch mag das seine Richtigkeit haben,<br />

aber ich kann jeden Feuerwehrmann und<br />

jeden Rettungssanitäter verstehen, der sich<br />

fragt, ob er sich diesen Job weiter antun<br />

soll. Innenministerin Nancy Faeser (SPD)<br />

meint, dass zusätzliche Verbote und schärfere<br />

Gesetze wenig bringen.<br />

Das ist schon deshalb richtig, weil vieles<br />

schon jetzt verboten ist. So darf man<br />

in Berlin nur von Silvester 18.00 Uhr bis<br />

Neujahr 6.00 Uhr böllern, Verstöße können<br />

mit bis zu 50 000 Euro geahndet werden.<br />

Nicht nur Chaoten und Gewalttäter<br />

lachen darüber sowie über die Ankündigung<br />

der Polizei, man werde auf die strikte<br />

Einhaltung dieser Böllerbegrenzung achten.<br />

Man werde zudem „Brennpunkte“<br />

wie Neukölln im Blick haben. Gebrannt<br />

hat es dort trotzdem.<br />

Und was ist mit dem deutschlandweiten<br />

Verbot, Pyrotechnik in der Nähe von<br />

Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und<br />

Altenheimen abzubrennen? Ob das in<br />

Berlin, Hamburg und anderen Großstädten<br />

eingehalten wurde? Wir wissen es<br />

schon deshalb nicht, weil es nicht durchgesetzt<br />

wird. Doch Verbote, deren Einhaltung<br />

nicht kontrolliert wird, bringen<br />

nichts. Und so richtig es ist, den Migrationshintergrund<br />

der Krawalle zu erhellen,<br />

so illusionär ist die Forderung, die Integrationsarbeit<br />

zu verstärken. Wer soll das<br />

machen? Wir haben jetzt schon zu wenig<br />

Lehrer, Polizisten, städtische Mitarbeiter,<br />

ehrenamtliche Helfer.<br />

Es offenbart sich ein deutsches Paradox:<br />

Der Staat, der in der Corona- und der<br />

Energiekrise übermächtig auftrat, erweist<br />

sich häufig als überfordert. So beschließt<br />

die Politik eine Erhöhung und Ausweitung<br />

des Wohngeldes, doch es fehlen die<br />

Mit arbeiter, damit es rechtzeitig umgesetzt<br />

werden kann. Ähnlich das Bild bei<br />

der Gaspreisbremse, die seit Sonntag gilt,<br />

aber die Bürger erst rückwirkend nach<br />

drei Monaten entlastet.<br />

Derselbe Staat, der Bürger und Wirtschaft<br />

mit einer rekordverdächtigen Bürokratie<br />

belastet, sieht sich nicht in der Lage, die<br />

Grenzen gegen illegale Einwanderung<br />

zu schützen oder die Schulen mit ausreichend<br />

vielen Lehrern zu versorgen. Und<br />

es war die Politik verschiedener Regierungen,<br />

die über viele Jahre durch eine<br />

illusionistische Energiepolitik die Gasmangellage<br />

und das Strompreisroulette<br />

geschaffen hat, die sie jetzt mit Hilfspaketen<br />

bekämpft. Wenige Monate nach der<br />

„Zeitenwende“ durch Ukraine-Krieg und<br />

100-Milliarden-Euro-Wumms für die Bundeswehr<br />

fehlt es den Streitkräften weiter<br />

an Munition – vom Ausfall der modernen<br />

Puma-Panzer ganz zu schweigen. Die<br />

Überforderung des Gesundheitssystems<br />

angesichts der Pandemie, das Digitalisierungsdesaster<br />

sowie die Defizite bei der<br />

Bahn und im Straßennetz kommen hinzu.<br />

Die Diagnose: Die einst weltberühmte<br />

Infrastruktur Deutschlands reicht vorne<br />

und hinten nicht mehr aus. Das ist wie<br />

mit einer zu kurzen Bettdecke: Es macht<br />

keinen Sinn, an ihr zu zerren, denn man<br />

braucht eine größere Decke. Dafür sollte<br />

