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E-PAPER LESEN:
moneyeditorial<br />
EDITORIAL<br />
Lockvögel am<br />
Immobilienmarkt<br />
GEORG MECK<br />
Chefredakteur<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong><br />
das erste Indiz, dass sich der Wind am Immobilienmarkt dreht, erreichte uns<br />
vor einigen Wochen per Mail: Unter dem Betreff „Preisänderung“ gewährte<br />
die Maklerin einen Nachlass von 15 Prozent auf ein Häuschen in München,<br />
ohne dass wir auch nur mit einem Wort verhandelt hätten. Ein unaufgeforderter<br />
Rabatt – das war neu, eine Sensation geradezu nach einem Jahrzehnt,<br />
in dem die Preise für Immobilien in den Ballungszentren ebenso stetig wie zackig<br />
nach oben gingen, nicht zuletzt angetrieben von der Nullzinspolitik der<br />
Europäischen Zentralbank. Irgendwo musste das viele Geld ja hin.<br />
Nun, da sich herumgesprochen hat, dass Kredite wieder etwas kosten, hat<br />
sich die persönliche Anekdote zur statistisch abgesicherten Gewissheit verfestigt:<br />
Die Immobilienpreise in Deutschland sind ins Rutschen geraten. Die<br />
Quadratmeterpreise in fast allen deutschen Großstädten fallen, die Frage ist<br />
nur, für wie lange und vor allem wie tief. Von vier bis sechs Prozent Preisrückgang<br />
spricht die DZ Bank in ihrer jüngsten Studie, zehn Prozent nennt das<br />
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, 10 bis 30 Prozent Nachlass<br />
prognostizieren die Marktforscher von Empirica. Wer sich nach Häusern oder<br />
Wohnungen umschaut, erlebt heute völlig andere Verhältnisse als noch vor<br />
einem Jahr. Makler und Bauträger, die vorher mürrisch Wartelisten abgearbeitet<br />
haben, legen plötzlich eine Freundlichkeit an den Tag, als wären sie ins<br />
Honigtöpfchen gefallen. Die Kalkulation hat sich durch die Zinswende grundlegend<br />
geändert, für Anbieter wie für Kunden: Die Hypothekenzinsen haben<br />
sich in Rekordzeit fast vervierfacht, was die Zahl der Interessenten entsprechend<br />
einschränkt. Daran muss sich mancher potenzielle Verkäufer erst noch<br />
gewöhnen. „Es dauert ein paar Monate, bis alle die sinkenden Preise akzeptieren“,<br />
berichtet ein Investor mit einem Vierteljahrhundert Betongold-Erfahrung.<br />
Der Verkaufsdruck werde noch zunehmen in dem Maß, in dem es an<br />
der Finanzierung zwickt, prognostiziert der Mann. Das heißt als frohe Kunde<br />
für alle solventen Kaufwilligen: Haltet euch bereit, um zuzuschlagen<br />
beim nächsten Sonderangebot. Von einer „Preisdelle“ sprechen Ökonomen,<br />
einen „Markt der Chancen“ nennt das euphemistisch der<br />
Maklerverband. Ein besonders hübscher Beleg dafür flatterte diese<br />
Woche in unser elektronisches Postfach: Wer jetzt den Kaufvertrag<br />
unterschreibt, lockt ein Bauträger, erhält zur Doppelhaushälfte<br />
einen nagelneuen BMW als Gratis-Dreingabe<br />
obendrauf. Neue Zeiten am Bau.<br />
Herzlich Ihr<br />
Aus aktuellem Anlass!<br />
Lesen Sie <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> bequem zu Hause<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
die Inflation in Deutschland geht so schnell nicht wieder weg,<br />
bange blicken die Börsianer auf die Notenbanken: Stürzen diese<br />
mit besonders großen Zinsschritten die Volkswirtschaften in<br />
eine tiefe Rezession? Oder stoppen sie die Zinserhöhungen doch<br />
schneller als bislang angekündigt? Und was heißt das für die Märkte<br />
und die Aktienkurse? Mein Tipp: Sie erfahren alles Wichtige in <strong>FOCUS</strong><br />
