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NATIONALPARK STILFSERJOCH
an die Jahreszeiten an und stellen von den
sommerlichen Gräser auf die winterlichen
Nadeln der Latschen um. Die zellulosereichen
Baumnadeln sind schwerer
verdaulich als die krautigen Sommergräser
und -kräuter. Um in der nahrungsknappen
Winterzeit die Energie der Nahrung
möglichst optimal auszunützen, frisst der
Schneehase seinen eigenen Kot ein zweites
Mal, um auch die schwer verdaulichen
Pflanzenfasern aufzuschließen und zu
verwerten.
In Zeiten der Erderwärmung steigt der
Europäische Feldhase (Lepus capensis)
immer höher in das Gebirge auf und dringt
bis in den Lebensraum des Schneehasen
vor. Häsinnen haben die Angewohnheit,
sich mit großen Rammlern zu paaren.
Neuere Feldforschungen der Universität
für Bodenkultur Wien haben ergeben, dass
sich die Häsinnen vom kleineren Schneehasen
immer häufiger mit den Rammlern
des größeren Feldhasen paaren. Die beiden
Arten sind so nahe miteinander verwandt,
dass ihre hybriden Jungen noch fertil und
fortpflanzungsfähig sind. In der Regel sind
Bastarde zwischen zwei verschiedenen,
verwandten Arten steril und nicht fortpflanzungsfähig.
Bedeutet: Der Feldhase
verdrängt mittelfristig den Schneehasen.
Das genetische Gut des Schneehasen geht
verloren.
Streifenhörnchen verdrängt Eichhörnchen
Aber nicht nur der Klimawandel verändert
das pflanzliche und tierische Artenspektrum,
sondern auch fremde Importe, die
sich in neuen Lebensräumen als invasive
und konkurrenzstarke Arten entpuppen.
Ein Beispiel dafür sind die Amerikanischen
Streifenhörnchen (Tamias
spec.). Ursprünglich von Liebhabern als
Käfigtiere gehalten, in einigen Exemplaren
freigelassen und „entsorgt“, haben sie sich
in Teilen der Südalpen dermaßen stark
vermehrt, dass sie das einheimische Eichhörnchen
(Sciurus vulgaris) verdrängen. In
ihrer Körperstatur größer als die einheimischen
Eichhörnchen, werden die Streifenhörnchen
zu Nahrungskonkurrenten.
Die unter Dürre leidenden
und zur Wüste
verkommenden Flächen
in den Äquatorialzonen
werden sich massiv vergrößern.
In Untersuchungen im lombardischen
Teil des Nationalparks Stilfserjoch haben
Wissenschaftler der Universität Varese
auch herausgefunden, dass der rotfellige
Farbschlag des Eichhörnchens immer
mehr vom schwarzhaarigen Eichhörnchen
verdrängt wird.
Holzwuchs und Waldgrenze schieben
sich nach oben
Der Klimawandel hat auch Folgen für das
Pflanzenkleid der Alpen. Mit der Erderwärmung
wandert etwa die Waldgrenze in den
Bergen immer höher hinauf. Als Faustregel
können wir die Waldgrenze in den Alpen
ungefähr bei 2.000 Höhenmetern ansetzen.
In ihrer Höhe schwankt sie je nach Nordoder
Südexposition. Die unterschiedlichen
Szenarien des Klimawandels lassen die
verschiedenen Vegetationsstufen in den
nächsten Jahrzehnten bei einer Erwärmung
um +2° C um 320 Meter nach oben
wandern, bei einer Erwärmung von +4°C
gar um 650 Meter. Für den Nutzpflanzenanbau
in der Landwirtschaft klimatisch
gemäßigter Länder kann dies verlockend
wirken. Aber die unter Dürre leidenden
und zur Wüste verkommenden Flächen in
den Äquatorialzonen werden sich massiv
vergrößern.
Vieltriebiger Säbelwuchs anstelle
des eintriebigen Stammes
In der Pflanzenphysiologie gibt es eine
Faustregel, dass Pflanzen den Holzgerüststoff
Lignin nicht mehr ausbilden können,
wenn die Vegetationszeit kürzer als 100
Tage wird. Oberhalb der Wald- und Baumgrenze
sind die waldbildenden Baumarten
außer von der kurzen Vegetationsperiode
auch noch von anderen lebensbedrohlichen
Situationen beengt und in ihrem
Verbreitungsareal eingegrenzt: Schneedruck,
Lawinenabgänge, Windwurf. Lärchen
und Zirben als hochstämmige Bäume
werden deshalb vom Krummholzgürtel
der niederliegenden und mehrtriebigen
Legföhren und von den noch verholzenden
Sträuchern der Zwergstrauchheide
mit Almrosen und Zwergsträuchern wie
Preiselbeere, Schwarzbeere, Rauschbeere,
Krähenbeere, Bärentraube abgelöst. Brechen
ein oder mehrere Triebe nach Lawinenabgängen,
können sich andere Triebe
nach dem Ausapern aufrichten und für
den Erhalt der Art an diesem exponierten
Wuchsort sorgen. Dies gilt besonders auch
für die sommergrünen Grünerlen (Alnus
viridis) als bruchfeste Holzart in Lawinenrunsen.
Grünerlen und verschiedene
Weiden-Arten (Salix spec.) sind daher in
der Ingenieurbiologie besonders auf Böden
mit auftauendem Permafrost häufig eingesetzte
und stabile Bodenfestiger geworden.
Pflanzen statt Beton.
Die Fichte leidet
Mit 61 % Holzvorrat ist die Fichte (Picea
abies) der Hauptbaum der Südtiroler Wälder,
gefolgt mit 19 % von der Lärche (Larix
decidua) und 6 % Zirbe (Pinus cembra). Die
Fichte ist wegen ihrer kurzen Umtriebszeit
von etwa 80 Jahren als der Zeitspanne zwischen
der Pflanzung und der „Ernte“, also
dem Einschlag, insgesamt der Brotbaum der
alpinen Forstwirtschaft. In Höhenlagen von
1.700 bis 1.900 m gibt es bei Jahresmitteltemperaturen
zwischen 1,5 – 3,0° C vielerorts
geschlossene und reine Fichtenwälder. Im
Menschenzeitalter des Anthropozäns leidet
auch die Fichte unter dem menschengemachten
Treibhauseffekt: Sie veratmet sich.
Tagsüber betrieben die grünen Pflanzen
Photosynthese zum Energiegewinn, nachts
bei Dunkelheit erliegt die Photosynthese
und unter Energieverbrauch erfolgt die
Nachtatmung. Die Atmungsrate ist bei erhöhter
Temperatur sowohl tagsüber als auch
nachts erhöht. Von der Bruttophotosynthese
bleibt durch die erhöhte Atmung weniger
Nettophotosynthese übrig.
WINTERWIND 2022/23 57