der Staat das Geld der Steuerzahler ausgeben<br />

und weniger für milliardenteure<br />

Klimaschutzverträge, die Wirtschaftsminister<br />

Robert Habeck jetzt mit Großunternehmen<br />

abschließen will, damit sie auf<br />

klimafreundliche Produktion umstellen.<br />

Wenn die Technologien dafür vorhanden<br />

sind und diese sich rechnen, werden die<br />

Unternehmen das auch ohne Subventionen<br />

machen.<br />

Während ich diese Zeilen schreibe,<br />

erreicht mich die Meldung, dass die von<br />

den Grünen durchgesetzte Antidiskriminierungsbeauftragte,<br />

Ferda Ataman, Menschen<br />

nicht nur wegen ihres Alters, Krankheit,<br />

Behinderung, Herkunft, Geschlecht,<br />

Religion, Weltanschauung oder ihrer<br />

sexuellen Orientierung vor Benachteiligung<br />

schützen will, sondern künftig auch<br />

vor Diskriminierung wegen ihres sozialen<br />

Status, also wegen Armut. Denn, so Ataman,<br />

viele Bürger bekämen keine Wohnung,<br />

wenn sie Hartz-IV-Bezieher seien.<br />

Und Eltern mit jüngeren Kindern würden<br />

am Arbeitsmarkt diskriminiert, weil sie<br />

nicht immer flexibel seien.<br />

Das alles ist beklagenswert, doch glaube<br />

ich nicht, dass der Staat Hartz-IV-<br />

Empfängern per Gesetz zu Wohnraum<br />

verhelfen kann, auch wenn das jetzt<br />

Bürgergeld-Bezieher sind. Denen würde<br />

es mehr helfen, wenn der Staat den<br />

Wohnungsbau in Schwung bringen<br />

würde. Die zuständige Ministerin Klara<br />

Geywitz, die auch das Wohngeld verantwortet,<br />

schafft leider die versprochenen<br />

400 000 Wohnungen pro Jahr nicht – auch<br />

deshalb nicht, weil es überall an Facharbeitern<br />

und Handwerkern mangelt.<br />

Herzlich Ihr<br />

<strong>FOCUS</strong> 2/2<strong>02</strong>3<br />

3


Dramatischer Druck<br />

Olaf Scholz ringt mit<br />

seinen Versprechen.<br />

Kann er 2<strong>02</strong>3<br />

der Zeitenwende<br />

gerecht werden?<br />

Seite 28<br />

Royale Rache<br />

Meghan und Harry<br />

hadern mit dem<br />

Königshaus. Auch in<br />

seiner Autobiografie<br />

teilt der Prinz aus<br />

Seite 22<br />

Kesse Kunst<br />

Im Museum<br />

Frieder Burda<br />

verwirrt Jordan<br />

Wolfsons<br />

„Female Figure“<br />

die Besucher<br />

Seite 82<br />

Eisige Expedition<br />

Kreuzfahrer beobachten<br />

die Unterwasser-Akrobatik<br />

eines Seelöwen vor<br />

Foyn Harbour in der<br />

Antarktis<br />

Seite 100<br />

Religiöser Rebell<br />

Sein Rücktritt<br />

schockierte einst<br />

die Kirche. Nun<br />

nimmt die Welt<br />

Abschied von Papst<br />

Benedikt XVI.<br />

Seite 46<br />

Magic Mushrooms Ottolenghis Veganuary-Rezept Seite 105<br />

4 <strong>FOCUS</strong> 2/2<strong>02</strong>3


Seite 4<br />

Seite 5<br />

INHALT NR. 2 | 7. JANUAR 2<strong>02</strong>3<br />

Titelthema<br />

66 Brille? Fielmann<br />

Kurz vor Beginn der Pandemie<br />

übernahm er das Optiker-Imperium von<br />

seinem Vater. Wie Marc Fielmann<br />

in die Zukunft blickt<br />

70 Geldmarkt<br />

Kultur<br />

82 Was macht die Kunst, Puppe?<br />

In der Ausstellung „Transformers“<br />

in Baden-Baden kommunizieren Roboter<br />

mit Meisterwerken aus der Sammlung<br />

Frieder Burda<br />

Titel: Svenja Kruse für <strong>FOCUS</strong>-Magazin, Fotos: action press,<br />