<strong>MONEY</strong>. Den portofreien Kombi-Bezug (Print und Digital) für 1 Jahr erhalten<br />
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ab 8.00 Uhr. Wenn Sie <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> nach Bezug wieder im Handel kaufen<br />
möchten: Ein Anruf genügt, und das Abo ist beendet.<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 8/<strong>2023</strong><br />
Foto: F. Röth<br />
*inkl. MwSt. und Versand. Sie haben ein gesetzliches Widerrufsrecht<br />
3
moneyinhalt<br />
15. FEBRUAR <strong>2023</strong> www.money.de<br />
12<br />
Knackt der Dax<br />
die 18 000?<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong>-Redakteure haben<br />
nachgerechnet. Am Ende kamen sie zu<br />
einem Ergebnis, das überrascht. Plus:<br />
Favoriten mit bis zu 240 % Gewinnchance<br />
moneykompakt<br />
6 KI: Alphabet oder Microsoft – wer<br />
wird das Rennen gewinnen?<br />
7 Das kaufe ich jetzt: SGL Carbon,<br />
der Marktführer bei Siliziumkarbid<br />
7 Meine erste Aktie: Silke Stremlau,<br />
Vorständin Hannoversche Kassen,<br />
über ihr lukratives Kuh-Investment<br />
7 Hit & Shit: Vom neuen Bayer-Chef<br />
bis zum Einbruch von Lyft<br />
8 Zinsradar: Ratenkredite im Trend<br />
8 Investment-Ampel: Die DWS<br />
beleuchtet die Entwicklung des<br />
Aktien- und Anleihenmarkts<br />
9 Mikas Markt-Monitor: Machen es<br />
die Franzosen besser?<br />
9 Ionos: Der große IPO-Flop<br />
10 Goldminen-Übernahme: Newmont<br />
plant Kauf von Newcrest<br />
10 Wette der Woche: Automobilzulieferer<br />
Leoni droht Kapitalschnitt<br />
11 Disney+: Sinkende Nutzerzahl<br />
– der Umbau des Medienriesen<br />
98 Andis Börsenbarometer: Wie die<br />
Aktienrecherche gelingt<br />
moneytitel<br />
12 Dax-Check: Erreicht der Index<br />
bald neue Höchststände? 18 000<br />
Punkte sollen möglich sein<br />
20 Interview: BMW-Finanzvorstand<br />
Nicolas Peter über ökologische<br />
Autos, Atomenergie und die<br />
deutsche Börse<br />
24 Dax-Favoriten: Die Aktien mit den<br />
höchsten Kurspotenzialen – es<br />
winken bis zu 240 Prozent<br />
27 Renaissance der Banken:<br />
Beginnt mit der Zinswende nun<br />
ein goldenes Zeitalter?<br />
30 Porsche SE: Warum die Aktie<br />
radikal unterbewertet ist<br />
32 Rückversicherer: Trotz Naturkatastrophen<br />
erfolgreich<br />
35 Chartsignal: Welche Chancen<br />
bietet der SDax?<br />
35 Börsenwissen: Was das „Spülbecken“<br />
mit der Börse zu tun hat<br />
20<br />
moneymarkets<br />
36 Unternehmensanleihen: Endlich<br />
wieder Renditen bis sechs Prozent<br />
40 Virtual Reality: Welche Unternehmen<br />
<strong>2023</strong> interessant sind<br />
43 Union-Investment-Kolumne: Wie<br />
es für die Aktienmärkte weitergeht<br />
44 Energiewende in den USA: Vom<br />
Inflation Reduction Act profitieren<br />
54 Kolumne: Sarna Röser, Bundesvorsitzende<br />
„Die Jungen Unternehmer“,<br />
über Verstaatlichung<br />
56 „The Economist“: Die Zukunft<br />
des indischen Tycoons Gautam<br />
Adani und von dessen Imperium<br />
61 Albemarle: Potenzial beim ameri -<br />
ka nischen Lithiumproduzenten<br />
„Wir sind der deutsche Hersteller,<br />
der mit der Elektrisierung<br />
am besten unterwegs ist“<br />
NICOLAS PETER,<br />
BMW-FINANZVORSTAND<br />
4 Titelfoto: BMW Composing: <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong><br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 8/<strong>2023</strong>
40<br />
Neue Welten<br />
Tech-Player wie Apple, Sony und<br />
Samsung haben für dieses Jahr eine<br />
