DÖMGES Architekten
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Mehr „Wir“ heißt […], eine Architektur zu schaffen,<br />
die vieles zulässt: Loslassen können bei der Entwicklung<br />
von Projekten, Vertrauen haben in die Fähigkeiten<br />
der MitarbeiterInnen, auch manches anerkennen,<br />
was man selbst vielleicht anders machen würde –<br />
und oft kommt überraschend Positives dabei heraus.
Mehr „Wir“ heißt […], eine Architektur zu schaffen,<br />
die vieles zulässt: Loslassen können bei der Entwicklung<br />
von Projekten, Vertrauen haben in die Fähigkeiten<br />
der MitarbeiterInnen, auch manches anerkennen,<br />
was man selbst vielleicht anders machen würde –<br />
und oft kommt überraschend Positives dabei heraus.
<strong>DÖMGES</strong><br />
<strong>Architekten</strong><br />
VOM<br />
ICH<br />
ZUM<br />
WIR
Inhalt<br />
6 Moritz Holfelder: Bienen auf dem Dach<br />
8 Thomas Eckert: 75 Jahre <strong>DÖMGES</strong><br />
OBERPFALZ<br />
14 Goethe-Gymnasium, Regensburg<br />
26 Wohnen mit Nachbarn, Regensburg<br />
32 Wohnhaus am Gries, Regensburg<br />
42 Schulungszentrum Handwerkskammer, Schwandorf<br />
48 Bürogebäude Continental, Regensburg<br />
54 Städtische Wirtschaftsschule, Amberg<br />
62 IQ – Innerstädtisches Wohnquartier, Regensburg<br />
72 Staatliche Realschule, Obertraubling<br />
NIEDERBAYERN<br />
82 NAWAREUM Museum für Nachhaltigkeit<br />
und Klimaschutz, Straubing<br />
92 Landratsamt, Kelheim<br />
100 Schulzentrum, Deggendorf<br />
MITTELFRANKEN<br />
112 Fachzentrum für Energie- und Landtechnik,<br />
Triesdorf<br />
124 Bayerisches Kulturzentrum der Deutschen<br />
aus Russland, Nürnberg<br />
128 Sporthalle, Roth<br />
136 Dreifachsporthalle, Altdorf<br />
146 Gymnasium mit Mittagsbetreuung, Dinkelsbühl<br />
158 Maschinenbauschule, Ansbach<br />
168 Wohnungsbau Meckstraße, Fürth<br />
172 Studentenwohnheim Maxtormauer, Nürnberg<br />
OBERBAYERN / SCHWABEN<br />
182 Bayernkolleg, Augsburg<br />
190 Studentenwohnanlage Auf der Schanz, Ingolstadt<br />
198 Spitalstadt und Hotel, Eichstätt<br />
206 Ursulinenkloster – Hort und Grundschule,<br />
Neuburg an der Donau<br />
216 Amt für ländliche Entwicklung, Mühldorf<br />
JVAs UND JUSTIZBAUTEN<br />
222 Thomas Eckert im Gespräch über<br />
eine spezielle Bauaufgabe<br />
226 Abschiebehafteinrichtung, Hof<br />
234 Justizzentrum, Chemnitz<br />
240 Justizvollzugsanstalt, Burg<br />
244 Justizvollzugsanstalt, Augsburg-Gablingen<br />
STADTPLANUNG<br />
256 Hindenburgkaserne, Ulm<br />
260 feliz habitat – Leben in der Natur, Darmstadt<br />
264 Bachtobel, Kressbronn am Bodensee<br />
268 Klimaneutrales Wohnen, Erlangen<br />
274 Drei neue Orte entlang des Weißen Mains, Kulmbach<br />
280 Warner Barracks, Bamberg<br />
WETTBEWERBE<br />
286 Eric Frisch im Gespräch über<br />
Wettbewerbe und Angemessenheit<br />
290 Justizzentrum, Osnabrück<br />
292 Justizzentrum, Schweinfurt<br />
294 Wohnanlage Steinweg, Regensburg<br />
296 Wittelsbacher Straße, Regensburg<br />
298 Wack, Baar-Ebenhausen<br />
Studentenwohnheim, Würzburg<br />
299 Wohnen am Bachtobel, Kressbronn am Bodensee<br />
Realschule, Osterhofen<br />
300 Museum für Konkrete Kunst und Design, Ingolstadt<br />
Stobäusplatz, Regensburg<br />
301 Maßregelvollzugseinrichtung, Göttingen<br />
Studentenwohnheim, Landshut<br />
RÜCKBLICK<br />
304 Mensa der Universität, Regensburg<br />
306 Siemens Kur- und Erholungsheim, Habischried<br />
308 Hotel Goldenes Kreuz, Regensburg<br />
310 Salzstadel, Regensburg<br />
312 Hypobank, Regensburg<br />
314 Sparkasse, Regensburg<br />
316 Fachhochschule, Amberg-Weiden<br />
318 Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften,<br />
Universität Bayreuth<br />
AUSBLICK<br />
322 Bürogebäude <strong>DÖMGES</strong>, Regensburg<br />
ANHANG<br />
334 Bürogeschichte<br />
336 Wettbewerbe<br />
339 Team<br />
4
5
BIENEN AUF DEM DACH<br />
Von Moritz Holfelder<br />
6
Man erfährt viel über Materialitäten in diesem Buch, über<br />
die Angemessenheit von Architektur, über stadt räumliche<br />
Qualitäten, über den Begriff der Nachhaltigkeit und über<br />
das Bauen im Bestand. Über den Umgang mit Beton, den<br />
Trend zum Holzbau, Grünzüge, die Bedeutung von Farben<br />
beim Bau von Gefängnissen und über sich verändernde<br />
Formen der Zusammenarbeit.<br />
Ich habe dieses 75-Jahr-Buch der <strong>DÖMGES</strong> <strong>Architekten</strong> AG<br />
redaktionell betreut. Was als umfangreiche Arbeit begann,<br />
die gewissenhaft zu erledigen war, wurde mehr und mehr<br />
zu einem Vergnügen, gepaart mit vielen Erkenntnissen<br />
und Fragen: Wie funktioniert ein Büro mit über 80 Mitarbeitern?<br />
Wie verändert es sich im Laufe der Jahre und<br />
Jahrzehnte? Was bleibt und was entwickelt sich neu?<br />
Was ist wichtig? Gibt es so etwas wie eine selbstgewählte<br />
„Philosophie“ des Bauens?<br />
Eine eigene Welt erschließt sich. Thomas Eckert, seit 2005<br />
Gesellschafter und Vorstand, skizziert auf den folgenden<br />
Seiten, wie sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein Ein-<br />
Mann-Betrieb langsam zu einem überregional beachteten<br />
Architekturbüro entwickelt, wie das Unternehmen von<br />
Max Dömges (*1908, †2004), dann noch erweitert durch<br />
seinen Sohn Siegfried (*1939, †2008), in eine architektonisch<br />
komplexer werdende Zukunft aufbricht. Wie nach<br />
einigen Industriegebäuden in den 1950ern im folgenden<br />
Jahrzehnt zunehmend aufregende Bauten entstehen, auf<br />
die das Büro bis heute stolz ist. Etwa die Mensa der damals<br />
neu gegründeten Universität Regensburg oder das Erholungsheim<br />
für Siemens in Habischried, ein frühes Beispiel<br />
für organisches Bauen. Eckert beschreibt die allmähliche<br />
Herausbildung eines Gemeinschaftswerks – weg vom allein<br />
bestimmenden Ich und hin zum vertrauensvollen Wir.<br />
Weg vom alles regulierenden Bürogründer hin zum gegen -<br />
wärtigen Team, in dem die Aufgaben sehr viel unhierarchischer<br />
und solidarischer angegangen werden als früher.<br />
Eckert schreibt: „Mehr ‚Wir‘ heißt […], eine Architektur<br />
zu schaffen, die vieles zulässt: Loslassen können bei der<br />
Entwicklung von Projekten, Vertrauen haben in die Fähigkeiten<br />
der MitarbeiterInnen, auch manches anerkennen,<br />
was man selbst vielleicht anders machen würde – und oft<br />