Getty Images, Shutterstock (5)<br />

Fotos: EPA, Courtesy of Netflix, imago, laif, Louise Hagger/Photography, Emily Kydd/Food Styling, Jennifer Kay/Prop Styling,<br />

Katy Gilhooly/Food Stylist Assistant, Denis Elterman, Klaus Schultes<br />

54 Die Neuvermessung der Welt<br />

Um unseren Wohlstand zu sichern, ringen<br />

Deutschland und Europa um Rohstoffe.<br />

Denn ohne Metalle und Minerale werden<br />

Energie- und Mobilitätswende scheitern.<br />

Über die neue Landkarte der Macht<br />

Agenda<br />

22 Mit Schirm, Charme, ohne Krone<br />

Prinz Harry war einst der beliebteste Royal.<br />

Bis er öffentlich mit der Familie abrechnete.<br />

Erst auf Netflix, nun in Buchform. Annäherung<br />

an einen traumatisierten Menschen<br />

Politik<br />

28 Wer gegen wen?<br />

Die spannendsten Duelle des Jahres: Kanzler<br />

gegen Zeitenwende, Merz gegen Wüst oder<br />

Wagenknecht gegen Linke. Wer 2<strong>02</strong>3 die<br />

besten Chancen hat, sich durchzusetzen<br />

36 Ist die Zeit reif für 130 km/h?<br />

Der Gründer der KlimaUnion findet, seine<br />

Partei sollte beim Tempolimit umdenken<br />

38 „Lassen wir uns enttäuschen!“<br />

Ein Zukunftsforscher erklärt, warum 2<strong>02</strong>3<br />

in der Desillusionierung die Hoffnung liegt<br />

41 Politischer Datenstrudel<br />

Olaf Scholz sendet mysteriöse Grüße<br />

und Marco Buschmann philosophiert<br />

42 Kampfansage der Bosse<br />

Vom fröhlichen Kifferparadies zum Zentrum<br />

der Drogenmafia. Sind die Niederlande ein<br />

warnendes Beispiel für Deutschland?<br />

46 Grazie, Benedetto!<br />

Sein Rücktritt schrieb Geschichte und erschütterte<br />

die Kirche. Eine Reporterin, die ihn<br />

gut kannte, erinnert an Papst Benedikt XVI.<br />

Wirtschaft<br />

64 Vom Fahrradhändler zum Broker<br />

Nur Hilfsgelder halten Argentiniens Wirtschaft<br />

noch am Laufen. Was bedeuten<br />

100 Prozent Inflation für die Menschen dort?<br />

Wissen<br />

72 Eine teuflische Krankheit<br />

Weltweit leiden Millionen Menschen<br />

unter grotesken Schwellungen, an<br />

Elefantiasis. Eine Mikrobiologin will<br />

den Erreger nun ausrotten<br />

77 Für mehr Gerechtigkeit<br />

UNIDO-Chef Gerd Müller über<br />

das Lieferkettengesetz, das weltweit<br />

Standards setzen soll<br />

79 Natur im Rampenlicht<br />

Das sind die Tiere und Pflanzen des Jahres<br />

Kämpferischer Kapitän<br />

Mit 25 ist Johannes Golla der<br />

jüngste Chef, den die Handball-<br />

Nationalmannschaft je hatte.<br />