neue Innovation angekündigt: Mixed-<br />
Reality-Brillen. Bereit zu investieren?<br />
62 Musterdepots: Neue Zukäufe<br />
– Microsoft profitiert von KI<br />
moneydigital<br />
48 Highlights: Digitales Storytelling<br />
49 Analyse: Jetzt bei Streaming-<br />
Dienstleister Roku einsteigen?<br />
51 Kleingeldhelden: Drei Kennzahlen<br />
für die Bilanzanalyse<br />
52 Mission Money: Interview mit<br />
Roman Reher, Gründer von<br />
Blocktrainer, zum Kryptomarkt<br />
dswanlegerschutz<br />
63 In Start-ups investieren: Was<br />
Investoren beachten sollten<br />
moneyservice<br />
64 Marktplatz: Die Zigarre des<br />
Monats, das neue MacBook Pro<br />
und die Porsche-Kreditkarte aus<br />
Edelstahl<br />
66 Studie: <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> zeichnet<br />
faire Lohnsteuerhilfevereine aus<br />
70 Faire Konditionen: Neue Studie<br />
zu den fairsten Anbietern<br />
moneyanalyse<br />
81 Fonds<br />
82 Deutsche Aktien<br />
90 Internationale Aktien<br />
96 ETFs<br />
97 Zertifikate<br />
moneyrubriken<br />
3 Editorial<br />
80 Leserbriefe – Impressum<br />
98 Termine<br />
56<br />
Der Mogul und<br />
der Shortseller<br />
Der indische Multi-<br />
Milliardär Adani gegen<br />
den kleinen Short -<br />
seller Hindenburg:<br />
Der Kurssturz,<br />
der Machtkampf<br />
und die Folgen<br />
36<br />
Endlich<br />
wieder Rendite<br />
So sicher wie Staatsanleihen,<br />
aber mit höheren Gewinnen?<br />
Mit welchen Firmenbonds<br />
aktuell wieder bis zu sechs<br />
Prozent Rendite möglich<br />
sind. Plus: Die besten<br />
Fonds für Zinsfans<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 8/<strong>2023</strong><br />
Inhalt: Illustration: VectorStock Fotos: BMW, Adobe Stock, Bloomberg, Fotolia Composing: <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 5
moneykompakt<br />
Märkte<br />
DAX<br />
15 444,69 Pkt.<br />
+0,64%<br />
MDAX<br />
28 719,30 Pkt.<br />
–2,05%<br />
SDAX<br />
13 390,36 Pkt.<br />
–0,01%<br />
TecDAX<br />
3270,87 Pkt.<br />
–1,14%<br />
Dow Jones<br />
33 699,88 Pkt.<br />
–0,56%<br />
S&P 500<br />
4<strong>08</strong>1,50 Pkt.<br />
–0,72%<br />
Nasdaq 100<br />
12 381,17 Pkt.<br />
–0,67%<br />
Euro Stoxx 50<br />
4231,38 Pkt.<br />
+0,62%<br />
SMI<br />
11 151,78 Pkt.<br />
–1,17%<br />
Nikkei 225<br />
27 670,98 Pkt.<br />
–0,<strong>08</strong>%<br />
Euro<br />
1,07372 US-$<br />
+0,09%<br />
Bitcoin<br />
21 900,99 US-$<br />
–4,28%<br />
Wochenveränderung von Montag,<br />
6. Februar <strong>2023</strong>, Handelsbeginn,<br />
bis Freitag, 10. Februar <strong>2023</strong>,<br />
09:50 Uhr.<br />
Quelle:<br />
THE NEXT BIG THING<br />
Alphabet und Microsoft<br />
prozentuale Entwicklung seit 30.12.2021, in US-Dollar<br />
2022<br />
JAN<br />
Quelle: Bloomberg<br />
Alphabet<br />
Microsoft<br />
Schere geht auf<br />
Vorerst nur ein kleiner, kurzfristiger<br />
Trend: Microsoft hat<br />
an der Börse zuletzt etwas<br />
besser abgeschnitten als die<br />
Google-Mutter Alphabet.<br />
ALPHABET-BOSS PICHAI (L.) GEGEN<br />
MICROSOFT-CHEF NADELLA: Wer setzt<br />
die KI geschäftlich intelligenter ein?<br />
JEDER KENNT DR. GOOGLE: Das Phänomen, dass<br />
man mit medizinischem Halbwissen, vermittelt von<br />
der Suchmaschine und ihren Fundstellen, zum Arzt<br />
geht und diesen nervt. Offenbar kann man besser mit<br />
dem Doktor mithalten, wenn man sich mit der KI-<br />
Wunder-Sprachsoftware ChatGPT austauscht, die<br />
seit Ende November Schlagzeilen macht: Der Textroboter<br />
hat bei den drei theoretischen Teilen des US-<br />
