medizin&technik 01.2024
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<strong>01.2024</strong><br />
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für die Medizin<strong>technik</strong><br />
TITELTHEMA<br />
Ohne PFAS<br />
Erste Ansätze für eine Substitution<br />
– woran Forscher arbeiten<br />
Seite 16<br />
Röntgen in Bewegung<br />
Hochgeschwindigkeitsbildgebung im<br />
Dynamic Imaging Center Seite 12<br />
Erfahrungen mit der MDR<br />
Gemeinsame Studie zeigt, wo es mit<br />
der Umsetzung noch hakt Seite 50<br />
SPECIAL<br />
Nachhaltige Medizinprodukte:<br />
bewerten, recyceln, verpacken Seite 39
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01/2024
Medizinischer<br />
Fortschritt.<br />
Mit Hochleistungs-<br />
Kunststoffen.<br />
Neue Anforderungen:<br />
Ohne PFAS und nachhaltig<br />
Seit gut einem Jahr bewegt das mögliche Verbot von PFAS in<br />
der EU die Gemüter. Dass etwas in der Richtung kommt,<br />
scheint unausweichlich. Was genau und wann genau, steht in<br />
den Sternen. Was also tun Forscher und die Medizin<strong>technik</strong>-<br />
Branche? Nach Wegen zur Substitution suchen. Was sich daraus<br />
bisher entwickelt hat, fasst das Titelthema dieser Ausgabe ab<br />
Seite 16 zusammen – mehr dazu lesen Sie auch im Online-Magazin,<br />
wo es um Empfehlungen von Medical Mountains geht, um<br />
die Gasphasenfluorierung von Silikonteilen und Alternativen<br />
zu PTFE als Additiv für bessere Gleiteigenschaften.<br />
Einen innovativen Ansatz verfolgen Mediziner und Materialwissenschaftler<br />
in der Schweiz: Wie lässt sich das Röntgen in Bewegung<br />
umsetzen? Das Dynamic Imaging Center in Bern, das<br />
Prof. Heverhagen im Interview ab Seite 12 vorstellt, soll das ermöglichen.<br />
Die Beteiligten erhoffen sich neue Erkenntnisse für<br />
die Medizin, aber auch für das Design von Implantaten.<br />
Wie nachhaltig Medizinprodukte heute schon sind, ist ein Thema<br />
im Special ab Seite 39. Darin geht es auch darum, wie man –<br />
schon bevor die neue Verpackungsverordnung kommt – den<br />
CO 2 -Fußabdruck von Verpackungen senkt. Spannend ist auch<br />
der Ansatz eines Start-ups: In einem neuen Technikum kombinieren<br />
die Experten im Kleinen, was später in Groß als Kreislaufwirtschaft<br />
laufen soll. Konzerne haben schon entsprechende<br />
Projekte gestartet. Auch die Medizin<strong>technik</strong> wäre hier willkommen.<br />
Und wie sieht es mit der Umsetzung der EU-MDR inzwischen<br />
aus? Eine Studie, die mehrere Verbände gemeinsam angestoßen<br />
haben, zeigt, wo der Schuh drückt. Lesen Sie auf Seite 50,<br />
welche Wünsche es gibt, am Regelwerk doch noch etwas zu verändern.<br />
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Dr. Birgit Oppermann<br />
Mehr zum Thema Nachhaltigkeit im Online-Magazin unter:<br />
www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/nachhaltigkeit-medizin<strong>technik</strong><br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 3
12<br />
■ Medizin im Dialog<br />
Hochgeschwindigkeitsbildgebung<br />
Röntgen in Bewegung: Physiker und<br />
Radiologe Prof. Heverhagen erklärt,<br />
wer von der neuen Form der Bildgebung<br />
am Dynamic Imaging Center in Bern<br />
künftig profitieren könnte ..................12<br />
(Bild: Inselspital)<br />
Prof. Johannes<br />
Heverhagen<br />
arbeitet am Dynamic<br />
Imaging<br />
Cener an einer<br />
neuen Form der<br />
Bildgebung<br />
■ Technik<br />
Entwicklung & Komponenten<br />
So bringen präzise Zykloidgetriebe<br />
Automation in die Medizin<strong>technik</strong> .....22<br />
Mit dem Expert Teardown Service<br />
Kosten in der Entwicklung sparen ......24<br />
Verbindungs<strong>technik</strong><br />
Viele Materialien an Prothesen mit<br />
demselben Klebstoff verbinden ..........26<br />
Sensorik<br />
Passendes Gehäuse für<br />
den Beatmungssensor ........................29<br />
Elektrische Bauteile<br />
Stromversorgung: Lebensrettende<br />
Energie im Notfall sicherstellen ..........30<br />
39<br />
Fertigung<br />
UKP-Laser: Lotus-Effekt auf<br />
Instrumenten für die Chirurgie ..........32<br />
Highspeed-Wirbeln: Knochenschraube<br />
ohne Anfahrmarken fertigen ..............34<br />
So wird der Reinraum energieeffizient<br />
und wirtschaftlich .............................36<br />
Sterilisation<br />
Polycarbonatfolien schützen das<br />
Brustimplantat beim Sterilisieren .......38<br />
16<br />
Special<br />
Nachhaltigkeit<br />
Übersicht ...........................................39<br />
CO 2<br />
-Fußabdruck berechnen<br />
und Verpackungen optimieren ...........40<br />
Technikum weist den Weg zur<br />
Kreislaufwirtschaft ............................42<br />
Mit geteilten Chirurgieinstrumenten<br />
nachhaltiger unterwegs .....................46<br />
Ranking für Medizinprodukte: Bewerten,<br />
welche nachhaltiger sind ...................48<br />
(Bild vegefox/stock.adobe.com)<br />
Nachhaltigkeit:<br />
Konzepte für Verpackung,<br />
Fertigung<br />
und Produkte<br />
4 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Titelthema<br />
Zukunft ohne PFAS?<br />
Suche nach Ersatz<br />
SystemTechnologie<br />
Ein mögliches Verbot der fluorhaltigen<br />
PFAS ist aktuell in der Diskussion.<br />
Forschungsbedarf ist vorhanden. Auf<br />
der Suche nach Alternativen sind erste<br />
Lösungsansätze erkennbar .................16<br />
(Bild: DBA/stock.adobe.com)<br />
(Bild: BellaSeno)<br />
■ Recht<br />
Aktuelle Bewertung der EU-MDR<br />
Bilanz nach zwei Jahren: So belastet die<br />
EU-MDR den Standort Deutschland ...50<br />
■ Fokus Forschung<br />
3D-Druck für den OP<br />
Bioaktives Komposit unterstützt<br />
Heilung von Knochenbrüchen ............52<br />
Aufbereitung<br />
Chirurgieinstrumente im OP-Sieb mit<br />
Kamera plus KI checken .....................54<br />
Hygiene im Klinikum<br />
Antimikrobielle Schicht für Textilien<br />
und Vorhänge ....................................55<br />
52<br />
Forschung: Bioaktives Komposit<br />
für den 3D-Druck im OP<br />
Rubriken<br />
Editorial ............................................03<br />
Visionen ............................................06<br />
Nachrichten .......................................08<br />
Innovationen .....................................56<br />
Firmenscout ......................................56<br />
Impressum .........................................58<br />
Zum Titelbild: Zu den PFAS gehört die<br />
Perfluor octansäure (PFOA), deren Fluor-<br />
Atome hier grün dargestellt sind. PFOA<br />
wurde als schädlich für Mensch und Umwelt<br />
eingestuft und darf in der EU seit 2020 nicht<br />
mehr hergestellt und in Verkehr gebracht<br />
werden – Ausnahmen gelten für implantierbare<br />
Medizinprodukte<br />
(Bild: DBA/stock.adobe.com)<br />
Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt folgender Firma bei:<br />
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VISIONEN<br />
DIE ROLLENDE GEHHILFE<br />
Rollator | Von außen betrachtet ist sein Aufbau simpel. Aber sein Erfo lg<br />
war und ist bahnbrechend. Wer nicht mehr sicher auf den Beinen ist,<br />
erhält mit einem Rollator seine Mobilität und Selbstständigkeit zurück.<br />
Material, Räder, Klappmechanismus und sogar Elektroantrieb machen<br />
bei ihm entscheidende Unterschiede.<br />
Der Stock oder der Rollator? Wenn wir ein<br />
Piktogramm für eine gebrechliche Person<br />
zeichnen sollten, dann wären das die beiden<br />
Kennzeichen. Für Menschen mit Gehbehinderung,<br />
Multipler Sklerose, Gleichgewichtsstörungen<br />
oder Erkrankungen wie Parkinson<br />
ist der Rollator ein Segen, ermöglicht er<br />
ihnen doch, sich frei in ihrer Wohnung und<br />
auch draußen zu bewegen. Seine Konstruktion<br />
ist denkbar einfach: ein Rahmen, drei<br />
bis vier Räder, Handgriffe, Bremse – fertig ist<br />
der Grundaufbau.<br />
Trotzdem hat der Rollator unter Senioren<br />
häufig einen schlechten Ruf, gerade weil<br />
viele Betroffene nicht als alt und gebrechlich<br />
gelten wollen. Zudem gibt es einen wirklichen<br />
Nachteil. Er ist das einzige technische<br />
Hilfsmittel, das nachweislich abhängig<br />
macht, wenn man es länger verwendet.<br />
Denn er bietet und vermittelt Sicherheit.<br />
Das ist gut, denn Gehen ist besser als im<br />
Rollstuhl sitzen. Doch das Gehirn gewöhnt<br />
sich an den Schutz. Und so kommt es, dass<br />
viele nicht mehr auf den Rollator verzichten<br />
wollen, selbst wenn sich ihr Gangbild bereits<br />
verbessert oder ihre Gleichgewichtsstörung<br />
gelegt hat. Zudem schützt der Rollator<br />
zwar bei Gleichgewichtsstörungen vor<br />
Stürzen, gleichwohl verhindert er durch das<br />
Festhalten an ihm quasi das Training. Hier<br />
wäre gehen mit frei schwingenden Armen<br />
gesünder für die Rückenmuskulatur und das<br />
Gleichgewicht. Es gilt also klar abzuwägen,<br />
wann und für wie lange ein Rollator von<br />
Nutzen ist.<br />
Das mindert nicht seine Bedeutung für alle,<br />
die auf ihn angewiesen sind. Je nach Verwendung<br />
gibt es Modelle für Innenräume,<br />
dreirädrige leichte Varianten, für den Stadtbummel<br />
mit Einkauf solche mit Korb oder<br />
gar für das Wandern in unwegsamen Gelände<br />
Bauformen mit Elektroantrieb.<br />
Anke Biester<br />
Wissenschaftsjournalistin aus Memmingen<br />
https://www.angehoerige-pflegen.de/wannist-ein-rollator-sinnvoll<br />
Entscheidend für ein sicheres Gehen mit dem<br />
Rollator ist nicht nur die korrekte Einstellung<br />
der Griffhöhe, sondern auch die Position beim<br />
Gehen : aufrecht und die Füße auf gleicher Höhe<br />
mit den hinteren Rädern.<br />
Im Forschungsvorhaben „Modest“ entwickeln<br />
daher die Projektpartner ein Modul, das Rückmeldung<br />
zur besseren Haltung am Rollator geben<br />
soll. Damit auch das Umfahren von Hindernissen,<br />
Erklimmen von Bordsteinen sowie das Ein- und<br />
Aussteigen im Bus klappt, bieten beispielsweise<br />
Senioreneinrichtungen, Verkehrsbetriebe und die<br />
Verkehrswacht „Rollatorführerscheine“, also ein<br />
Training mit dem Rollator an.<br />
Was „Tempo“ für Papiertaschentücher, ist der<br />
Rollator für die Gehhilfe auf Rollen. Zwar gibt<br />
es Gestelle mit Rollen bereits seit Hunderten von<br />
Jahren. Doch DEN Rollator, wie wir ihn heute kennen,<br />
erfand 1978 die Schwedin Aina Wifalk, die<br />
durch eine Kinderlähmung selbst gehbehindert<br />
war. Wifalk ließ sich ihre Erfindungen nicht patentieren,<br />
weil sie wollte, dass möglichst viele betroffene<br />
Menschen von ihr profitieren können. Und sie<br />
gab ihrer Gehhilfe den Namen: „Rollator“.<br />
6 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Auch die KI hält Einzug in den Rollator: Im Forschungsprojekt<br />
„Rabe“ verfügt der intelligente<br />
Rollator über ein Navigationsgerät und einen lokalisierbaren<br />
Motor. Er kann selbstständig ans Bett fahren<br />
und soll Menschen mit körperlichen oder kognitiven<br />
Einschränkungen helfen, sich sicher und eigenständig<br />
im Pflegeheim zu bewegen.<br />
Der autonome Roboter-Rollator „Roro“ soll<br />
nebenbei auch das Gehverhalten seiner Nutzer<br />
analysieren, um ein angepasstes Training zu<br />
ermöglichen . Zudem kann er selbstständig<br />
fahren und im Klinikum Patienten „abholen“.<br />
Rollz wiederum entwickelte einen Rollator, der<br />
mit rhythmischen Tonsignalen, vibrierenden<br />
Griffen und einer auf den Boden projizierten -<br />
Laserlinie Parkinson-Patienten unterstützen soll.<br />
Nach dem E-Bike kommt jetzt der E-Rollator. Noch<br />
gibt es wenige Modelle auf dem Markt, darunter<br />
mindestens drei aus Deutschland mit unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten. Die Marke Ello wurde durch die Fernsehsendung<br />
„Höhle der Löwen“ bekannt. Der Wissel<br />
Alpin war bereits in diversen Medien und ermöglicht<br />
seinem über 90-jährigen Erfinder Gerhart Wissel ein<br />
Wandern über Stock und Stein.<br />
Nach einem kleinen Rückgang<br />
durch gestiegene Transportkosten<br />
und verschobene Operationen<br />
während der Covid-Pandemie geht<br />
der Markttrend für Rollatoren wieder<br />
stetig nach oben. Das US-amerikanische<br />
Marktforschungsinstitut<br />
Market research.com schätzt den<br />
weltweiten Markt für Rollatoren auf<br />
1,3 Mrd. US-Dollar und für 2031 auf<br />
2,65 Mrd. US-Dollar. Hauptabsatzmarkt<br />
sind die USA.<br />
Weg vom „altbackenen Design“ wollen<br />
gleich zwei ganz unterschiedliche Projekte.<br />
Per 3D-Druck realisierten Studierende<br />
aus der Schweiz neue Designs für den Rollator.<br />
