04.05.2023 Aufrufe

WBG_JB_2022_Einzelseiten

Jahresbericht 2022 von Wohnbaugenossenschaften Zürich

Jahresbericht 2022 von Wohnbaugenossenschaften Zürich

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

VERDICHTEN STATT<br />

VERNICHTEN<br />

Ein Palaver über Zielkonflikte im<br />

Wohnungsbau<br />

Eigentlich – das möchte ich vorwegnehmen – ist<br />

zum vorliegenden Thema ja alles gesagt. Es sind<br />

sämtliche Perspektiven ausgeleuchtet und die<br />

bekannten Positionen erörtert. Die Zielkonflikte<br />

liegen auf dem Tisch. Sie sind immens. Die 11.<br />

Fachtagung des gemeinnützigen Wohnungsbaus<br />

von Anfang Dezember letzten Jahres zum Thema<br />

«Weiter-Bauen» legte davon ein beredtes Zeugnis<br />

ab. Was kann also der hier schreibende Architekturhistoriker,<br />

abgesehen von seiner persönlichen<br />

Meinung, in diese Debatte noch substanzielles<br />

einbringen?<br />

Noch eine Perspektive, muss das sein?<br />

Zunächst die Selbstdeklaration: Naturgemäss sieht<br />

er sich eher als Fürsprecher der Bestandesbauten.<br />

Er glaubt an deren Aura und an die integrative<br />

Kraft des Vertrauten. Er argumentiert dabei nicht<br />

exakt. In Grafiken übersetzte Kennzahlen als Entscheidungsgrundlagen<br />

kann er keine vorlegen.<br />

Seine Beweismittel sind in Prosa verfasst und sie<br />

sind Appelle aus einer distanzierten Perspektive.<br />

Der unmittelbare Bezug zu den konkreten Herausforderungen<br />

der involvierten Akteure fehlt.<br />

Aber vielleicht ist es ja genau das, was in der<br />

Debatte noch zu wenig eingebracht wurde und<br />

auch an besagter Tagung als Standpunkt nicht<br />

vertreten war.<br />

Erlauben Sie mir die fragmentarische Nacherzählung<br />

der Wohnbaudebatte. Wir stellen fest, wie<br />

diese immer komplexer geworden ist. Immer mehr<br />

Figuren stehen auf dem Spielbrett und jede verfolgt<br />

eine eigene Agenda. Es sind dies in gebotener<br />

Vereinfachung des Sachverhalts:<br />

Spielerin 1: Die gemeinnützige Bauträgerin. Zentrale<br />

Mission: Schaffung und Verwaltung von im<br />

besten Wortsinn «gutem», der Spekulation entzogenem<br />

Wohnraum für möglichst viele Menschen.<br />

Ihre Anliegen sind konkret, sozial und also sehr<br />

stark. Spielerin 2: Die öffentliche Hand. Zentrale<br />

Mission: Gesunde Stadtentwicklung unter Berücksichtigung<br />

der ganzen Komplexität einer hochdifferenzierten<br />

politischen Einheit.<br />

Spieler 3: Der Ortsbild- und Denkmalschützer.<br />

Zentrale Mission: Pflege und Erhalt von Baukultur.<br />

Er zieht im konkreten Einzelfall oft den Kürzeren,<br />

hat aber gewisse Rechtsmittel auf seiner Seite.<br />

Spieler 4: Der Klimaschützer. Zentrale Mission:<br />

Genau, das Klima schützen. Er ist der Gutmensch,<br />

dessen Argumente eigentlich Trumpf sind und jene<br />

aller anderen Spielerinnen und Spieler ausstechen.<br />

Die Komplexität nimmt zu<br />

Am Anfang des Spiels steht das Sparring zwischen<br />

Spielerin 1 und Spielerin 2. Nicht selten,<br />

wie im Beispiel der Stadt Zürich, sind sie sogar<br />

deckungsgleich. Die gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen<br />

haben nach dem Ersten Weltkrieg ihre<br />

erste grosse Zeit. Eklatant ist der Wohnungsmangel<br />

in den Zentren, und als Selbsthilfeorganisationen<br />

der Arbeiterschaft helfen sie entscheidend mit,<br />

die soziale Frage zu mildern. Von gemeinsamen<br />

Zielen ist die Rede. Konflikte gibt es nicht.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholt sich die<br />

Geschichte. Die Wohnungsnot ist noch grösser<br />

und jetzt hilft sogar der Staat mit und subventioniert<br />

den Wohnungsbau im grossen Stil. Ganze<br />

Stadtteile entstehen aus überwiegend gemeinnützigen<br />

Wohnbauten. Wir kennen sie in Zürich<br />

Schwamendingen oder im Berner Wylergut. Der<br />

Städtebau: copy & paste von Häuserzeilen, zweibis<br />

dreigeschossig. Die Architektur: schlicht und<br />

klug zugleich. Noch ist viel Platz, Konflikte sind<br />

weiterhin keine in Sicht.<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!