Medizinertests USMLE unter bestimmten Bedingungen<br />
mehrfach die Mindestpunktzahl erreicht.<br />
Die Alphabet-Tochter Google, seit zwei Jahrzehnten<br />
für den Großteil der Menschheit die ständige Eingangstür<br />
ins Internet, bangt um ihr superlukratives Quasi-<br />
Monopol. Noch keine Internet-Anwendung, nicht einmal<br />
TikTok, hatte so schnell 100 Millionen Nutzer wie<br />
ChatGPT, entwickelt von OpenAI, in das Microsoft-Chef<br />
Satya Nadella schon satte elf Milliarden Dollar investiert<br />
hat. Allerdings: Das Wunderprogramm produziert<br />
auch reihenweise Fehler. Die unterliegende KI soll nun<br />
die Suche der bislang kaum genutzten Microsoft-Suchmaschine<br />
Bing voranbringen und Suchergebnisse auf<br />
ganz neuem Niveau präsentieren. Die KI soll auf das ak-<br />
0<br />
–10<br />
–20<br />
–30<br />
–40<br />
<strong>2023</strong> –50<br />
JAN MÄR<br />
Google kämpft um sein Monopol<br />
Dominanz im Suchmaschinengeschäft durch die KI hinter ChatGPT herausgefordert,<br />
die Microsoft für seine bislang chancenlose Suchmaschine Bing nutzen wird<br />
tuelle Web zugreifen können (ChatGPTs Wissen endet<br />
Ende 2021). Der User kann wohl ganze Sätze eingeben,<br />
auch bestimmte Begrenzungen (verfügbare Geldsumme),<br />
die KI nennt Quellen von Empfehlungen.<br />
Bei Alphabet herrscht angesichts des Hypes um<br />
ChatGPT Alarmstufe Rot. Vergangene Woche stellte<br />
Konzernchef Sundar Pichai schnell die eigene Konkurrenz-KI<br />
namens „Bard“ (zu Deutsch: Barde) vor. Auch<br />
sie soll Suchergebnisse in kompletten Sätzen liefern und<br />
eine schnelle Orientierung selbst über komplexe Sachverhalte<br />
ermöglichen. Keine reine Auflistung mehr von<br />
Dutzenden Websites, auf denen sich die Antwort finden<br />
könnte – die Erklärung wird gleich präsentiert, so die<br />
Aussicht. Dumm nur, dass dem Barden kurz vor Vorstellung<br />
offenbar gleich ein dummer Fehler unterlief. Die<br />
Alphabet-Aktie fiel darauf um mehr als ein Zehntel.<br />
Sicher ist: Googles Stellung ist erstmals seit Jahren bedroht.<br />
Jetzt hat Microsoft das Momentum auf seiner Seite,<br />
die Aktie hält sich besser „Die Wahrnehmung der Investoren<br />
ist – Google bewegt sich zu langsam“, so die<br />
UBS. Jeder Prozentpunkt mehr Marktanteil für Bing<br />
bringt Microsoft zwei Milliarden Dollar Umsatz. FM<br />
6 Fotos: Bloomberg<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 8/<strong>2023</strong>
moneytitel<br />
TITEL<br />
DAX<br />
Anhänger der Mathematik und Statistik haben keine Zweifel: Der Dax steht bald bei 18 000<br />
Punkten! Klingt verwegen in Zeiten von Krieg, Inflation und Ballon-Spionage. <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong><br />
prüft den Index auf Herz und Nieren. Überraschendes Fazit: Es geht noch höher<br />
von JENS MASUHR und DIRK REICHMANN<br />
Wer wissen will, wo der Dax in Zukunft<br />
steht, fährt ins bayerische Rosenheim.<br />
Vor dem dortigen Börsenmuseum gibt es<br />
die Kursentwicklung des wichtigsten<br />
deutschen Marktbarometers zu bestaunen<br />
– auch die von morgen,<br />
Abgebildet sind die Jahres endkurse in Form polierter<br />
Aluminium balken im Verhältnis 1 zu 100. Der erste Dax-Balken<br />
ist gerade mal zehn Zentimeter hoch und symbolisiert<br />
den Startpunkt bei 1000 Dax-Punkten Ende 1987. Am Ende<br />
der Konstruktion ragt eine zehn Meter hohe Säule in den<br />
Himmel, die locker als Fahnenmast durchgehen könnte. Das<br />
