Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Der Name klingt schon sehr theoretisch.<br />
Es könnte ein Scherz dahinterstecken<br />
oder eine Kunstfigur zu<br />
statistischen Zwecken. Der Durchschnittsösterreicher<br />
schlechthin.<br />
Dabei ist, oder besser war, er echt<br />
und alles andere als durchschnittlich.<br />
Franz Joseph Österreicher wurde 1846 als Sohn<br />
eines Fleischhauers in Brand-Nagelberg im Waldviertel<br />
geboren,wuchsineherbescheidenenVerhältnissenauf.<br />
Die Mutter führte daneben noch ein kleines Lokal im<br />
Ort. Das dürfte den jungen Franz Joseph geprägt haben,<br />
sodasserfortanKarriereinderGastronomieundHotelleriemachte,innoblenHotelsarbeitetewiedemErzherzog<br />
Karl in der Kärntner Straße in Wien. Später wechselte<br />
er nach Bozen ins Hotel Gries, kaufte dann ein<br />
Hotel in Trient, bis es ihn nach Madonna di Campiglio<br />
verschlug.<br />
Dort, im Trentino, wurde er zum großen Tourismuspionier,<br />
übernahm von Gianbattista Righi eine ehemalige<br />
Herberge in den Mauern eines historischen Hospizes.<br />
Österreicher verwandelte das Haus in ein Nobelhotel<br />
und brachte es fertig, dass die Wiener Aristokratie gern<br />
nach Madonna di Campiglio pilgerte. Einer der Stammgäste<br />
war Erzherzog Albert, der regelmäßig mit Familie<br />
kam. Nur drei Jahre nachdem Österreicher das Haus<br />
übernommen hatte, reiste auch Kaiserin Elisabeth mit<br />
ihrer Tochter Marie Valerie an. Zusammen mit Kaiser<br />
Franz Joseph blieb sie 1889 einen ganzen Monat in den<br />
Brenta Dolomiten. Franz Joseph Österreicher wurde zu<br />
einer lokalen Größe und nach seinem Tod 1909 in der<br />
Kirche Santa Maria Antica bestattet, woran eine große<br />
Gedenktafel im Boden vor dem Altar erinnert. Immer<br />
wieder, auch heute noch, kursieren Gerüchte, er sei tatsächlicheinunehelicherSohnvonKaiserFranzJoseph.<br />
WELTERBE.<br />
Dietraumhaften<br />
Dolomiten–längst<br />
vonderUnesco<br />
geadelt–zogen<br />
frühBesucheran.<br />
Campiglio sagen die Einheimischen. Mit dem Ende<br />
des Ersten Weltkriegs war es vorbei mit den hochherrschaftlichen<br />
Urlaubsgästen aus Wien, aber die Innigkeit<br />
zwischen Österreich und Madonna di Campiglio blieb.<br />
Und sie wird heute noch gepflegt. Wer heute nach<br />
Madonna di Campiglio reist, entweder auf der langen<br />
kurvenreicheFahrtvomEtschtaldurchsValdiSoleoder<br />
in einem weiten Bogen durch die Giudicarie über Paganella<br />
und Molveno, kann sich gut vorstellen, wie mühsamesdamalsfürdieKutschenwar.EineandereArtvon<br />
Nostalgie ist, dass bei Google Maps der Ort hartnäckig<br />
alsSt.MariaimPeinbezeichnetwird,waserstensKonfusion<br />
erzeugt und zweitens völlig veraltet ist. Die Einheimischen<br />
heißen ihren Ort nur kurz Campiglio. Von<br />
MadonnaredennurdieTouristen.<br />
Es strahlt eine alpine Geborgenheit aus, wenn man den<br />
Ort in dem engen Ausläufer des Val Rendena auf 1550<br />
Meternzwischendensteilen,fastsenkrechtaufragenden<br />
Felswänden der Brenta Dolomiten im Osten und den<br />
deutlich sanfteren Hängen von Adamello im Westen<br />
begegnet. Das gute Verhältnis zur Aristokratie hat wohl<br />
denWeggeebnet,dasssichCampiglioalseineArtitalienischesKitzbüheletablierenkonnte,eininternationales<br />
undvorallemzahlungskräftigesPublikumgewann.<br />
Wie es in solchen Orten üblich, ja fast unvermeidbar<br />
scheint,beherrschteineEngedasOrtszentrum,istjeder<br />
Quadratmeter verplant und kommerziell genutzt. Um →<br />
<strong>Schaufenster</strong> 25