In Deutschland entwarf und verkauft<br />
inzwischen die Rentnerin Elke Jensen einen<br />
schicken „Prada-Roller“. Er ist eine Mischung<br />
aus Rollator und Trolley, der Unterstützung<br />
beim Einkaufen bieten soll.<br />
(Bild: Guido Khoury/stock.adobe.com)<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 7
■ [ NACHRICHTEN ]<br />
2 Millionen Euro für<br />
Medizinrobotik-Projekt<br />
Roboterassistenzsysteme | Im Forschungsprojekt Fornero<br />
werden unter Leitung der TUM Möglichkeiten der<br />
Medizinrobotik im OP-Alltag analysiert. Die Bayerische<br />
Forschungsstiftung fördert das Projekt mit 2 Mio. Euro.<br />
Vorführung des Medizinroboters (v.l.): TUM-Vizepräsidentin<br />
Prof. Juliane Winkelmann, Dr. med. Maximilian Berlet ,<br />
Wissenschaftsminister Markus Blume und Prof. Arndt Bode,<br />
Präsident der Bayerischen Forschungsstiftung<br />
(Bild: Andreas Heddergott/TUM)<br />
Roboter werden künftig häufiger bei Operationen assistieren<br />
und sollen perspektivisch mehr Präzision bei chirurgischen Eingriffen<br />
ermöglichen. Dies erfordert möglichst effiziente Arbeitsabläufe.<br />
Hier setzt der Forschungsverbund für nahtlose und ergonomische<br />
Integration der Robotik in den klinischen Arbeitsablauf<br />
(Fornero) an. Vom bayerischen Wissenschaftsminister Markus<br />
Blume wurde am Translatum des Klinikums Rechts der Isar<br />
der TU München TUM nun der Förderbescheid der Bayerischen<br />
Forschungsstiftung überreicht. Im Rahmen der Hightech Agenda<br />
Bayern wird das Projekt mit 2 Mio. Euro unterstützt.<br />
Fornero wird vom Lehrstuhl für Ergonomie an der Technischen<br />
Universität München, von Prof. Klaus Bengler, geleitet. Das Projekt<br />
greift zudem auf die wissenschaftliche Kompetenz des Klinikums<br />
Rechts der Isar der TUM, der Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Deutschen Zentrums für<br />
Luft- und Raumfahrt (DLR) zurück. Zusammen mit verschiedenen<br />
Industriepartnern aus Bayern möchte das Team um Prof.<br />
Bengler die Arbeitsabläufe im OP maßgeblich verbessern.<br />
Der multidisziplinäre Verbund fokussiert sich konkret auf die äußerst<br />
komplexen Herausforderungen, Roboterassistenzsysteme<br />
nahtlos in klinische Abläufe zu integrieren. Dabei steht die Verbesserung<br />
der Effizienz und Sicherheit im medizinischen Bereich<br />
im Mittelpunkt. Durch den Einsatz modernster Technologien<br />
wie Maschinellem Lernen und Augmentierter Realität wird<br />
eine optimale Einsatzplanung, Platzierung und Nutzung der Robotersysteme<br />
angestrebt. Darüber hinaus konzentriert sich das<br />
Projekt auf die ergonomische und nutzerzentrierte Gestaltung<br />
der Roboterassistenz, um die Arbeitsabläufe zu optimieren und<br />
so das OP-Personal zu entlasten.<br />
Aus der Industrie unterstützen Karl Storz Venture One Germany,<br />
ITK Engineering, Imfusion, Aktormed und Custom Surgical den<br />
Forschungsverbund.<br />
Neues aus dem<br />
Online-Magazin<br />
Zukunft ohne PFAS – mehr dazu gibt‘s Online<br />
Alternativen und Empfehlungen für die Branche<br />
Das drohende EU-weite Aus für PFAS sorgt für Anspannung<br />
und Unsicherheit in der Medizin<strong>technik</strong>-Branche. An welchen<br />
Alternativen zu den per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen<br />
aktuell geforscht wird, beschreibt die Titelgeschichte dieser<br />
Ausgabe ab Seite 16.<br />
Bei der Recherche kamen Vertreter der Branche sowie Forschend<br />
zu Wort. Artikel und Interviews zu Empfehlungen für<br />
Medizin<strong>technik</strong>-Hersteller vom Netzwerk Medical Mountains,<br />
über die Suche von Anwendern nach PTFE-freien Hochleistungskunststoffen<br />
sowie zu einer Alternative zur Gas -<br />
phasenfluorierung von Silikonteilen finden Sie im Online-<br />
Magazin unter:<br />
www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/onlineweiterlesen.<br />
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Für mehr News zur Branche folgen Sie medizin&<strong>technik</strong><br />
auch auf LinkedIn: @medizin&<strong>technik</strong><br />
Medizinische Verpackungen<br />
Sanner übernimmt britische<br />
Springboard Pro<br />
Die Sanner Gruppe, Bensheim, hat mit der<br />
Springboard Pro Ltd, Cambridge, einen Spezialisten<br />
für Design und Entwicklung von medizintechnischen<br />
Produkten für regulierte<br />
Märkte übernommen. Der Hersteller von<br />
Healthcare-Verpackungen und Spezialist für<br />
Contract Development and Manufacturing<br />
Organization (CDMO) für medizintechnische<br />
Produkte erweitert so seine Dienstleistungen<br />
in den Bereichen Drug Delivery, Dia -<br />
gnostik und Medizin<strong>technik</strong>.<br />
Springboard Pro ist auf die Entwicklung von<br />
Devices vom ersten Konzept bis hin zur Herstellung<br />
spezialisiert. Das britische Unternehmen<br />
bietet ein umfassendes Angebot an<br />
Engineering-Leistungen und multidisziplinären<br />
wissenschaftlichen Kompetenzen. Zudem<br />
bietet es forensisches Engineering mit<br />
umfangreichem Service vor oder nach dem<br />
Markteintritt. Die Kompetenzen von Springboard<br />
stärken die internen Entwicklungs -<br />
kapazitäten von Sanner, teilt der Healthcare-<br />
Hersteller mit. Zudem werde ein neues Design<br />
Center of Excellence in Großbritannien<br />
ermöglicht.<br />
8 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
KI in der Bildgebung<br />
Karl Storz übernimmt Softwarehersteller<br />
Innersight Labs und baut den KI-Bereich aus<br />
(Bild: Karl Storz)<br />
Die Karl Storz SE & KG hat den<br />
Softwarehersteller Innersight<br />
Labs (ISL) mit Sitz in London<br />
übernommen. Damit baut das<br />
Tuttlinger Medizin<strong>technik</strong><br />
unternehmen sein Geschäft im<br />
Bereich innovativer Softwarelösungen<br />
aus. Über den Kaufpreis<br />
wurde Stillschweigen<br />
vereinbart.<br />
ISL wurde 2015 gegründet.<br />
Die Software Innersight3D ermöglicht<br />
es Chirurginnen und<br />
Chirurgen, aus einem CT- oder<br />
MRT-Scan ein patientenspezifisches<br />
3D-Modell zu erstellen.<br />
Dabei wird der Scan nach<br />
verschiedenen Gewebetypen<br />
markiert und ein interaktives<br />
3D-Modell erstellt. Die dreidimensionale<br />
Darstellung kann<br />
dann über einen an den Arzt<br />
gesendeten Weblink aufgerufen<br />
und bearbeitet werden.<br />
Der KI-basierte Algorithmus<br />
reduziert dabei den manuellen<br />
Aufwand, was die Kosten<br />
pro Modell und die Zeit bis zur<br />
Bereitstellung senkt. Das Unternehmen<br />
beschäftigt derzeit<br />
acht Mitarbeiter und unterhält<br />
eine Niederlassung in Indien.<br />
Mit der Übernahme von ISL erweitert<br />
Karl Storz das bestehende<br />
Portfolio gezielt um ein<br />
KI-Produkt und treibt damit<br />
die KI in laparoskopischen und<br />
robotergestützten Bildgebungslösungen<br />
voran.<br />
23. – 26. 4. 2024<br />
FRANKFURT / MAIN<br />
20. Ausgabe<br />
WIR SIND DER<br />
ANTRIEB DER<br />
INDUSTRIE-TEXTILIEN.<br />
Wegweisend, inspirierend,<br />
voran gehend: Erleben Sie, welche<br />
Entwicklungen die Industrie<br />
bewegen.<br />
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Fachkräftesicherung<br />
HAWK und Ottobock kooperieren für den<br />
Studiengang Orthobionik<br />
PERFORMANCE.<br />
Am Gesundheitscampus Göttingen,<br />
einer Kooperation der<br />
Universitätsmedizin Göttingen<br />
(UMG) und der Hochschule<br />
für angewandte Wissenschaft<br />
und Kunst (HAWK),<br />
haben HAWK-Präsident Dr.<br />
Marc Hudy und Ottobock-Geschäftsführer<br />
Oliver Jakobi einen<br />
Kooperationsvertrag für<br />
den Studiengang Orthobionik<br />
unterzeichnet. Ziel des neuen<br />
Studiengangs an der HAWK ist<br />
es, Fachkräfte für diesen<br />
wachsenden Zukunftsmarkt<br />
auszubilden und zu gewinnen.<br />
Die Ottobock SE & Co. KGaA,<br />
Duderstadt, bringt die eigene<br />
langjährige Branchenexpertise<br />
in den Studiengang ein. Zudem<br />
leistet das Medizin<strong>technik</strong>-Unternehmen<br />
als Wirtschafts-<br />
und Praxispartner eine<br />
Unterstützung zur innovativen<br />
Lehre an der HAWK sowie<br />
zur Förderung der praktischen<br />
Ausbildung und der Betreuung<br />
der Studierenden.<br />
FUNCTION.<br />
(Bild: HAWK)<br />
Gemeinsames Engagement<br />
für den<br />
Studiengang Orthobionik:<br />
(v.l) HAWK-<br />
Vizepräsidentin Dr.<br />
Anne Faber, HAWK-<br />
Präsident Dr. Marc<br />
Hudy, Oliver Jakobi,<br />
CEO Ottobock und<br />
Dr. Andreas Hahn,<br />
Corporate Vice President<br />
Ottobock<br />
in parallel with<br />
FUTURE.<br />
part of<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 9
■ [ NACHRICHTEN ]<br />
In Kürze<br />
Roboterchirurgie<br />
Die Schweizer Nanoflex Robotics AG<br />
hat die ISO 13485-Zertifizierung für<br />
ihr Qualitätsmanagementsystem für<br />
die Entwicklung und Herstellung<br />
ferngesteuerter Robotergeräte erhalten.<br />
Das erste Produkt von Nanoflex<br />
Robotics wird ein ferngesteuertes<br />
Robotersystem sein, das mithilfe<br />
einer Steuereinheit und Magnetismus<br />
ultraflexible Geräte für eine<br />
Reihe komplexer Eingriffe durch den<br />
Körper führt.<br />
UKCA- und CE-Zertifizierung<br />
TÜV Süd BABT Unlimited, Fareham,<br />
UK, ist jetzt eine zugelassene britische<br />
Stelle (UKAB) für Teil III der britischen<br />
Medizinprodukteverordnung<br />
von 2002 für aktive implantierbare<br />
Medizinprodukte (AIMD). UKABs führen<br />
Konformitätsbewertungen von<br />
Medizinprodukten im Rahmen des<br />
UKCA-Systems durch. Dieses System<br />
ermöglicht es den Herstellern, ihre<br />
Produkte im Vereinigten Königreich<br />
zu vermarkten.<br />
Code of Conduct<br />
Seit Anfang Januar ist der aktualisierte<br />
Code of Conduct von Spectaris mit<br />
Empfehlungen zur Zusammenarbeit<br />
in der Gesundheitswirtschaft in Kraft.<br />
Damit unterstreicht Spectaris die<br />
Notwendigkeit des transparenten,<br />
rechtskonformen Umgangs der Medizin<strong>technik</strong>unternehmen<br />
und der<br />
Homecare-Provider mit allen Healthcare<br />
Professionals, mit medizinischen<br />
Einrichtungen sowie weiteren Institutionen<br />
der Gesundheitswirtschaft.<br />
Augenheilkunde<br />
Die Carl Zeiss Meditec AG in Jena<br />
erwirbt 100 % der Anteile am Dutch<br />
Ophthalmic Research Center (International)<br />
B.V. vom französischen Investment-Unternehmen<br />
Eurazeo SE. Mit<br />
der Übernahme will Zeiss Medizin<strong>technik</strong><br />
sein Produktangebot im<br />
Bereich der Augenheilkunde und das<br />
Spektrum digital vernetzter Workflow-Lösungen<br />
für eine Vielzahl von<br />
Beschwerden und Erkrankungen des<br />
Auges ergänzen.<br />
Kooperationsvereinbarung<br />
Medizin<strong>technik</strong>-Verbände Austromed, BVMed und Swiss<br />
Medtech intensivieren die Zusammenarbeit<br />
Die drei deutschsprachigen Medizin<strong>technik</strong>-Branchenverbände<br />
Austromed aus<br />
Österreich, BVMed aus Deutschland und<br />
Swiss Medtech aus der Schweiz werden<br />
künftig enger zusammenarbeiten. Ende<br />
letzten Jahres wurde dazu in Berlin eine<br />
Kooperationsvereinbarung unterzeichnet.<br />
Viele Medizin<strong>technik</strong>-Unternehmen<br />
aus Deutschland, Österreich und der<br />
Schweiz haben weltweit einen herausragenden<br />
Ruf und sind Vorreiter in ihren<br />
spezialisierten Bereichen, bekräftigen die<br />
drei Verbandspräsidenten Gerald<br />
Gschlössl (Austromed), Dr. Meinrad Lugan<br />
(BVMed) und Dr. Beat Vonlanthen<br />
(Swiss Medtech). Man habe deshalb ein<br />
(Bild: BVMed)<br />
gemeinsames Interesse an der Förderung<br />
und Stärkung der Branche in der DACH-<br />
Region und wolle zur Erreichung gemeinsamer<br />
Ziele künftig enger kooperieren.<br />
Dazu gehören beispielsweise der Erhalt<br />
einer hochwertigen Patientenversorgung,<br />
die Herstellung und Bewahrung eines innovationsfreundlichen<br />
Rechtsrahmens<br />
für die Medtech-Branche, die Stärkung<br />
des DACH-Wirtschaftsstandorts, die Positionierung<br />
der Medizinprodukte-Unternehmen<br />
als attraktiver Arbeitgeber für<br />
Fachkräfte und die Unterstützung bei<br />
Nachhaltigkeitsstrategien.<br />
Vorteile der Zusammenarbeit sehen die<br />
Verbände im stärkeren Austausch von<br />
Fachwissen, der Vertretung<br />
von politischen Interessen sowie<br />
der Entwicklung von gemeinsamen<br />
Initiativen.<br />
Gerald Gschlössl, Dr. Meinrad<br />
Lugan und Dr. Beat Vonlanthen<br />
(v.li.) haben die Kooperationsvereinbarung<br />
unterzeichnet<br />
Digitalisierung<br />
Gerresheimer und Aptar Digital Health kooperieren zur<br />