sprungturmhohe Monstrum steht für den Dax-Stand im Jahr<br />
2040: 100 000 Punkte!<br />
Mathematik, siebtes Schuljahr. Mehr als das Sechsfache<br />
von heute? Klingt verwegen, ist aber nichts anderes als<br />
Mathematik, siebtes Schuljahr. Stichwort: „Exponentialfunktion.“<br />
Mathematiker wenden sie an, wenn sich Wachstum<br />
beschleunigt, etwa bei der Vermehrung von Bakterien,<br />
der Ausbreitung von Pandemien wie Covid oder in der Zinseszinsrechnung.<br />
Beispiel: die Prognose des „Rosenheimer“<br />
Dax. Hier wird die jährliche Durchschnittsrendite seit Ende<br />
1987 von neun Prozent als Verzinsung in die Zukunft fortgeschrieben.<br />
Selbst wenn man die (rückgerechnete) Rendite seit<br />
1959 von gut sechs Prozent pro Jahr unterstellt, landet der<br />
Dax dieses Jahr bei 18 000 Punkten (siehe Grafik oben).<br />
Also, liebe Anleger: einfach abwarten und kassieren! Klingt<br />
fast zu schön, um wahr zu sein. Ist Börse wirklich so simpel?<br />
12 <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 8/<strong>2023</strong>
17 Prozent Potenzial<br />
Eine Rückrechnung zeigt, dass der Dax seit 1959 um<br />
sechs Prozent pro Jahr steigt. Zwischendrin pendelt er<br />
um den Mittelwert (orange Kurve). Bei gleicher Wachstumsrate<br />
steht er bis Jahresende bei 18 000 Punkten.<br />
18 000<br />
bis Ende<br />
<strong>2023</strong><br />
16 000<br />
14 000<br />
12 000<br />
10 000<br />
8 000<br />
6 000<br />
4 000<br />
konstantes Wachstum um 6 % pro Jahr<br />
2 000<br />
Quelle: Bloomberg<br />
Dax-Performance seit 1960 in Punkten<br />
1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025<br />
0<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> will es genau wissen und untersucht mittels<br />
ausgefeilter Methoden der Charttechnik Börsenumfeld und<br />
Dax-Fitness (ab Seite 14). Erreicht der Index der 40 größten<br />
deutschen börsennotierten Unternehmen bald neue Höchststände?<br />
Wie ist die Stimmung? Wer kauft den Dax und warum?<br />
Und wenn ja, welche Höhen sind dieses Jahr realistisch?<br />
Fazit von <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong>-Redakteur Dirk Reichmann:<br />
Anleger sollten schon mal den Schampus kaltstellen. „Der<br />
Dax steigt auf 20 165 Punkte“, schwärmt der erfahrene Kurvendeuter<br />
am Ende seiner Analyse.<br />
Auruchstimmung im Dax. Auch was die Favoritenbranchen<br />
angeht, herrscht an der Börse Aufbruchstimmung.<br />
Gehörten etwa Auto- und Finanzwerte 2022 lange Zeit zu<br />
den Prügelknaben im Dax, deuten die Kursgewinne der vergangenen<br />
Wochen (und Monate) darauf hin, dass sich der<br />
Wind am deutschen Aktienmarkt dreht. So ziehen insbesondere<br />
Zykliker wie BMW (siehe Seite 20) und Porsche SE (als<br />
VW-Großeigner, ab Seite 30), aber auch Bankenwerte (ab<br />
Seite 27) und Rückversicherer (ab Seite 32) zuletzt reichlich<br />
Anlagekapital vor allem angelsächsischer Käufer an. Bei welchen<br />
Aktien die Kursziele (auch abseits der deutschen Premium-Liga)<br />
am höchsten sind, lesen Sie ab Seite 24.<br />
Starkes Kaufsignal. So viel vorweg: Der Anfang ist gemacht.<br />
Der Dax legte <strong>2023</strong> den besten Jahresstart seit den<br />
70er-Jahren aufs Parkett. Allein in der ersten Handelswoche<br />
kletterte der Index um 4,9 Prozent. Nicht nur international<br />
gesehen – neben China – eines der dicksten Pluszeichen im<br />
neuen Jahr. Seither fließt zudem jede Menge Frischwasser<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 8/<strong>2023</strong><br />
