Waffenmarkt-Intern 0923
Waffenmarkt-Intern – Das B2B-Insider-Magazin für Jagd, Messer, Schießsport und Security – die September-Ausgabe mit dem Schwerpunkt Security / Tactical
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26 _ SCHWERPUNKT INTERN _ 9 / 2023<br />
15 Jahre nach dem Verbot: Wird der<br />
Taser in Privathände zurückkehren?<br />
MITTE DER 2000ER JAHRE fielen sie mir immer<br />
häufiger auf: Taser. Im schönsten Behördendeutsch<br />
nennt man sie hierzulande<br />
offiziell Distanz-Elektroimpulsgerät (DEIG),<br />
doch der ehemalige Firmenname des wohl<br />
bekanntesten Herstellers Axon hat sich als<br />
Synonym für diese Produktkategorie eingebürgert.<br />
Die österreichische Bundespolizei<br />
führte 2006 den Taser in Oberösterreich<br />
ein, mehrere deutsche Medien berichteten<br />
2007 über das neue Selbstverteidigungsmittel<br />
und natürlich setzte auch Hollywood die<br />
neue „Wunderwaffe“ zunehmend in Szene.<br />
Ich wurde damals neugierig: Was kann dieses<br />
viel diskutierte und in US-Polizeikreisen<br />
oftmals hochgelobte Gerät?<br />
Aus den üblichen Waffenfachgeschäften der<br />
Umgebung kannte man bis dato „Elektroschocker“,<br />
Geräte für die sehr kurze Distanz,<br />
mit teilweise schwindelerregenden Voltzahlen<br />
und blumigen Versprechen (wie bei so<br />
vielen Selbstverteidigungsmitteln). Logisch,<br />
wenn der Bösewicht schon so nah an einem<br />
dran ist, dann muss das Mittel der Wahl ja<br />
auch umso heftiger wirken – oder der Hersteller<br />
dies zumindest vollmundig beteuern.<br />
Mir kamen diese Geräte stets etwas seltsam<br />
vor, rein subjektiv gesprochen. Nun aber, so<br />
die Ankündigung, flogen Pfeile über mehrere<br />
Meter, piesackten ihre Empfänger und der<br />
(etwas geringere, aber immer noch enorme)<br />
Stromstoß gab der angreifenden Person dann<br />
den Rest. Das klang beeindruckend. Denn es<br />
gibt einen klaren Vorteil: Die Distanz. Wenn<br />
der Bösewicht schon klammert, ist er längst<br />
viel zu nah dran. Wer bevorzugt da nicht eine<br />
Verteidigungsmöglichkeit, die einen Angreifer<br />
auf fünf oder mehr Meter Abstand hält?<br />
Doch der Taser hatte auch von Beginn an klar<br />
erkennbare Nachteile. Für den Privatmenschen<br />
mit Selbstschutzinteresse war dies damals<br />
zuerst einmal der Preis: mehrere hundert<br />
Euro waren mindestens fällig. Wenn ich<br />
mich recht erinnere, kosteten verschiedene<br />
Modelle schon damals locker um die 1.000<br />
Euro. Kein Schnäppchen, auch wenn einem<br />
die eigene Sicherheit ja viel wert sein sollte.<br />
Zweiter Punkt: Die Wirkung. Wenn der Taser<br />
funktioniert, wirkt er gut und zuverlässig.<br />
Wenn er denn funktioniert. Heute ist es<br />
einfacher denn je festzustellen, dank zahlreicher<br />
Polizeivideos auf YouTube und Co.,<br />
dass der Taser oft genug eben doch nicht so<br />
wirkt wie es vorgesehen war: Mal ist die Kleidung<br />
des Täters zu dick, mal die Anwendung<br />
zu riskant, mal ist das eventuell unter Drogen<br />
stehende Gegenüber nicht besonders beeindruckt<br />
oder es reißt sich schlicht schnell<br />
genug die Nadeln aus dem Körper – die (von<br />
mir wahrgenommene überraschend geringe)<br />
Erfolgsquote sollte man entsprechend berücksichtigen.<br />
Keine Waffe ist halt ein Allheilmittel,<br />
auch nicht der Taser.<br />
Auf die größtmögliche Bremse trat damals<br />