Entwicklung einer integrierten Lösung für die Krebstherapie<br />
(Bild: Gerresheimer)<br />
Die Gerresheimer AG, Düsseldorf, und<br />
Aptar Digital Health, Crystal Lake, Illinois,<br />
Experte für Software as a Medical<br />
Device (SaMD), digitale Patientenunterstützungsprogramme<br />
(PSPs) und Disease-<br />
Management-Lösungen, haben eine Zusammenarbeit<br />
beschlossen. Ziel ist es, eine<br />
integrierte Lösung für das Management<br />
von Krebstherapien zu entwickeln,<br />
teilen die beiden Partner mit. Im Rahmen<br />
der Kooperation wird die körpergetragene<br />
Gx Sensair Medikamentenpumpe mit der<br />
Software-as-a-medical-Device-Plattform<br />
von Aptar Digital Health vernetzt, um die<br />
Patientenerfahrung und den Therapieerfolg<br />
von Krebspatienten zu verbessern.<br />
Mit Gx Sensair können großmolekulare<br />
Biopharmazeutika subkutan verabreicht<br />
werden. Die integrierte Lösung soll die<br />
Einführung von Patienten in neue Therapien<br />
erleichtern, sie begleiten und ihnen<br />
helfen, Nebenwirkungen besser zu managen.<br />
Gleichzeitig können Patienten einfacher<br />
fernüberwacht werden. „Die Bündelung<br />
unserer Kräfte eröffnet neue, spannende<br />
Möglichkeiten, um die jeweilige<br />
Therapie zu optimieren und die Lebensqualität<br />
von Krebspatienten zu verbessern“,<br />
sagt Daniel Diezi, Vice President Digitalization<br />
& New Business Models bei<br />
Gerresheimer. „Mit der Zusammenarbeit<br />
im Bereich Onkologie legen wir den<br />
Grundstein dafür, dass die Kooperation<br />
zwischen Aptar Digital Health und Gerresheimer<br />
zukünftig auch auf andere Therapiebereiche<br />
ausgeweitet werden kann.“<br />
10 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 11
■ [ MEDIZIN IM DIALOG ]<br />
NEUE FORM DER BILDGEBUNG:<br />
RÖNTGEN IN BEWEGUNG<br />
Hochgeschwindigkeitsbildgebung | Eine neue Form der Bildgebung soll das klassische<br />
Spektrum mit Röntgen, MRT und CT ergänzen – und zwar durch Aufnahmen in Bewegung.<br />
Ärzte und Forscher haben dazu in Bern das Dynamic Imaging Center aufgebaut.<br />
Beteiligt ist der Physiker und Radiologe Prof. Heverhagen. Er erläutert, welche Chancen<br />
das Zentrum künftig für die Dia gnose, aber auch für Implantathersteller bietet.<br />
(Bild: Inselspital)<br />
IHR STICHWORT<br />
■ Hochgeschwindigkeitsbildgebung<br />
■ Erstes europäisches Zentrum in Bern<br />
■ 1000 Röntgenbilder pro Sekunde<br />
■ Derzeit noch nicht für die Diagnose<br />
■ Interesse bei Industrie und Verbänden<br />
Prof. Dr. Dr. med. Johannes Heverhagen<br />
ist sowohl Physiker als auch Mediziner und<br />
leitet das Universitätsinstitut für Diagnostische,<br />
Interventionelle und Pädiatrische Radiologie<br />
(DIPR) am Inselspital, Universitätsspital<br />
Bern<br />
■ Herr Professor Heverhagen, was bietet<br />
das neue Dynamic Imaging Center, kurz<br />
DIC?<br />
Das lässt sich gut am Beispiel von<br />
Rückenbeschwerden erklären. Wenn ein<br />
Patient Schmerzen hat, würden wir<br />
heute zwei oder drei statische Aufnahmen<br />
vom betroffenen Bereich der<br />
Wirbelsäule machen. Dabei nimmt der<br />
Patient unterschiedliche Positionen ein.<br />
Wenn wir auf diesen Bildern eine Erklärung<br />
für die Beschwerden erkennen<br />
können, hilft uns das weiter. Wenn<br />
nicht, wird es schwierig. Dann könnte<br />
die Ursache des Problems ganz woanders<br />
liegen – oder eben doch an der vermuteten<br />
Stelle, aber nicht in den Positionen,<br />
die wir untersucht haben. Mit<br />
dem DIC hoffen wir, eine vollständige<br />
Bewegung aufnehmen und analysieren<br />
zu können. Dann wäre klar, welche<br />
Richtung die Therapie nehmen muss,<br />
um gegen die Schmerzen anzugehen.<br />
Aufnahmen machen wir dafür jeweils<br />
in zwei Richtungen – die dritte Dimension<br />
können wir durch Berechnungen<br />
ergänzen und mit darstellen.<br />
■ Wie entstand die Idee zum DIC?<br />
Wir haben diesen Gedanken vor etwa<br />
vier Jahren in einer Gruppe von Fachleuten<br />
diskutiert. Beteiligt waren wir<br />
Radiologen, die gern Details am Patienten<br />
während der Bewegung darstellen<br />
wollten. Dazu braucht man aber unter<br />
anderem große Räume, die im Krankenhaus<br />
kaum zur Verfügung stehen. Bestehende<br />
Bildgebungsverfahren haben<br />
auch Einschränkungen, die dem entgegenstehen.<br />
In der Röhre eines CT oder<br />
MRT ist kaum Spielraum für Bewegungen,<br />
und natürlich gibt es Grenzen, was<br />
12 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Zukunftssichere mechatronische<br />
Montage<strong>technik</strong><br />
Bildgebung in Bewegung<br />
kann Herstellern helfen,<br />
Implantate zu verbessern<br />
die Belastung eines Probanden oder Patienten<br />
durch Röntgenstrahlen angeht.<br />
Beteiligt an der Diskussion über so etwas<br />
wie das DIC waren aber auch Empa-Forschende.<br />
Für sie schien es interessant,<br />
Fragen der Materialprüfung im<br />
Körper zu betrachten – zum Beispiel die<br />
Belastung eines Implantates. Und mein<br />
Kollege Prof. Ameet Ayangar schließlich<br />
hatte bei einem Aufenthalt in Pittsburgh<br />
ein System aus Röntgengeräten<br />
und Kameras kennengelernt, mit dem<br />
die Bildgebung während der Bewegung<br />
machbar erschien. Im Team haben wir<br />
dann beschlossen, dass wir Fördermittel<br />
beantragen, um ein erstes Zentrum<br />
dieser Art in Europa aufzubauen.<br />
■ Welche Herausforderungen standen<br />
dabei im Vordergrund: die technischen<br />
oder die organisatorischen?<br />
Wir hatten anhand des Pittsburgher<br />
Vorbildes ja schon eine Idee, wie wir<br />
das Dynamic Imaging Center umsetzen<br />
wollten. Die Technik dafür, die Sensoren<br />
und Kameras sowie die Bildverarbeitungssoftware,<br />
ist grundsätzlich im<br />
Markt verfügbar. Natürlich setzen wir<br />
High-End-Geräte ein, um die bis zu tausend<br />
Bilder pro Sekunde aufnehmen<br />
und auch verarbeiten zu können. Die<br />
Datenmengen, die in unserem Hochgeschwindigkeitsbildgebungssystem<br />
anfallen,<br />
sind schon immens. Doch nur so<br />
können wir die Aufnahmen in der erforderlichen<br />
Auflösung bekommen. Nur<br />
als Vergleich: Mit anderen Systemen,<br />
die eine Bewegung aufzeichnen, entstehen<br />
aktuell etwa 15 bis 30 Bilder pro<br />
Sekunde. Die größere Herausforderung<br />
war für uns aber tatsächlich, sowohl die<br />
Mittel in Höhe von etwa eineinhalb Millionen<br />
Schweizer Franken zu erhalten<br />
als auch die erforderlichen Räumlichkeiten<br />
zu finden. Doch seit Herbst 2023<br />
haben wir nun alles zusammen, die Geräte<br />
und die Ausstattung für die Räume<br />
im Sitem, dem Swiss Institute for Translational<br />
and Entrepreneurial Medicine<br />
in Bern. Und auch das Personal ist da,<br />
um mit den ersten Projekten zu beginnen.<br />
■ Sie formulieren das noch vorsichtig.<br />
Wann rechnen Sie damit, dass Patienten<br />
untersucht werden können?<br />
Das wird noch einige Zeit in Anspruch<br />
nehmen. Wir stehen erst am Anfang.<br />
Die Ausrüstung ist vorhanden. Aber wir<br />
müssen jetzt herausfinden, wie wir die<br />
Geräte und alle Details am besten aufeinander<br />
abstimmen, um die bestmöglichen<br />
Aufnahmen zu erhalten. Ich denke,<br />
in den kommenden Monaten werden<br />
wir das mit gesunden Probanden in<br />
den Griff bekommen. Diese werden<br />
über die Strahlenbelastung, die dabei<br />
auftritt, informiert, und für alle Durchläufe<br />
liegt die Zustimmung des Ethikrates<br />
vor. Wir sprechen aber noch nicht<br />
von einer dia gnostischen Nutzung. Dafür<br />
müsste das System regulatorische<br />
Hürden überwinden.<br />
■ Wie stark ist die Strahlenbelastung bei<br />
einer Untersuchung im DIC?<br />
Wir verwenden Röntgenstrahlen für die<br />
Hochgeschwindigkeitsbildgebung, für<br />
das Dynamic Biplane Radiographic Imaging<br />
oder kurz DBRI. Das, was wir von<br />
einer Bewegung aufzeichnen, sind aber<br />
nur sehr kurze Sequenzen. Wenn beispielsweise<br />
ein Sportler hochspringt<br />
und bei der Landung Knieprobleme hat,<br />
passiert das Entscheidende innerhalb<br />
vielleicht einer Millisekunde. Auch<br />
wenn die Röntgenaufnahme etwa ein<br />
bis zwei Sekunden umfasst, ist die<br />
Strahlenbelastung insgesamt sehr<br />
überschaubar.<br />
■ Welche Untersuchungen sind für die<br />
Materialwissenschaftler der Empa im DIC<br />
geplant?<br />
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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 13
■ [ MEDIZIN IM DIALOG ]<br />
Über die Bildgebung mittels DBRI<br />
Das Herzstück des Dynamic Imaging<br />
Center (DIC) am Sitem in Bern ist ein<br />
dyna misches Röntgen-basiertes Hochgeschwindigkeitsbildgebungssystem,<br />
das<br />
als Dynamic Biplane Radiographic Imaging<br />
(DBRI) bezeichnet wird.<br />
Bis zu 1000 Röntgenbilder pro Sekunde<br />
nimmt es in zwei verschiedenen Ebenen<br />
auf. Damit lassen sich nach Angaben der<br />
Betreiber Bewegungen auf den Submillimeter<br />
genau messen und auch feinste<br />
Roll- und Gleitbewegungen im Gelenk<br />
feststellen.<br />
Während der Aufnahme bewegen sich<br />
Probandinnen und Probanden entweder<br />
auf einem Laufband, das mit Kraftsensoren<br />
ausgestattet ist, oder auf Kraftmessplatten.<br />
16 Infrarot-Bewegungserfassungskameras<br />
nehmen die Bewegungen<br />
auf, parallel wird auch noch ein Muskel-<br />
Elektrogramm (EMG) aufgezeichnet.<br />
Die bewegten Röntgenbilder sollen dreidimensionale<br />
Bilder aus MRT- und CT-Geräten<br />
nicht ersetzen, sondern ergänzen.<br />
Durch alle Aufnahmen zusammen entsteht<br />
nach Angaben der Fachleute vom<br />
DIC ein umfassendes Bild der Situation<br />
im Knochen oder im Gelenk.<br />
Das Universitätsinstitut für Diagnostische,<br />
Interventionelle und Pädiatrische<br />
Radiologie (DIPR) am Inselspital, Universitätsspital<br />
Bern, ist Eigentümerin des Labors.<br />
Das DIPR gewährt der Empa im<br />
Rahmen einer zehnjährigen Koopera -<br />
tionsvereinbarung besondere Zugangsrechte<br />
und Nutzungsrechte.<br />
Zum DIPR: www.radiologie.insel.ch/de/<br />
Zur Empa: www.empa.ch<br />
Das neue Dynamic Imaging Center (DIC) ist in Bern in den Räumlichkeiten des<br />
Sitem untergebracht. Zu den Partnern, die es gemeinsam aufgebaut haben,<br />
gehört auch die EMPA<br />
Das DIC bietet erstmals die Möglichkeit,<br />
die Belastung, die auf ein Implantat<br />
im Körper wirkt, während der Bewegung<br />
zu untersuchen. Mit den Ergebnissen<br />
lassen sich die heute üblichen<br />
Formen von Implantaten besser bewerten<br />
und vielleicht auch optimieren. Das<br />
(Bild:Sitem )<br />
ist für Implantathersteller sehr interessant.<br />
■ Haben Unternehmen schon Interesse<br />
bekundet?<br />
Schon als wir mit dem Aufbau begonnen<br />
haben, kamen zahlreiche Anfragen<br />
von Verbänden und Unternehmen. Allein<br />
diese zu sichten und gegebenenfalls<br />
Forschungsprojekte dazu zu formulieren,<br />
wird einige Monate in Anspruch<br />
nehmen. Realistisch wäre wohl<br />
die Annahme, dass wir mit den ersten<br />
Projekten 2025 starten können. Es zeigt<br />
sich aber schon jetzt, dass wir an der einen<br />
oder anderen Stelle auch die Wünsche<br />
an die Realität werden angleichen<br />
müssen.<br />
■ Wo sind heute die Grenzen des<br />
Dynamic Imaging?<br />
Wir haben aktuell eine Bildgröße von<br />
etwa 40 mal 40 Zentimetern, die wir<br />
darstellen können. Ein weiterer Punkt<br />
ist, dass ein Proband oder später der<br />
Patient in der Lage sein muss, selbstständig<br />
und ohne Begleitung auf dem<br />
Laufband im DIC zu gehen, während die<br />
Aufnahmen entstehen.<br />
■ Wie ließe sich diese Art der Bildgebung<br />
eventuell noch weiterentwickeln?<br />
Das ist bisher noch schwierig zu sagen,<br />
wir tasten uns ja zunächst an die Möglichkeiten<br />
des heutigen Systems heran.<br />
Dabei kooperieren wir auch mit den<br />
Fachleuten aus Pittsburgh. Da wir das<br />
DIC gerade neu aufgebaut haben, ist<br />
unser System derzeit, was Schnelligkeit<br />
und Auflösung angeht, sogar noch weiter<br />
vorn. Die ETH Zürich hat allerdings<br />
schon Kontakt zu uns aufgenommen<br />
und wäre der richtige Ansprechpartner,<br />
um bei Bedarf die Technik weiterzuentwickeln.<br />
■ Welche Perspektiven sehen Sie für das<br />
Dynamic Imaging mit dem DBRI-Verfahren?<br />
Wenn wir mit unserem System zeigen<br />
können, dass wir Aufnahmen erhalten,<br />
die uns für die Therapie weiterhelfen,<br />
könnte so ein Verfahren die Diagnosemöglichkeiten<br />