kommt überraschend Positives dabei heraus.“<br />
Ich habe bei den Besuchen im Büro der <strong>DÖMGES</strong> AG, bei<br />
den Arbeitstreffen mit Thomas Eckert, Eric Frisch und<br />
Claudia Epple, nach Spuren und Zeichen dieses Wir-Gefühls<br />
gesucht. In den alten Räumen in der Boelckestraße, aber<br />
auch im Büroneubau in der Budapesterstraße, anfangs<br />
noch im Zustand des Rohbaus. Da war schon zu erkennen,<br />
dass die „Chefs“ keine Büros mit Vorzimmer mehr haben<br />
werden, wie das früher einmal selbstverständlich war,<br />
sondern dass sie im selben Raum sitzen wie ihre Mitarbeitenden,<br />
akustisch abgetrennt mit Glaswänden. Dass großer<br />
Wert gelegt wird auf einen angemessenen gemeinsamen<br />
Aufenthaltsraum, in dem nun an bestimmten Tagen sogar<br />
für alle gekocht wird und man miteinander isst. Im alten<br />
Büro waren solche Strukturen noch nicht so markant in<br />
die Architektur eingeschrieben gewesen. Aber auch dort<br />
entdeckte ich einen Ort, der auf spezielle Art und Weise<br />
ein Beisammen ausdrückte. Wer vom Empfang die Treppe<br />
hinabging in die Tee- und Kaffeeküche im Souterrain, kam<br />
an einer kleinen gefliesten Kammer vorbei, in der – ich<br />
zählte es nicht so genau – rund ein Dutzend gelber Gummistiefel<br />
nebeneinander standen. Einträchtig geputzt und<br />
den Geist von Verbundenheit ausstrahlend. Ich stellte<br />
mir vor, wie sich alle im Büro vor anstehenden Baustellenbesuchen<br />
ein passendes Paar heraussuchen – und dann<br />
im selben Look durch den Matsch stiefeln. Vereint in der<br />
Suche nach den idealen Lösungen für eine gemeinsame<br />
Bauaufgabe.<br />
Diese Schuhkammer mit dem gleichgesinnten Ballett<br />
der Stiefel hatte etwas Berührendes – und meine Hoffnung<br />
ist, diese Kammer auch im neuen Bürogebäude wieder<br />
aufspüren zu können, als ein auch im Banalen verbindendes<br />
Element. Dort, in der Budapesterstraße, wird es zudem<br />
eine begrünte Dachterrasse geben für das gemeinsame<br />
Abhängen nach der Arbeit, für Feste, Begegnungen und –<br />
jetzt kommt’s – für den eigenen Honig des Architekturbüros.<br />
Ein paar Mitarbeitende wollen auf dem Dach ein<br />
Bienenvolk ansiedeln. Ein paar Erdhügel sind aufgeschüttet<br />
und mit sehr bienenfreundlichen Blumen und Büschen<br />
bepflanzt – und am Ende des Jahres, so wohl die Idee,<br />
werden alle im Büro ein Glas Honig bekommen. Zusammen<br />
mit der (eine vereinigende Tradition!) gedruckten Weihnachtskarte,<br />
die Thomas Eckert immer wieder verfasst,<br />
und auf die sich manche mit dem Beginn der kalten<br />
Jahres zeit anfangen zu freuen. Verfasst sind Gedanken<br />
zu Architektur & Städtebau, verbunden mit Beobachtungen<br />
der Zeitläufe. Da geht es dann etwa um die „Sehnsucht<br />
nach dem Einfachen“, ein Bestreben, das durch die Erfahrungen<br />
mit Covid eine neue Grundlage erhielt, oder,<br />
im Jahr davor, also im zweiten Coronawinter, um den<br />
„Wert des öffentlichen Raums“, der durch die pandemischen<br />
Regelungen, so vernünftig oder absurd sie gewesen<br />
sein mögen, stark eingeschränkt wurde: „Gerade in Zeiten<br />
des Verlustes an Freiheit wird deutlich, wie wichtig die<br />
Qualität unserer Straßen und Plätze als öffentliches<br />
Wohnzimmer ist“, war in der Weihnachtskarte des Jahres<br />
2021 zu lesen. In der kommenden, dann der des Jahres<br />
2023, wird es sicher um die neuen Büroräume gehen, und<br />
vielleicht um die Bienen auf dem Dach, die so einzigartig<br />
darin sind, ein Gemeinschaftswerk zu gestalten.<br />
7
Oberpfalz<br />
1 Goethe-Gymnasium, Regensburg<br />
2 Wohnen mit Nachbarn, Regensburg<br />
3 Wohnhaus am Gries, Regensburg<br />
4 Schulungszentrum Handwerkskammer, Schwandorf<br />
5 Bürogebäude Continental, Regensburg<br />
6 Städtische Wirtschaftsschule, Amberg<br />
7 IQ – Innerstädtisches Wohnquartier, Regensburg<br />
8 Staatliche Realschule, Obertraubling
6<br />
4<br />
1<br />
2<br />
5<br />
3<br />
7 8
Goethe-Gymnasium<br />
Regensburg<br />
Mit rund 1.200 Jugendlichen ist das Goethe-Gymnasium eine der größten<br />
Schulen Regensburgs. Kern des Gebäudeensembles ist der 1914<br />
errichtete Jugendstilbau, dem das benachbarte ehemalige Kloster<br />
St. Fidelis zur Seite steht. Mit dem Neubau einer Sport- und Pausenhalle,<br />
der Modernisierung des Hauptgebäudes und der Sanierung des Klostergebäudes<br />
wurde das gesamte Areal als erstes Projekt der 2005 gegründeten<br />
<strong>DÖMGES</strong> <strong>Architekten</strong> AG in drei Bauabschnitten modernisiert.<br />
Voraus ging eine umfassende Analyse der Umgebung, um im Stadtraum<br />
neue Akzente zu setzen und die bereits vorhandene Qualität des Ortes<br />
weiter zu steigern. Die Neubauten ordnen sich in ihrer Höhe dem Jugendstilbau<br />
als dominantem Element unter. Die Aula erschließt nach<br />
Süden den Pausenhof mit dem alten Baumbestand, auf der nördlichen<br />
Seite öffnet sie einen neuen Zugang zur Schule. Durch einen Rücksprung<br />
in der Straßenfront entsteht ein kommunikativer Vorplatz. An die Pausenhalle<br />
schließt westlich die neue Turnhalle an. Pausen- und Sporthalle<br />
sind durch einen Gebäuderiegel verbunden, der die Umkleiden, Nebenräume,<br />
Fahrradständer und das Lager für Sportgeräte aufnimmt.<br />
15
Goethe-Gymnasium<br />
Regensburg<br />
LPH 2–9, SIGEKO<br />
HNF 8.500 qm<br />
BGF 20.600 qm<br />
BRI 92.000 cbm<br />
2005–2009<br />
Concrete Architecture & Design<br />
2012 (Verlag Braun)<br />
Identitätsstiftende Materialität<br />
Sorgfalt im Detail und Wertigkeit der Oberflächen – das ist<br />
es, was neben der räumlichen Großzügigkeit die Grandezza<br />
des Altbaus ausmacht. Dem Anspruch, eine besondere<br />
Atmosphäre zu schaffen, steht der Neubau in nichts nach.<br />
Prägnant setzt er sich ab in Materialität und Formensprache,<br />
stellt aber trotz seiner Eigenständigkeit eine<br />
Verbindung zum Bestand her. Das Büro entschied sich<br />
für Sichtbetonwände – Lebendigkeit, Rauheit und Porigkeit<br />
waren das Ziel. Oberflächen, die zu uns sprechen, die vom<br />
Leben erzählen und auf denen das Leben seine Spuren<br />
hinterlassen darf. Lange wurden in Versuchsreihen die<br />
richtigen Schalungsbretter gesucht und ausprobiert.<br />
Die Wahl fiel schließlich auf Grobspanplatten (OSB). Die<br />
