GSa161-Feb23_Frieden gestalten
Frieden gestalten - miteinander leben und lernen
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Thema: <strong>Frieden</strong>serziehung<br />
Gabriele Klenk im Gespräch mit Karl-Heinz Bittl-Weiler<br />
RESILIENZ – die Kraft des Guten<br />
Gabriele Klenk: Herr Bittl-Weiler, vor<br />
über 40 Jahren gründeten Sie mit anderen<br />
das Fränkische Bildungswerk für<br />
<strong>Frieden</strong>sarbeit mit. Sie arbeiten u. a. in<br />
Kindertagesstätten, in Schulen, aber auch<br />
mit Eltern anhand Ihrer Beratungs- und<br />
Trainingswerkzeuge. Im Zentrum Ihrer<br />
Arbeit steht der Begriff „Resilienz“.<br />
Wieso ist es wichtig, sich mit Resilienz<br />
zu beschäftigen?<br />
Bittl-Weiler: Im Zentrum meiner Arbeit<br />
steht Beziehung. Resilienz ist das, was<br />
wir brauchen, um mit Beziehungen zu<br />
uns, unserem Nächsten und der Umwelt<br />
gut zurechtzukommen. Wir können uns<br />
dabei immer die Frage stellen: Wie haben<br />
wir es geschafft, trotz aller Widrigkeiten,<br />
beziehungsfähig und kraftvoll zu sein?<br />
Stellen sie sich bitte fünf Eigenschaften<br />
vor, die Sie stark machen, und denken Sie<br />
dann an Menschen, die Sie unterstützt<br />
haben, diese Stärke zu entwickeln, dann<br />
erkennen Sie, dass wir diese Stärke nicht<br />
nur aus uns selbst haben. Wir entwickelten<br />
sie auf unserem Weg mit anderen Menschen.<br />
Wir haben es geschafft, erwachsen<br />
zu werden und viele Schwierigkeiten zu<br />
bewältigen. Das hat mit uns selbst und<br />
unserem Willen zu tun, aber auch mit<br />
dem Glück, dass gerade in der Zeit, die<br />
vielleicht am schwierigsten war, ein anderer<br />
Mensch uns den Mut gab, mit unseren<br />
Schwächen besser zurechtzukommen, der<br />
Zeit für uns hatte und der uns zeigte, dass<br />
wir etwas wert sind.<br />
Welche Voraussetzungen bringen Kinder<br />
mit, um Resilienz zu entwickeln?<br />
Bittl-Weiler: Kinder können, falls<br />
sie nicht zu viele Medien konsumieren,<br />
wahrnehmen und können sich<br />
bedingungslos für ihre Bedürfnisse einsetzen.<br />
Sie fühlen intensiv, haben Angst,<br />
Wut, Trauer und Freude. Sie können<br />
noch beschämt werden und wenn es<br />
Resilienz macht es möglich, sich für eine friedlichere<br />
Welt einzusetzen. Resilienz ist wie ein Immunsystem<br />
der Psyche und ein Schutzschirm für die Seele.<br />
ihnen zu ekelig ist, dann erbrechen<br />
sie sich. All dies sind wichtige Voraussetzungen,<br />
um Resilienz zu entwickeln.<br />
Mit der Erziehung werden diese „wilden“<br />
Grundlagen gezähmt. Schrecklich wird<br />
es, wenn sie mit Schuld erstickt werden.<br />
Um sich für die eigenen Bedürfnisse<br />
einzusetzen, brauchen wir Menschen die<br />
„Aggression“. Sie sind wahrscheinlich<br />
erstaunt, wird doch Aggression meist in<br />
einem schädigenden Sinn verstanden.<br />
Aggression verstehe ich als die Energie,<br />
die es ermöglicht, auf jemanden zuzugehen<br />
und mit ihr*ihm in Kontakt zu<br />
kommen. 1 Es ist auch die gleiche Energie,<br />
die es uns ermöglicht, die Grenze<br />
