KÄNGURUplus Herbst/Winter 2023/24
Das Stadtmagazin für Familien mit Teenagern in Köln, Bonn und Region erscheint mit folgenden Themen: – Familienleben: Body Neutrality – Zukunft: Was kommt nach dem Abschluss? – Berufe-Check: Fachkraft für Abwassertechnik – Berufe-Check: Binnenschiffer:in
Das Stadtmagazin für Familien mit Teenagern in Köln, Bonn und Region erscheint mit folgenden Themen:
– Familienleben: Body Neutrality
– Zukunft: Was kommt nach dem Abschluss?
– Berufe-Check: Fachkraft für Abwassertechnik
– Berufe-Check: Binnenschiffer:in
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ZUKUNFT<br />
Auf dem Weg zum Klärwerk Köln-Weiden geht mir<br />
durch den Kopf, dass ich nicht wirklich weiß, was eine<br />
Fachkraft für Abwassertechnik macht. Dabei habe ich<br />
mir vor dem Interview die dazu passenden Internetseiten<br />
angesehen, sogar gründlich, und nicht nur die der<br />
Stadtentwässerungsbetriebe Köln, StEB Köln. Was soll's?<br />
Ich hoffe, Marie-Luise Krause, genannt<br />
Malu, wird mir alles erklären. So ist es<br />
dann auch: Denn Malu kennt sich aus<br />
und macht mir gleich zu Anfang klar,<br />
dass ihre Arbeit viel mit Umweltschutz zu<br />
tun hat.<br />
HANDWERKLICHES<br />
GESCHICK GEFRAGT<br />
In ihrer Schulzeit hat die heute <strong>24</strong>-Jährige<br />
bei einem Girls‘ Day in ihrem Wohnort<br />
die Abwasserbetriebe besucht. „Das<br />
wäre was für mich“, dachte Malu. „Ich<br />
wollte einen besonderen Beruf lernen,<br />
irgendwas, auf das man nicht so schnell<br />
kommt.“<br />
Malu führt uns über das Klärwerk: zwei<br />
riesige runde Türme, Wasserbecken und<br />
einige Gebäude. Das Gelände ist weitläufig.<br />
Ab und zu erreicht uns ein müffelnder<br />
Geruch. Doch was verbirgt sich in den<br />
Türmen, Becken, Gebäuden?<br />
EIN DIGITALES LEIT-<br />
SYSTEM STEUERT ALLES<br />
„Wir lernen, die Abwasseranlage zu steuern“,<br />
erklärt uns Malu. „Wir beschäftigen<br />
uns mit Arbeiten, mit denen wir vorher<br />
nie zu tun hatten, analysieren zum Beispiel<br />
das Wasser, lernen viel über Mikroorganismen,<br />
die nützlich oder schädlich<br />
sein können, schützen so die Umwelt.<br />
Unsere Ausbildung beinhaltet Elektrotechnik,<br />
Schlosserarbeiten, aber auch<br />
den Umgang mit Computern. Hier ist die<br />
Steuerung digitalisiert. Das ist alles vielfältig.“<br />
Kann man alles gleich gut können? Sie<br />
schüttelt den Kopf. „Wir spezialisieren<br />
uns in der Ausbildung. Wichtige Voraussetzung<br />
ist jedoch Interesse an Naturwissenschaften,<br />
besonders an Chemie und<br />
Mathematik.“<br />
PRAKTIKA HELFEN BEI<br />
DER ENTSCHEIDUNG<br />
FÜR EINEN BERUF<br />
Malu hat vor der Ausbildung einen Realschulabschluss<br />
gemacht. Ihre erste Bewerbung<br />
bei den Abwasserbetrieben im<br />
Aggerverband wurde abgelehnt. Darum<br />
hat sie sich in anderen Berufen umgesehen,<br />
Praktika gemacht. „Ich habe als<br />
Friedhofsgärtnerin gearbeitet. Auch das<br />
ist spannend und ein besonderer Beruf.“<br />
Dann hat sie sich bei den StEB Köln beworben.<br />
„Ein Glücksfall für mich, dass sie<br />
mich genommen haben. Nach Köln gekommen<br />
bin ich über einen Japanisch-<br />
Kurs. Dann habe ich meinen Freund kennengelernt<br />
und mich in die Stadt verliebt.<br />
Als Kind waren mir viele Menschen zu<br />
viel. Jetzt genieße ich den Trube. In einer<br />
Großstadt ist man unter Menschen, aber<br />
auch für sich allein. Zudem ist Köln nicht<br />
zu weit entfernt von meinem Heimatort<br />
Bergneustadt.“ Da die Mieten hoch sind,<br />
teilt sich Malu ihre Zwei-Zimmer-Wohnung<br />
mit ihrem Freund und dessen Mutter,<br />
die nur vier Tage pro Woche zu Hause<br />
sind. Mit der Ausbildungsvergütung<br />
kommt sie über die Runden. Sie hat gelernt<br />
zu wirtschaften. Das Ausbildungsklärwerk<br />
der StEB Köln im Stadtteil Weiden<br />
ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
sehr gut zu erreichen. Das Unternehmen<br />
übernimmt für Auszubildende die Fahrtkosten,<br />