Illustration: VectorStock Composing: <strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong><br />
13
ÖKO-PIONIER:<br />
„Wir sind nachhaltiger als<br />
Tesla und alle anderen<br />
Autohersteller“, sagt<br />
BMW-Vorstand Peter<br />
INTERVIEW<br />
Deutsche<br />
Aktien sind<br />
unterbewertet“<br />
BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter über<br />
Einstiegschancen an der Börse, wahrhaft<br />
ökologische Autos, die Vorzüge der<br />
Atomenergie und die Gefahren für den<br />
Industriestandort Deutschland<br />
von GEORG MECK<br />
Herr Peter, wir leben in Kriegs- und Krisenzeiten, trotzdem legte<br />
die BMW-Aktie in den letzten sechs Monaten um 25 Prozent<br />
zu. Wie lange kann das so weitergehen?<br />
Nicolas Peter: Der Kurs zeigt die Resilienz des Unternehmens<br />
in dem sehr volatilen Umfeld der letzten Jahre;<br />
erst Corona, dann Halbleiterkrise, dann der furchtbare<br />
Krieg. Trotzdem hat es die Wirtschaft geschafft,<br />
sehr gute Ergebnisse zu erzielen. Gleichzeitig, und das<br />
ist mindestens genauso wichtig, investieren wir in die<br />
Zukunft. Diese Kombination zeichnet BMW aus. Und<br />
das honoriert der Kapitalmarkt – unsere zuverlässige<br />
Performance und die ungebrochene Motivation, technologisch<br />
führend zu sein.<br />
Zeitweise hat die Börse BMW abgestraft, weil Sie nicht so eindeutig<br />
auf die E-Mobilität gesetzt haben wie der Rest der Branche.<br />
Peter: Man darf nicht in die Falle laufen, nur das zu sagen,<br />
was aktuell en vogue ist und was andere hören wollen.<br />
Das heißt: Sie verweigern sich weiter dem Schwur auf den allein<br />
selig machenden Batterieantrieb?<br />
Peter: Wir fahren sehr gut mit der Strategie der Technologieoffenheit.<br />
Wir sind der deutsche Hersteller, der<br />
mit der Elektrisierung am besten unterwegs ist. Voriges<br />
Jahr haben wir den Absatz von Elektrofahrzeugen um<br />
über 100 Prozent gesteigert, dieses Jahr geht es in Richtung<br />
400 000 vollelektrischer Modelle.<br />
20 Foto: M. Schlaf/BMW<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 8/<strong>2023</strong>
moneytitel<br />
Vita<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 8/<strong>2023</strong><br />
Dr. Nicolas Peter<br />
Der BMW-Vorstand<br />
wurde im April 1962 in<br />
Mannheim geboren<br />
Nach dem Studium der<br />
Rechtswissenschaften<br />
und anschließender<br />
Promotion trat er 1991 in<br />
den BMW-Konzern ein.<br />
Seit 2017 ist er Mitglied<br />
des Vorstands,<br />
verantwortlich für die<br />
Finanzen des Automobilkonzerns<br />
Mit dem i3 waren Sie vor anderthalb Jahrzehnten<br />
der Elektropionier, gerieten dann ins Hintertreffen,<br />
als das Modell beim Publikum nicht<br />
recht zündete.<br />
Peter: Widerspruch! Wir hätten 2022<br />
mehr i3 verkaufen können, als wir liefern<br />
konnten. Ich bin sicher: Der i3 wird irgendwann<br />
ein Kultprodukt sein. Für uns intern<br />
war er ein ganz wichtiges Fahrzeug, nicht<br />
nur weil es das erste vollelektrische Serienmodell<br />
war, sondern ein Technologieträger.<br />
Darauf aufbauend, haben wir die Batteriezellen<br />
beharrlich weiterentwickelt, in ein<br />
paar Monaten werden wir hier in München<br />
das Cell Manufacturing Competence Centre<br />
(CMCC) eröffnen, in dem wir seriennah<br />
auf einer Pilotlinie Batteriezellen produzieren.<br />
Das zeigt, mit welcher Langfristigkeit<br />
die BMW Group unterwegs ist.<br />
Anfangs reichte die i3-Batterie bei kaltem Wetter<br />
nicht mal für eine Fahrt über den Mittleren<br />
