taste eleganza milaneSe die großzügigen signature-suiten in der Casa Cipriani Milano punkten mit schimmernden Boiserien und Parkettböden, antiken Murano- Kronleuchtern und bequemen sofas und Betten 122 Traveller‘s World
noch einen Bellini, Signora?“ Der Barman steht hinter einem dunkelgrünen Marmortresen vor einem mit Schnitzereien verzierten Holzaufsatz. Seine dunklen Haare glänzen, die weiße Fliege ist perfekt geknotet, die Stimme weich und angenehm. Zielsicher und in hohem Bogen lässt er eine Mischung aus pürierten weißen Pfirsichen und Prosecco von einem Shaker in den anderen gleiten. „Throwing“ heißt diese Methode, die dem Bellini seine luftige Konsistenz und seine Schaumkrone beschert. An der Wand über der Bar hängen alte Schwarz-Weiß-Fotos von Ernest Hemingway, Truman Capote und Peggy Guggenheim, im Raum davor stehen tannengrüne Samtsofas und karamellfarbene Ledersessel vor hell gedeckten Tischen, an denen Carpaccio, Risotto Primavera und gebratene Seezungenfilets serviert werden. Bellini? Carpaccio? Hemingway? Kling verdächtig nach Venedig und „Harry’s Bar“. Doch der Pickering Room befindet sich in Mailands imposantem Palazzo Bernasconi, weit weg von der Lagune. Eine Verbindung zur „Harry’s Bar“ gibt es trotzdem: Im Palazzo Bernasconi eröffnete vor knapp einem Jahr Casa Cipriani, ein Private Members Club mit 15 Hotelzimmern und Suiten, Restaurant und Bar. Nach New York ist es die zweite „Casa“, erfunden und geführt von der vierten Generation der Ciprianis, deren Urgroßvater Giuseppe 1931 die legendäre Bar in Venedig eröffnete. „Mein Urgroßvater hat schon damals unseren Stil definiert“, erzählt Giulia Pittini Cipriani, die die Mailänder „Casa“ betreut, „alles sollte schlicht, klassisch und elegant sein.“ Die Geschichte in Kürze: Giuseppe Cipriani kommt 1900 in Verona als Sohn armer Eltern auf die Welt. Schon als Teenager arbeitet er in einer Konditorei, dann in diversen anderen Lokalen, bis er 1928 Barman im Hotel Europa in Venedig wird. Dort lernt er einen jungen Amerikaner kennen, der in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Er leiht ihm 10 000 Lire, um seinen Heimflug in die USA zu bezahlen. Zwei Jahre später taucht der Amerikaner wieder in Venedig auf, begleicht seine Schulden und legt noch 30 000 Lire dazu, um mit seinem neuen Freund Giuseppe eine Bar zu eröffnen. Er hieß Harry Pickering und wurde zum Namensgeber für ein 40 Quadratmeter kleines Lokal, das in einem ehemaligen Seil - lager am Ende des schmalen Calle Vallaresso – damals noch eine Sackgasse – eröffnete. papa ante portaS In der „Harry’s Bar” am Calle vallaresso ließ sich schon ernest Hemingway von Gründer Giuseppe Cipriani und dem legendäre Barman ruggero Caumo mit besten drinks verwöhnen. das dekor ist bis heute unverändert, der Bellini auch „Harry’s Bar“ überlebte irgendwie die schwierigen Kriegsjahre und wurde danach mehr und mehr zum glamourösen Treffpunkt für Schriftsteller, Künstler, Aristokraten und Celebrities. Ernest Hemingway hatte einen festen Ecktisch und erklärte die Bar zu seinem Lieblingslokal. Der britische Autor Evelyn Waugh beschrieb sie in seinem mehrfach verfilmten Erfolgsroman „Wiedersehen mit Brideshead“. Charlie Chaplin, Marcel Proust und Maria Callas kamen regelmäßig vorbei. Orson Welles trank seinen Sundowner mit Blick auf die Lagune, und Truman Capote liebte die Krabbensandwiches. 1960 kam eine zweite Etage für das Restaurant dazu, alles andere blieb unverändert und ist es eigentlich bis heute. Als Giuseppe Cipriani 1980 starb, hatte er den Bellini und das Carpaccio erfunden sowie eine Bar geprägt, die schon damals eine „Casa“ war: persönlich, heiter, unprätentiös. giuseppes Sohn Arrigo – benannt nach der Bar (Arrigo ist italienisch für Harry) und nicht, wie oft angenommen, umgekehrt – übernimmt das Ruder. Er ist ohnehin längst Teil des Inventars und kommt bis heute, mit 91 Jahren, fast täglich vorbei. Wenn nicht, ist er vermutlich auf Reisen und inspiziert die neuen Lokale auf Ibiza, in Marbella oder Monte Carlo. Denn die Cip rianis sind längst zu Global Players mit Restaurants und Lounges auf der ganzen Welt geworden – von London und Los Angeles über Las Vegas und Mexiko City bis zu Riad und Abu Dhabi. Arrigo selbst hat 1985 mit der Bar „Harry Cipriani“ in New Yorks prächtigem Sherry-Netherland- Hotel den ersten Baustein gelegt. Auch dort strömten Prominente herbei: Madonna, John Travolta, Richard Gere und die drei James Bonds – Sean Connery, Roger Moore und Pierce Brosnan. Es folgt eine Geschichte mit italienischer Verve und ein paar Skandalen, darunter ein lang anhaltender Streit mit dem Restaurantkritiker der „New York Times“, eine öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften und eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. Arrigo Cipriani trägt es mit Fassung: „Alle machen Fehler, das Leben Traveller‘s World 123