Nun will er die WM gewinnen<br />

Seite 106<br />

86 Rückbesinnung und Neubeginn<br />

Unsere Kino-, Buch- und Musikempfehlungen<br />

zum Start ins neue Jahr<br />

88 Ist ja irisch …<br />

In „The Banshees of Inisherin“ zerstören sich<br />

zwei Männer grundlos gegenseitig das Leben<br />

Leben<br />

100 Leinen los!<br />

Die Kreuzfahrtbranche erwartet für 2<strong>02</strong>3<br />

ein neues Rekordjahr: die besten Tipps für<br />

außergewöhnliche Routen und Schiffe<br />

105 Magic Mushrooms<br />

Ottolenghis Antwort auf Fleischhunger:<br />

Pilze<br />

106 „Ich bin eine Kampfsau“<br />

Johannes Golla ist der jüngste Kapitän,<br />

den die deutsche Handball-Nationalmannschaft<br />

je hatte – und ihre große<br />

Hoffnung bei der WM<br />

109 Macrons Neuer<br />

Die Pariser Premiummarke DS Automobiles<br />

überzeugt mit dem DS 7 E-Tense 300<br />

3 Editorial<br />

6 Kolumne von<br />

Jan Fleischhauer<br />

9 Nachrichten<br />

10 Fotos der Woche<br />

16 Grafik der Woche<br />

Termine für 2<strong>02</strong>3<br />

18 Menschen<br />

78 Wir müssen reden<br />

Rubriken<br />

Titelthemen sind rot markiert<br />

IKONE<br />

Günter Bannas über Leben<br />

und Sterben Petra Kellys<br />

87 Salon<br />

92 Bestseller<br />

92 Impressum<br />

110 Die Einflussreichen<br />

112 Leserbriefe<br />

113 Nachrufe<br />

113 Servicenummern<br />

114 Tagebuch<br />

DER HAUPTSTADTBRIEF<br />

Herausgegeben von Ulrich Deppendorf und Ursula Münch<br />

WUNDERWUMMSIS<br />

Inge Kloepfer über<br />

politische Neologismen<br />

Jetzt noch mehr Politik im digitalen Format<br />

Der Hauptstadtbrief Der für <strong>FOCUS</strong>-Leser<br />

Lesen Sie digital und kostenlos noch mehr<br />

Osten<br />

Analysen zur aktuellen Politik.<br />

Über eine politische Himmelsrichtung<br />

Von Gabriel Kords Seite 2<br />

Scannen Sie dazu einfach diesen<br />

QR-Code: 15. Oktober 2<strong>02</strong>2 | #41<br />

<strong>FOCUS</strong> 2/2<strong>02</strong>3<br />

5


WIRTSCHAFT<br />

Die Neuvermessung der Welt<br />

Um unseren Wohlstand zu sichern, sucht Deutschland<br />

neue Wege, an kritische Rohstoffe zu gelangen – denn ohne Metalle und<br />

Minerale werden Energie- und Mobilitätswende scheitern<br />

TEXT VON A. FINK, R. KECK, M. JAUCH UND P. STEINKIRCHNER<br />

Farbenspiel<br />

In riesigen Becken<br />

wird in der Atacama-<br />

Wüste im Norden Chiles<br />

Lithium gewonnen<br />

Fotos: Foto: Ivan xxxxxx/<strong>FOCUS</strong>-Magazin Alvarado/REUTERS Bxxxxx xxxxx<br />