Ring in München.<br />
Peter: Solche Probleme sind längst überwunden.<br />
Die Reichweite des i3 liegt stabil<br />
über 200 Kilometer. Für ein Auto in diesem<br />
Segment ist das perfekt. Der größere<br />
i4 braucht natürlich mehr Reichweite.<br />
Und mit dem ix50 können Sie locker 500<br />
Kilometer am Stück fahren.<br />
Bleiben Ihre Elektrokunden häufig liegen?<br />
Peter: Nein, da hören wir praktisch keine<br />
Beschwerden. Die Reichweite ist nicht<br />
mehr das Problem. Woran wir – wie die gesamte<br />
Branche – arbeiten müssen, ist das<br />
Thema Ladeinfrastruktur. Wir investieren<br />
dafür mit Partnern in unser Joint Venture<br />
Ionity, aber auch die Politik muss massiv<br />
Geld in die Hand nehmen. Da muss noch<br />
einiges passieren.<br />
Reicht die Energieversorgung, wenn alle elektrisch<br />
fahren, oder bricht dann das Stromnetz<br />
zusammen?<br />
Peter: Das ist nicht einheitlich für die<br />
ganze Welt zu beantworten. Klar ist, dass<br />
der gewünschte Effekt für das Klima nur<br />
erreicht wird, wenn der Strom entsprechend<br />
erzeugt wird.<br />
Es sollte kein Kohlestrom sein.<br />
Peter: Genau. Außerdem braucht es intelligente<br />
Ladesysteme, welche die Zeiten<br />
ausnutzen, in denen weniger Strom verbraucht<br />
wird. Und schließlich müssen wir<br />
darauf achten, dass der Rohstoffbedarf für<br />
die Batterien von Generation zu Generation<br />
geringer wird. Deswegen investieren<br />
wir viel Geld in unseren Ansatz von Zirkularität.<br />
„Zirkuläre Wirtschaft“ ist heute in aller Munde,<br />
steckt dahinter mehr als eine neue Managermode?<br />
Peter: Wesentlich mehr, wir verfolgen<br />
damit ein umfassendes Konzept: Wie<br />
kann ich die Rohstoffe – etwa für Batterien<br />
– in einen zirkulären Kreislauf bringen?<br />
Wir haben die ersten Schritte unternommen,<br />
es ist aber noch ein weiter Weg zu<br />
gehen.<br />
Worin unterscheidet sich Zirkularität vom altbekannten<br />
Recycling?<br />
Peter: Recycling ist ein Teil davon, eine<br />
Untermenge von zirkulärer Wirtschaft.<br />
Beim Recycling führt man Abfälle wieder<br />
in einen Kreislauf zurück. Zirkularität<br />
geht wesentlich weiter: Hier geht es um<br />
geschlossene Kreisläufe, also darum,<br />
Strukturen zu etablieren, die schon bei<br />
Entwicklung und Design die Verwendung<br />
und Rücknahme von Produkten berücksichtigen.<br />
Das Konzept bedeutet auch zu<br />
überlegen: Wie kann ich Bauteile wieder<br />
verwenden, ohne sie großartig zu verändern?<br />
Kann ich Komponenten oder<br />
Materialien nach dem Gebrauch im Auto<br />
einem komplett anderen Nutzungszweck<br />
zuführen?<br />
Nach dieser Lesart wird das Auto zum ökologisch<br />
einwandfreien Produkt: Ist das nicht zu<br />
viel versprochen?<br />
Peter: Wir haben jetzt schon große Fortschritte<br />
in Sachen Ökologie gemacht, wie<br />
die bessere Luft in den Innenstädten beweist.<br />
Durch die Fortschritte bei den Verbrennern<br />
hat die Belastung deutlich abgenommen.<br />
Das wird jetzt noch mal besser<br />
mit elektrifizierten Fahrzeugen. Wir sind<br />
ziemlich stolz darauf, dass wir in einer<br />
MSCI-Studie in unserem Wettbewerbsumfeld<br />
als ökologischster Hersteller eingestuft<br />
wurden, der mehr für den Klimaschutz<br />
tut als alle anderen.<br />
Die Tesla-Fangemeinde reagierte mit Wut und<br />
Unverständnis auf diese Zahlen: Wie können<br />
Sie mit dicken SUVs klimafreundlicher sein als<br />
ein reiner Produzent von Elektroautos?<br />