jetzt das Deutschlandticket. Ihr<br />
Berufskolleg liegt in Gelsenkirchen, fast<br />
zwei Stunden von Köln entfernt. Der Unterricht<br />
erfolgt in Blöcken, die zumeist<br />
drei Wochen lang sind. Die Auszubildenden<br />
wohnen in einem Hostel neben der<br />
Schule.<br />
BEI STÖRUNGEN SCHNELL<br />
REAGIEREN<br />
Köln hat fünf Klärwerke. Vier davon<br />
sind Außenklärwerke. Allein das Klärwerk<br />
Köln-Weiden reinigt das Abwasser<br />
von 62.000 Einwohner:innen. Die<br />
Kolleg:innen arbeiten von Montag bis<br />
Donnerstag von 7 bis 16 Uhr und freitags<br />
von 7 bis 12 Uhr. Zudem gibt es Bereitschaftsdienste,<br />
zu denen Auszubildende<br />
jedoch noch nicht eingeteilt werden.<br />
Das Großklärwerk in Köln-Stammheim<br />
rollt in Schichtarbeit. Abwasserreinigung<br />
muss rund um die Uhr an sieben Tagen<br />
pro Woche erfolgen.<br />
Am Morgen schauen Malu und ihre<br />
Kolleg:innen als Erstes auf ihr digitales<br />
Leitsystem. Es zeigt an, ob es Störungen<br />
gibt. Wenn das der Fall ist, müssen<br />
sie schnell reagieren, wie zum<br />
Beispiel bei dem Hochwasser im Ahrtal,<br />
das Auswirkungen bis nach Köln<br />
hatte. Mit dem Leitsystem können die<br />
Mitarbeiter:innen die Anlage steuern,<br />
sehen, ob Regler offen oder geschlossen<br />
sind. Nach der ersten Prüfung<br />
gehen sie die einzelnen Stationen ab:<br />
1. das Einlaufpumpwerk, 2. die mechanische<br />
Reinigung in der Rechenanlage,<br />
3. die biologische Reinigung in den Belebungsbecken,<br />
in denen Mikroorganismen<br />
für die Umwelt arbeiten, 4. die<br />
Nachklärbecken, 5. die Faulbehälter, in<br />
denen der Klärschlamm bei circa 38 Grad<br />
Celsius über 28 Tage lang vergärt. Das<br />
funktioniert ähnlich wie eine Biogasanlage.<br />
Das Gas wird in speziellen Behältern<br />
gesammelt. Die StEB Köln decken<br />
damit bis zu 98 Prozent ihres Strom- und<br />
100 Prozent des Wärmebedarfs. In den<br />
Gebäuden befinden sich das Leitsystem<br />
und die Ausbildungsräume. Durch<br />
die Keller laufen lange Rohre mit einem<br />
komplizierten Reglersystem.<br />
MAL DRINNEN,<br />
MAL DRAUSSEN<br />
Die praktische Ausbildung kann körperlich<br />
anstrengend sein. Auf dem Gelände<br />
befinden sich schwere Motoren. „Wir haben<br />
Hilfsmittel, um sie zu bewegen, aber<br />
ich kann auch immer Kolleg:innen fragen.“<br />
Malu lächelt mich an: „Manchmal<br />
arbeiten wir im Büro, aber etwa die Hälfte<br />
der Arbeitszeit sind wir im Außengelände.<br />
Es gibt Zeiten, in denen man allein, und<br />
Zeiten, in denen man im Team arbeitet.<br />
All das gefällt mir.“ Einmal im Jahr übernehmen<br />
Auszubildende aus verschiedenen<br />
Fachrichtungen für einige Zeit den<br />
Betrieb der Kläranlage in Köln-Weiden.<br />
Dann übernehmen sie alle Aufgaben von<br />
der Klärwerksleitung bis zu den anfallenden<br />
Tagesaufgaben.<br />
Noch weiß Malu nicht, ob sie nach den<br />
drei Ausbildungsjahren weiterlernen<br />
möchte. Sie ist erst im ersten Jahr. Aber<br />
sie weiß, dass ihre Arbeit wichtig ist. „Kollegen<br />
haben mir erzählt, wie im Großklärwerk<br />
Köln-Stammheim während der<br />
Pandemie das Abwasser auf Viren untersucht<br />
wurde, um bessere Einschätzungen<br />
zur Corona-Lage geben zu können.<br />
Das finde ich spannend, das ist Umweltschutz.“<br />
Sie empfiehlt, vor der Ausbildung<br />
ein Praktikum zu machen. Die StEB<br />
Köln bildet Fachkräfte für Abwassertechnik<br />
und andere Berufe aus.<br />
UND EIN WUNSCH AN<br />
DIE KÖLNER:INNEN<br />
Als ich Malu und ihre Ausbilderin, Christiane<br />
Hinrichs, frage, ob sie Wünsche<br />
an die Kölner:innen haben, sind sie sich<br />
einig: „Werft nur das, was in die Toilette<br />
gehört, hinein, also unsere Exkremente<br />
und Papier. Alles andere verstopft das<br />
Abwassersystem. Das kann für uns gefährlich<br />
werden. Das ist ein kleiner, aber<br />
wichtiger Beitrag zum Umweltschutz.“<br />
<strong>KÄNGURUplus</strong> 10/23 21