54 <strong>FOCUS</strong> 2/2<strong>02</strong>3


TITEL<br />

Schatz in den Anden<br />

60 Prozent der Lithium-<br />

Vorkommen liegen in einem<br />

Gebiet zwischen Bolivien,<br />

Chile und Argentinien<br />

Weißes Gold<br />

So nennen manche inzwischen<br />

das Lithium,<br />

ein Leichtmetall, das<br />

bedeutend sein wird<br />

für unsere Zukunft.<br />

Es steckt in fast jedem<br />

Elektroauto. Ob wir<br />

unsere Klimaziele<br />

erreichen, hängt<br />

also auch von seiner<br />

Verfügbarkeit ab


Junior mit Durchblick<br />

Eliteinternat, Top-Hochschule,<br />

Lehrjahre im eigenen<br />

Konzern – und doch<br />

konnte Marc Fielmann nicht<br />

ahnen, was in der Praxis<br />

auf ihn zukommen würde<br />

66


FAMILIENUNTERNEHMEN<br />

„Man muss<br />

loslaufen<br />

und darf<br />

nicht vor<br />

Schreck<br />

erstarren“<br />

Kurz nachdem er das<br />

Optik-Imperium seines<br />

Vaters übernahm, kam<br />

Corona. Trotzdem zeigt<br />

sich Marc Fielmann<br />

mehr denn je optimistisch<br />

für die Zukunft<br />

INTERVIEW VON THOMAS TUMA<br />

FOTOS VON JEWGENI ROPPEL<br />

Die Marzipantorte, die Marc<br />

Fielmann zur Begrüßung<br />

vorm Interview anbietet,<br />

trägt den Schriftzug einer<br />

Versicherung. War also<br />

das Weihnachtsgeschenk<br />

einer anderen Firma. Da<br />

kann man mal sehen, wie<br />

sparsam es hier zugeht beim Optiker-<br />

Marktführer. Das Lachen des 33-Jährigen<br />

dazu ist durchaus ansteckend, auch<br />

wenn der junge Erbe sich den Generationswechsel<br />

von seinem Vater, Firmengründer<br />

Günther Fielmann, sicher weniger<br />

holprig vorgestellt hat. Marc Fielmann<br />

hatte kaum übernommen, da kam Corona.<br />

Seither hat er viel gelernt – auch wo<br />

man nicht sparen sollte. Und trotz Pandemie,<br />

Krieg und Krisen wird dieses Jahr<br />

mit einem leichten Umsatzplus auf rund<br />

zwei Milliarden Euro gerechnet. Fielmann<br />

betreut in europaweit 936 Niederlassungen<br />

mit 22 640 Beschäftigten rund<br />

27 Millionen Kunden. Im vergangenen<br />

Geschäftsjahr 2<strong>02</strong>1 verkaufte der Konzern<br />

8,3 Millionen Brillen. 2<strong>02</strong>5 sollen es über<br />

zwölf Millionen sein. Der Junior scheint<br />

den Durchblick nicht verloren zu haben.<br />

Herr Fielmann, was haben Sie selbst<br />

für eine Brillenstärke?<br />

Gut zwei Dioptrien.<br />

Weitsichtig?<br />

Nein, kurzsichtig.<br />

Müssten Sie als Chef des gleichnamigen<br />

Optiker-Imperiums nicht auch dann<br />

eine Brille tragen, wenn’s gesundheitlich<br />

gar nicht nötig wäre? Als oberster<br />

Werbeträger der Firma quasi?<br />

(lacht) Wie gesagt: Ich brauche sie tatsächlich.<br />

Ich kann Sie hier am Tisch ohne<br />

Sehhilfe noch erkennen. Zum Autofahren<br />

reicht das schon nicht mehr. Aber ja, die<br />

Brille ist auch ein Mode-Accessoire.<br />

Das wollen Sie uns weismachen, um eben<br />

noch mehr zu verkaufen.<br />

Oh, es gibt eine Vielzahl von Studien, die<br />

belegen, dass man mit Brille zum Beispiel<br />

kompetenter wahrgenommen wird. Dass<br />

Sie damit bei Bewerbungsgesprächen besser<br />

abschneiden. Und eine Brille ist ja auch<br />

ein Schmuckstück wie eine Uhr oder eine<br />

Halskette. Aber auch der Anteil der Fehlsichtigen<br />

steigt wirklich signifikant.<br />

So schlimm?<br />

Bei den 20- bis 29-Jährigen hat sich der<br />

Anteil der Brillenträger seit den fünfziger<br />

