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Heimatzeitung der fränkischen Biker - ZWEIRAD-online

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Unfallakte<br />

Tückische Beschil<strong>der</strong>ung<br />

Am 22. April 2011 fährt eine<br />

aus vier Motorrä<strong>der</strong>n bestehende<br />

Gruppe auf <strong>der</strong> Ortsverbindungsstraße<br />

von Haßlach<br />

kommend Richtung Pottenstein.<br />

Die Straße mündet nach<br />

knapp einem Kilometer in die<br />

Staatsstraße 2163, die von<br />

Hohenmirsberg nach Pottenstein<br />

führt.<br />

Um 15.42 Uhr erreicht die<br />

Gruppe diese Stelle. Verwirrt<br />

durch Lichtverhältnisse,<br />

Beschil<strong>der</strong>ung und den vermeintlich<br />

weiteren graden Verlauf<br />

<strong>der</strong> Straße erkennen die<br />

beiden ersten Fahrer die wirkliche<br />

Verkehrsführung extrem<br />

spät und leiten eine Notbremsung<br />

ein, die ihnen dank ABS<br />

gerade noch gelingt: Beide<br />

Motorrä<strong>der</strong> kommen - bereits<br />

im Randstreifen - sturzfrei<br />

zum Stehen.<br />

Der dritte Fahrer, ein 41jähriger<br />

aus dem Nürnberger<br />

Land, sitzt auf einer Suzuki<br />

GSX-R 750, die 1985 produziert<br />

und nicht mit ABS ausgestattet<br />

ist. Er überbremst das Motorrad,<br />

stürzt, und kommt zusammen<br />

mit seiner Maschine rund<br />

1,50 Meter tiefer auf einer<br />

Wiese zum Liegen. Sein Motorrad<br />

streift noch ein Verkehrszeichen,<br />

trifft den Fahrer aber<br />

nicht. Der Fahrer wird schwer<br />

verletzt in die Bayreuther Klinik<br />

eingeliefert, das Fahrzeug<br />

total zerstört.<br />

Der vierte Fahrer erkennt die<br />

Situation rechtzeitig und kann<br />

sein Motorrad ebenfalls gerade<br />

noch vor <strong>der</strong> Kurve zum Stehen<br />

bringen.<br />

Wer sich die Einmündung<br />

<strong>der</strong> Ortsverbindungs- in die<br />

Staatsstraße aus dem Blickwinkel,<br />

wie ihn die Motorradgruppe<br />

vor sich hatte, ansieht,<br />

wird schnell erkennen, wie<br />

diese Situation entstanden ist.<br />

Nach einer Linkskurve über<br />

eine Kuppe und durch einen<br />

Wald steht mitten im weiteren<br />

Verlauf <strong>der</strong> Straße ein Vorfahrtszeichen.<br />

Gleich darauf<br />

taucht am linken Fahrbahnrand<br />

ein weiteres Vorfahrtszeichen<br />

auf. Damit ist zunächst<br />

klar: Hier geht es wohl mit<br />

einem leichten Linksknick vorfahrtsberechtigt<br />

weiter. In <strong>der</strong><br />

Ferne sind außerdem Leitpfosten<br />

erkennbar, die den weiteren<br />

Verlauf <strong>der</strong> Straße andeuten.<br />

Das erste Vorfahrtsschild<br />

gilt für eine von rechts mün-<br />

dende untergeordnete Straße,<br />

die durch ein kleines Waldstück<br />

verdeckt wird. Das Schild<br />

steht aber nicht am rechten<br />

Fahrbahnrand vor <strong>der</strong> Einmündung,<br />

son<strong>der</strong>n erst danach<br />

im Verlauf einer nun folgenden<br />

scharfen Linkskurve, die wie<strong>der</strong>um<br />

nach wenigen Metern in<br />

die vorfahrtsberechtige Staatsstraße<br />

mündet. Und das zweite<br />

Vorfahrtschild gilt für die Verkehrsteilnehmer<br />

auf dieser<br />

Straße<br />

Die Einmündung selbst ist<br />

erst sehr spät erkennbar, weil<br />

linksseitig ein hoher und dichter<br />

Wald die Sicht versperrt. Die<br />

in <strong>der</strong> Ferne erkennbare Straße<br />

ist nicht die Fortsetzung <strong>der</strong><br />

Ortsverbindungsstraße, son<strong>der</strong>n<br />

die Staatstraße, in die mit<br />

Schrittgeschwindigkeit abgebogen<br />

werden muss.<br />

Das an dieser Einmündung<br />

aufgestellte Schild „Vorfahrt<br />

gewähren“ ist - ebenfalls<br />

durch Bäume verdeckt - zuletzt<br />

erkennbar. Zusammen und mit<br />

den schon lange erkennbaren<br />

Vorfahrtsschil<strong>der</strong>n und <strong>der</strong><br />

scharfen Kurve entsteht deshalb<br />

Verwirrung.<br />

Die Situation ließe sich mit<br />

wenig Aufwand entschärfen:<br />

Wenn zunächst das Vorfahrtschild<br />

durch ein rotweißes<br />

Schild (Zeichen 625) mit dem<br />