einzelnen, unterschiedlich hervorstehenden Holzspanoberflächen<br />
drücken sich in den Beton, und je nach<br />
Lichteinfall kann er fast die Anmutung von Japan-Papier<br />
entwickeln. Diese lebendige Struktur der Sichtbeton -<br />
wände ist eine Reminiszenz an die alten Klostermauern<br />
und den prägenden rauen Sockel des alten Schulgebäudes.<br />
Beide bestimmen noch heute den baulichen Charakter<br />
des Gymnasiums.<br />
Gingkoblätter<br />
Ein weiteres gestaltendes Element sind die reliefartig<br />
eingelassenen Hohlformen von Gingkoblättern – eine<br />
poetische Hommage an Goethe und sein berühmtes<br />
Gedicht über den Gingkobaum. Sie zieren Teile der Außenmauern,<br />
die Wände in der Turnhalle und die Treppengeländer.<br />
Eichenholz, dunkler Naturstein und rot changierender<br />
Filz sind die dominierenden Materialien im Inneren.<br />
So entsteht eine Atmosphäre, die Großzügigkeit ver -<br />
mittelt und den Räumen einen eigenen Charakter verleiht:<br />
Die wertigen Oberflächen verleiten zum Anfassen und<br />
schreiben die Geschichte der haptischen Aneignung der<br />
im Bestand verwendeten Materialien fort.<br />
18
19
Wohnhaus Am Gries<br />
Regensburg Stadtamhof<br />
Kleine Häuser und schmale, tiefe Grundstücke prägen noch heute die<br />
bauliche Struktur der ehemaligen Fischersiedlung Am Gries. Vorne<br />
wird gewohnt, im hinteren Grundstücksteil bestimmen Holzschuppen<br />
und Nebengebäude das Bild. Das moderne Wohnhaus übernimmt<br />
bauliche Grundprinzipien des Viertels und interpretiert den Typus<br />
des Fischerhauses durch Materialien und Proportionen zugleich neu.<br />
Der Neu bau zeigt so hinsichtlich der Maße zwar eine eindeutige<br />
Anlehnung an den benachbarten Haustyp Altstadt, entfaltet jedoch<br />
im Fenster rhythmus und der Fassadengestaltung eine entschieden<br />
zeitgemäße Formensprache.<br />
33
Wohnhaus Am Gries<br />
Regensburg Stadtamhof<br />
LPH 1–8<br />
HNF 139 qm<br />
BRI 660 cbm<br />
2010–2013<br />
Anerkennung Bauherrenpreis 2014<br />
Architektouren 2015<br />
German Design Award 2019<br />
Aktuelle Architektur der<br />
Oberpfalz Band IV 2021<br />
(Büro Wilhelm Verlag)<br />
Wohnen. Zukunftorientiertes<br />
Bauen 2020<br />
(Deutscher Architektur Verlag)<br />
MODERNE HÄUSER in regionaler<br />
Tradition 2016 (Verlag DVA)<br />
Traditionelle Aufteilung neu gedacht<br />
Das Haus passt sich der giebelständigen Bauweise der<br />
Umgebung an (Giebel zeigt zur Straße) und spiegelt das<br />
Volumen (die Kubatur) des Nachbargebäudes. In der weiß<br />
geputzten Fassade des Vorderhauses sind die Öffnungen<br />
präzise gesetzt, variieren aber im Vergleich zum Bestand<br />
deutlich in Anzahl, Anordnung, Ausgestaltung und Größe.<br />
Die rückwärtigen Fassaden sind großflächiger verglast.<br />
Hier wird die Sprache weicher, Holzfassaden erinnern an<br />
die Schuppen der traditionellen Fischerhäuser.<br />
Gewohnt wird im 1. Stock<br />
Die Herausforderung war es, auf wenig Platz ein Haus<br />
mit genügend Licht, Privatsphäre und Wohnqualität zu<br />
schaffen. Die <strong>Architekten</strong> überbauten das Grundstück voll,<br />
integrierten in den Baukörper ebenerdig einen kleinen<br />
Atriumhof, der im EG zusätzlich Helligkeit ins Innere bringt.<br />
Die vertikale Raumaufteilung folgt den traditionellen<br />
Fischerhäusern – gewohnt und gekocht wird im ersten<br />
Stock. Überraschend großzügig und luftig ist der Wohnraum.<br />
Materialien wie Holz, Glas und (ein wenig) Metall<br />
bestimmen die Atmosphäre, geben dem Raum fast etwas<br />
Loftartiges. Eine auf der Decke des Schlafraumes platzierte<br />
Terrasse verbindet Innen und Außen. Im Erdgeschoss<br />
liegen die Schlafräume und das Bad. Im Dachgeschoss ist<br />
über eine Galerie noch ein Atelierraum zugänglich.<br />
Kleines Grundstück, großer Nutzen<br />
Ein hölzerner Anbau im hinteren Grundstücksteil nimmt<br />
die Sprache der Schuppen und Lagergebäude traditioneller<br />
Handwerkshäuser auf und schafft einen geschützten Ort<br />
mit Freisitz. Stoffmarkisen, Holz und Glas bestimmen den<br />
luftigen lebendigen Charakter.<br />
34
35
45°<br />
60°<br />
Galerie<br />
Dachgeschoss<br />
Wohnen I Galerie<br />
Erdgeschoss Vorraum I Garderobe WC<br />
Müll<br />
Pelletstank<br />
36
37
Niederbayern<br />
1 NAWAREUM Museum für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Straubing<br />
2 Landratsamt, Kelheim<br />
3 Schulzentrum, Deggendorf
2<br />
1<br />
3
82
NAWAREUM Museum für Nachhaltigkeit und Klimaschutz<br />
Straubing<br />
Wesentliches Gestaltungsmerkmal des 2023 eröffneten Hauses zum<br />
Thema „Nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien“ ist die<br />
Choreographie aus 79 freistehenden, entrindeten Lärchenstämmen,<br />
die vor dem Eingang und vor der Südfassade einen 11 Meter hohen<br />
Stangenwald bilden. Sie erinnern an eine Lichtung im Forst und machen<br />
so Sinn und Zweck des Gebäudes deutlich: Bei dem Vorzeigeprojekt<br />
geht es um Ökologie und Nachhaltigkeit. Schon bei der Annäherung<br />
verrät es gewissermaßen seine Vorbildfunktion – der weitestgehend<br />
aus regionalem Holz konstruierte Neubau ist samt Struktur und Gebäudetechnik<br />
ein Teil der Umwelt-Ausstellung. Mit dem familienfreundlichen<br />
NAWAREUM hat sich das staatliche „Technologie- und Förderzentrum<br />
für Nachwachsende Rohstoffe“ um ein Gebäude erweitert, das<br />
es den Besucherinnen und Besuchern ermöglicht, mit allen Sinnen in<br />
die Geschichte der Energienutzung durch den Menschen einzutauchen.<br />
Die Kubatur, ein länglich rechteckiges Volumen, gab das Staatliche<br />
Bauamt Passau vor. Ein grober Erstentwurf entstand, um Fördergelder<br />
für das rund 20 Millionen Euro teure NAWAREUM beantragen zu<br />
können. Erst danach wurde mit europaweiter Ausschreibung ein Büro<br />
für die weitere Planung gesucht, und die <strong>DÖMGES</strong> <strong>Architekten</strong> AG<br />
bekam den Zuschlag.<br />
83
84
85
Nachhaltigkeitsmuseum<br />
NAWAREUM<br />
Straubing<br />
LPH 3, 5–9<br />
BGF 5.408 qm<br />
BRI 24.042 cbm<br />
2015–2019<br />
Jahrbuch der Architektur 21/22<br />
(Deutscher Architekturverlag)<br />
DAB Deutsches <strong>Architekten</strong>blatt<br />
2023–05 (DAB)<br />
Versorgung durch regenerative Energieträger<br />
Der energetische Standard des NAWAREUM entspricht den<br />
