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FORUM<br />
SO REDN<br />
MIR PA INS<br />
Quelle: Cäcilia Wegscheider<br />
Kernig?<br />
Kirnig!<br />
FLURNAMEN<br />
Mit allen Wassern gewaschen<br />
Cäcilia Wegscheider<br />
Ehrlich gesagt, bis nicht die Biopilze aus<br />
Aldein kamen, hätte ich mit dem Adjektiv<br />
nicht viel anfangen können. ‘Kräftig<br />
entwickelt, nährstoffhaltig’, sagt uns<br />
das Wörterbuch, auch Holz oder Essen<br />
kann kirnig sein. Gutes Stichwort, denn<br />
bei kirnig fällt mir eigentlich sich pekirnen<br />
ein, wenn man sich verschluckt und<br />
daraufhin husten muss. Genau das, wo<br />
man uns dann als Kinder an die Decke<br />
schauen ließ, die Arme in die Höhe gereckt:<br />
„Schaug aui, schaug aui“.<br />
Übrigens pekirnt man sich bereits bei<br />
Oswald von Wolkenstein, dort aber dann<br />
schon im Sinne von ‘erbrechen’. Rauere<br />
Zeiten, rauere Sitten. Nach Schatz ist<br />
die Grundform des Verbs, das auch als<br />
derkirnen oder verkirnen in Verwendung<br />
ist, kürnen. Altmeister Schöpf präzisiert<br />
den Schwerpunkt auf den Hustreiz, der<br />
folgt, wenn „etwas in die Luftröhre gekommen“<br />
ist. Bei ihm ist kirnig übrigens<br />
auch derb und….körnig. Also mag es wohl<br />
doch etwas mit Korn, Körnern zu tun haben?<br />
Und wirklich bringt Grimms Wörterbuch<br />
kürnig (in der Mundart folgerichtig<br />
kirnig wie Lüsen – Liisn) als ‘körnig’. Oder<br />
doch eher dann kernig, ein kerniger Kerl,<br />
das überschneidet sich mit der Aldeiner/<br />
Regglberger Bedeutung schon besser. Ob<br />
nun Korn oder Kern, verwandt sind sie<br />
allemal und beide sollen auf eine Bildung<br />
mit Nasalsuffix zur indoeuropäischen<br />
Wurzel *ĝer(ə)- ‘morsch, reif werden,<br />
altern’, älter wohl ‘reiben, aufgerieben<br />
werden’. Letzteres kommt wohl beim<br />
pekirnen so dann hin.<br />
Nach der Trockenheit der große Regen.<br />
Damit sind die Probleme zwar noch lange<br />
nicht gelöst, trotzdem hat es mittelfristig<br />
für Entspannung gesorgt. Wasser war<br />
schon immer ein kostbares Gut und hat<br />
seinen Niederschlag auch in der Flurnamenwelt<br />
gefunden. Ob auf den Feldern, an<br />
den Berghängen oder in der Benennung<br />
der Wege. Auf sumpfigen Untergrund oder<br />
die Beschaffenheit bei Regen länger nass<br />
zu bleiben, gehen zum Beispiel Bezeichnungen<br />
wie Wassriger Wëig in Montan in<br />
der Örtlichkeit Gahouf, zurück.<br />
WASSERGESEGNETE<br />
HERRGOTTSKINDER<br />
Auch in Kaltern gibt es einen Wåssrwëig.<br />
Überhaupt scheinen die Berghänge unter<br />
der Mendel für Wasserreichtum in der<br />
Überetscher Gemeinde gesorgt haben. Da<br />
fließt und quellt es an vielen Ecken. Nicht<br />
umsonst bezieht das Dorf sein Trinkwasser<br />
aus dem Túmorwåsserstolln im Túmortôl<br />
und dem Pfusser Wåsserstolln. Bezeichnungen<br />
wie die Wasserlen für ein sumpfiges<br />
Gebiet am Kalterer Obernberg oder die<br />
Wåsserkånzl für eine Anhöhe, findet man<br />
ebenso. Geländeeinschnitte oder Risen<br />
wie in der Kalterer Fraktion Altenburg die<br />
Wasserlrîsn oder in Margreid – immer viele<br />
Wasserläufe und Quellen vermutlich das<br />
Benennungsmotiv – das Wåssrto(u)l am<br />
Fennberg gegen Roverè della Luna hin.<br />
Wåssrtôl und Wåssrrîs auch in Andrian.<br />
Wissen wir bereits, Bezeichnungen wie<br />
Kåltwåssr deuten auf Quellen mit kaltem<br />
Wasser, Namen wie Kaltbrunn, auch ohne<br />
Brunnen, ebenfalls. Abgesehen von dem<br />
Dorf Kaltenbrunn, wird zwischen Nals<br />
und Andrian eine ganze Gegend entlang<br />
des Bergfußes so genannt.<br />
NICHT NUR WASSER<br />
Natürlich muss es nicht immer Wasser<br />
sein, viele feine Nuancen weisen auf nasse<br />
Gegenden und sumpfige Untergründe<br />
hin. <strong>Die</strong> Moosgründe haben wir ja schon<br />
zur Genüge durch. Aber auch Namen wie<br />
die Fauln in Terlan lassen an unfruchtbaren,<br />
vermoderten Boden aufgrund der<br />
Feuchtigkeit hin. Ein überaus interessanter<br />
Name findet sich diesbezüglich nördlich<br />
von Andrian, immer im Bereich der zuvor<br />
genannten Gegend Kåltbrunn.<br />
Gissibl – so zum Beispiel auch in Lana<br />
und Altrei – lässt gleich verschiedene Deutungen<br />
zu. Ortner stellt den Namen, belegt<br />
bereits 1313 als ze Gissubel, im Andrianer<br />
Dorfbuch zur indogermanischen Wurzel<br />
*giz- ‘rinnen’, mit der Endung -ibl rekonstruiert<br />
er zu *gizzubli ‘zusammengeronnene,<br />
-schobene Erdmasse’.<br />
<strong>Die</strong> Ortsnamen Gies(s)(h)übel oder<br />
Gis(s)(h)übel sind als Ableitungen aus<br />
althochdeutsch guz, gussi, gussa ‘Flut’<br />
und giozan ‘gießen, strömen’, heute noch<br />
in Guss und gießen, zu verstehen. Im<br />
zweiten Teil steht -ubil ‘übel, schlimm’.<br />
Das Ganze bedeutete dann so viel wie<br />
‘da, wo Land überschwemmt, überflutet<br />
wird’. So G. Jacob in „<strong>Die</strong> Ortsnamen des<br />
Herzogthums Meiningen“. Das ist zwar<br />
schon etwas länger her, nämlich über 100<br />
Jahre, aber für die Verhältnisse am Rande<br />
des Andrianer Schwemmkegels durchaus<br />
zutreffend.<br />
44 // JUNI <strong>2023</strong>