auch in anderen Kliniken<br />
erweitern. Dann allerdings werden wir<br />
abgespeckte Versionen brauchen, denn<br />
die gesamte technische Ausrüstung<br />
wird für einen Einsatz in der Breite<br />
wohl zu teuer sein.<br />
Dr. Birgit Oppermann<br />
birgit.oppermann@konradin.de<br />
14 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Chirurgie<br />
Schlauer medizinischer Laser statt Skalpell<br />
Zum sicheren und präzisen Einsatz von<br />
Lasern arbeiten Forschende der Universität<br />
Basel. Das Team um Dr. Ferda Canbaz<br />
am Departement Biomedical Engineering<br />
in Basel und Prof. Azhar Zam, ehemals<br />
Universität Basel, entwickelt ein neues<br />
System, das Knochen schneidet, die<br />
Schnitttiefe kontrolliert und verschiedene<br />
Gewebe unterscheidet. Dafür sind Laser<br />
auf den gleichen Punkt gerichtet. Der erste<br />
scannt die Umgebung, bestrahlt die<br />
Oberfläche und vaporisiert eine winzige<br />
Gewebeprobe. Im Spektrometer hat jedes<br />
Gewebe eine eigene Signatur. Wenn der<br />
Laser dann schneidet, misst parallel ein<br />
optisches System die Schnitttiefe.<br />
Arsham Hamidi und Ferda Canbaz im Laserlabor,<br />
in dem sie ein neues Lasersystem entwickelten<br />
(Bild: Universität Basel, Reinhard Wendler)<br />
Anästhesie<br />
Elektromagnetische<br />
Felder betäuben<br />
Mit elektromagnetischen Feldern<br />
die Schmerzweiterleitung<br />
unterbinden: Das wollen<br />
Freiburger Forscher des<br />
Universitätsklinikums und<br />
der Universität erreichen. Im<br />
Projekt Mini, kurz für Magnetisch<br />
Induzierte Neuroinhibition,<br />
nutzen die Fachleute<br />
magnetische Felder im Kilohertz-Bereich,<br />
um die Nervenleitung<br />
zu blockieren.<br />
Diese Methode könnte eine<br />
schnelle, nicht-invasive und<br />
reversible Schmerzausschaltung<br />
ohne die Risiken einer<br />
Lokalanästhetika-Injektion<br />
ermöglichen. Die Carl-Zeiss-<br />
Stiftung fördert das Projekt<br />
ab Februar mit 749 000 Euro<br />
im Rahmen des CZS Wildcard<br />
Programms.<br />
Laut Prof. Nils Schallner, Leitender<br />
Oberarzt der Klinik für<br />
Anästhesiologie und Intensivmedizin<br />
des Universitätsklinikums<br />
Freiburg, hat der Ansatz<br />
das Potenzial, die Anästhesiologie<br />
nachhaltig zu verändern.<br />
Dass magnetische Felder<br />
im Kilohertz-Bereich<br />
grundsätzlich Nervensignale<br />
hemmen können, ist laut Prof.<br />
Thomas Stieglitz, Leiter der<br />
Professur für Biomedizinische<br />
Mikro<strong>technik</strong> am Institut für<br />
Mikrosystem<strong>technik</strong> der Universität<br />
Freiburg, bekannt.<br />
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TITELTHEMA<br />
Ohne PFAS: Suche<br />
nach sinnvollem Ersatz<br />
Alternativen zu fluorhaltigen Substanzen | Ein mögliches Verbot der fluorhaltigen PFAS<br />
ist aktuell in der Diskussion. Manche Unternehmen aus der Medizin<strong>technik</strong>-Branche<br />
haben sich bereits auf die Suche nach Alternativen begeben, erste Lösungsansätze sind<br />
erkennbar. Forschungsbedarf ist aber vorhanden – auch wenn Fachleute damit rechnen,<br />
dass unverzichtbare PFAS in Medizinprodukten weiter im Einsatz bleiben.<br />
16 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
(Bild:DBA/stock.adobe.com)<br />
Zu den PFAS gehört die Perfluor octansäure<br />
(PFOA), deren Fluor-Atome hier grün dargestellt<br />
sind. PFOA wurde als schädlich für<br />
Mensch und Umwelt eingestuft und darf in<br />
der EU seit 2020 nicht mehr hergestellt und<br />
in Verkehr gebracht werden – Ausnahmen<br />
gelten für implantierbare Medizinprodukte.<br />
Nun ist ein Verbot für alle PFAS im Gespräch<br />
Das wird sicher kein Spaziergang.<br />
Aber die angelaufenen Projekte<br />
zeigen immerhin Ansatzpunkte.<br />
Dr. Birgit Oppermann<br />
Zukunft ohne PFAS?<br />
Ohne PFAS? Das geht gar nicht. Das<br />
ist zwar flapsig formuliert, aber so<br />
etwa lautet der Tenor zahlreicher Stellungnahmen<br />
und Positionspapiere aus<br />
Unternehmen und Verbänden. Diese haben<br />
sich bis zum Herbst 2023 zu einem<br />
möglichen generellen Verbot der rund<br />
10000 Chemikalien geäußert, die zu den<br />
per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen,<br />
den PFAS, gerechnet werden. Ob Maschinenbau,<br />
Medizin<strong>technik</strong>, Gesundheitswesen<br />
– die sehr widerstandsfähigen Polymere<br />
betrachten viele als unverzichtbar.<br />
Über das mögliche Verbot wird daher<br />
seit etwa einem Jahr lebhaft diskutiert.<br />
Denn die auch als „Ewigkeitschemikalien“<br />
bezeichneten Verbindungen gelten als potenziell<br />
gefährlich, sammeln sich in der<br />
Umwelt an und sind in menschlichen Proben<br />
nachweisbar. „Ich bin als Toxikologe<br />
wirklich sehr besorgt darüber, wie wir bisher<br />
mit diesen bedenklichen Stoffen umgehen“,<br />
sagt Apl. Prof. Hubertus Brunn,<br />
der an der Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
(JLU) Lebensmittel- und Umwelttoxi-<br />
IHR STICHWORT<br />
■ PFAS aus toxikologischer Sicht<br />
■ Wie sich Emissionen reduzieren lassen<br />
■ Unverzichtbare Anwendungen<br />
definieren, auch in der Medizin<strong>technik</strong><br />
■ Substitution, wo immer es geht<br />
kologie lehrt und lange Zeit als Direktor<br />
des Hessischen Landeslabors in Gießen<br />
tätig war. Er bezeichnet sich selbst ausdrücklich<br />
als nicht industriefeindlich,<br />
sieht die Industrie aber in der Verantwortung<br />
für die menschliche Gesundheit und<br />
eine intakte Umwelt. Über das Thema<br />
PFAS wünscht er sich eine sachliche und<br />
konstruktive Diskussion.<br />
Emissionen vermeiden –<br />
verzichten, wo immer es geht<br />
Entscheidend ist aus seiner Sicht das Vermeiden<br />
von Emissionen insbesondere bei<br />
der Herstellung und der Entsorgung von<br />
Fluorpolymeren, wie sie auch in vielen<br />
Medizinprodukten verwendet werden.<br />
Veränderungen seien daher unumgänglich,<br />
auch der Umgang mit PFAS-haltigen<br />
Produkten nach Gebrauch müsse überdacht<br />
werden. Das Ziel: Je weniger PFAS<br />
freigesetzt werden, desto besser. Wobei<br />
ein Verzicht auf diese Substanzen natürlich<br />
einen Beitrag zu niedrigeren Emissionen<br />
leisten müsse – ein Verzicht an allen<br />
Stellen, wo sie nicht unabdingbar sind.<br />
Derzeit liegt das Thema bei der European<br />
Chemical Agency (ECHA), Helsinki,<br />
die den Verbotsvorschlag an sich und tausende<br />
Kommentare dazu analysiert und<br />
bewertet. Brunn geht davon aus, dass die<br />
Fachleute pragmatisch vorgehen werden<br />
und Produkte, die bisher PFAS enthalten,<br />
zunächst drei Gruppen zuordnen:<br />
• den verzichtbaren Anwendungen,<br />
• den ersetzbaren Anwendungen sowie<br />
• den unverzichtbaren und nicht ersetzbaren<br />
Anwendungen.<br />
„Zur ersten Gruppe, also zu verzichtbaren<br />
Anwendungen, würde ich auf jeden<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 17
TITELTHEMA<br />
Apl. Prof. Hubertus Brunn sorgt sich um den Umgang mit<br />
fluorhaltigen Substanzen. Er ist Chemiker und lehrt an der<br />
Gießener Universität Lebensmittel- und Umwelttoxikologie.<br />
Gemeinsam mit weiteren Autoren hat er Anfang 2023 ein Review<br />
zu PFAS verfasst<br />
(Bild: Universität Gießen)<br />
Fall eine PTFE-beschichtete Zahnseide<br />
zählen“, sagt Brunn. Als ersetzbar haben<br />
sich unter anderem viele Beschichtungen<br />
in Textilien erwiesen. Dass es unverzichtbare<br />
Anwendungen gibt, in denen sich die<br />
besonderen Eigenschaften von PFAS derzeit<br />
kaum durch eine technische Lösung<br />
ersetzen lassen, sei ebenfalls klar. Viele<br />
Medizinprodukte werden laut Brunn vermutlich<br />
in dieser Gruppe landen.<br />
Aber der Toxikologe mahnt auch zum<br />
Handeln. „Wir müssen bald zu Entscheidungen<br />
kommen, denn je länger wir weitermachen<br />
wie bisher, desto höher werden<br />
die PFAS-Konzentrationen in der Umwelt<br />
und auch in Lebewesen ansteigen.“<br />
Selbst wenn sofort Verbote ausgesprochen<br />
würden, sei ja nur mit einem verzögerten<br />
Effekt zu rechnen.<br />
Ein pauschales Verbot wurde in vielen<br />
an die ECHA gerichteten Stellungnahmen<br />
kritisiert und statt dessen eine individuelle<br />
Betrachtung für jedes PFAS gefordert.<br />
Erst auf der Basis solcher Untersuchungen<br />
solle über ein Verbot entschieden werden.<br />
Das hält Brunn für völlig unrealistisch.<br />
„Dafür würden wir hunderte von Jahren<br />
benötigen“, sagt der Toxikologe.<br />
Vier im Detail bewertete PFAS –<br />
alle sind bedenklich<br />
„Es sind in der EU bisher lediglich vier<br />
Substanzen aus der PFAS-Gruppe genauer<br />
untersucht und bewertet worden“, erläutert<br />
Brunn. Die European Food and<br />
Safety Agency (EFSA) habe viel Sorgfalt<br />
aufgewendet, um mehr über deren Eigenschaften<br />
zu erfahren. In allen Fällen wiesen<br />
die Resultate in die gleiche Richtung:<br />
Die Substanzen sind, wenn sie in die Umwelt<br />
gelangen, toxikologisch bedenklich,<br />
sie reichern sich im Körper an. Sie sind in<br />
Muttermilch nachweisbar und beeinträchtigen<br />
die Immunantwort zum Beispiel<br />
von Säuglingen, die ein Jahr lang gestillt<br />
wurden. Eine der untersuchten Substanzen,<br />
PFOA, schätzt die IARC, die International<br />
Research Agency for Cancer in<br />
Lyon, als sicher karzinogen ein.<br />
Doch was sollen Unternehmen heute<br />
aus der Diskussion um PFAS ableiten? Aus<br />
dem Johner-Institut in Konstanz heißt es<br />
in einem Blog-Eintrag mit Blickrichtung<br />
Medizin<strong>technik</strong>: „Sie müssen sofort handeln.“<br />
Solange nicht klar ist, was genau in<br />
welchen Anwendungen und ab wann<br />
noch erlaubt oder schon verboten sein<br />
wird, wäre zunächst zu klären, wo im eigenen<br />
Produkt und im Herstellungsprozess<br />
überhaupt PFAS im Einsatz sind. Das<br />
geht nicht ohne Aufwand.<br />
Auch die Tuttlinger Medical Mountains<br />
GmbH empfiehlt Unternehmen, die Kommunikation<br />
mit Lieferanten zu beginnen:<br />
Das Bewusstsein, wo überall PFAS zum<br />
Einsatz kommen und welche Konsequenzen<br />
ein Verzicht hätte, sei noch nicht<br />
überall vorhanden. Eine Zusammenfassung<br />
dazu bietet der Verband als „Handout<br />
PFAS“ an. Ebensowichtig ist die Frage,<br />
welche Alternativen sich denn bieten,<br />
wenn PFAS nicht mehr erlaubt wären.<br />
Mit der Frage, wie eine PFAS-Substitution<br />
aussehen könnte, beschäftigen sich<br />
bereits Fachleute des Bereichs Oberflächen<strong>technik</strong><br />
am Fraunhofer-Institut für<br />
Fertigungs<strong>technik</strong> und Angewandte Materialforschung<br />
IFAM in Bremen. Mit Unternehmen<br />
aus der Medizin<strong>technik</strong> sind<br />
sie seit Jahren in engem Kontakt und suchen<br />
nach Möglichkeiten, wie sich be-<br />
(Bild: Sergey/stock.adobe.com)<br />
Für Medizinprodukte<br />
für die Anästhesie<br />
werden bisher<br />
häufig PFAS eingesetzt.<br />
Ebenfalls auf<br />
der Liste der Produkte,<br />
die von einem<br />
möglichen Verbot<br />
betroffen wären,<br />
sind laut Medical<br />
Mountains unter<br />
anderem auch Katheterschläuche,<br />
Koronar-Führungsdrähte,<br />
Stents,<br />
Herzschrittmacher<br />
oder Dialysegeräte<br />
18 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Dr. Ralph Wilken leitet den Bereich Oberflächen<strong>technik</strong> am<br />
Fraunhofer IFAM in Bremen und ist an der Entwicklung der<br />
Plaslon-Technologie beteiligt. Die damit aufgebrachten<br />
Schichten bieten PFAS- typische Eigenschaften<br />
stimmte Eigenschaften auch ohne fluorhaltige<br />
Moleküle erzeugen lassen.<br />
„Es kommt natürlich immer darauf an,<br />
welche Eigenschaften ein Produkt haben<br />
soll“, sagt Dr. Ralph Wilken, der am<br />
Fraunhofer IFAM den Bereich Oberflächen<strong>technik</strong><br />
leitet. „PFAS bieten eine einzigartige<br />
Kombination von Eigenschaften,<br />
die man nicht ohne weiteres mit einem<br />
anderen Verfahren nachbilden kann.“<br />
Aber: Nicht in jeder Anwendung werden<br />
alle diese Eigenschaften gebraucht, sondern<br />
meist nur eine oder einige wenige.<br />
Seit zehn Jahren Projekte zur<br />
PFAS-Substition in der Medizin<br />
Und manche, wie Gleitfähigkeit, Härte<br />
oder Abriebbeständigkeit, können die<br />
Fraunhofer-Experten mit einem von ihnen<br />
entwickelten plasmabasierten Verfahren<br />
hervorrufen. Das ist auch für die Medizin<strong>technik</strong><br />
interessant. „Seit etwa zehn Jahren<br />
arbeiten wir dazu mit Herstellern von<br />