jedoch recht zeitnah der Gesetzgeber: nach<br />
nur kurzer Dauer der freien Verfügbarkeit<br />
für Privatpersonen endete der Spaß vor genau<br />
15 Jahren, im Jahr 2008, mit Inkrafttreten<br />
des neuen Waffengesetzes. Der Grund:<br />
Die Distanz. So ist in der Bundestags-Drucksache<br />
16/7717 auf Seite 25 zu lesen: „Distanz-<br />
Elektroimpulsgeräte sind zu verbieten, denn<br />
sie weisen gegenüber herkömmlichen Elektroschockern<br />
eine objektiv und subjektiv erhöhte<br />
Gefährlichkeit auf: Die Hemmschwelle<br />
ihres (missbräuchlichen) Einsatzes ist wegen<br />
der Möglichkeit, aus einer gewissen Entfernung,<br />
also ohne unmittelbare Nahkampf-Situation,<br />
und mit ferngesteuerter Auslösung<br />
zu agieren, herabgesetzt.“ Damit endete die<br />
kurze Phase der Verteidigung via Stromdraht<br />
in Deutschland, klar und unmissverständlich.<br />
Und eine Änderung dieser Sachlage ist,<br />
so eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums,<br />
auch nicht in Sicht. „Es gibt keine<br />
Pläne, dieses Verbot zu lockern“, so die Auskunft,<br />
und auch Ausnahmen sind weder vorhanden<br />
noch vorgesehen. Auch heute noch<br />
baut man auf die oben zitierte, aus Sicht der<br />
Sicherheitsforschung jedoch nicht unbedingt<br />
vollumfänglich überzeugende Begründung.<br />
Behörden interessiert diese Regelung freilich<br />
nicht, da für sie das Waffengesetz in dieser<br />
Hinsicht bekanntlich irrelevant ist. Doch<br />
interessanterweise hadern auch Polizei und<br />
andere Sicherheitsbehörden ab und zu mit<br />
dem Taser. Die Bilanz erscheint durchwachsen:<br />
Manche Behörden „testen“ noch, andere<br />
beschränken den Einsatz auf Spezialkräfte,<br />
manche lehnen ihn gänzlich ab – eine flächendeckende<br />
Verbreitung wie in den USA<br />
ist in Deutschland nicht zu beobachten und<br />
Heute fest in polizeilicher Hand: ein<br />
Distanz-Elektroimpulsgerät, vulgo: Taser.<br />
vorerst auch nicht zu erwarten. Und das, so<br />
wage ich an dieser Stelle zu behaupten, ist<br />
auch gar kein Problem. Sinnvolle Nutzungsszenarien<br />
des Tasers sind, zumindest aus<br />
deutscher Sicht, vergleichsweise rar, Kosten<br />
und Wirkung hingegen klare Schwachpunkte<br />
des Systems.<br />
Und für die private Selbstverteidigung dürfte<br />
– wenn es denn auch unbedingt eine „Pistole“<br />
sein muss – ein Pfefferspraygerät deutlich<br />
effektiver sein. Eine Wirkungsgarantie<br />
gibt es zwar auch hier nicht, man ist aber im<br />
Notwehrfalle – man erinnere sich an die Regelungen<br />
bezüglich entsprechender „Tierabwehrgeräte“<br />
– immerhin auch nicht schlechter<br />
gestellt als mit einem Taser. Dass die<br />
Sicherheit Deutschlands durch das DEIG-<br />
Verbot im Übrigen signifikant gestiegen ist,<br />
darf stark bezweifelt werden, doch immerhin<br />
reißt es auch keine signifikante Lücke.<br />
Eine besonders hohe Verbreitung wäre bei<br />
den üblichen Preisen für Gerät und „Munition“<br />
ohnehin nicht zu erwarten gewesen.<br />
Der Normalbürger möchte den Bösewicht im<br />
Anschluss an eine Notwehrhandlung meist<br />
auch nicht gefesselt, sauber und ordentlich<br />
auf dem Boden ablegen, sondern schlicht<br />
flüchten und die Polizei rufen. Und in diesem<br />
Falle erscheint Pfeffer dann doch wesentlich<br />
praktischer.<br />
sh<br />
Fotos. DarSzach, Shutterstock.