Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Wundarzt, Bader, Schmied und<br />
wer sonst noch Zähne zog<br />
Spannender Vortrag zur Entwicklung des medizinischen Angebots vom Bader zum Gemeindearzt im Ötztal<br />
Die Medizingeschichte im Ötztal ist kaum bis gar nicht erforscht.<br />
Kürzlich stand ein spannender Vortrag mit Geschichten und Anekdoten<br />
zur Entwicklung des medizinischen Angebots vom Bader<br />
zum Gemeindearzt im Ötztal des 19. Jahrhunderts am Programm<br />
des Turmmuseums in Oetz. Klaus Riehle gab Einblick in seine Forschung.<br />
Im Fokus des Interesses stand eine Pionierin aus Oetz: die<br />
erste österreichische Zahnärztin Emilie Hruschka.<br />
Von Friederike Hirsch<br />
www.kaunergrat.at<br />
„Die erste Zahnärztin in Tirol und<br />
Österreich: Erinnerungen der Innsbruckerin<br />
Emilie Hruschka 1870 – 1953“<br />
lautete der Titel des kurzweiligen Vortrags<br />
von Klaus Riehle. Anlass war die<br />
erstmalige Präsentation seines gleichnamigen<br />
Buches. Emilie Hruschka hinterließ<br />
ein historisch interessantes und<br />
wunderbar zu lesendes Erinnerungsbuch,<br />
welches als Grundlage für die weitere<br />
Forschungsarbeit von Klaus Riehle<br />
diente. Klaus Riehle, Dr. phil., geboren<br />
1963 in Ohlsbach im Schwarzwald, Studium<br />
der Islamwissenschaften, lernte<br />
Anfang der 90er Jahre in Mailand den<br />
Neffen von Emilie, Prof. „Aga“ Hruska,<br />
u. a. Leibzahnarzt von Pius XII. und Johannes<br />
XXIII. kennen. Viele Gespräche<br />
folgten und in Verbindung mit Zeugenaussagen<br />
und den Aufzeichnungen<br />
Emilies konnte die Publikation realisiert<br />
werden. Sie beschreibt eine Zeitreise<br />
von den Anfängen der Zahnmedizin in<br />
(Süd-)Tirol, Emilies Kindheit in Tirol,<br />
die Lehrjahre in der Praxis ihres Vaters,<br />
ihre Ausbildung in Paris und Zürich und<br />
schließlich ihre Audienz beim Kaiser.<br />
EMILIE HRUSCHKA. Es gibt kaum<br />
schriftliche Zeugnisse der Medizingeschichte<br />
im Ötztal. Die Erinnerungen<br />
von Emilie Hruschka stellen dabei eine<br />
Ausnahme dar. Grund genug für Museumsleiterin<br />
Edith Hessenberger und<br />
ihr Team diese Erinnerungen in Form<br />
eines Vortrages durch den Buchautor<br />
K A U N E R G R A T<br />
I E<br />
A K A D E M<br />
Wildtiere & Mensch<br />
im Einklang?<br />
Vortrag & Wanderung mit<br />
einer Expertin<br />
Termin: Freitag, 16.2.2024, 13 – 16 Uhr<br />
Treffpunkt: Naturparkhaus<br />
Gachenblick 100, 6521 Fließ<br />
Anmeldung per Telefon +43(0)5449 6304<br />
oder E-Mail: naturpark@kaunergrat.at<br />
Buchautor Klaus Riehle und Museumsleiterin Edith Hessenberger bei der Präsentation<br />
der Publikation „Die erste Zahnärztin in Tirol und Österreich: Erinnerungen<br />
der Innsbruckerin Emilie Hruschka 1870 – 1953“ im Turmmuseum in Oetz.<br />
in das Programm aufzunehmen. Am 7.<br />
Februar 1870 erblickte Emilie Hruschka<br />
in Oetz, wo ihr Vater Joseph als Gemeindearzt<br />
tätig war, das Licht der Welt. Sie<br />
sollte zur Pionierin werden, denn kaum<br />
20 Jahre später schrieb der Pustertaler<br />
Bote: „Durch einen Gnadenakt des Kaisers<br />
wurde Fräulein Emilie Hruschka in<br />
Innsbruck bewilligt, die zahnärztliche<br />
Praxis dort selbst auszuüben.“ Während<br />
ihr Vater später als erster Zahnarzt in<br />
Oetz „Zum Stern“ beim Schützenmeister<br />
Mathäus Schuler für die Ötztaler ordinierte,<br />
kümmerte sie sich als junge Gehilfin<br />
unentgeltlich um die Armen des<br />
Ötztales, „an denen sie ihr Handwerk<br />
nicht besser hätte erlernen können“, wie<br />
sie immer zu sagen pflegte.<br />
MEDIZIN <strong>IM</strong> ÖTZTAL. Während<br />
die Gemeinden Oetz, Längenfeld und<br />
Umhausen schon früh einen Gemeindearzt<br />
besaßen, wurde diese Stelle in<br />
Sölden erstmals im Jahre 1893 ausgeschrieben.<br />
Schlechte Bezahlung, keine<br />
Sozialleistungen und kein Rentenanspruch<br />
waren das Los der Mediziner<br />
im 19. Jahrhundert. Es darf daher nicht<br />
wundern, dass ärztliche Versorgung in<br />
den Tälern kaum gegeben war. Oetz,<br />
Längenfeld und Umhausen waren schon<br />
früh mit dieser kompetenten Versorgung<br />
gesegnet. Warum in diesen Gemeinden<br />
ausgebildete Ärzte ordinierten,<br />
konnte in der vorliegenden Forschung<br />
nicht geklärt werden. Christian Nösig<br />
(Obmann Turmmuseumsverein)<br />
vermutet, dass es dabei, wie so oft, um<br />
„das liebe Geld“ gegangen sein könnte.<br />
Der aufkommende Tourismus mit den<br />
ersten Sommerfrischlern könnte damit<br />
zusammenhängen.<br />
KURZWEILIGER VORTRAG.<br />
Klaus Riehle nahm die Zuhörer mit<br />
auf eine humorvolle, kurzweilige Reise<br />
durch die (Zahn-)Medizin-Geschichte<br />
im Ötztal und Tirol und durch das bewegte,<br />
erfolgreiche Leben der ersten<br />
Zahnärztin in Tirol. Mit Geschichten<br />
und Anekdoten von Lachgas und Holzhammer,<br />
von Handbohrern und Kautabak<br />
gab er Einblick in eine Zeit zwischen<br />
Kurpfuschern, Wundärzten, Badern und<br />
kompetenten Medizinern. Eine Zeit,<br />
in der Kautabak zwar die Zahnnerven<br />
schützte, aber mit „schwerem“ Werkzeug<br />
von den Zähnen entfernt werden<br />
musste. In eine Zeit, wo Kräuterelixiere<br />
und Wundermittel billiger und gefragter<br />
waren als Ärzte. Und in eine Zeit, in<br />
der nur eine Handvoll Frauen in vermeintlichen<br />
Männerberufen Fuß fassen<br />
durften.<br />
Die in Oetz geborene Pionierin – die erste österreichische Zahnärztin – Emilie<br />
Hruschka steht im Fokus der Arbeit von Klaus Riehle.<br />
RS-Fotos: Hirsch<br />
RUNDSCHAU Seite 10 14./15. Februar 2024