Implantaten, Kathetern oder auch Instrumenten<br />
für die minimal-invasive Chirurgie<br />
zusammen“, sagt Wilken.<br />
Technisch sind die Dinge zum Teil<br />
schon weit vorangekommen. „Aber bis so<br />
ein Medizinprodukt zertifiziert ist und auf<br />
den Markt kommt, kann es – je nach Klassifizierung<br />
des Produktes – leicht drei bis<br />
acht Jahre dauern“, sagt Wilken. Sein Kollege<br />
Dr. Kai Borcherding, Geschäftsfeldleiter<br />
Medizin<strong>technik</strong> und Life Sciences<br />
am Fraunhofer IFAM, ergänzt: „Die Unternehmen,<br />
mit denen wir bisher zusammenarbeiten,<br />
haben diese langen Zeitspannen<br />
im Blick und deswegen frühzeitig<br />
begonnen, nach Alternativen zu fluorhaltigen<br />
Verbindungen zu suchen.“<br />
Den Anstoß für entsprechende Projekte<br />
gab vor rund 20 Jahren die Erkenntnis,<br />
dass Reste fluorhaltiger Trennmittel aus<br />
Formen auf den darin hergestellten Produkten<br />
verblieben. Insbesondere dann,<br />
wenn die Produkte wie bei kohlefaserverstärkten<br />
Kunststoffbauteilen, kurz CFK,<br />
mithilfe von Reaktivharzen hergestellt<br />
werden. Sehr leistungsfähige Trennschichten<br />
stellen die IFAM-Mitarbeiter<br />
heute auf siliziumorganischer Basis her<br />
und haben diese weiter optimiert. Von<br />
Fluor ist hier nicht mehr die Rede.<br />
„Als erstes haben wir die trennenden und<br />
hydrophoben Eigenschaften erreicht“,<br />
sagt Wilken. „Dann haben wir auf die Festigkeit<br />
hin optimiert. Heute überstehen<br />
die Schichten 10000 Durchläufe.“ Auch<br />
die Temperaturbeständigkeit, die zum<br />
Beispiel für die Anwendung in Pfannen erforderlich<br />
ist, wurde erreicht. „Wir können<br />
also eine PTFE-Beschichtung ersetzen.“<br />
Aktuell sollen die Schichten noch<br />
abriebbeständiger werden und auch hydrophobe<br />
Eigenschaften bekommen.<br />
Die Schichten erzeugen die Bremer mit<br />
einer Niederdruckplasmatechnologie, der<br />
Plasma Enhanced Chemical Vapour Deposition,<br />
kurz PECVD. Die Schichten sind interessant<br />
für die Luftfahrt- und Automobilindustrie,<br />
für die Hersteller von Haushaltsgeräten<br />
und Elektronik sowie für die<br />
Medizin<strong>technik</strong>. „In diesem Bereich machen<br />
die Projekte aus der Medizin<strong>technik</strong><br />
schon jetzt etwa zwanzig Prozent aus“,<br />
sagt Wilken. Das Verfahren bezeichnen<br />
die IFAM-Ingenieure als Plaslon-Technologie<br />
und haben ihre Erfindung durch Patente<br />
geschützt. Nach Wilkens Einschätzung<br />
ist das Institut damit weit vorn beim<br />
Ersatz von PFAS.<br />
Produkte mit Plaslon-Beschichtung besitzen<br />
gute Gleiteigenschaften, sie können<br />
chemisch resistent und antiadhäsiv<br />
sein, zum Teil auch sehr gut elektrisch isolieren.<br />
Sie sind härter als PFAS – und laut<br />
Wilken ist mit der siliziumorganischen<br />
Verbindung sogar die bei PFAS geschätzte<br />
oleophobe Eigenschaft teilweise erreichbar.<br />
Ähnliche Erkenntnisse liegen zur optischen<br />
Transparenz vor. „Bei der elektrischen<br />
Isolation wiederum müssen wir<br />
schauen, was sich zum Beispiel im Umfeld<br />
eines Gewebes erreichen lässt und welche<br />
Isolationseigenschaften vorgegeben<br />
sind“, sagt Wilken. Die Schicht ist durch<br />
verschiedene Verfahren sterilisierbar.<br />
Auch die Frage nach der Entsorgung<br />
oder resultierenden Emissionen braucht<br />
niemanden zu schrecken. Kommt ein mit<br />
siliziumorganischen Verbindungen beschichtetes<br />
Produkt an sein Lebensende,<br />
lässt es sich verbrennen. Von der Beschichtung<br />
bleiben „toxikologisch unbedenkliche<br />
Silikate, also quasi Sand“. Alles<br />
in allem hat das Plaslon-Verfahren der<br />
Medizin<strong>technik</strong> Wilkens Meinung nach<br />
eine Menge zu bieten. „Wir freuen uns natürlich,<br />
dass schon Hersteller auf uns aufmerksam<br />
geworden sind und uns kontaktiert<br />
haben.“<br />
Wilken und seine Kollegen stellen ihr<br />
Wissen zu den Möglichkeiten der Plaslon-<br />
Beschichtungstechnologie inzwischen<br />
auch in einem weiteren Projekt zur Verfügung:<br />
Darin arbeiten Fachleute vom<br />
Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit<br />
und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt<br />
mit 21 Teilnehmern aus der Industrie<br />
zusammen.<br />
Ihr Ende 2023 gestartetes Verbundprojekt<br />
zum Ersatz von PFAS in der Industrie<br />
bringt zunächst vor allem Recherche -<br />
arbeit mit sich. Die Beteiligten stellen zusammen,<br />
welche Aufgaben bisher PFAS<br />
Weitere Informationen<br />
Zur ECHA und zu Neuigkeiten zum<br />
möglichen PFAS-Verbot:<br />
https://hier.pro/x4VfF<br />
Fraunhofer IFAM (Plaslon):<br />
https://hier.pro/XmcC7<br />
Fraunhofer LBF, Verbundprojekt:<br />
https://hier.pro/Dfgfq<br />
Medical Mountains, Handout PFAS:<br />
https://hier.pro/PgbA2<br />
Review „PFAS: forever chemicals...“:<br />
https://hier.pro/4qfUL<br />
(Bild: Fraunhofer IFAM)<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 19
TITELTHEMA<br />
Dr. Frank Schönberger leitet am Fraunhofer<br />
LBF die Abteilung Synthese und Formulierung<br />
und begleitet dort auch das Verbundprojekt<br />
zur PFAS-Substitution<br />
Über PFAS und das<br />
mögliche Verbot<br />
(Bild: Banczerowski/Fraunhofer LBF)<br />
erfordern und unter welchen Bedingungen<br />
die Bauteile und Komponenten funktionieren<br />
müssen. Dann soll die Suche<br />
nach potenziellen Ersatzwerkstoffen starten;<br />
es werden den Teilnehmern Möglichkeiten,<br />
aber auch Grenzen heutiger Ersatzwerkstoffe<br />
aufgezeigt.<br />
„Mit diesem Wissen wollen wir es den<br />
Projektteilnehmern ermöglichen, ihre Situation<br />
besser einzuschätzen“, sagt Projektleiter<br />
Dr. Frank Schönberger, der am<br />
Fraunhofer LBF die Abteilung Synthese<br />
und Formulierung leitet. Das Interesse am<br />
Projekt war von Anfang an groß. Partner<br />
aus der Medizin<strong>technik</strong> sind beteiligt,<br />
weitere Interessenten haben nach Projektstart<br />
Kontakt aufgenommen.<br />
Den Anstoß fürs Projekt gab zwar die<br />
Diskussion um das mögliche EU-weite<br />
Verbot von PFAS. Doch auch die Tatsache,<br />
dass PFAS-Hersteller ihre Produktion eingestellt<br />
haben oder das Unsicherheiten<br />
hinsichtlich künftiger Verfügbarkeit bestehen,<br />
bringt die Anwender in Zugzwang.<br />
Manche Werkstoffe seien bereits<br />
nicht mehr im gewohnten Maß verfügbar<br />
oder nicht mehr in den bisher verwendeten<br />
„Grades“. „Für die PFAS-Anwender ist<br />
auch das ein wichtiger Grund, sich mit Alternativen<br />
zu befassen“, so Schönberger.<br />
Für ihre Recherchen und Auswertungen<br />
sind im Verbundprojekt neun Monate<br />
eingeplant. „Was in dieser Zeit im Projekt<br />
am Beispiel der ausgewählten Anforderungen<br />
zusammengetragen und ausgewertet<br />
wird, ist für die Teilnehmer verfügbar“,<br />
erläutert Schönberger. Er nennt das<br />
Wissen einen „Schatz“. „Wir werden das<br />
Thema PFAS- Substitu tion am Fraunhofer<br />
LBF sicherlich auch weiter verfolgen. Es<br />
laufen jetzt schon Einzelprojekte zu konkreten<br />
Entwicklungen, und weitere werden<br />
starten.“ Auch branchenspezifische<br />
Forschungsprojekte mit mehreren Partnern<br />
seien denkbar.<br />
Jetzt Emissionen reduzieren,<br />
in Zukunft vielleicht recyceln<br />
Die Emissionen zu reduzieren, hält auch<br />
Schönberger angesichts der Risiken für<br />
Umwelt und Gesundheit „auf jeden Fall<br />
für richtig“. Konzepte für eine Kreislaufwirtschaft,<br />
ein Zerlegen oder ein Recyceln<br />
der gefährlichen Substanzen, böten ebenfalls<br />
Chancen. „Dazu muss ich allerdings<br />
klar sagen: Das ist noch Zukunftsmusik.<br />
Zunächst braucht es verlässliche Rahmenbedingungen.“<br />
Auch damit sind die Überlegungen<br />
aber noch nicht am Ende. „Sollten PFAS<br />
generell verboten werden, wird wohl<br />
auch das Redesign von Produkten als Ansatz<br />
auf den Tisch kommen“, sagt Schönberger.<br />
Da das mit erheblichem Aufwand<br />
verbunden ist, sei das zum jetzigen Zeitpunkt<br />
nicht die bevorzugte Denkrichtung.<br />
Wie eine Zukunft ohne PFAS aussehen<br />
könnte, ist auch beim Nufringer Kunststoffspezialisten<br />
Ensinger GmbH ein Thema.<br />
PTFE und PVDF, das Polyvinylidenfluorid,<br />
sind die Substanzen aus der<br />
PFAS-Gruppe, die das Unternehmen<br />
hauptsächlich für Halbzeuge, Profile und<br />
Compounds nutzt. Für die Medizin<strong>technik</strong><br />
relevant sind davon vor allem Modifikationen,<br />
die PTFE enthalten. Daraus<br />
werden zum Beispiel Instrumente und Instrumentengriffe<br />
oder auch Halterungen<br />
hergestellt, in denen Medizinprodukte<br />
während der Sterilisation fixiert sind.<br />
„Wir sind schon länger damit beschäftigt,<br />
nach PTFE-freien Hochleistungskunststoffen<br />
zu schauen“, berichtet Applika -<br />
tionsingenieur Sebastian Roller. Die Kunden<br />
fragten das auch gezielt an.<br />
Für Gleitanwendungen gebe es schon<br />
Alternativen – ausgehend von Additiven,<br />
„mit denen wir zu stabilen verschleißbeständigen<br />
Werkstoffen kommen können.“<br />
Als Polymerbasis für Anwendungen mit<br />
den PFAS-freien Festschmierstoffen komme<br />
zum Beispiel PEEK in Frage. Für Medizinprodukte<br />
könnte das interessant sein,<br />
Unter dem Begriff PFAS werden Perund<br />
polyfluorierte Alkylsubstanzen<br />
zusammengefasst. Sie enthalten mit<br />
der Verbindung zwischen Kohlenstoffund<br />
Fluor-Atomen die festeste Bindung,<br />
die es in einem Molekül überhaupt<br />
geben kann.<br />
Rund 10000 verschiedene PFAS sind<br />
bisher hergestellt worden. Sie bieten<br />
Eigenschaften wie Gleitfähigkeit oder<br />
Stabilität gegen Chemikalien, die in<br />
der Industrie geschätzt werden. Sie<br />
sind extrem haltbar und auch als<br />
„Ewigkeitschemikalien“ bekannt. Verwendet<br />
werden sie in Zehn tausenden<br />
von Produkten. Dazu gehören Lebens -<br />
mittelverpackungen, Outdoortextilien,<br />
Schaumlöschmittel, Teppiche,<br />
Schmier stoffe, Skiwachse und Möbel<br />
sowie zahlreiche Medizinprodukte.<br />
Während der Herstellung oder nach<br />
der Entsorgung von Produkten freigesetzte<br />
PFAS lassen sich nicht wieder<br />
einfangen und auch kaum zerstören.<br />
So bleiben sie Jahre bis Jahrzehnte in<br />
der Umwelt und den Nahrungsketten<br />
und reichern sich dort an. Die Fluor-<br />
Verbindungen kommen im Blutserum<br />
vom Menschen vor und können zu gesundheitlichen<br />
Effekten führen.<br />
Um eine weitere Kontamination zu<br />
verhindern, haben fünf euro päische<br />
Länder – Norwegen, Schweden, Dänemark,<br />
die Niederlande und Deutschland<br />
– am 13. Januar 2023 bei der European<br />
Chemical Agency (ECHA) mit<br />
Sitz in Helsiniki einen Vorschlag zur<br />
Beschränkung der Herstellung, des<br />
Vertriebs und der Verwendung der<br />
PFAS eingereicht.<br />
In der Konsultationsphase bis Herbst<br />
2023 gingen dazu über 5600 Kommentare<br />
bei der ECHA ein. Die meisten<br />
kamen aus Schweden, Deutschland<br />
und Japan. Unter den rund 4400<br />
Kommentierenden waren Unternehmen<br />
und Verbände mit knapp 69 %<br />
am häufigsten vertreten, gefolgt von<br />
Individuen mit gut 27 %.<br />
Eine Entscheidung der Europäischen<br />
Kommission über den Vorschlag ist<br />
laut Umweltbundesamt voraussichtlich<br />
2025 zu erwarten.<br />
20 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
sofern diese nicht direkt mit dem menschlichen<br />
Körper in Kontakt kommen. Gleitoder<br />
Schiebeelemente in Instrumenten<br />
seien denkbar. „Wenn ein generelles<br />
PFAS-Verbot kommt, würden solche Lösungen<br />
natürlich gebraucht“, sagt Roller.<br />
Welchen Einschnitt ein Verbot für Medizinprodukte-Hersteller<br />
bedeuten würde,<br />
fasst Dr. Helmut Scherer, Mitglied der<br />
Geschäftsleitung bei Erbe Elektromedizin<br />
in Tübingen, zusammen: „Alle unsere Instrumente<br />
wären davon betroffen – und<br />
damit rund eine Million Patienten, die damit<br />
behandelt werden.“ Sollten keine<br />
PFAS mehr verwendet werden dürfen,<br />
müssten alle Produkte grundlegend überarbeitet<br />
werden. „Wir haben das in einem<br />
Projekt sogar schon versucht. Das Ergebnis<br />
war ernüchternd“, sagt Scherer. Ohne<br />
PFAS sei entweder der medizinische Nutzen<br />
weg gewesen oder die Ärzte „fanden<br />
die Produkte inakzeptabel schlecht“. Daher<br />
habe man in Tübingen zunächst entschieden,<br />
PFAS weiter zu verwenden.<br />
Dass es nicht einfach sein wird, auf<br />