zu halten, die für uns gut ist. Unsere<br />
Bedürfnisse sind mit den „anderen“<br />
verbunden. Zum Beispiel kann das Bedürfnis<br />
nach Liebe nur zufriedengestellt<br />
werden, wenn wir auch selbst lieben. Bedürfnisse<br />
sind die Quelle vieler persönlicher<br />
Konflikte, die wir Tag für Tag austragen.<br />
Konfliktaustragung ist eine weitere<br />
wichtige Fähigkeit von uns Menschen.<br />
Das alles gehört zur Resilienz.<br />
Der Begriff „Resilienz“ kommt aus<br />
dem Englischen und bedeutet „Spannkraft,<br />
Elastizität“ und hat in der Psychologie<br />
Einzug gehalten, um das Phänomen<br />
zu beschreiben, das Menschen entwickeln,<br />
die in widrigsten Umständen<br />
aufwachsen, schwierigste Lebenskrisen<br />
erleiden und es schaffen „auf die Beine<br />
zu kommen“, d. h. ein beziehungsreiches,<br />
erfülltes Leben zu leben.<br />
Resilienz macht es möglich, sich für<br />
eine friedlichere Welt einzusetzen. Resilienz<br />
ist wie ein Immunsystem der Psyche<br />
und ein Schutzschirm für die Seele.<br />
Weshalb benötigen Kinder auch bei<br />
uns heute in besonderem Maße Unterstützung<br />
in ihrer Resilienzentwicklung?<br />
Bittl-Weiler: Die Kinderarmut nimmt<br />
auch in unserer Gesellschaft zu. Kin-<br />
Karl-Heinz Bittl-Weiler<br />
ist Dipl. Sozialpädagoge, Supervisor,<br />
Coach und Konfliktberater. Er hat Soziologie,<br />
Psychologie und Philosophie<br />
studiert und Ausbildungen in Transaktionsanalyse<br />
und Gestalt. Er führt seit 25<br />
Jahren Projekte in Schulen und Kindergärten<br />
durch. Der Konfliktbearbeitungsansatz<br />
ATCC wurde von ihm mit internationalen<br />
Kollegen*innen entwickelt.<br />
Dabei geht es um eine beziehungsorientierte<br />
und konstruktive Herangehensweise<br />
in der Bearbeitung von Konflikten.<br />
Das WIR-Projekt basiert darauf.<br />
der erleben Gewalterfahrungen und<br />
Missbrauch. Auch zu uns kommen Kinder<br />
aus den Kriegsgebieten dieser Welt.<br />
Diese Kinder und Eltern haben schreckliche<br />
Dinge erlebt und brauchen Unterstützung,<br />
um damit zurechtzukommen.<br />
Wir vergessen es allzu leicht: Auch deutsche<br />
Soldaten*innen sind in Kriegseinsätzen<br />
und sind vielleicht auch Eltern,<br />
die durch Krieg traumatisiert sind.<br />
Unsere Zukunft ist geprägt von einer<br />
klimatischen Entwicklung, die uns große<br />
Sorgen bereitet, und diese Sorgen spüren<br />
auch unsere Kinder. Wir haben in den<br />
letzten Jahren eine Zeit erlebt, die von<br />
uns allen viel abverlangt hat. Es waren<br />
drei Jahre, in denen die Kinder im Kindergarten<br />
oder in der Krippe wesentliche<br />
soziale Kompetenzen nicht erwerben<br />
konnten. Auch viele Grundschulkinder<br />
haben keine Erfahrungen damit,<br />
dass zur Freundschaft auch die Auseinandersetzung<br />
gehört. Ihnen fehlen wichtige<br />
Erfahrungsfelder dazu, wie wichtig es ist,<br />
miteinander in einen Konflikt zu gehen<br />
und diese Konflikte konstruktiv zu lösen.<br />
GS aktuell 161 • Februar 2023<br />
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