Werten für ein Passivhaus. Heizenergie und Prozesskälte<br />
werden über Geothermie aus rund 40 Erdwärmesonden<br />
im Zusammenspiel mit einer Wärmepumpe gewonnen.<br />
Ergänzt durch effiziente Wärmerückgewinnungsanlagen<br />
und unter Einsatz von Solar- und Photovoltaikanlagen wird<br />
der Energiebedarf des Gebäudes weitgehend über regenerative<br />
Energieträger gedeckt. Gegenüber einem vergleichbaren<br />
Haus, das mit fossiler Energie betrieben wird, stößt<br />
das NAWAREUM pro Jahr 83 Tonnen weniger CO 2<br />
aus.<br />
Innenausstattung<br />
Mit entsprechend geringem energetischen Aufwand<br />
wurden auch die Innenräume gestaltet – funktional, aber<br />
zugleich charmant und behaglich. Es wurde wenig verkleidet,<br />
die Leitungen sind zu sehen, aber durch die<br />
Verwendung hochwertiger Materialien entsteht nie der<br />
Eindruck eines sterilen Industriebaus. Auch das gemütliche<br />
Café im Erdgeschoss und der von den <strong>Architekten</strong> entworfene<br />
Panoramaraum, der nicht nur einen schönen Blick<br />
auf Straubing ermöglicht, sondern auch die Photovoltaikanlage<br />
auf dem Dach erfahrbar macht, tragen dazu bei.<br />
Fußböden<br />
Bei der Wahl des Bodenbelags ging es um die ideale<br />
Verbindung von Umweltfreundlichkeit, Strapazierfähig -<br />
keit und Ästhetik. Die Bereiche im Erdgeschoss erhielten<br />
Industrieparkett böden, in den Ausstellungsbereichen<br />
entschied man sich in Absprache mit dem beauftragten<br />
Szenografen Holzer Kobler für Kautschuk, einen natürlichen<br />
Rohstoff. Im Vergleich zu sonstigen Belägen weist<br />
er einen geringeren CO 2<br />
-Fußabdruck auf und unterstreicht<br />
somit das Nach haltigkeitskonzept des Museums. Der<br />
anthrazitfarbene Ton des Bodens harmoniert perfekt mit<br />
dem naturbelassenen Holzbau.<br />
Ausstellung<br />
Zentrales Element des auf drei Geschosse verteilten<br />
Parcours ist im Inneren eine aus Holz gebaute, begehbare<br />
Raumplastik, die mit entsprechenden Modulen den Klimawandel<br />
thematisiert. Oberer Endpunkt der architektonischen,<br />
über das Dach hinausragenden Großskulptur ist der<br />
Panoramaraum.<br />
Über das Gebäude verteilt gibt es viele Mitmachstationen,<br />
etwa zur Energieerzeugung oder zum Wasserkreislauf<br />
auf unserem Planeten. Von Kindern werden sie geradezu<br />
belagert. Das Mitmachmuseum macht Spaß und vermittelt<br />
auch Erwachsenen und zukünftigen Bauherren anschaulich<br />
den nachhaltigen Umgang mit Energie und Natur.<br />
86
87
Wohnbauten des Jahres<br />
Auszeichnung<br />
2022
Studentenwohnheim Maxtormauer<br />
Nürnberg<br />
Direkt an der Maxtormauer, einem Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung,<br />
fügt sich das Wohnheim harmonisch in das historische Umfeld<br />
ein. Mit der zeitlosen Formensprache wird es zum selbstverständlichen<br />
Bestandteil der eher kleinteiligen umgebenden Wohnbebauung.<br />
Die ruhige, parallel zur Stadtmauer verlaufende ockerfarbene Fassade<br />
ist klar und zurückhaltend gegliedert – sie überlässt dem angrenzenden<br />
mittelalterlichen Bauwerk die Hauptrolle. Nach innen entwickeln sich<br />
Räume und Sichtbeziehungen, die die Potenziale des dreieckigen Grundstücks<br />
raffiniert nutzen. Die studentischen Appartements werden über<br />
innere Laubengänge erschlossen, die den begrünten Lichthof in der<br />
vorgegebenen Dreiecksform über fünf Geschosse perfekt umschließen.<br />
Öffnungen erlauben an drei Stellen spannende Aus- und Einblicke,<br />
sorgen für die natürliche Belichtung und Belüftung, und schaffen<br />
zur Altstadtmauer reizvolle Bezüge zwischen Innen- und Außenraum.<br />
Es entsteht eine Atmosphäre von fast südländischer Heiterkeit –<br />
inmitten der Nürnberger Innenstadt.<br />
173
„Als Bauherren und Betreiber der Maxtormauer Student Apartments – unmittelbar zwischen<br />
der WiSo-Fakultät der FAU und der Nürnberger Stadtmauer – war es uns wichtig, Top-Attrak -<br />
ti vität von 101 Wohnungen, Wirtschaftlichkeit des Projekts und Denkmalschutz in harmonischen<br />
Einklang zu bringen. Gemeinsam mit <strong>DÖMGES</strong> <strong>Architekten</strong> ist es uns gelungen, ein<br />
Objekt von hoher städtebaulicher Relevanz mit welt offener Formensprache, moderner Wohnund<br />
Lern atmosphäre sowie kommu nikativen Gemeinschaftsräumen und -flächen in kraft vollem<br />
historischen Kontext zu realisieren. Von der Archi tekturidee bis zur Detailplanung haben wir<br />
<strong>DÖMGES</strong> <strong>Architekten</strong> als den perfekten Partner für unser Bauvorhaben erlebt und freuen<br />
uns auf weitere Projekte.“<br />
Elke und Guido Grasruck<br />
Grasruck Projekt GmbH & Co. KG, GIAS Grundstücksgesellschaft mbH<br />
174
JVAs und<br />
Justizbauten<br />
1 Abschiebehafteinrichtung, Hof<br />
2 Justizentrum, Chemnitz<br />
3 Justizvollzugsanstalt, Burg<br />
4 Justizvollzugsanstalt, Augsburg-Gablingen<br />
5 Jugendstrafanstalt, Arnstadt (WB)<br />
6 JVA, Bremervörde (WB)<br />
7 JVA, Heidering (WB)<br />
8 JVA, Düsseldorf-Ratingen<br />
9 JVA, Tonna<br />
10 JVA , Landshut (WB)<br />
11 JVA, Stadelheim (WB)<br />
12 JVA, Straubing<br />
13 JVA, Stralsund<br />
14 JVA, Nürnberg<br />
15 JVA, Weiden<br />
16 JVA, Willich<br />
17 Justizentrum, Leoben/ Österreich (WB)<br />
18 Justizentrum, Osnabrück (WB)<br />
19 Justizentrum, Schweinfurt (WB)
13<br />
6<br />
18<br />
7<br />
3<br />
16<br />
8<br />
9<br />
5<br />
2<br />
1<br />
19<br />
15<br />
14<br />
12<br />
4<br />
10<br />
11<br />
17
EIN GEFÄNGNIS IST IMMER MEHR<br />
ALS NUR EIN GEFÄNGNIS<br />
Thomas Eckert im Gespräch<br />
über eine spezielle Bauaufgabe<br />
222
Moritz Holfelder: Wie kam es dazu, dass Ihr Büro angefangen<br />
hat, Gefängnisse zu bauen? Es sind ja inzwischen<br />
einige. Ich kenne sonst keine anderen <strong>Architekten</strong>, die<br />
sich auf JVAs, also auf Justizvollzugsanstalten, dermaßen<br />
spezialisiert haben. Ich weiß, Sie machen das bei der<br />
<strong>DÖMGES</strong> <strong>Architekten</strong> AG nicht nur, aber doch mit einer<br />
gewissen Konstanz.<br />
Thomas Eckert: Naja, das war eine ganz spannende<br />
Entwicklung. Früher, bis in die 1980er-Jahre, war der Bau<br />
von JVAs eine „hoheitliche“ Aufgabe, um die sich die<br />
staatlichen Bauämter alle selbst kümmerten. Da gab es<br />