PFAS zu verzichten oder sie zu substituieren,<br />
ist auch für den Toxikologen Prof.<br />
Brunn klar. Aber hier gelte: Wo ein Wille<br />
ist, ist auch ein Weg – was auch der Umgang<br />
mit anderen gefährlichen Substanzen<br />
gezeigt habe. „Wir haben es geschafft,<br />
auf DDT oder PCB zu verzichten.“ Verantwortlich<br />
zu handeln heiße heute, PFAS<br />
künftig so wenig wie irgend möglich zu<br />
verwenden. Das Schlagwort dazu laute:<br />
„Alara: as low as rea sonably achievable“.<br />
Details zum möglichen PFAS-Verbot<br />
oder Sonderregelungen für Medizin -<br />
Online<br />
weiterlesen<br />
Mehr über Handlungsempfehlungen<br />
für Unternehmen, Kunststoffe ohne<br />
PFAS und die Zukunft der Gasphasenfluorierung<br />
von Silikon lesen Sie in unserem<br />
Online-Portal unter<br />
www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/<br />
onlineweiterlesen<br />
produkte sind derzeit nur Spekulationen.<br />
Die angelaufenen Projekte geben aber<br />
Anlass zur Hoffnung, dass es Alternativen<br />
geben könnte. Und je eher diese ent -<br />
wickelt und getestet werden, desto mehr<br />
Vorteile haben alle Beteiligten zu erwarten.<br />
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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 21
■ [ TECHNIK ]<br />
Dank ihrer besonderen Bauweise sind Zykloidgetriebe außerordentlich leistungsfähig, sehr genau und robust<br />
(Bild: Nabtesco Precision Europe)<br />
Präzise Zykloidgetriebe bringen die<br />
Medizin<strong>technik</strong> auf Automationskurs<br />
Antriebs<strong>technik</strong> | Digitalisierung und Automatisierung eröffnen im Gesundheitswesen neue Möglichkeiten<br />
für Diagnostik, Behandlung und Pflege. Zykloidgetriebe mit hoher Positioniergenauigkeit<br />
von Nabtesco sorgen für Sicherheit, Zuverlässigkeit und Präzision in der Anwendung.<br />
Von einem Roboter operiert zu werden?<br />
Nur jeder fünfte Deutsche<br />
könnte sich mit diesem Gedanken anfreunden.<br />
Eine höhere Akzeptanz genießt<br />
der medizintechnische Fortschritt in Ländern<br />
wie Schweden oder Polen. Dort würden<br />
sich 40 % unters Roboter-Skalpell legen.<br />
Fakt ist: Der Roboter im OP spaltet<br />
die Gemüter. Fakt ist aber auch: Die Automatisierung<br />
ist längst im Gesundheitswesen<br />
angekommen, und Chirurgieroboter,<br />
maschinelle Helfer sowie automatisierte<br />
Systeme sind in vielen Bereichen Alltag.<br />
Treiber dieser Entwicklung sind vor allem<br />
Faktoren wie der anhaltende Fachkräftemangel,<br />
steigende Personalkosten, eine<br />
alternde Gesellschaft sowie die Zunahme<br />
an pflegebedürftigen Menschen. Der Kosten-<br />
und Effizienzdruck ist enorm, und so<br />
kommen medizinische Einrichtungen<br />
nicht umhin, ihre Prozesse zu optimieren<br />
– sei es im Krankenhaus, in der Rehaklinik,<br />
im Pflegeheim oder in der Seniorenresidenz.<br />
IHR STICHWORT<br />
■ Automatisierung und Robotik<br />
■ Zykloidgetriebe<br />
■ Präzisionsgetriebe mit Voll-/Hohlwelle<br />
■ Antriebe für bildgebende Verfahren,<br />
Patientenhandling und Chirurgieroboter<br />
Doch wie lassen sich Ökonomisierung<br />
und Patientenwohl in Einklang bringen?<br />
Die Automatisierung spielt dabei eine<br />
zentrale Rolle, denn der Einsatz von Robotern<br />
& Co sorgt nicht nur für Effizienzsteigerungen,<br />
sondern auch für eine höhere<br />
Qualität bei der Patientenversorgung.<br />
Fehlerminimierung, Entlastung des<br />
Klinik- und Pflegepersonals, exaktere und<br />
schnellere Diagnoseverfahren, optimierte<br />
Behandlungs- und Therapiemethoden sowie<br />
eine Verbesserung von Komfort und<br />
Betreuung des Patienten sind hier entscheidende<br />
Schlagworte.<br />
Zuverlässige Antriebskonzepte<br />
für moderne Medizingeräte<br />
So werden beispielsweise komplexe minimal-invasive<br />
Eingriffe dank roboter-assistierter<br />
Chirurgie, die ein extrem präzises<br />
Operieren mit einer dreidimensionalen<br />
Sicht auf das Operationsfeld gewährleistet,<br />
teilweise überhaupt erst möglich.<br />
Weitere Anwendungsfelder finden sich<br />
darüber hinaus bei bildgebenden Verfahren<br />
wie Röntgen oder Ultraschall, beim<br />
Patientenhandling sowie in der Krankenhauslogistik,<br />
in der Labordiagnostik und<br />
im Reha-Training. Dabei gilt: Kollege Roboter<br />
assistiert und unterstützt, ersetzt<br />
aber weder Arzt noch Krankenschwester<br />
oder Pfleger.<br />
Damit die neuen Technologien sicher<br />
und leise am beziehungsweise im Umfeld<br />
des Patienten arbeiten können, kommt<br />
der Antriebs<strong>technik</strong> eine entscheidende<br />
Bedeutung zu. „In keiner anderen Branche<br />
sind die Anforderungen hinsichtlich<br />
Präzision, Sicherheit und Laufruhe so<br />
hoch wie in der Medizin<strong>technik</strong>“, macht<br />
Daniel Obladen, Head of Sales General Industries<br />
bei der Nabtesco Precision<br />
Europe GmbH in Düsseldorf deutlich. Er<br />
ergänzt: „Auch muss eine hygienegerechte<br />
Gestaltung gewährleistet sein, damit<br />
die Getriebe die regelmäßigen Reinigungs-<br />
und Desinfektionsprozesse gut<br />
überstehen.“<br />
Eine Lösung bietet die Neco-Serie, die<br />
aktuell in den Baugrößen 25, 42, 80, 125<br />
und 160 verfügbar ist. Die kompakten<br />
Servogetriebe ermöglichen eine Positionierung<br />
im Hundertstel-Millimeterbereich,<br />
bringen höchste Sicherheitsreserven<br />
mit und zeichnen sich durch ein<br />
cleanes, geschlossenes Design sowie ein<br />
konstantes Betriebsverhalten und einen<br />
geringen Geräuschpegel aus.<br />
Den Unterschied macht die besondere<br />
Bauweise. Die für Zykloidgetriebe typische<br />
Kraftübertragung über Kurvenscheiben<br />
und Rollen führt zu einem exzellenten<br />
Verhalten hinsichtlich Wiederhol- und<br />
Bahngenauigkeit, Dynamik, Belastbarkeit<br />
und Laufruhe. Auch bei großen Lasten<br />
oder hohen Beschleunigungsmomenten<br />
stellen die Neco-Getriebe exakt ausgeführte<br />
Bewegungen sicher und positionie-<br />
22 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
(Bild: sudok1/stock.adobe.com /<br />
Nabtesco Precision Europe)<br />
Präzision im Hygienic Design:<br />
Dank der glatten Oberflächen<br />
und des ganzheitlichen Korro -<br />
sionsschutzes ist das Neco-<br />
Getriebe wie geschaffen für den<br />
Einsatz in sensiblen Branchen<br />
wie der Medizin<strong>technik</strong><br />
Mehr Infos<br />
im Video<br />
ren hochpräzise. Der fast vollständige<br />
Kontakt sowie eine gleichmäßige Kraftverteilung<br />
im Getriebe sorgen für eine hohe<br />
Steifigkeit. So lassen sich sehr hohe<br />
Drehmomente mit höchster Präzision und<br />
Laufruhe übertragen. Auch über einen<br />
langen Zeitraum ist die Spielzunahme<br />
verschwindend gering. „Dieses geringe<br />
Spiel trägt beispielsweise entscheidend zu<br />
hochwertigen und detailreichen Körperbildern<br />
bei“, sagt Obladen und macht<br />
deutlich: „Vor allem angesichts des großen<br />
Potenzials der künstlichen Intelligenz<br />
(KI) für die Bilddiagnostik wird die Datenqualität<br />
zum Schlüsselfaktor, denn KI-<br />
Algorithmen, die eine vollautomatische<br />
Analyse und Auswertung von Röntgenaufnahmen<br />
vornehmen, sind auf präzise<br />
und zuverlässige Daten angewiesen.“<br />
Sicherheit und Sauberkeit<br />
haben oberste Priorität<br />
Ihre spezielle Konstruktion macht die Neco-Getriebe<br />
zur Idealbesetzung für medizintechnische<br />
Anwendungen: Dank doppelt<br />
gelagerter Exzenterwellen sowie der<br />
gelagerten Antriebswelle sind die Antriebe<br />
sehr robust. Zur hohen Torsionssteifigkeit<br />
und Widerstandsfähigkeit gegen<br />
Stoß- und Überbelastung tragen auch die<br />
integrierten Schrägkugellager bei, die<br />
axiale sowie radiale Lasten und Biegemomente<br />
aufnehmen. So erlauben die Getriebesysteme<br />
in Not-Halt-Situationen<br />
Lastspitzen von bis zu 500 % des Nenndrehmoments<br />
und bieten damit im Fall einer<br />
Betriebsstörung Patienten und Bedienpersonal<br />
Schutz. „Wir haben auch<br />
schon Projekte mit einem Not-Aus-Drehmoment<br />
von 800 % des Nenndrehmoments<br />
realisiert“, erzählt Obladen. „Möglich<br />
wird dies durch den Aufbau spezifischer<br />
Prüfszenarien und unsere enge Zusammenarbeit<br />
mit Universitäten, Fachhochschulen<br />
sowie Forschungseinrichtungen.<br />
Dadurch sind wir in der Lage,<br />
auch außergewöhnliche Anforderungen<br />
umsetzen zu können.“<br />
Das hygienefreundliche Design der Neco-Serie<br />
minimiert das Kontaminationsrisiko<br />
und gewährleistet eine schnelle, effiziente<br />
Reinigung und Desinfektion. Auf<br />
raue Gussbauteile und scharfe Kanten<br />
wurde gänzlich verzichtet. Es gibt weder<br />
Toträume noch Spalten oder Nischen, in<br />
denen sich Reinigungsmittel sammeln<br />
könnte. Die Verschraubungen befinden<br />
sich auf der Anwendungsseite, sodass die<br />
Motorseite ohne Schraubenlöcher und<br />
vorstehende Teile auskommt. Glatte<br />
Oberflächen und das abgerundete Getriebegehäuse<br />
sorgen dafür, dass Schmutz<br />
sich nicht festsetzen und Flüssigkeiten ungehindert<br />
abfließen können.<br />
Zuleitungen, Schläuche und<br />
Kabel passen in die Hohlwelle<br />
Dank ihrer hohen Präzision, Zuverlässigkeit<br />
und Laufruhe finden sich die Neco-<br />
Getriebe vor allem in C-Bögen, Patienten-<br />
Handling-Systemen, Patientenliegen, OP-<br />
Tischen, Krankenhausbetten oder robotergestützten<br />
Reha-Geräten.<br />
Sollen gekapselte Systeme aufgebaut<br />
werden, sind die Hohlwellengetriebe der<br />
RD-C-Serie eine gute Wahl. Die Präzi -<br />
sionsgetriebe verfügen über eine großzügig<br />
dimensionierte Hohlwelle, in der sich<br />
Kabel, Schläuche und Zuleitungen hygienisch<br />
und platzsparend unterbringen lassen.<br />
Neben Zykloidgetrieben gehören<br />
hochpräzise, kleine Wellgetriebe der Marke<br />
Ovalo für den unteren Drehmomentbereich<br />
sowie kompakte Antriebskonzepte<br />
für fahrerlose Transportsysteme (FTS)<br />
zum breiten Medizin<strong>technik</strong>-Portfolio von<br />
Nabtesco. Sollten Standardprodukte nicht<br />
passen, realisiert der Getriebespezialist in<br />
enger Zusammenarbeit mit dem Kunden<br />
maßgeschneiderte Lösungen, die auf die<br />
jeweilige Applikation zugeschnitten sind<br />
– von kundenspezifischen Anpassungen<br />
über individuell ausgelegte Getriebesysteme<br />
bis hin zur Entwicklung kompletter<br />
Prozesspläne inklusive Qualitätssystem,<br />
Montagekonzept, Lieferketten, Labeling<br />
und Verpackung.<br />
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■ [ TECHNIK ]<br />
Mit Expert Teardown Service Kosten<br />
in der Entwicklung einsparen<br />
Medizinprodukte-Entwicklung | Demontieren, analysieren und Kosten sparen – der<br />
Bossard Engineering Service optimiert den Entwicklungsprozess und ermöglicht eine<br />
wirtschaftlichere Produktion von Medizingeräten. Expert Teardown ist dabei das Mittel<br />
der Wahl, um die richtigen C-Teile bestmöglich einzusetzen.<br />
Um nicht nur besser,<br />
sondern auch<br />
kostengünstiger<br />
Medizin<strong>technik</strong> zu<br />
entwickeln und zu<br />
fertigen, setzt Bossard<br />
auf den Service<br />
„Expert Teardown“<br />
(Bild: Bossard)<br />
Ein großes MRT-Gerät oder ein hochkomplexes<br />
Laborinstrument – die Anzahl<br />
der hier verbauten Verbindungs- und<br />
Befestigungselemente summiert sich<br />
schnell im zwei- bis dreistelligen Bereich.<br />
Aber sind auch alle notwendig? Kann man<br />
die Anzahl nicht reduzieren und/oder<br />
einzelne Elemente durch bessere, kostengünstigere<br />
Alternativen ersetzen?<br />
Andreas Reiger, der das unternehmensinterne<br />
Team „Medical Technology“<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Verbindungs- und Befestigungs<strong>technik</strong><br />
Services für die Entwicklung von<br />
Medizinprodukten und Geräten<br />
Optimierung von Kosten und Prozessen<br />
Funktionalität und Sicherheit im Blick<br />
bei Bossard Deutschland leitet, bringt es<br />
auf den Punkt: „Es geht immer einfacher,<br />
günstiger und besser. Das betrifft aber<br />
nicht nur die Wahl der richtigen C-Teile,<br />
sondern bezieht die Montage und die Gesamtprozesskosten<br />
mit ein. Dazu gehört<br />
nicht selten auch Überzeugungsarbeit,<br />
denn viele haben die ‚Nische Verbindungs-<br />
und Befestigungs<strong>technik</strong>‘ nicht auf<br />
dem Schirm, weil beispielsweise die Ansprüche<br />
an Qualität, Sicherheit und Zertifizierungen<br />
glauben machen, dass hier ‚eh<br />
nichts möglich ist‘“.<br />