Hinweis, dass hier die Straße<br />

nach links abknickt, als optischer<br />

„Stopper“ ersetzt wird.<br />

Wird nun noch das Vorfahrt<br />

gewährende gelbe Zeichen 306<br />

(Vorfahrtstraße) durch das<br />

dreieckige Zeichen 301 (Vorfahrt)<br />

ersetzt und vor <strong>der</strong> Einmündung<br />

aufgestellt, ist dieser<br />

Gefahrenpunkt nicht nur für<br />

Motorrä<strong>der</strong> ohne aufwändige<br />

Geschwindigkeitsbegrenzung<br />

entschärft.<br />

Perfekt wäre noch eine Versetzung<br />

des für die Staatsstraße<br />

geltenden Vorfahrtschildes vor<br />

die Einmündung, dann wäre es<br />

von <strong>der</strong> untergeordneten Straße<br />

her gar nicht erkennbar.<br />

Wir hatten die Möglichkeit,<br />

den verunglückten Fahrer zum<br />

Unfall zu befragen. Er fährt<br />

seit seinem 16. Lebensjahr.<br />

Seine Fahrpraxis gibt er mit<br />

„weit über 100.000 Kilometer“<br />

an, <strong>der</strong> hier geschil<strong>der</strong>te Unfall<br />

war sein erster, sieht man von<br />

ein paar jugendlichen Ausrutschern<br />

ab. Seine Schil<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Unfallsituation deckt sich<br />

mit <strong>der</strong> oben<br />

beschriebenen.<br />

Dazu<br />

erklärte er,<br />

am Unfalltag<br />

„übermüdet<br />

und nicht gut<br />

drauf“ gewesen<br />

zu sein.<br />

„Ich hätte<br />

mich eigentlich<br />

nicht auf<br />

ein Motorrad<br />

setzen sollen!“<br />

Dass diese<br />

Einmündung<br />

auch an<strong>der</strong>e<br />

M o t o r r a d -<br />

fahrer in<br />

k r i t i s c h e<br />

S i t u a t i o -<br />

nen gebracht<br />

haben muss,<br />

zeigen die<br />

z a h l r e i -<br />

chen Bremsspuren,<br />

die<br />

wir bei <strong>der</strong><br />

Besichtigung<br />

des Unfallortesvorfanden.<br />

Auch<br />

zitierte <strong>der</strong><br />

Verunglückte<br />

den aufnehmendenPolizisten,<br />

<strong>der</strong> bei<br />

<strong>der</strong> Bearbeitung<br />

nur mit<br />

großer Mühe<br />

seine Bremsspurzuordnen<br />

konnte.<br />

Da die an<strong>der</strong>enMotorrä<strong>der</strong><br />

mit ABS<br />

ausgestattet<br />

waren, waren<br />

die Spuren<br />

also bereits<br />

älter.<br />

Blick am Ausgang <strong>der</strong> Kuppe: Zwei Vorfahrtschil<strong>der</strong><br />

signalisieren „Freie Fahrt“.<br />

Aus diesem Unfall bleiben<br />

zwei Erkenntnisse. Erstens:<br />

Zum Motorradfahren gehört<br />

generell ein mental freier Kopf<br />

und körperliche Fitness. Wer<br />

übermüdet und mit Sorgen<br />

aufs Bike steigt, hat in kritischen<br />

Situationen – wie <strong>der</strong><br />

hier geschil<strong>der</strong>ten – automatisch<br />

schlechte Karten.<br />

Zweitens: Zwar wird <strong>der</strong><br />

Schil<strong>der</strong>wald in Deutschland<br />

nicht nur umfangreich, son<strong>der</strong>n<br />

auch nahezu perfekt auf<br />

die Verkehrssituationen abgestimmt.<br />

Trotzdem bleibt immer<br />

NEWS 23<br />

Kurz darauf taucht auch <strong>der</strong> weitere Straßenverlauf auf,<br />

in Wirklichkeit handelt es sich aber um die vorfahrtsberechtigte<br />

Staatsstraße.<br />

Erst spät erscheint hinter dem Wald am linken Fahrbahnrand<br />

das Zeichen „Vorfahrt gewähren“.<br />

Die eigentliche Verkehrsführung: Eine rechtwinklige<br />

Einmündung. Der verunfallte Fahrer rutschte rechts in<br />

die Wiese.<br />

noch ein Restrisiko. Niemand<br />

kann sich darauf verlassen,<br />

trotz Beschil<strong>der</strong>ung nicht<br />

doch in eine plötzlich unvorhersehbare<br />

Situation zu geraten.<br />

Dazu gehören neben den<br />

beschriebenen Schil<strong>der</strong>n an<br />

falscher Stelle auch ungesicherte<br />

Unfallstellen, Tiere, die<br />

über die Fahrbahn springen,<br />

o<strong>der</strong> Sandeinschwemmungen<br />

nach einem Starkregen.<br />

Für die Optimierung <strong>der</strong><br />

Beschil<strong>der</strong>ung ist das Straßenbauamt<br />

zuständig, für den Rest<br />

je<strong>der</strong> Motorradfahrer selbst.

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