keine freien <strong>Architekten</strong>, die beschäftigt wurden. In den<br />
80er-Jahren hat dann der Freistaat Bayern den ersten<br />
Wettbewerb für eine JVA ausgeschrieben, und den hat das<br />
Büro Dömges gewonnen. Es ging um die JVA Weiden. Die<br />
bauten wir dann auch, und im Zuge der Arbeiten wurden<br />
die Planungsrichtlinien für JVAs erneuert. Seitdem sind wir<br />
mit dabei. Vermutlich wollte man damals die freien Berufe<br />
miteinbeziehen, oder vielleicht gelangten die staatlichen<br />
Bauämter auch an ihre Kapazitätsgrenzen. Es war auf<br />
jeden Fall in den 80ern ein Experiment, man wollte das<br />
aus probieren, und inzwischen gibt es keine JVA mehr, die<br />
ausschließlich von den staatlichen Ämtern geplant wird.<br />
MH: Wenn also eine JVA in Deutschland neu gebaut wird,<br />
seid ihr dabei?<br />
TE: Ja, im Prinzip schon. Nur – es werden eben nicht kon -<br />
tinuierlich neue Gefängnisse gebaut. Aber wenn etwas<br />
entsteht, sind wir mit dabei. Wir haben uns an vielen<br />
Wettbewerben beteiligt, und haben nicht jeden Wettbewerb<br />
gewonnen. Ab den 1990ern gab es in den neuen<br />
Bundesländern noch einmal einen großen Aufbruch, weil<br />
dort viele Gefängnisse marode waren und überhaupt<br />
nicht mehr den Anforderungen entsprachen. Da bekamen<br />
wir Aufträge für die JVA Gräfentonna, die JVA Burg bei<br />
Magdeburg, das Justizzentrum Chemnitz und die JVA<br />
Stralsund, alles Gefängnisse, die wir in den neuen Bundesländern<br />
geplant haben.<br />
MH: Wie ist das – gibt es bei Dömges unter den Mitarbeitern<br />
ein eigenes Gefängnisteam, welches zusammenkommt,<br />
wenn es um eine JVA geht?<br />
TE: Nee, da gibt es gibt jetzt kein spezielles Team. Es gibt<br />
natürlich viel JVA-Kompetenz, die bei einzelnen Mitarbeitern<br />
liegt. Die werden dann als Team zusammengezogen,<br />
wenn wieder ein neues Gefängnis ansteht. Das schon,<br />
aber die sind jetzt nicht ununterbrochen dabei, JVAs zu<br />
planen. Wir bauen auch nicht kontinuierlich JVAs, naja, in<br />
den letzten Jahren eigentlich schon. Aber da waren schon<br />
immer mal ein paar Monate dazwischen, und dann kam<br />
wieder ein neues Projekt. Die technischen Anforderungen<br />
ändern sich ja ständig, da muss man am Ball bleiben, weil<br />
das ein ganz spezifisches Aufgabenfeld ist.<br />
MH: Was ist aus architektonischer Sicht denn das Besondere<br />
am Aufgabenfeld JVA?<br />
TE: Es ist nicht nur das, was man sich so allgemein unter<br />
Gefängnis vorstellt, also die Einzelzelle oder mehrere<br />
Zellen zusammen. Nein, es gibt immer eine größere Anlage,<br />
eigentlich ein kleines Dorf. Es braucht eine riesige Küche,<br />
eine Wäscherei, es gibt eine Sporthalle, es gibt Freizeiteinrichtungen,<br />
es gibt Verwaltungseinrichtungen, das kommt<br />
immer alles dazu. Man muss sich vorstellen, wenn da 650<br />
Gefangene sind, dann sind dort mindestens genauso viele<br />
Bedienstete. Das heißt, man darf das Gefängnis nicht nur<br />
aus der Sicht des Gefangenen bauen. Man muss es auch<br />
aus der Sicht des Bediensteten entwickeln, der dort einen<br />
Arbeitsplatz hat, der dort unter Umständen sehr viel Zeit<br />
verbringt, nicht selten sehr viel mehr als der Gefangene.<br />
Je nach Strafmaß ist der nämlich nach drei oder fünf<br />
Jahren wieder raus. Und Menschen, die in Gefängnissen<br />
arbeiten, machen ihren Dienst oft über Jahrzehnte.<br />
MH: Also muss man bei der Planung ganz unterschiedliche<br />
Arbeits- und Lebenswelten berücksichtigen?<br />
TE: Prinzipiell hat man schon mal ganz unterschiedliche<br />
Zonen der Sicherheit. Also, man kommt an der Pforte rein,<br />
dann geht es in die Verwaltung, dann kommen die Werkstätten,<br />
und dann kommen die eigentlichen Hafthäuser.<br />
Es geht sozusagen immer tiefer rein in die höheren und<br />
größten Sicherheitsbereiche, wo dann am Ende die Gefangenen<br />
sind. Dieser Weg nach innen ist in mehreren Stufen<br />
abzusichern, klar.<br />
MH: Die meisten kennen das Gefängnis aus dem Kino<br />
oder dem Fernsehen. Das ist der allgemeine Erfahrungshintergrund<br />
– Filme. Das sind dann natürlich Ausbruchsfilme,<br />
also raus aus dem Gefängnis. Das mag spannend sein,<br />
aber architektonisch ist das Aufregendere ja, drinnen zu<br />
bleiben. Die prinzipielle Frage muss doch lauten: Wie<br />
kreiere ich Räume, die Gefängnisse zu menschlichen Orten<br />
machen? Also, was trägt die Architektur zur Resozialisierung<br />
bei? Inwieweit macht ihr euch da Gedanken?<br />
TE: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Was nicht jeder<br />
präsent hat: Gefängnisse gibt es in erster Linie nicht,<br />
um jemanden zu bestrafen, sondern um die Gesellschaft<br />
vor einem Täter zu schützen. Und in dieser Zeit, in der<br />
er drin ist, soll er möglichst resozialisiert werden. Also,<br />
das ist der Ansatz, der dahintersteckt. Der Freiheitsentzug<br />
soll genutzt werden, um den Täter wieder in die Gesellschaft<br />
einzugliedern. Und dafür müssen die JVAs den<br />
richtigen Rahmen vorgeben. Es sollen eben keine dunklen,<br />
feuchten Zellen sein, sondern freundliche Aufenthaltsorte,<br />
die dem Gefangenen auch Sicherheit vermitteln. Erst<br />
einmal konkret gegenüber den anderen, deswegen gibt<br />
es in der Regel auch Einzelzellen. Und dann geht es um<br />
diese nicht so direkt empfundene Sicherheit, die durch eine<br />
Umgebung entsteht, auch durch Struktur und Rhythmus.<br />
Das hat Auswirkungen auf die Psyche. Der Tagesablauf<br />
des Gefangenen soll strukturiert sein, damit er sich an eine<br />
Regelmäßigkeit gewöhnt. Viele kommen ja aus einem völlig<br />
unstrukturierten Umfeld. Im Gefängnis können sie arbei-<br />
223
Abschiebehafteinrichtung<br />
Hof<br />
Die Haftanstalt für ausreisepflichtige Asylbewerber schließt direkt an<br />
die bestehende Justizvollzugsanstalt Hof an. Mit 150 Haftplätzen –<br />
16 für Frauen und 134 für Männer – ist sie die größte Einrichtung dieser<br />
Art in Bayern und die zweitgrößte in Deutschland. In dem fünfgeschossigen<br />
Unterkunftsgebäude sind 92 Einzelhafträume, 18 Gemeinschaftshafträume<br />
(für je drei Personen) sowie vier behindertengerechte<br />
Hafträume entstanden. Ergänzt wird die Anlage durch Verwaltungsräume<br />
sowie Frei- und Sportanlagen im Außenbereich.<br />
227
Abschiebehafteinrichtung<br />
Hof<br />