Das Gegenteil ist aber der Fall: Wer sowohl<br />
in der Entwicklung als auch in der<br />
Produktion unter anderem von Updates<br />
und neuen Versionen jedes Verbindungsund<br />
Befestigungselement, jedes Scharnier<br />
und jeden Verschluss genau betrachtet,<br />
kann zum Beispiel eine unnötige Teilevielfalt<br />
und unrunde Prozesse vermeiden,<br />
die hohe versteckte Kosten in einem<br />
Produktionsbetrieb verursachen würden.<br />
Neben den Services „Expert Assortment<br />
Analyses“ (Analyse zur Rationalisierung<br />
von Verbindungselementen) und „Expert<br />
Design“ (Unterstützung bei der Entwicklung)<br />
ist der „Expert Teardown“ ein probates<br />
Mittel und stringenter Ansatz, die<br />
richtigen C-Teile bestmöglich zu verwenden.<br />
Zugrunde liegend ist laut Andreas<br />
Reiger das Bewusstsein, „dass man vielleicht<br />
manche Lösung deshalb außer Acht<br />
ließ, weil man das Problem gar nicht<br />
kannte“. Genau hier setzt der „Expert Teardown“<br />
an.<br />
Demontage und Suche nach<br />
Verbesserungen<br />
Aber der Reihe nach: Beim „Expert Teardown“<br />
wird ein Instrument oder Gerät demontiert<br />
und systematisch auf mögliche<br />
Verbesserungen untersucht. Strukturiertes<br />
Vorgehen ist dabei elementar. Bevor<br />
die Bossard-Expertinnen und -Experten<br />
Hand beziehungsweise ihre Werkzeuge<br />
24 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
anlegen, definieren sie die Rahmenbedingungen<br />
und Anforderungen zum Beispiel<br />
bei einem Elektro-Rollstuhl. Berücksichtigt<br />
werden dabei mechanische Festigkeiten,<br />
Belastungsarten, Korrosion, Wartungsfreundlichkeit,<br />
Sicherheit, Langlebigkeit,<br />
Recyclingfähigkeit, aber auch kollisionsfreie<br />
und effiziente Montagefreundlichkeit,<br />
stets unter Berücksichtigung<br />
der technischen Machbarkeit.<br />
Schrauben, Muttern, Blindnietmuttern,<br />
Niete, Einpressbefestiger, Scharniere,<br />
Verschlüsse und mehr – jedes der Elemente<br />
wird unter die Lupe genommen<br />
und nach seiner Funktionalität analysiert:<br />
Hat es an dieser Stelle Sinn? Gibt es bessere<br />
Alternativen, und zwar nicht nur mit<br />
Blick auf das Produkt selbst, sondern<br />
auch im Kontext zur Konstruktion und mit<br />
welchem Einfluss auf die Montage?<br />
Perfekte Verbindungslösung<br />
entscheidet über Markterfolg<br />
Nach der Zerlegung des Produkts und der<br />
präzisen Analyse im Team erarbeiteten<br />
die Bossard-Experten konkrete Verbesserungsvorschläge<br />
sowie Konstruktionshinweise,<br />
die wiederum signifikante Produktverbesserungen<br />
in Hinblick auf die<br />
Verbindungselemente und die Herstellungs-<br />
und Montagekosten ermöglichen.<br />
Reiger erklärt: „Die perfekte Verbindungslösung<br />
entscheidet über die Qualität,<br />
den Preis und die Wettbewerbsfähigkeit<br />
eines Produkts am Markt. Wir bieten<br />
mit ‘Expert Teardown‘ Unterstützung<br />
durch Lösungs- und Verbesserungsvorschläge.<br />
Diese werden wiederum unter<br />
Zuhilfenahme eines empirischen Total<br />
Cost of Ownership (TCO)-Kalkulators auf<br />
Wirtschaftlichkeit und ROI (Return On<br />
Investment) geprüft. „Kurzum: Mit Bossard<br />
hin zur optimalen Produktlösung.“<br />
Dass Bossard Deutschland im vergangenen<br />
Jahr ein eigenes Team „Medical“<br />
installiert hat, drängte sich für Geschäftsführer<br />
Dr. Daniel Philippe Stier „geradezu<br />
auf, denn: Nur wenige Branchen sind in<br />
ihren Segmenten so verzweigt, so innovativ<br />
und stellen so hohe Qualitätsansprüche.“<br />
Diese hohen Anforderungen hörten<br />
dabei logischerweise bei den kleinsten<br />
Andreas Reiger leitet das Team Medical<br />
Technology bei Bossard Deutschland<br />
Teilen nicht auf. Im Gegenteil: In der Verbindungs<strong>technik</strong><br />
entschieden nicht selten<br />
Zuverlässigkeit, Funktionalität und Sicherheit<br />
eines medizinischen Geräts, Instruments<br />
oder Hilfsmittels.<br />
Die erfahrene Mannschaft wird von<br />
Andreas Reiger geleitet, ihm zur Seite stehen<br />
als Business beziehungsweise Development<br />
Manager Markus Mayer, Dirk<br />
Ockel und Vladan Henkies sowie Sarah<br />
Schneider, Luca Ebhard und Lukas Holitschke.<br />
Sie unterstützen Konstrukteure<br />
und Designer, Hersteller und Produzenten,<br />
OEMs und Start-Ups im weiten Feld<br />
der Medizin<strong>technik</strong>, können im Hinblick<br />
auf die Verbindungs-, Montage- und Befestigungs<strong>technik</strong><br />
alle Fragen beantworten<br />
und die individuell besten Lösungen<br />
finden.<br />
Bei Bedarf halten sich in Deutschland<br />
mehr als 30 weitere Business Development<br />
Manager, Produktmanager sowie<br />
Experten von Vertrieb bis Lager bereit,<br />
ganz zu schweigen von „der Expertise der<br />
ganzen Bossard Gruppe, auf die international<br />
bereits eine stattliche Anzahl von<br />
Global Player in der Medizin<strong>technik</strong> vertrauen“,<br />
so Dr. Stier. „Für unsere Kunden<br />
heißt das: Alles aus der Hand eines persönlichen<br />
Ansprechpartners plus die Gewissheit,<br />
das Know-how eines großen<br />
Teams von ausgewiesenen Spezialisten<br />
nutzen zu können.“<br />
■<br />
Bernhard Krebs<br />
Bossard Deutschland, Illerrieden<br />
(Bild: Bossard)<br />
Für die hohen Qualitätsansprüche in der<br />
Medizin<strong>technik</strong> hat Bossard-Geschäftsführer<br />
Dr. Daniel Philippe Stier ein eigenes Medical-Team<br />
installiert<br />
Zum Unternehmen<br />
Die Bossard Gruppe ist weltweit als<br />
Verbindungs<strong>technik</strong>-Spezialist für<br />
OEMs und Zulieferer tätig. Das Unternehmen<br />
verfügt über Fachwissen<br />
in vielen Märkten. So bietet Bossard<br />
Verbindungselemente für die Entwicklungen<br />
von Medizin<strong>technik</strong>und<br />
Life Sciences-Geräten und Ausrüstungen<br />
– sortiert nach verschiedenen<br />
Anwendungsbereichen. Dazu<br />
gehören beispielsweise Verbindungselemente<br />
für elektromedizinische<br />
Geräte im Operationssaal, für<br />
Chirurgie- und Therapiegeräte auf<br />
Intensivstationen sowie für Life Sciences-<br />
und Laborgeräte.<br />
Beim Expert-Teardown-Service unterziehen<br />
die technischen Fachkräfte<br />
von Bossard das gewünschte Produkt<br />
für die Analyse der Bauteilkomplexität<br />
einer genauen Untersuchung.<br />
Ziel des Services ist es, die<br />
Funktionalität zu verstehen und<br />
dann das jeweilige Kosteneinsparpotenzial<br />
und mögliche Verbesserungen<br />
in den Bereichen Qualität<br />
und Zuverlässigkeit zu erfassen.<br />
Zum Unternehmen:<br />
www.bossard.com<br />
Zum Expert Teardown Service:<br />
www.bossard.com/de-de/<br />
assembly-technology-expert/<br />
expert-teardown/<br />
(Bild: Bossard)<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 25
■ [ TECHNIK ]<br />
Viele Materialien an Prothesen mit<br />
demselben Klebstoff sicher verbinden<br />
Kleben in der Orthopädie<strong>technik</strong> | Metall, Carbonfaser, Kunststoff. Leder, Textil,<br />
Schaumstoff. Damit eine Prothese oder Orthese genau zum Patienten passt, müssen<br />
Teile aus vielen Materialien schnell und sicher miteinander verbunden werden.<br />
Gottinger Orthopädie<strong>technik</strong> hat dafür den geeigneten Klebstoff gesucht und mit<br />
Unterstützung von Ruderer die passende Lösung gefunden.<br />
Eine Prothese muss individuell an<br />
den Träger angepasst sein. Dafür<br />
setzten Orthopädie<strong>technik</strong>er moderne<br />
Werkstoffe und Herstellverfahren<br />
ein. Das Kleben ist dabei<br />
wichtig, um Teile sicher und schnell<br />
mit einander zu verbinden<br />
Mit Carbon und Metall allein ist es aber<br />
nicht getan. Bestimmte Teile von Orthesen<br />
und Prothesen werden von innen gepolstert,<br />
um die Haut einzubetten und<br />
den direkten Kontakt mit der harten Orthesenschale<br />
zu verhindern. Der ideale<br />
Klebstoff hierfür soll das Polstermaterial<br />
schnell fixieren.<br />
(Bild: Gottinger)<br />
Passgenaue Orthesen und Prothesen,<br />
die der individuellen Anatomie von<br />
Patienten entsprechen, entstehen aus verschiedenen<br />
Materialien. In Frage kommen<br />
thermoplastische Kunststoffe, Faserverbundstoffe<br />
und Metalle, Hightech-<br />
Funktionsfasern, Leder sowie Textilien in<br />
verschiedenen Materialkombinationen,<br />
die es zu verbinden gilt. Um die bestmögliche<br />
Produktqualität zu erzielen und die<br />
Herstellung zu vereinfachen, suchten die<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Kleben in der Orthopädie<strong>technik</strong><br />
Zahlreiche Materialien und<br />
Kombinationen daraus verbinden<br />
Beratung bei der Klebstoffauswahl<br />
Auf neue Herausforderungen vorbereitet<br />
Fachleute der F. Gottinger Orthopädie<strong>technik</strong><br />
GmbH in Zorneding nach wenigen,<br />
aber guten Klebstoffen, die allen Anforderungen<br />
der Orthopädie<strong>technik</strong> entsprechen.<br />
Oder noch lieber nach einem<br />
Klebstoff, dem „Klebstoff für alles“, der<br />
die Bandbreite der Materialkombinationen<br />
möglichst vollständig abdeckt.<br />
So ein Klebstoff muss eine Vielzahl von<br />
Eigenschaften aufweisen. Dazu gehört<br />
das Fixieren der aus Metall bestehenden<br />
Gelenksysteme einer Orthese am Carbon-<br />
Rahmen. Ein solcher Klebstoff muss dem<br />
Anwender genug Zeit lassen, um die Teile<br />
zu positionieren, aber dann mit hoher Anfangsfestigkeit<br />
punkten. Auch auf senkrechten<br />
Flächen oder dreidimensional<br />
verformten Teilen soll er seine Klebkraft<br />
entfalten können – und das Ablaufen des<br />
Klebstoffes war ein Ausschlusskriterium.<br />
Große Spaltbreiten sollte er weich und<br />
flexibel zusammenfügen können.<br />
PE-Schaumstoff ist eine<br />
Herausforderung beim Kleben<br />
So gepolstert sind zum Beispiel die teils<br />
dreidimensionalen Schäfte von Orthesen<br />
und Prothesen. Deren Grundmaterial sind<br />
Perlontrikotschlauch-Lagen und eine<br />
Acryl -Matrix. Hier schafft eine Schicht<br />
aus Polyethylen-Schaumstoff mehr Tragekomfort.<br />
Da Polyethylen (PE), wie Polypropylen<br />
(PP) oder auch Polyoxymethylen<br />
(POM), zu den schwer verklebbaren<br />
Kunststoffen zählt, war hier ein Klebstoff<br />
gefordert, der auf diesen Materialien haftet,<br />
kaum thermoplastische Verformung<br />
zulässt und mit Lösungsmittel wieder ablösbar<br />
ist.<br />
Bisher verbrachten die Entwickler bei<br />
Gottinger nicht wenig Zeit damit, für<br />
neue Aufgaben die jeweils passenden<br />
Klebstoffe zu finden. Nun haben sie Ansprechpartner,<br />
mit deren Hilfe sich dieser<br />
Aufwand reduzieren lässt, und diese sitzen<br />
gerade mal zwei Straßen weiter: Die<br />
Fachleute der Ruderer Kleb<strong>technik</strong> GmbH<br />
haben sich auf hochwertige Industrie-<br />
Klebstoffe spezialisiert und sind ebenfalls<br />
in Zorneding ansässig. Neben der hauseigenen<br />
Marke Technicoll gehören Klebstoffe<br />
andere Hersteller zum Sortiment, da-<br />
26 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
(Bild: Gottinger)<br />
Orthopädie<strong>technik</strong>ermeister Francisco<br />
Martins hat sich auf der Suche nach einem<br />
möglichst vielseitig einsetzbaren Klebstoff<br />
an die Experten von Ruderer Kleb<strong>technik</strong><br />
gewandt. Für die Zukunft sieht er sich mit<br />
der Auswahl nun gut gerüstet<br />
runter Araldite, H.B. Fuller, Sika, 3M, Panacol,<br />
Lord, Kömmerling, Born2Bond<br />
(Bostik), Loctite, Teroson, Otto-Chemie,<br />
Weiss-Chemie und Drei Bond.<br />
Beratung und Testklebungen<br />
erleichtern die Entscheidung<br />
Mit seinem Anliegen aus der Orthopädie<strong>technik</strong><br />
profitierte Gottinger nun nicht<br />
nur vom Know-how des Nachbarunternehmens.<br />
Orthopädie<strong>technik</strong>ermeister<br />
und MSc Neuroorthopädie Francisco Martins,<br />
der seit 1997 bei der Gottinger arbeitet,<br />
lobt auch „die gute Zusammenarbeit“<br />
sowie die Schnelligkeit und Zuverlässigkeit<br />
der Klebstoffexperten. Dass bei Bedarf<br />
Testklebungen bei Ruderer möglich<br />
sind oder die Klebstoffexperten vor Ort<br />
beraten, sei bei spezifischen Anforderungen<br />
von Vorteil gewesen.<br />
Ein Spezialfall sind zum Beispiel<br />
schnelle Reparaturen. War man hier früher<br />
noch zu 100 % aufs Nieten, Schrauben<br />
und Bohren angewiesen, halten heute<br />
Spezialklebstoffe als Ergänzung und Ersatz<br />
zu den herkömmlichen Verbindungstechnologien<br />
Einzug. Auch orthopädische<br />
High-Tech-Produkte wie Ganzbeinorthesen<br />
lassen sich zum Teil innerhalb von nur<br />
