Die Neue Hochschule, Heft 4/2023
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Studieren für den öffentlichen Dienst
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Studieren für den öffentlichen Dienst
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
22 BERICHTE AUS DEM hlb DNH 4 | <strong>2023</strong><br />
DNH-Sommerinterview mit Prof. Dr.-Ing. Tobias Plessing<br />
<strong>Neue</strong>r hlb-Präsident fordert mehr Unterstützung durch den Bund<br />
Foto: privat<br />
<strong>Die</strong> Delegierten aus den<br />
Landesverbänden des<br />
hlb haben Prof. Dr.-Ing.<br />
Tobias Plessing zur diesjährigen<br />
Delegiertenversammlung<br />
am 6. Mai<br />
einstimmig zum neuen<br />
Präsidenten gewählt.<br />
Neschke: Welches sind Ihre wichtigsten<br />
hochschulpolitischen Ziele als hlb-<br />
Präsident?<br />
Plessing: Drei Dinge sehe ich als zentral:<br />
<strong>Die</strong> Aktivierung der Hochschulgruppen<br />
und eine gesetzlich verankerte Vertretung<br />
für Professorinnen und Professoren<br />
an unseren <strong>Hochschule</strong>n vor Ort, mehr<br />
finanzielle Unterstützung der <strong>Hochschule</strong>n<br />
für angewandte Wissenschaften durch<br />
den Bund sowie eine dauerhafte Senkung<br />
unseres Lehrdeputats.<br />
Mir ist es wichtig, die Hochschulgruppen<br />
zu stärken. Sie bieten den<br />
Kolleginnen und Kollegen an der jeweiligen<br />
<strong>Hochschule</strong> eine Plattform zum<br />
Austausch und können Kompetenzen<br />
bündeln. Dadurch erfüllen sie eine wichtige<br />
Aufgabe bei der Ausgestaltung eines<br />
nachhaltigen und funktionierenden Lehrund<br />
Forschungsalltags an <strong>Hochschule</strong>n.<br />
Durch die zu beobachtende Zunahme der<br />
Hochschulautonomie bedarf es mittlerweile<br />
immer mehr spezifischer Bestimmungen<br />
für die Aufgaben und Prozesse<br />
an der einzelnen <strong>Hochschule</strong>, die im<br />
Rahmen der akademischen Selbstverwaltung<br />
mit den Mitgliedergruppen ausgestaltet<br />
werden – dabei können Hochschulgruppen<br />
ihre Erfahrungen und ihr<br />
Know-how einbringen.<br />
Starkmachen möchte ich mich<br />
außerdem für Vertretungen für Professorinnen<br />
und Professoren an den <strong>Hochschule</strong>n,<br />
da wir von den Personalvertretungen<br />
ausgenommen sind, also<br />
keine eigene Vertretung haben. Möglich<br />
wären hier z. B. eine Ombudsstelle oder<br />
ein Sprecherausschuss, der sich aus<br />
dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen<br />
bildet.<br />
Und vor allem werde ich mich<br />
dafür einsetzen, dass die Leistungen<br />
der HAW besser wahrgenommen<br />
werden. <strong>Die</strong> HAW können mehr Geld<br />
vom Bund erwarten, um ihre Aufgaben<br />
erfüllen zu können – vor allem die<br />
anwendungsorientierte Forschung. <strong>Die</strong><br />
derzeitige Ausstattung der Professuren<br />
an HAW mit Zeit und Geld entspricht<br />
nicht der Erwartungshaltung wissenschaftlich<br />
hervorragend qualifizierter<br />
junger Professorinnen und Professoren<br />
mit Industrie- oder anderer Berufserfahrung.<br />
<strong>Die</strong> Antwort auf die derzeitigen<br />
Besetzungsprobleme der Professuren<br />
an HAW kann nur lauten, die Professuren<br />
an HAW attraktiver zu machen<br />
und die Forschungsfinanzierung zu<br />
verbessern. <strong>Die</strong> Länder allein werden<br />
das nicht leisten können. Ich sehe hier<br />
die geplante Etablierung einer neuen<br />
Fördereinrichtung für anwendungsorientierte<br />
Forschung, die Deutsche<br />
Agentur für Transfer und Innovation<br />
DATI, als wichtigen Baustein. Als weiteren<br />
Baustein werde ich unsere Forderung<br />
