Junior mit Durchblick Eliteinternat, Top-Hochschule, Lehrjahre im eigenen Konzern – und doch konnte Marc Fielmann nicht ahnen, was in der Praxis auf ihn zukommen würde 66
FAMILIENUNTERNEHMEN „Man muss loslaufen und darf nicht vor Schreck erstarren“ Kurz nachdem er das Optik-Imperium seines Vaters übernahm, kam Corona. Trotzdem zeigt sich Marc Fielmann mehr denn je optimistisch für die Zukunft INTERVIEW VON THOMAS TUMA FOTOS VON JEWGENI ROPPEL Die Marzipantorte, die Marc Fielmann zur Begrüßung vorm Interview anbietet, trägt den Schriftzug einer Versicherung. War also das Weihnachtsgeschenk einer anderen Firma. Da kann man mal sehen, wie sparsam es hier zugeht beim Optiker- Marktführer. Das Lachen des 33-Jährigen dazu ist durchaus ansteckend, auch wenn der junge Erbe sich den Generationswechsel von seinem Vater, Firmengründer Günther Fielmann, sicher weniger holprig vorgestellt hat. Marc Fielmann hatte kaum übernommen, da kam Corona. Seither hat er viel gelernt – auch wo man nicht sparen sollte. Und trotz Pandemie, Krieg und Krisen wird dieses Jahr mit einem leichten Umsatzplus auf rund zwei Milliarden Euro gerechnet. Fielmann betreut in europaweit 936 Niederlassungen mit 22 640 Beschäftigten rund 27 Millionen Kunden. Im vergangenen Geschäftsjahr 2<strong>02</strong>1 verkaufte der Konzern 8,3 Millionen Brillen. 2<strong>02</strong>5 sollen es über zwölf Millionen sein. Der Junior scheint den Durchblick nicht verloren zu haben. Herr Fielmann, was haben Sie selbst für eine Brillenstärke? Gut zwei Dioptrien. Weitsichtig? Nein, kurzsichtig. Müssten Sie als Chef des gleichnamigen Optiker-Imperiums nicht auch dann eine Brille tragen, wenn’s gesundheitlich gar nicht nötig wäre? Als oberster Werbeträger der Firma quasi? (lacht) Wie gesagt: Ich brauche sie tatsächlich. Ich kann Sie hier am Tisch ohne Sehhilfe noch erkennen. Zum Autofahren reicht das schon nicht mehr. Aber ja, die Brille ist auch ein Mode-Accessoire. Das wollen Sie uns weismachen, um eben noch mehr zu verkaufen. Oh, es gibt eine Vielzahl von Studien, die belegen, dass man mit Brille zum Beispiel kompetenter wahrgenommen wird. Dass Sie damit bei Bewerbungsgesprächen besser abschneiden. Und eine Brille ist ja auch ein Schmuckstück wie eine Uhr oder eine Halskette. Aber auch der Anteil der Fehlsichtigen steigt wirklich signifikant. So schlimm? Bei den 20- bis 29-Jährigen hat sich der Anteil der Brillenträger seit den fünfziger Jahren mehr als verdoppelt. Schuld ist sicher unsere Computer- und Smartphone-Obsession, oder? Die beiden Phänomene – Siegeszug der Bildschirme und Sehprobleme – muss man zumindest gemeinsam betrachten, ja. Bis zum 25. Lebensjahr und auch darüber hinaus verändert sich das Auge übrigens noch, sodass es fast schon Zufall ist, wenn jemand wirklich gestochen scharf seine Umwelt sieht. Klingt, als wenn auf Sie jedenfalls noch gute Geschäfte zukommen. Mittel- bis langfristig sind wir durchaus optimistisch. Wie war das abgelaufene Jahr für Fielmann? Geprägt von einem Krieg, den wir nicht vorhersehen konnten. Die Konsumstimmung hat das niedrigste Niveau seit Aufzeichnung erreicht. Als Preisführer gewinnen wir Marktanteile in diesem Umfeld. Generell sparen aber auch bei uns die Kunden. Wie wird 2<strong>02</strong>3? Ich bin guter Dinge, weil wir während der Krise viele Neukunden begrüßen konnten. Die gilt es jetzt mit unserem Service zu halten. Im Schnitt kaufen die Leute ja alle drei Jahre eine neue Brille. Auch da müssen wir also langfristig denken … … was Investoren eher selten mögen. Ihr Aktienkurs erodiert seit dem Ausbruch der Pandemie. Kürzlich senkten Sie fürs Gesamtjahr erneut die Umsatz- und Gewinnziele. Was ist da los? Der Kurs sinkt, weil unsere Marge zurückgeht. Wir agieren antizyklisch. Während das Gros der Branche die Preise dieses Jahr eher erhöht hat, senkten wir sie bei vielen Produkten sogar. Das wird sich auszahlen. Als Familienunternehmer müssen wir da nicht auf jedes Quartal schauen. „Wir“ – das sind Sie, Ihre Schwester und Ihr Vater Günther Fielmann, der das Unternehmen einst gegründet hat. Wie viel Prozent der Aktien kontrollieren Sie drei? Mehr als zwei Drittel, die überwiegend von einer Stiftung gehalten werden. Externe Investoren werden oft noch schneller unruhig, wenn die Gewinne schmelzen. Und es ist ja auch klar, dass wir langfristig nicht auf dem aktuellen Renditeniveau bleiben möchten. Zugleich bin ich aber überzeugt, dass man nicht an der falschen Stelle sparen sollte. Wir haben zum Beispiel dieses Jahr auch die Gehälter unserer Augenoptiker und Hörakustiker angehoben. Auch das wird sich auszahlen. Schon im Juli verkündeten Sie trotzdem ein Kostensenkungsprogramm. Was bedeutet das konkret? Zunächst mal: Wir investieren überall dort, wo wir für unsere Kunden einen <strong>FOCUS</strong> 2/2<strong>02</strong>3 67