Die Neue Hochschule, Heft 4/2023
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Studieren für den öffentlichen Dienst
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10 STUDIEREN FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST<br />
DNH 4 | <strong>2023</strong><br />
noch bei den klassischen Diplom-Strukturen.<br />
<strong>Die</strong>s gilt länderübergreifend – mit wenigen<br />
Ausnahmen – für das Studium der Rechtspflege<br />
oder der Finanzverwaltung sowie auf der Ebene<br />
des Bundes für hochspezialisierte Studiengänge,<br />
wo vermutlich eine Anschlussfähigkeit<br />
an den allgemeinen Hochschulraum teilweise<br />
als nicht notwendig – oder nicht erwünscht –<br />
erachtet wird. <strong>Die</strong>se Studiengänge führen oftmals<br />
in ein weitgehend geschlossenes und stark<br />
strukturiertes Berufsfeld, in dem zumeist wenig<br />
Austausch mit anderen Professionen stattfindet,<br />
und sind weitgehend passgenau für die Kompetenzbedarfe<br />
spezialisierter Verwaltungsbereiche<br />
ausgerichtet. <strong>Die</strong>ses deutet darauf hin,<br />
dass die Reformdynamik durch den Bologna-<br />
Prozess hier eine Funktion der Breite des Spektrums<br />
der Ausbildungsbehörden ist.<br />
Prinzipiell entwickeln die HöD ihre Studienangebote<br />
jedoch im engen Dialog mit den Verwaltungen,<br />
die als Ausbildungsbehörden die Studierenden<br />
entsenden und später auch beschäftigen. <strong>Die</strong> <strong>Hochschule</strong>n<br />
kennen diese Kunden sehr genau und reagieren<br />
mit ihren Studienprogrammen zumeist zeitnah<br />
auf Veränderungen in den Behörden. <strong>Die</strong>se enge und<br />
größtenteils vertrauensvolle Form der Zusammenarbeit<br />
schlägt sich auch darin nieder, dass die Behörden<br />
Lehrbeauftragte an die <strong>Hochschule</strong>n entsenden,<br />
die bewusst berufspraktische Aspekte in die akademische<br />
Ausbildung einbringen.<br />
Verwaltungsstudien an allgemeinen<br />
<strong>Hochschule</strong>n<br />
Neben den HöD bieten in einigen Bundesländern<br />
auch allgemeine <strong>Hochschule</strong>n Studiengänge mit<br />
einer Ausrichtung auf den öffentlichen <strong>Die</strong>nst an<br />
(siehe oben). So finden sich bspw. allein an der<br />
HWR Berlin drei Fachbereiche, die Angebote für<br />
den öffentlichen <strong>Die</strong>nst offerieren. Andere, wie die<br />
<strong>Hochschule</strong> Osnabrück, haben ihre Studienangebote<br />
für die öffentliche Verwaltung nach der Auflösung<br />
der ehemals zuständigen Verwaltungsfachhochschule<br />
in den Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />
integriert. In anderen Bundesländern<br />
wiederum – wie Hessen – haben HAW eigeninitiativ<br />
Angebote für den öffentlichen <strong>Die</strong>nst auf den Weg<br />
gebracht und konkurrieren so mit der HöD.<br />
Masterstudiengänge für die öffentliche<br />
Verwaltung<br />
Seit im Jahr 2002 der erste Masterstudiengang<br />
„Public Administration“ der Universität Kassel und<br />
der hessischen Verwaltungsfachhochschule akkreditiert<br />
wurde, wenden sich immer mehr HöD Masterprogrammen<br />
zu, sodass das Angebot mittlerweile<br />
recht vielgestaltig ist, zumal hier neben Universitäten<br />
und allgemeinen HAW z. B. die Deutsche Universität<br />
für Verwaltungswissenschaften oder aber private<br />
HAW aktiv sind, womit die <strong>Hochschule</strong>n hier – anders<br />
als bei den grundständigen Studiengängen – offen<br />
miteinander konkurrieren. Für die <strong>Hochschule</strong>n sind<br />
solche Angebote u. a. deshalb interessant, weil sie<br />
dadurch zusätzliche Einnahmen generieren können,<br />
während aus der Sicht der Studierenden die Konkurrenz<br />
durchaus zu begrüßen ist und zu einem Innovationsdruck<br />
führt – so bietet die Universität Kassel mit<br />
einem „Online-MPA“ das beliebteste Masterangebot<br />
für den öffentlichen <strong>Die</strong>nst an. Spezifische Masterangebote<br />
für Fächer wie Rechtspflege, Steuern und<br />
Finanzen existieren hingegen nicht.<br />
Hier muss erwähnt werden, dass ein Masterabschluss<br />
für die öffentliche Verwaltung in der Regel die<br />
formalqualifikatorische Voraussetzung (Laufbahnbefähigung)<br />
für einen Aufstieg vom gehobenen in den<br />
höheren Verwaltungsdienst ist, wobei allein durch<br />
die zum Teil restriktive Ausgestaltung der jeweiligen<br />
Laufbahnverordnungen des Bundes und der Bundesländer<br />
in Bezug auf die Laufbahnbefähigung für den<br />
höheren <strong>Die</strong>nst hier teilweise enge Grenzen gesetzt<br />
sind, da diese für Masterstudiengänge eingeschränkt<br />
und ohne die Mitwirkung des jeweiligen <strong>Die</strong>nstherrn<br />
quasi unmöglich ist (bspw. § 26 LVO NRW, § 37 LVO<br />
Hessen).<br />
Deshalb reicht der erfolgreiche Abschluss eines<br />
Masterstudiums oft nicht aus, um in den höheren<br />
<strong>Die</strong>nst eintreten zu können, selbst wenn eine entsprechende<br />
Stelle zu vergeben ist und die notwendigen<br />
Handlungskompetenzen vorliegen. Vermutlich sind<br />
die diesbezüglichen Restriktionen darauf zurückzuführen,<br />
dass die Personalverantwortlichen in den<br />
Verwaltungen wieder die Entscheidungshoheit über<br />
die Beförderungsmöglichkeiten in ihren Behörden<br />
erlangen wollten. Ob dieses in Zeiten des Fachkräftemangels<br />
und des demografischen Wandels trägt,<br />
wird die Zukunft zeigen.<br />
Das Polizei-Studium<br />
<strong>Die</strong> Polizei-Fachbereiche nehmen an HöD regelmäßig<br />
eine besondere Stellung ein, weil sich die Polizeien<br />
des Bundes und der Länder lange gegen eine<br />
„Verwissenschaftlichung“ ihrer Ausbildung durch die<br />
Einführung von Studiengängen für den gehobenen<br />
Polizeidienst gewehrt hatten. Eine ungeschriebene<br />
Devise der Polizeiausbildung war, dass an Polizeischulen<br />
Polizisten von Polizisten lernen, was Polizisten von<br />
Polizisten gelernt haben. Sukzessive wurden jedoch<br />
überall Studiengänge für den gehobenen Polizeivollzugsdienst<br />
eingeführt und – bis auf Bayern – mittlerweile<br />
auch auf Bachelor-Studiengänge umgestellt. In<br />
den sechs Bundesländern, die gleichzeitig den mittleren<br />
Polizeidienst abgeschafft haben (sog. zweigeteilte<br />
Laufbahn), ist das Studium an einer HöD die<br />
Regelausbildung, mit der insbesondere die sozial- und