BGF 14.230 qm<br />
BRI 48.480 cbm<br />
LPH 1–3, 6–8<br />
2018–2021<br />
Gliederung<br />
Die besondere Herausforderung bestand in der äußerst<br />
kurzen Projektlaufzeit. Erreicht werden konnte das Ziel<br />
der möglichst raschen Fertigstellung nur durch den<br />
Einsatz eines General- bzw. Totalunternehmers.<br />
Der Neubau der Abschiebehaft Hof setzt sich aus sechs<br />
Gebäudeteilen mit verschiedenen Funktionsbereichen<br />
zusammen: aus der Torwache mit Fahrzeugschleuse,<br />
der Technikzentrale, dem Küchentrakt, den Unterkunftsgebäuden<br />
sowie einem Verwaltungstrakt mit Besucher-,<br />
Aufnahme- und Entlassungsbereich sowie der Gesundheitsfürsorge.<br />
Die fünfgeschossigen Haftgebäude bilden eine<br />
T-Form und sind über eine Magistrale an die weiteren<br />
Häuser in einer Kammstruktur angebunden.<br />
Vor der Torwache befindet sich ein Pkw-Parkplatz mit<br />
53 Stellplätzen. Die Abschiebehaft Hof wird durch einen<br />
mit Kameras überwachten Sicherheitszaun mit integriertem<br />
Sichtschutz umschlossen.<br />
Farbkonzept<br />
Auffällig ist vor allem das komplexe Farbkonzept, das<br />
sowohl im Inneren als auch in den Außenbereichen die<br />
Orientierung erleichtert und zudem eine überraschend<br />
freundliche Atmosphäre herstellt. Im Inneren wechseln<br />
die Farben der Bodenbeläge, aber zum Teil auch der Wände<br />
etagenweise. So sind etwa ganze Bereiche in Gelb oder<br />
Ocker gehalten. In den Außenbereichen wurden zwischen<br />
den Rasenflächen orangene oder blaue Untergründe<br />
angelegt, auf denen entweder Tischtennisplatten und<br />
Bänke stehen – oder Markierungen und Geräte für andere<br />
Sportarten angebracht sind.<br />
228
229
Stadtplanung<br />
1 Hindenburgkaserne, Ulm<br />
2 feliz habitat – Leben in der Natur, Darmstadt Ludwigshöhe<br />
3 Bachtobel, Kressbronn am Bodensee<br />
4 Klimaneutrales Wohnen, Erlangen Büchenbach<br />
5 Drei neue Orte entlang des Weißen Mains, Kulmbach<br />
6 Warner Barracks, Bamberg<br />
254
5<br />
6<br />
2<br />
4<br />
1<br />
3<br />
255
274
Drei neue Orte entlang des Weißen Mains<br />
Kulmbach<br />
3. Preis<br />
Als Teil des Obermainischen Hügellands ist die Markgrafenstadt<br />
Kulmbach geprägt durch den Weißen und den Roten Main. Sie bilden<br />
westlich der Stadt den Mainzusammenfluss und strömen weiter<br />
Richtung Burgkunstadt und Lichtenfels. Von zentraler Bedeutung<br />
für die Innenstadt und das Erschließungsgebiet ist der historische<br />
Verlauf des Weißen Mains, der heutige Mühlbach, der durch die Industrialisierung<br />
überformt wurde. An ihn gliedern sich die zentralen Siedlungs-<br />
und Gewerbebereiche der Stadt an. Drei prägnante neue Orte<br />
mit hohem Wiedererkennungswert sollen entlang des Flusses im Stadtkern<br />
entstehen – KAUFPLATZ, SPINNEREI und CAMPUS: im Osten der<br />
städtebaulich neu geformte KAUFPLATZ als nachhaltiges Wohngebiet,<br />
in der Mitte die geschichtsträchtige SPINNEREI als Industriedenkmal<br />
sowie postindustrielles Kreativquartier und im Westen der CAMPUS<br />
als Außenstandort der Universität Bayreuth.<br />
275
KAUFPLATZ<br />
Das Gelände, das nach dem Abriss des ehemaligen Einkaufszentrums<br />
erfolgreich als Freiraum zwischengenutzt<br />
wird, soll als urbane Landschaft mit Altstadtflair gestaltet<br />
werden. Dieser attraktive Wohnort liegt idyllisch entlang<br />
der Grüngebiete am historischen Verlauf des Weißen<br />
Mains, dem heutigen Mühlbach, und dennoch zentral.<br />
Mit großzügigen Freiräumen verbindet er in seiner Schnittstellenfunktion<br />
die Fußgängerzone Kulmbachs mit der<br />
SPINNEREI. Den Mittelpunkt der städtebaulichen Umstrukturierung<br />
bildet der KAUFPLATZ, der zum großen Teil<br />
baumüberstanden ist und anpassungsfähig multifunktionale<br />
Räume bietet, die ideal sind, um Märkte oder ähnliches<br />
zu veranstalten.<br />
SPINNEREI<br />
Eingebunden zwischen dem KAUFPLATZ im Osten und<br />
dem neuen CAMPUS im Westen bildet die historische<br />
SPINNEREI mit dem Zentralen Omnibusbahnhof und dem<br />
südlich angrenzenden Fritz-Einkaufszentrum das Herzstück<br />
der neuen innerstädtischen Entwicklungszone. Identitätsstiftend<br />
sind dabei die historischen Spinnereigebäude und<br />
der alte Schlot als Landmarken. Das Areal wird als Universitätsstandort,<br />
„Grünes Zentrum“ sowie als Kunst- und<br />
Kulturort zum Anziehungspunkt für ganz Kulmbach.<br />
276
CAMPUS<br />
Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs soll eine Ergänzung<br />
der bereits existierenden Forschungs- und Bildungseinrichtungen<br />
der Uni Bayreuth entstehen. Passend zum Lebensmittelstandort<br />
Kulmbach wird dort in Zukunft die Fachrichtung „Life-Science“<br />
gelehrt. Dementsprechend wird der CAMPUS als multifunktionaler<br />
und nachhaltiger Ort überzeugen.<br />
Das verbindende „grüne Band“<br />
Das große Potenzial des gesamten Areals stellt der aktuell noch<br />
industriell überformte Mühlbach dar. Entlang seiner Uferflächen soll<br />
eine Freiraumachse an die bestehenden östlichen Grünzüge anschließen<br />
und danach an dem neuen Wohngebiet entlangführen. Folgend<br />
verwandelt sich der Bezirk in eine urban geprägte Industrielandschaft,<br />
die sich westlich des Fritz-Einkaufszentrums als grünes Band<br />
fortsetzt und als Erholungs- und Bewegungsraum wieder in die<br />
Landschaft übergeht.<br />
Über die gesamte Länge des grünen Bandes entsteht eine aktive<br />
Freiraum- und Freizeitzone als eine identitätsstiftende attraktive<br />
Flusslandschaft, die den Anforderungen eines nachhaltigen, gesunden<br />
und attraktiven Lebensraums gerecht wird.<br />
Die Stadt Kulmbach erhält durch die Umgestaltung und Neuordnung<br />
des KAUFPLATZES und der Freiraumachse entlang des Weißen<br />
Mains die Chance auf ein klimaresilientes, an Hitzeperioden und<br />
Starkregenereignisse angepasstes Umfeld. Innerstädtische Grünflächen<br />
entlang des Flusses werden als temperaturregulierende<br />
Orte gestaltet – bestehende versiegelte Bereiche werden so weit<br />
wie möglich entsiegelt. Große Baumreihen und Grünflächen entlang<br />
der neuen Promenade verbinden die kühleren Natur-„Inseln“ und<br />
Frischluftzubringer mit der Stadt und schaffen so ein klimatisch<br />
angenehmes Bewegungsnetz für den nicht motorisierten Verkehr.<br />
277
Wettbewerbe<br />