Jahren mehr als verdoppelt.<br />

Schuld ist sicher unsere Computer- und<br />

Smartphone-Obsession, oder?<br />

Die beiden Phänomene – Siegeszug der<br />

Bildschirme und Sehprobleme – muss man<br />

zumindest gemeinsam betrachten, ja. Bis<br />

zum 25. Lebensjahr und auch darüber<br />

hinaus verändert sich das Auge übrigens<br />

noch, sodass es fast schon Zufall ist, wenn<br />

jemand wirklich gestochen scharf seine<br />

Umwelt sieht.<br />

Klingt, als wenn auf Sie jedenfalls noch<br />

gute Geschäfte zukommen.<br />

Mittel- bis langfristig sind wir durchaus<br />

optimistisch.<br />

Wie war das abgelaufene Jahr für Fielmann?<br />

Geprägt von einem Krieg, den wir nicht<br />

vorhersehen konnten. Die Konsumstimmung<br />

hat das niedrigste Niveau seit Aufzeichnung<br />

erreicht. Als Preisführer gewinnen<br />

wir Marktanteile in diesem Umfeld.<br />

Generell sparen aber auch bei uns die<br />

Kunden.<br />

Wie wird 2<strong>02</strong>3?<br />

Ich bin guter Dinge, weil wir während<br />

der Krise viele Neukunden begrüßen konnten.<br />

Die gilt es jetzt mit unserem Service zu<br />

halten. Im Schnitt kaufen die Leute ja alle<br />

drei Jahre eine neue Brille. Auch da müssen<br />

wir also langfristig denken …<br />

… was Investoren eher selten mögen.<br />

Ihr Aktienkurs erodiert seit dem Ausbruch<br />

der Pandemie. Kürzlich senkten<br />

Sie fürs Gesamtjahr erneut die Umsatz-<br />

und Gewinnziele. Was ist da los?<br />

Der Kurs sinkt, weil unsere Marge zurückgeht.<br />

Wir agieren antizyklisch. Während<br />

das Gros der Branche die Preise dieses<br />

Jahr eher erhöht hat, senkten wir sie<br />

bei vielen Produkten sogar. Das wird sich<br />

auszahlen. Als Familienunternehmer müssen<br />

wir da nicht auf jedes Quartal schauen.<br />

„Wir“ – das sind Sie, Ihre Schwester und<br />

Ihr Vater Günther Fielmann, der das<br />

Unternehmen einst gegründet hat. Wie viel<br />

Prozent der Aktien kontrollieren Sie drei?<br />

Mehr als zwei Drittel, die überwiegend<br />

von einer Stiftung gehalten werden.<br />

Externe Investoren werden oft noch schneller<br />

unruhig, wenn die Gewinne schmelzen.<br />

Und es ist ja auch klar, dass wir langfristig<br />

nicht auf dem aktuellen Renditeniveau<br />

bleiben möchten. Zugleich bin ich aber<br />

überzeugt, dass man nicht an der falschen<br />

Stelle sparen sollte. Wir haben zum Beispiel<br />

dieses Jahr auch die Gehälter unserer<br />

Augenoptiker und Hörakustiker angehoben.<br />

Auch das wird sich auszahlen.<br />

Schon im Juli verkündeten Sie trotzdem<br />

ein Kostensenkungsprogramm.<br />

Was bedeutet das konkret?<br />

Zunächst mal: Wir investieren überall<br />

dort, wo wir für unsere Kunden einen<br />

<strong>FOCUS</strong> 2/2<strong>02</strong>3 67


WISSEN<br />

Ödem am Bein<br />

Ein 70-jähriger Patient:<br />

Erst nach sehr vielen<br />

Mückenstichen kann<br />

sich der Erreger im<br />

Körper festsetzen<br />

Eine Krankheit, wie vom Teufel erfunden<br />

Weltweit tragen 120 Millionen Menschen einen Parasiten in sich, der groteske<br />

Schwellungen auslöst. Man stirbt nicht an der Elefantiasis, aber sie verschlimmert<br />

die Armut. In Nepal arbeitet eine Mikrobiologin daran, den Erreger auszurotten<br />

TEXT VON BERND HAUSER FOTOS VON SASCHA MONTAG<br />

72 <strong>FOCUS</strong> 2/2<strong>02</strong>3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!