„12plusEins“ auch nach Abschluss<br />
unserer Kampagne „Erfolg braucht<br />
HAW“ verfolgen.<br />
Wo sehen Sie die HAW in fünf und wo in<br />
zehn Jahren?<br />
In den nächsten fünf Jahren werden die<br />
Themen Forschung und Transfer, aber<br />
auch Internationalisierung noch stärker<br />
in den <strong>Hochschule</strong>n ankommen. Das<br />
wird unsere <strong>Hochschule</strong>n verändern.<br />
In den letzten zehn Jahren konnten<br />
wir deutlich mehr Drittmittelprojekte<br />
einwerben, wodurch auch die Zahl der<br />
wissenschaftlich Mitarbeitenden enorm<br />
gestiegen ist. Dadurch entstehen neben<br />
zusätzlichem Verwaltungs- und Betreuungsaufwand<br />
ganz praktische Probleme,<br />
wenn es z. B. in den Bestandsgebäuden<br />
eng wird.<br />
Viele Studierende kommen nach wie<br />
vor aus der Region, aber es immatrikulieren<br />
sich auch immer mehr internationale<br />
Studierende, die z. T. schon jetzt<br />
bis zu 30 Prozent ausmachen. Aufgrund<br />
des demografischen Wandels werden<br />
unsere <strong>Hochschule</strong>n deutlich internationaler,<br />
was mit einem Kulturwandel<br />
einhergehen wird. Daneben werden<br />
hochschulische Weiterbildungsangebote<br />
mehr Zeit fordern, wenn wir das<br />
Thema lebenslangen Lernens verstärkt<br />
aufgreifen wollen.<br />
Für die nächsten zehn Jahre ist es<br />
mir wichtig, dass die Gleichwertigkeit<br />
der Professuren an HAW und an<br />
Universitäten hergestellt wird. Wir<br />
haben an den HAW ein unheimlich<br />
hohes Anforderungsprofil, auch im<br />
internationalen Kontext, dennoch gibt<br />
es die unterschiedliche Gewichtung<br />
zwischen Professuren an HAW und an<br />
Universitäten in der gesellschaftlichen<br />
und politischen Diskussion. Es ist an<br />
der Zeit, dass sich diese Haltung ändert.<br />
Dann werden auch unsere Professuren<br />
für mehr Wissenschaftlerinnen und<br />
Wissenschaftler zu einer attraktiven<br />
Perspektive. Für den deutschen Mittelstand<br />
sind die HAW zentrale Ansprechpartner<br />
bei Technologietransfer und<br />
Innovation und daher brauchen wir<br />
gut qualifizierte Professorinnen und<br />
Professoren.<br />
Der hlb hat sich für eine Anpassung<br />
des Lehrdeputats und den Aufbau eines<br />
Mittelbaus mit der Kampagne „Erfolg<br />
braucht HAW“ eingesetzt. Wie werden<br />
Sie diese Ziele aufgreifen?<br />
<strong>Die</strong> Kampagne war von vornherein<br />
zeitlich begrenzt und es war klar, dass<br />
unsere weitreichenden Forderungen<br />
in dieser Zeit nicht umgesetzt werden<br />
können. Allerdings sehe ich Bewegung<br />
in der Sache. Unser Anliegen<br />
wird durchaus von der Politik verstanden<br />
und aufgegriffen, allerdings noch<br />
nicht in ausreichender Form, nicht in<br />
allen Bundesländern und insgesamt zu<br />
zaghaft. Als Verband werden wir neue<br />
Formate schaffen, um die Leistungen<br />
der HAW noch besser in die Öffentlichkeit<br />
zu transportieren, besser erklären,<br />
welche wichtigen Beiträge wir in vielen<br />
Leistungsdimensionen einbringen.<br />
Gegenüber der Politik möchte ich besser<br />
sichtbar machen, was HAW zur qualitativ<br />
hohen, anwendungsorientierten<br />
und zugleich wissenschaftlichen Fachkräfte-<br />
und insbesondere Ingenieurausbildung,<br />
für Forschung und Transfer,<br />
Integration etc. beitragen. Dazu stelle<br />
ich mir nach der Phase pandemiebedingter<br />
Einschränkungen auch neue<br />
Formate für Live-Veranstaltungen vor,<br />
z. B. in Berlin.<br />
Immer mehr Fachbereiche an HAW<br />
beschäftigt das Problem, kaum geeignete<br />
Kandidatinnen und Kandidaten<br />
für offene Professuren zu finden. <strong>Die</strong>