1 Justizzentrum, Osnabrück<br />
2 Justizzentrum, Schweinfurt<br />
3 Wohnanlage Steinweg, Regensburg<br />
4 Wittelsbacher Straße, Regensburg<br />
5 Wack, Baar-Ebenhausen<br />
6 Studentenwohnheim, Würzburg<br />
7 Wohnen am Bachtobel, Kressbronn<br />
8 Realschule, Osterhofen<br />
9 Museum für Konkrete Kunst und Design, Ingolstadt<br />
10 Stobäusplatz, Regensburg<br />
11 Maßregelvollzugseinrichtung, Göttingen<br />
12 Studentenwohnheim, Landshut<br />
284
1 11<br />
2<br />
6<br />
9<br />
5<br />
3 4<br />
10<br />
12<br />
8<br />
7<br />
285
UND – sssst – WAR DAS HAUS FERTIG!<br />
Eric Frisch im Gespräch über Wettbewerbe und Angemessenheit<br />
286
Moritz Holfelder: Wenn es in Zeitungsartikeln oder<br />
sonstiger Berichterstattung heißt, dieses oder jenes<br />
Architekturbüro habe den Wettbewerb für ein bestimmtes<br />
neues Ge bäude gewonnen, dann können sich die meisten<br />
Menschen vermutlich gar nicht vorstellen, was das<br />
bedeutet – ein Architekturwettbewerb? Wir würden<br />
Sie das jemandem, der keine Ahnung hat, erklären?<br />
Erich Frisch: Es ist zuerst einmal sehr anstrengend. Als<br />
Architekturbüro unserer Größe, also mit über 80 Mitarbeitenden,<br />
muss man an Wettbewerben teilnehmen,<br />
um Aufträge an Land zu ziehen. Man entwirft sehr viel<br />
und verliert sehr oft – gewinnt ab und zu, was immer mit<br />
großer Freude verbunden ist. Wir haben in den letzten<br />
Jahren einige Preise gewonnen. Manchmal war es auch so,<br />
dass uns der erste Preis zugesprochen wurde und trotz<br />
der Empfehlung der Jury bekamen wir den Auftrag nicht.<br />
MH: Wir beide würden jetzt lange brauchen, wenn wir das<br />
alles erklären wollten. Für manche Gebäude müssen offene<br />
Wettbewerbe ausgeschrieben werden, in der Regel für<br />
alle öffent lichen; für andere Projekte gibt es nur eingeladene<br />
Wettbewerbe, also mit vorher festgelegten Teilnehmern.<br />
Manchmal wird etwas gezahlt für die Arbeit an<br />
einem Wettbewerb, oft aber auch nicht – oder eben nur<br />
für die ersten Preise. Oft müssen die Ergebnisse überarbeitet<br />
werden, wenn es der Bauherr so verlangt, und<br />
dann kann es noch passieren, dass man – wie Sie es soeben<br />
erzählt haben – doch nicht zum Zuge kommt, obwohl<br />
man den ersten Preis gewonnen hat. Wie gehen Sie bei<br />
<strong>DÖMGES</strong> damit um?<br />
EF: Wir haben gemerkt, dass das Wettbewerbswesen und<br />
diese ganzen unterschiedlichen Verfahren, die Sie gerade<br />
aufgezählt haben, für uns keine absolut wesentliche Rolle<br />
spielen können bei der Akquise, also bei der Gewinnung<br />
von Kunden und Aufträgen. Wir haben viele Direktauftraggeber,<br />
die zufrieden mit uns sind und immer wieder zu<br />
uns kommen. Letzten Endes ist es eine Mischkal kulation.<br />
Es gibt ja auch noch andere Vergabeverfahren. Klar, wir<br />
haben in den letzten vier, fünf Jahren bei Wettbewerben<br />
zwölf erste Preise gewonnen, aber nur etwas weniger<br />
als die Hälfte wurde auch umgesetzt.<br />
MH: An wie vielen Wettbewerben nimmt das Büro jedes<br />
Jahr teil?<br />
EF: So zwölf bis 15 Wettbewerbe sind es jedes Jahr –<br />
also etwa einer pro Monat, und dann nochmal drei Wettbewerbe<br />
für Städtebau jährlich.<br />
MH: Wie erfahren Sie von Wettbe werben?<br />
EF: Es gibt verschiedene Websites wie „competitionline“<br />
oder „wettbewerbe aktuell“, da kann man sich informieren.<br />
Wettbewerbe sind dabei immer auch ein Spiegelbild<br />
der jeweiligen Zeit. Im Moment ist es so, dass fast jeder<br />
Wettbewerb einen Holzbau verlangt. Der Nachhaltigkeit<br />
wegen. Wenn du was Anderes machst, ist klar, dass du<br />
schnell rausfliegst. Im Moment ist der Holzbau also<br />
aufgrund des Klimawandels die bevorzugte Bau weise, auch<br />
wenn es manchmal gar nicht passt. Das ist bisweilen wie<br />
Realsatire. Mir fehlt es da an der Differenzierung. Holzbau<br />
kann nicht die alleinseligmachende Lösung für unsere Zeit<br />
sein. Das ist genauso irrwitzig wie die Idee, die vor ein paar<br />
Jahren aufkam, als man Millionen Kubikmeter von Plastik<br />
und PU-Schaum an die Fassaden von Häusern klatschte,<br />
um sie energieeffizienter zu machen. Das war einfach<br />
dumm. Ich bin also gespannt, was die nächsten Generationen<br />
in 30 bis 40 Jahren einmal über uns sagen werden.<br />
MH: Wenn Sie an einem Wettbe werb teilnehmen im Büro<br />
– wie viele Mitarbeitende bindet das von den 85 Leuten,<br />
die sie beschäftigen?<br />
EF: Ich selbst war von 2005 bis 2009 noch angestellt bei<br />
<strong>DÖMGES</strong>, bevor ich dann in den Vorstand geholt wurde.<br />
Ich hatte damals sechs Jahre bei dem Büro Herzog & de<br />
Meuron hinter mir und war in München mit Projekten wie<br />
den Fünf Höfen oder der Allianz Arena beschäftigt gewesen.<br />
In Regensburg kümmerte ich mich dann anfangs nur<br />
um die Wettbe werbe und es gab ein festes Team. Genauso,<br />
wie ich das von Herzog & de Meuron kannte. So ein festes<br />
Team kostet rund eine halbe Million EUR pro Jahr, plus die<br />
Unkosten. Inzwischen machen wir das bei <strong>DÖMGES</strong> nicht<br />
mehr so. Wir haben gute <strong>Architekten</strong> im Team, von sehr<br />
schneller Auffassungsgabe. Sie müssen abstrakt denken<br />
können, auch sehr frei und kühn – das ist das, was man<br />
braucht für einen Wettbewerb.<br />
MH: Also niemanden, der sofort eine bestimmte Richtung<br />
einschlägt?<br />
EF: Genau! Auch niemanden, der eine erste Idee hat, die er<br />
nicht mehr aufgeben will – und wenn sie dann doch fallen<br />
gelassen wird, immer noch jammert: Mein Gott, das war so<br />
gut! Vergiss es. Nein, man braucht sehr schnell drei, vier,<br />
fünf Varianten, die uns inspirieren. In der Regel sind wir so<br />
drei bis vier Leute, die an Wettbewerben arbeiten, aber je<br />
nach gefragten Talenten kann das wechseln. Jeder hat<br />
seine Qualitäten. Es ist auch gut, jemanden dabei zu haben,<br />
der gerne unzufrieden ist und sagt: Wir können es noch<br />
besser machen! Bei uns im Büro ist immer die städtebauliche<br />
Setzung wichtig: Wie orientiert sich ein Baukörper<br />
an seiner Umgebung? Und außerdem – welche Materialität<br />
besitzt er, damit er für die Nutzer auch sinnlich erfahrbar<br />
ist? Und welche Funktion ist entscheidend?<br />
MH: Man kann die Frage, was wichtig ist, also nicht pauschal<br />
