KölnerLeben August/September 2023
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Leben in Köln<br />
Faul, fauler, Energie<br />
Wie können wir selber umweltfreundlich Gas produzieren?<br />
Eine Antwort findet man im Großklärwerk Stammheim.<br />
Dort erzeugt eine Co-Fermentationsanlage nachhaltiges Biogas.<br />
Ein weißes Tankfahrzeug fährt auf das Betriebsgelände<br />
des Großklärwerks Stammheim und hält vor einer<br />
der Anlagen. Der Fahrer steigt aus und schließt einen<br />
Schlauch, etwa so dick wie der Arm eines kräftigen<br />
Mannes, an das Fahrzeug an. Es brummt. Jetzt saugt<br />
eine Pumpe den Inhalt über den Schlauch in die sogenannte<br />
Co-Fermentationsanlage des Großklärwerks.<br />
Was hat es damit auf sich?<br />
In Köln betreiben die Stadtentwässerungsbetriebe<br />
(StEB Köln) fünf Klärwerke, in Langel, Rodenkirchen,<br />
Weiden, Wahn und in Stammheim. Letztgenannte<br />
ist nicht nur die mit Abstand größte Anlage in Köln,<br />
sondern zählt auch zu den größten in Nordrhein-<br />
Westfalen. Deren Aufgabe ist klar: Sie reinigen das<br />
Abwasser aus unseren heimischen Toiletten sowie<br />
aus Industrie- und Gewerbeanlagen.<br />
Kläranlagen reinigen das Abwasser in mehreren<br />
Schritten: Zuerst werden bei der mechanischen<br />
Reinigung größere Gegenstände, das sogenannte<br />
Rechengut, und Sand entfernt. In der biologi schen<br />
Stufe bauen Bakterien und andere Mikroorganismen<br />
Nährstoffe aus dem Abwasser ab, Klärschlamm<br />
entsteht. Die dritte Reinigungsstufe be -<br />
steht aus Filteranlagen, die noch kleinere Verschmutzungen<br />
aus dem Abwasser entfernen. In Köln wird<br />
das geklärte Wasser danach in den Rhein geleitet.<br />
Rund 55.000 Tonnen Klärschlamm fallen in Stammheim<br />
pro Jahr an.<br />
Schlamm mit viel Energie<br />
Aus schmutzigem Wasser sauberes zu machen, ist<br />
sehr aufwendig. Jonas Bachnick, Sachgebietsleiter<br />
Betriebsentwicklung im Großklärwerk Stammheim,<br />
erklärt: „Die Kläranlage verbraucht 30 Gigawattstunden<br />
Energie im Jahr. Sie ist damit einer der<br />
größten kommunalen Verbraucher.“ Das ist viel<br />
Energie, um das Wasser zu reinigen. Bachnick ergänzt:<br />
„Aber inzwischen können wir die Mengen an<br />
Strom und Wärme, die wir verbrauchen, übers Jahr<br />
hinweg größtenteils selbst erzeugen.“ Dafür ist der<br />
Klärschlamm, der vor allem aus Fetten und Bakterien<br />
besteht, ein wichtiger Faktor.<br />
Was unappetitlich klingt, ist für die StEB Köln sehr<br />
wertvoll: Denn Fett enthält viel Energie. Diese kann<br />
man in Gas umwandeln. Das geschieht in Stammheim<br />
in den rund dreißig Meter hohen, eiförmigen Faultürmen.<br />
Dorthin wird der Schlamm geleitet und vergärt.<br />
Dabei entsteht Faulgas, eine Mischung aus Methan<br />
und Kohlendioxid (CO2). Dieses fließt wieder in den<br />
Prozess zurück: Es wird im Blockheizkraftwerk zur<br />
Stromgewinnung eingesetzt. Außerdem gewinnt das<br />
Unternehmen Strom aus Photovoltaikanlagen. Aber<br />
das deckt nur einen Bruchteil der Energie für alle<br />
Reinigungsschritte.<br />
Noch mehr Energie – aus Lebensmittelresten<br />
Seit 2015 erzeugt eine weitere Methode Energie:<br />
die Co-Fermentation. Die Anlage wurde im Oktober<br />
2022 erweitert. Begleitet und weiterentwickelt<br />
wird das Projekt von Manuel Hartenberger, Entsorgungsingenieur<br />
und Projektleiter bei den StEB<br />
Köln. Er sagt: „Die Tankfahrzeuge liefern sogenannte<br />
Co-Substrate an, zum Beispiel Abfälle aus Großküchen<br />
oder aus der Lebensmittelindustrie, also sehr<br />
fettreiche Substanzen mit gutem Energiegehalt.“<br />
Knapp 22.000 Tonnen dieses Materials hat die Anlage<br />
allein im Jahr 2022 verarbeitet. Jährlich werden<br />
so im Durchschnitt 3,9 Gigawattstunden (GWh) Gesamtenergie<br />
an Strom und Wärme erzeugt, davon<br />
1,5 GWh Strom. Das entspricht dem Energieverbrauch<br />
von rund 300 Haushalten. „Normalerweise<br />
sind es etwas weniger, 2022 war ein Rekordjahr“,<br />
räumt Hartenberger ein. „Wir wollen die Menge<br />
aber immer weiter steigern, rund acht Gigawattstunden<br />
elektrische Energie sind perspektivisch<br />
möglich.“<br />
<strong>KölnerLeben</strong> Heft 4 | 23