Peter: Man muss sich für das Urteil die<br />
unterschiedlichen Stufen eines Unternehmens<br />
anschauen, nicht nur das Produkt:<br />
Wie fertige ich? Mit welchen Stahlsorten?<br />
Wie lange ist die Nutzungsphase? Wie organisiere<br />
ich meine Lieferanten? Wie sehr<br />
sind die Teile wiederverwertbar? Nur in<br />
dieser Gesamtheit erhält man ein wirklich<br />
nachhaltiges Produkt. Und das ist unser<br />
Ziel. Wir wollen unsere CO 2-Emissionen<br />
in der Produktion um 80 Prozent reduzieren,<br />
während der Nutzungsphase um<br />
50 Prozent und bei den Lieferanten um<br />
20 Prozent.<br />
Damit sind Sie allen Ernstes klimafreundlicher<br />
als Tesla?<br />
Peter: Definitiv. Wir sind nachhaltiger<br />
als alle anderen Autohersteller, weil wir<br />
einen umfassenden, wissenschaftsbasierten<br />
Ansatz verfolgen. Daran lassen wir<br />
uns messen.<br />
Wer sind heute Ihre wichtigsten Konkurrenten<br />
in Sachen E-Mobilität? Noch immer Elon Musk<br />
oder die Chinesen?<br />
Peter: Wir schauen uns eine Reihe<br />
von Wettbewerbern fortwährend an, natürlich<br />
gehört da ein Tesla dazu, genauso<br />
wie Mercedes oder einige chinesische<br />
Hersteller.<br />
21
Klimawandel: Die Weltbevölkerung<br />
muss sich auf immer<br />
mehr Katastrophen wie Stürme<br />
oder Hurrikans einstellen<br />
RÜCKVERSICHERER<br />
Die Krisenmeister<br />
Egal, ob Wirbelstürme, Überschwemmungen oder Waldbrände – das Risiko von Naturkatastrophen<br />
nimmt weltweit zu. Trotz hoher Schadenquoten sind Rückversicherer der Fels in der Brandung<br />
von MARTINA SIMON<br />
Die Koffer sind gepackt. Das Hotel gebucht. Die Vorfreude<br />
auf die alljährlichen Deutschen Tennismeisterschaften<br />
im idyllischen Ahrtal in Rheinland-Pfalz ist<br />
riesig. Doch dann geschieht das Unfassbare. Heftige Regenfälle<br />
verwandeln das beschauliche Flüsschen Ahr in einen<br />
reißenden Strom, der alles verwüstet – der Super-GAU.<br />
Das Jahrhunderthochwasser im Juli 2021 zerstört ganze<br />
Ortschaften – macht alles platt. Auch die Tennis- und Hotelanlagen<br />
in Bad Neuenahr-Ahrweiler fallen den Wassermassen<br />
zum Opfer. In der gesamten Region bleibt kein Stein auf<br />
dem anderen. Der Wiederaufbau wird Milliarden kosten. Das<br />
persönliche Leid der Menschen ist unermesslich – bis heute.<br />
Wer keine Versicherung gegen Elementarschäden wie Überschwemmungen,<br />
Lawinen oder Erdbeben abgeschlossen<br />
hatte, ist zudem oft finanziell ruiniert.<br />
Kein Einzelfall. Die Häufigkeit solcher Naturkatastrophen<br />
nimmt zu, sagen Forscher – weltweit. Verheerende Stürme,<br />
Überschwemmungen und Brände verursachten 2022 global<br />
geschätzte Schäden von 270 Milliarden Euro. Der Schaden<br />
durch den Hurrikan „Ian“, der im vergangenen Jahr an der<br />
US-Ostküste wütete, dürfte bereits die 100-Milliarden-Dollar-Grenze<br />
überschritten haben. Versicherer und Rückversicherer<br />
müssen also tief in die Tasche greifen.<br />
Die Zahlen belegen: Nach der Naturkatastrophen-Bilanz<br />
des weltgrößten Rückversicherers Munich Re (MR) mussten<br />
Erst- und Rückversicherer im Jahr 2022 für rund 120 Milliarden<br />
US-Dollar einstehen. Damit lagen die versicherten Schäden<br />
2022 bereits über dem Durchschnitt der vergangenen fünf<br />
Jahre von 97 Milliarden. „Die Wetterausschläge nehmen zu“,<br />
bestätigt Ernst Rauch, Chef-Klimaforscher der MR. Hinzu<br />
32 Foto: NASA Earth Observatory<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>MONEY</strong> 8/<strong>2023</strong>