beantworten?<br />
EF: Nein. Naja, prinzipiell und immer geht es für uns um<br />
die Angemessenheit. Ein Beispiel: Wir haben in Fürth an<br />
der Meckstraße den Wettbewerb für eine kleine Quartiersentwicklung<br />
gewonnen, eines alten schönen Viertels aus<br />
der vorletzten Jahrhundertwende. Wir sitzen jetzt an der<br />
Ausführungs- und Detailplanung. Es gibt klassische große<br />
Blockrand bebauungen aus der Zeit um 1900, aber einiges<br />
287
Justizzentrum Osnabrück<br />
Offen und transparent<br />
290
Der Neubau des Justizzentrums gibt sich demokratisch,<br />
einladend, transparent – ein Ort im Dienst der Bürgerinnen<br />
und Bürger. Im Innenbereich erschließt er mit schöner<br />
Selbstverständlichkeit über vier Etagen die beiden bestehenden<br />
Gebäude von Landgericht und Amtsgericht. Mittig<br />
bildet eine als Galerie ausgebildete Zone einen Ort der<br />
Zirkulation und Begegnung. Der neu entstandene Innenhof<br />
mit seinen raffinierten Blickachsen wird als gemeinsames<br />
Element eingerahmt von dem zweigeschossigen Verbindungsflügel,<br />
der erwähnten Galerie und dem fünfgeschossigen<br />
Hauptbau. Ein zweiter Innenhof bietet Platz für Stellplätze<br />
und wird mit einer Durchfahrt rückwärtig erschlossen.<br />
Zum Stadtraum markiert das neue Eingangsgebäude<br />
den öffentlichen Zugang und vermittelt mit angenehmer<br />
architektonischer Geste zwischen den beiden Bestandsbauten.<br />
Es schafft Synergien zwischen Alt und Neu.<br />
291
Rückblick<br />
Projekte 1965 bis 2005<br />
1 Mensa der Universität, Regensburg<br />
2 Siemens Kur- und Erholungsheim, Habischried<br />
3 Hotel Goldenes Kreuz, Regensburg<br />
4 Salzstadel, Regensburg<br />
5 Hypobank, Regensburg<br />
6 Sparkasse, Regensburg<br />
7 Fachhochschule, Amberg-Weiden<br />
8 Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften, Universität Bayreuth<br />
302
8<br />
7<br />
1<br />
3 4<br />
5 6 2<br />
303
Mensa der Universität<br />
Regensburg<br />
LPH 2–8<br />
1965–1968<br />
Die Universität Regensburg liegt etwas<br />
außerhalb der Innenstadt auf einer An -<br />
höhe im Süden der Stadt. Der erste Preis<br />
des Wettbewerbes zum Masterplan der<br />
Universität Regensburg rückte das Büro<br />
ins nationale Rampenlicht. Der Campus<br />
mit dem zentralen Platz wurde als Fußgängerbereich<br />
angelegt, unter dem sich<br />
die Erschließung und die technische<br />
Versorgung befinden. Eine zentrale Sichtachse<br />
in Nord-Süd-Richtung ermöglicht<br />
den Blick auf die Altstadt von Regensburg<br />
und den Dom. 1965 wurde der Grundstein<br />
für den Campus gelegt, in dessen Zentrum<br />
die Mensa als einer der ersten Bausteine<br />
realisiert wurde. Als national durchaus<br />
beachteter Wettbewerbserfolg des jungen<br />
<strong>Architekten</strong> Siegfried Dömges (gemeinsam<br />
mit seinem Vater Max) stand die Mensa in<br />
besonderer Weise für die Entwicklung des<br />
Büros. Der 1968 fertiggestellte Baukörper<br />
mit der klar strukturierten Sichtbetonfassade<br />
wurde zudem eine Art Taktgeber für die<br />
nachfolgenden Universitätsgebäude – den<br />
Fakultätsbau (1970 bis 73), das Audimax,<br />
die Zentrumsbauten mit Studentenhaus<br />
und Verwaltung sowie die Zentralbibliothek<br />
(1971 bis 74). Siegfried und Max Dömges<br />
übernahmen auch für Gebäude, die nicht<br />
von ihnen stammten, die Bauleitung.<br />
Die Gesamtanlage überzeugt durch eine<br />
nachvollziehbare horizontale Gliederung<br />
der Baukörper. Die Materialien sind typisch<br />
für die moderne Sprache des Unicampus:<br />
Sichtbeton, Holzfassaden und Holzfenster.<br />
Eine zentral angeordnete Küche samt<br />
Spülküche versorgt drei Esssäle, die Mensa<br />
ist ebenengleich an das zentrale Forum<br />
der Universität angebunden. Technik, Lager<br />
und Versorgungsräume befinden sich auf<br />
dem Niveau der darunterliegenden Infrastruktureinrichtungen.<br />
Nach einer grundlegenden Sanierung<br />
(2008 bis 2010, jetzt durch die <strong>DÖMGES</strong><br />
<strong>Architekten</strong> AG) ist die Mensa bis heute<br />
in Betrieb und versorgt Studierende<br />
und Lehrende der Universität.<br />
304
305
Siemens Kurund<br />
Erholungsheim<br />
Habischried<br />
1. Preis Wettbewerb 1971<br />
1972–1974<br />
Prägend für die Anfänge des Büro<br />
<strong>DÖMGES</strong> war das Kur- und Erholungsheim<br />
Habischried der Siemens AG. Auf der<br />
Grundlage eines Wettbewerbserfolgs<br />
sorgte der organisch in die Landschaft<br />
ausgreifende Gebäudekomplex in seiner<br />
Form und Materialität für großes Auf -<br />
sehen in der Fachpresse. Realisiert wurde<br />
der Bau zwischen 1972 und 1974 auf<br />
800 Höhenmetern in einsamer Lage im<br />
Bayerischen Wald.<br />
Die hufeisenförmigen Dachlandschaften<br />
fügen sich mit der Schindel-Eindeckung<br />
harmonisch in die Natur ein. Wege und<br />
Innenhöfe, gestaltet wie Lichtungen,<br />
erschließen die einzelnen Gebäudeteile<br />
und über winden Geländesprünge. Dabei<br />
folgt die Gliederung der Baumassen<br />
den komplexen funktionalen Vorgaben<br />
eines Kurbetriebs. Nachdem Siemens das<br />
Erholungsheim aufgegeben hatte, wurde<br />
die architek tonisch ambitionierte Anlage<br />
zeitweise als 4-Sterne-Hotel weitergeführt.<br />
Heute ist Habischried nach langem Leerstand<br />
und einem Großbrand leider verloren.<br />
306
307
Ausblick<br />
320
321
Bürogebäude <strong>DÖMGES</strong><br />
Regensburg Budapesterstraße<br />
Die Dachterrasse bietet nach Westen einen fantastischen Blick auf<br />
Dom und Donau. Dort oben ist die Weite spürbar, der Blick nach Osten<br />
geht über den Hafen bis zur Walhalla. Und doch ist die Stadt ganz nah.<br />
Architektur ist immer in Verbindung mit dem Ort zu sehen, und dieser<br />
Ort ist besonders. Aber das ist nicht der Grund, warum wir uns ein<br />
neues Bürogebäude leisten. Ein Haus für uns, von uns selbst entworfen<br />
ist vor allem eine architektonische Visitenkarte, die unsere Haltung<br />
widerspiegelt.<br />
In den letzten Jahren sind wir stetig gewachsen, der alte Bürositz ist<br />
zu klein geworden. Die Mitarbeitenden in den zusätzlich angemieteten<br />
Flächen fühlten sich nicht richtig angebunden an die Bürogemeinschaft.<br />
323
330
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332
333