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Die Weinstaße - Juni 2023

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FORUM<br />

SO REDN<br />

MIR PA INS<br />

Quelle: Cäcilia Wegscheider<br />

Kernig?<br />

Kirnig!<br />

FLURNAMEN<br />

Mit allen Wassern gewaschen<br />

Cäcilia Wegscheider<br />

Ehrlich gesagt, bis nicht die Biopilze aus<br />

Aldein kamen, hätte ich mit dem Adjektiv<br />

nicht viel anfangen können. ‘Kräftig<br />

entwickelt, nährstoffhaltig’, sagt uns<br />

das Wörterbuch, auch Holz oder Essen<br />

kann kirnig sein. Gutes Stichwort, denn<br />

bei kirnig fällt mir eigentlich sich pekirnen<br />

ein, wenn man sich verschluckt und<br />

daraufhin husten muss. Genau das, wo<br />

man uns dann als Kinder an die Decke<br />

schauen ließ, die Arme in die Höhe gereckt:<br />

„Schaug aui, schaug aui“.<br />

Übrigens pekirnt man sich bereits bei<br />

Oswald von Wolkenstein, dort aber dann<br />

schon im Sinne von ‘erbrechen’. Rauere<br />

Zeiten, rauere Sitten. Nach Schatz ist<br />

die Grundform des Verbs, das auch als<br />

derkirnen oder verkirnen in Verwendung<br />

ist, kürnen. Altmeister Schöpf präzisiert<br />

den Schwerpunkt auf den Hustreiz, der<br />

folgt, wenn „etwas in die Luftröhre gekommen“<br />

ist. Bei ihm ist kirnig übrigens<br />

auch derb und….körnig. Also mag es wohl<br />

doch etwas mit Korn, Körnern zu tun haben?<br />

Und wirklich bringt Grimms Wörterbuch<br />

kürnig (in der Mundart folgerichtig<br />

kirnig wie Lüsen – Liisn) als ‘körnig’. Oder<br />

doch eher dann kernig, ein kerniger Kerl,<br />

das überschneidet sich mit der Aldeiner/<br />

Regglberger Bedeutung schon besser. Ob<br />

nun Korn oder Kern, verwandt sind sie<br />

allemal und beide sollen auf eine Bildung<br />

mit Nasalsuffix zur indoeuropäischen<br />

Wurzel *ĝer(ə)- ‘morsch, reif werden,<br />

altern’, älter wohl ‘reiben, aufgerieben<br />

werden’. Letzteres kommt wohl beim<br />

pekirnen so dann hin.<br />

Nach der Trockenheit der große Regen.<br />

Damit sind die Probleme zwar noch lange<br />

nicht gelöst, trotzdem hat es mittelfristig<br />

für Entspannung gesorgt. Wasser war<br />

schon immer ein kostbares Gut und hat<br />

seinen Niederschlag auch in der Flurnamenwelt<br />

gefunden. Ob auf den Feldern, an<br />

den Berghängen oder in der Benennung<br />

der Wege. Auf sumpfigen Untergrund oder<br />

die Beschaffenheit bei Regen länger nass<br />

zu bleiben, gehen zum Beispiel Bezeichnungen<br />

wie Wassriger Wëig in Montan in<br />

der Örtlichkeit Gahouf, zurück.<br />

WASSERGESEGNETE<br />

HERRGOTTSKINDER<br />

Auch in Kaltern gibt es einen Wåssrwëig.<br />

Überhaupt scheinen die Berghänge unter<br />

der Mendel für Wasserreichtum in der<br />

Überetscher Gemeinde gesorgt haben. Da<br />

fließt und quellt es an vielen Ecken. Nicht<br />

umsonst bezieht das Dorf sein Trinkwasser<br />

aus dem Túmorwåsserstolln im Túmortôl<br />

und dem Pfusser Wåsserstolln. Bezeichnungen<br />

wie die Wasserlen für ein sumpfiges<br />

Gebiet am Kalterer Obernberg oder die<br />

Wåsserkånzl für eine Anhöhe, findet man<br />

ebenso. Geländeeinschnitte oder Risen<br />

wie in der Kalterer Fraktion Altenburg die<br />

Wasserlrîsn oder in Margreid – immer viele<br />

Wasserläufe und Quellen vermutlich das<br />

Benennungsmotiv – das Wåssrto(u)l am<br />

Fennberg gegen Roverè della Luna hin.<br />

Wåssrtôl und Wåssrrîs auch in Andrian.<br />

Wissen wir bereits, Bezeichnungen wie<br />

Kåltwåssr deuten auf Quellen mit kaltem<br />

Wasser, Namen wie Kaltbrunn, auch ohne<br />

Brunnen, ebenfalls. Abgesehen von dem<br />

Dorf Kaltenbrunn, wird zwischen Nals<br />

und Andrian eine ganze Gegend entlang<br />

des Bergfußes so genannt.<br />

NICHT NUR WASSER<br />

Natürlich muss es nicht immer Wasser<br />

sein, viele feine Nuancen weisen auf nasse<br />

Gegenden und sumpfige Untergründe<br />

hin. <strong>Die</strong> Moosgründe haben wir ja schon<br />

zur Genüge durch. Aber auch Namen wie<br />

die Fauln in Terlan lassen an unfruchtbaren,<br />

vermoderten Boden aufgrund der<br />

Feuchtigkeit hin. Ein überaus interessanter<br />

Name findet sich diesbezüglich nördlich<br />

von Andrian, immer im Bereich der zuvor<br />

genannten Gegend Kåltbrunn.<br />

Gissibl – so zum Beispiel auch in Lana<br />

und Altrei – lässt gleich verschiedene Deutungen<br />

zu. Ortner stellt den Namen, belegt<br />

bereits 1313 als ze Gissubel, im Andrianer<br />

Dorfbuch zur indogermanischen Wurzel<br />

*giz- ‘rinnen’, mit der Endung -ibl rekonstruiert<br />

er zu *gizzubli ‘zusammengeronnene,<br />

-schobene Erdmasse’.<br />

<strong>Die</strong> Ortsnamen Gies(s)(h)übel oder<br />

Gis(s)(h)übel sind als Ableitungen aus<br />

althochdeutsch guz, gussi, gussa ‘Flut’<br />

und giozan ‘gießen, strömen’, heute noch<br />

in Guss und gießen, zu verstehen. Im<br />

zweiten Teil steht -ubil ‘übel, schlimm’.<br />

Das Ganze bedeutete dann so viel wie<br />

‘da, wo Land überschwemmt, überflutet<br />

wird’. So G. Jacob in „<strong>Die</strong> Ortsnamen des<br />

Herzogthums Meiningen“. Das ist zwar<br />

schon etwas länger her, nämlich über 100<br />

Jahre, aber für die Verhältnisse am Rande<br />

des Andrianer Schwemmkegels durchaus<br />

zutreffend.<br />

44 // JUNI <strong>2023</strong>

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