einer Woche fertigen. Wichtig beim Kleben<br />
sind hier eine schnelle Aushärtung,<br />
eine gute Fließfähigkeit und eine glas -<br />
klare Farbe, um die Optik des Produktes<br />
nicht durch den Klebstoff zu beeinträch -<br />
tigen.<br />
Als Lösung für all diese Anforderungen<br />
kristallisierte sich schließlich der Kontaktklebstoff<br />
Helmitin Formel 1 des Herstellers<br />
H.B. Fuller heraus. Dieser flüssige,<br />
lösemittelhaltige Spezialkleber ist hochelastisch<br />
und wird als 1- und 2-Komponenten-Kontaktklebstoff<br />
angeboten. Er<br />
haftet auf nahezu allen in der Orthopädie<strong>technik</strong><br />
verwendeten Materialien –<br />
auch auf Kork, Leder, Lederfaserstoff,<br />
EVA bis hin zu Textilien und Filz.<br />
Der Klebstoff ermöglicht einen flexiblen<br />
Fugenzustand und ist beständig gegen<br />
Wärme, Weichmacher und Feuchtigkeit.<br />
Seine Lagerfähigkeit von einem Jahr<br />
bei Raumtemperatur macht ihn für die<br />
Orthopädie<strong>technik</strong> besonders interessant.<br />
Helmitin Formel 1 hat eine Kontakt -<br />
klebezeit von 120 min, was den Orthopädie<strong>technik</strong>ern<br />
genug Zeit zum Arbeiten<br />
einräumt. Die Ablüftezeit beträgt 5 bis<br />
60 min. Der lösemittelhaltige Kontaktklebstoff<br />
muss nicht extra angemischt<br />
werden und wird auf beide Fügeteile aufgetragen.<br />
Während der Ablüftezeit verdunstet<br />
der Großteil des Lösemittels. Danach<br />
lassen sich beide Teile fügen und mit<br />
einem kurzen hohen Druck verbinden.<br />
Für die Herstellung der Prothesen und<br />
Orthesen hat das Unternehmen Gottinger<br />
den Faktor Zeit beim Kleben im Blick: „Da<br />
keine Vorbehandlung nötig ist, lassen sich<br />
komplexe Arbeitsvorgänge in der Orthopädie<strong>technik</strong><br />
ohne großen Zeitaufwand<br />
komfortabel umsetzen“, berichtet Martins.<br />
„Vom ersten Formabdruck bis hin zur<br />
Über den Anwender<br />
Die F. Gottinger Orthopädie<strong>technik</strong><br />
GmbH in Zorneding verfügt über<br />
120 Jahre Erfahrung in der Herstellung<br />
von technischen Hilfsmitteln.<br />
Dazu gehören Kopforthesen, dynamische<br />
und statische Fuß-, Beinund<br />
Armorthesen über Korsette bis<br />
hin zu Prothesen. Jedes Produkt wird<br />
individuell gefertigt und ist Maßarbeit.<br />
Jährlich verlassen etwa 1.500<br />
Orthesen und Prothesen die Orthopädischen<br />
Werkstätten.<br />
Einen Namen gemacht hat sich das<br />
Unternehmen bei der Versorgung<br />
von Kindern mit neurologischen<br />
Krankheitsbildern wie Spina bifida<br />
(Fehlbildung der Wirbelsäule), ICP<br />
(Störung des Nerven- und Muskelsystems)<br />
und Polio (Kinderlähmung).<br />
Dafür haben die Mitarbeiter<br />
unter anderem neuartige Passteile<br />
entwickelt.<br />
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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 27<br />
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■ [ TECHNIK ]<br />
(Bild: Gottinger)<br />
Fertigstellung einer Orthese oder Prothese<br />
ist durch den Einsatz des leistungsfähigen<br />
Industrieklebstoffs eine deutliche<br />
Zeitersparnis möglich.“<br />
Als vorteilhaft erwies sich auch die Ablösbarkeit.<br />
Denn trotz seiner hohen Klebekraft<br />
kann Helmitin Formel 1 mithilfe des<br />
Lösemittels Helmitin 676/2 wieder von<br />
den Materialien entfernt werden. Das ist<br />
in der Orthopädie<strong>technik</strong> wichtig, weil<br />
durch Wachstumsschübe oder Operationen<br />
immer wieder Anpassungen am Produkt<br />
notwendig sind.<br />
Allerdings hat die Analyse der Anforderungen<br />
gezeigt, dass „ein“ Klebstoff<br />
dann doch nicht für alle Anwendungsfälle<br />
in der Orthopädie<strong>technik</strong> ausreicht. Für<br />
die besondere Herausforderung beim Kleben<br />
hochfester Materialien wie Metallen<br />
mit Verbundwerkstoffen wie Carbon-Prepreg<br />
setzen die Zornedinger heute auf<br />
den 2-K-Klebstoff Agomet F 330. Dieser<br />
kalthärtende Klebstoff auf Methacrylatbasis<br />
hat eine Fügezeit von 10 min und<br />
zeigt eine sehr gute Zugscher- und Schälfestigkeit<br />
– auch ohne aufwendige Vorbehandlung<br />
der Fügeteile.<br />
In Kombination mit Agomet F 330 Härterpulver<br />
oder der Härtepaste können Fugendicken<br />
von 5 mm und mehr überwunden<br />
werden. Dadurch, dass Agomet F 330<br />
Temperaturen zwischen –40 °C und<br />
+130 °C standhält, eignet er sich sehr gut<br />
für die in der Orthopädie unter Hitze verarbeiteten<br />
Formteile. Auch mehrlagige<br />
Konstruktionen werden damit zu beständigen<br />
und wärmefesten Einheiten.<br />
Für kleine Reparaturen, zum Beispiel<br />
Wenn die eigene Muskelkraft fehlt, stabilisieren<br />
Unterschenkel orthesen das Knöchelgelenk<br />
und unterstützen die Fußhebung.<br />
Insbesondere Kinder profitieren von dieser<br />
Bewegungsfreiheit<br />
(Bild: Gottinger)<br />
an Innenschäften oder Schuhsohlen,<br />
schwört man bei Gottinger auf den Sekundenkleber<br />
Technicoll 9556. Diesen<br />
niedrigviskosen Cyanacrylat-Klebstoff hat<br />
Ruderer Kleb<strong>technik</strong> speziell für Gummi<br />
und EPDM-Verbindungen (Moosgummi)<br />
entwickelt, er haftet aber genauso gut auf<br />
Metall, Keramik und Kunststoffen.<br />
Durch wenige geeignete<br />
Klebstoffe<br />
lassen sich zahlreiche<br />
Materialkombinationen<br />
miteinander<br />
verbinden. Das<br />
beschleunigt die<br />
Herstellung und<br />
spart auch Zeit, die<br />
bisher für die oft<br />
langwierige Suche<br />
nach dem richtigen<br />
Klebstoff aufgewendet<br />
werden<br />
musste<br />
Spezialklebstoff als<br />
Hilfe für alle Fälle<br />
Bei Gottinger dient dieser Spezialkleber<br />
als Universalhilfe. Er kommt rund um den<br />
Anpassungsprozess immer dann zum Einsatz,<br />
wenn es um passgenaue, sehr kleine<br />
Fügeflächen oder Bauteile geht, die in Sekundenschnelle<br />
geklebt oder fixiert werden<br />
müssen.<br />
Da Orthesen und Prothesen ein Leben<br />
lang halten sollten, floss auch das Thema<br />
Nachhaltigkeit in den Entscheidungsprozess<br />
der Orthopädie<strong>technik</strong>er ein. Sowohl<br />
Helmitin Formel 1 als auch der Klebstoff<br />
Agomet F330 bieten mehr Materialeffizienz:<br />
Genau das Material, das andernfalls<br />
durch Schweißen, Bohren oder Nieten<br />
verloren gegangen wäre, lässt sich damit<br />
einsparen. Die hohe Leistungsfähigkeit<br />
trägt auch zur Langlebigkeit der Produkte<br />
bei – wobei deren „Haltbarkeit“ laut<br />
Europäischer Verordnung (MDR – Medical<br />
Device Regulation) auf einige Jahre<br />
beschränkt ist, damit sicherheitsrelevante<br />
Aspekte gewahrt bleiben.<br />
Und wie sieht es mit neuen Technologien<br />
wie dem 3D-Druck für die Orthopädie<strong>technik</strong><br />
aus? Zwar arbeite man bereits<br />
mit diesem Verfahren, sagt Francisco Martins,<br />
und vermutlich werde das in Zukunft<br />
auch mehr werden. Insbesondere Orthesen<br />
und Prothesen seien aber hohen,<br />
wechselnden Belastungen ausgesetzt. Sie<br />
dürfen dennoch weder ihre Form noch ihre<br />
Rotationsstabilität verlieren. Materialien,<br />
die heute für die Additive Fertigung<br />
verfügbar sind, hielten diesen Anforderungen<br />
oft nicht stand.<br />
Ob die additive Fertigung die konventionelle<br />
Bauart in naher Zukunft ersetzen<br />
wird, hängt laut Martins vom Therapieziel<br />
und den Orthopädie<strong>technik</strong>ern ab.<br />
Die individuelle Anfertigung im 3D-Drucker<br />
verkürze zwar den Herstellungsprozess<br />
und ermögliche mehr Individualität.<br />
„Andere Prozesse in der Additiven Fertigung<br />
hingegen, wie das Konstruieren,<br />
Drucken, Formen und Färben, nehmen<br />
bislang aber noch sehr viel Zeit in Anspruch.“<br />
Seiner Meinung nach werde<br />
„nichts das manuelle Herstellungsverfahren<br />
ersetzen“. Und mit den Hochleistungsklebstoffen<br />
spart Gottinger inzwischen<br />
viel Zeit bei der Herstellung der<br />
Prothesen und Orthesen.<br />
Dass er und sein Team heute mit nur einem,<br />
maximal drei Klebstoffen auskommen,<br />
ist das Resultat innovativer Denkansätze.<br />
Francisco Martins blickt daher gelassen<br />
in die Zukunft. „Die von uns eingesetzten<br />
Klebstoffe sind aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach ausreichend, um auch kommende<br />
Herausforderungen bestens zu<br />
meistern.“<br />
(op) ■<br />
Weitere Informationen<br />
Die Ruderer Kleb<strong>technik</strong> GmbH in<br />
Zorneding bietet eine herstellerunabhängige<br />
Beratung zu Klebeprojekten.<br />
Probeklebungen, Alterungstests,<br />
die Modifikation von Klebstoffen<br />
oder das Lohnkleben gehören<br />
zum Portfolio.<br />
www.ruderer.de<br />
28 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Passendes Gehäuse<br />
für Beatmungssensor<br />
Spezialgehäuse | Für einen Sensor, der beim Beatmungstraining<br />
Echtzeit-Feedback ermöglicht, haben<br />
Gehäuseexperten die passende Lösung entwickelt.<br />
Zwischen Beutel und Maske steckt der Sensor Qubeairflow<br />
und liefert sofort ein Feedback zur Beatmung<br />
(Bild: OKW)<br />
Manchmal ist eine individuelle Gehäuse-Lösung erforderlich:<br />
Solch einen Anwendungsfall gab es bei der badenwürttembergischen<br />
Skillqube GmbH. Das Unternehmen aus<br />
Rauenberg entwickelt Lösungen für Simulationen und Trainings<br />
in der klinischen und präklinischen Versorgung.<br />
Für einen Sensor, der es ermöglicht, ein Echtzeit-Feedback bei<br />
der Beatmung zu geben, brauchten die Fachleute von Skillqube<br />
ein passendes Gehäuse. In Zusammenarbeit mit den Gehäuseexperten<br />
von OKW entstand der Qubeairflow. Für so eine maßgeschneiderte<br />
Entwicklung, inklusive Werkzeuglösungen, wird das<br />
Know-how der OBT Bearbeitungs<strong>technik</strong> gebraucht. Diese ist ein<br />
Geschäftsbereich der OKW Gehäusesysteme GmbH in Buchen/<br />
Odw.<br />
Der Beatmungssensor soll im Beatmungstraining hohe Präzision<br />
bieten. Er unterstützt Trainierende dabei, eine ausreichende Beatmung<br />
zu üben und zugleich Hyperventilationen zu verhindern.<br />
Dabei geben Echtzeit-Daten ein visuelles Beatmungsfeedback<br />
auf dem simulierten Patienten-Monitor aus.<br />
Der Qubeairflow wird zwischen Beutel und Maske aufgesteckt.<br />
Über Bluetooth verbindet er sich mit dem EKG-Monitor, der die<br />
Daten auch an das Controller Tablet sendet.<br />
Trainierende und Instruktoren können so die Beatmung in Echtzeit<br />
überwachen und die im Logbuch gespeicherten Daten für<br />
das Debriefing nutzen.<br />
https://de.skillqube.com/; www.okw.com<br />
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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 29
■ [ TECHNIK ]<br />
Lebensrettende Energie<br />
auch im Notfall sicherstellen<br />
Stromversorgung | Bei lebenserhaltenden Medizinprodukten ist es unerlässlich, dass<br />
sie auch im Erstfehlerfall weiterarbeiten oder zumindest das medizinische Personal<br />
informieren können. Fällt die externe Stromversorgung aus, ist ein interner Energiespeicher<br />
wie ein Akku und ein intelligentes Power Management notwendig.<br />
Insbesondere auf<br />
Intensivstationen<br />
muss die Stromversorgung<br />
absolut zuverlässig<br />
sein. Der<br />
Einsatz von Batterien<br />
sowie Power<br />
Management kann<br />
Leben retten<br />
(Bild: Kiryl Lis/stock.adobe.com)<br />
IHR STICHWORT<br />
■ Power Management<br />
■ Medizingeräte-Entwicklung<br />
■ Akku<br />
■ Redundanz<br />
■ Erstfehler<br />
Die Normen schreiben vor, dass ein lebenserhaltendes<br />
Medizingerät im<br />
Erstfehlerfall, nach dem Auftreten des<br />
Fehlers, weiterhin akustisch alarmieren<br />
kann. Zum Beispiel die ISO 80601-2-84<br />
für Notfallbeatmungsgeräte verlangt noch<br />
mindestens 120 Sekunden. Dies erfordert<br />
neben einem redundanten Alarmsystem<br />
auch eine redundante Energieversorgung,<br />
üblicherweise in Form einer Batterie,<br />
Akkus oder Superkondensators<br />
(EDLC). Die Anforderung an die Energieversorgung<br />
muss von Anfang an im Design<br />
berücksichtigt werden, um eine teure<br />
Nachrüstung zu vermeiden. Dabei kann<br />
es bereits bei der Definition des Wortes<br />
Redundanz zu Unsicherheiten kommen.<br />
Denn ist das Gerät für einen mobilen Einsatz<br />
spezifiziert, ist das Ausstecken der<br />
Netzversorgung kein Fehlerfall, sondern<br />
eine normale Anwendung. Somit werden<br />
zwei unabhängige interne Energiequellen<br />
benötigt. Darf zudem ein Akku im Betrieb<br />
ausgetauscht werden, kann die Risikobetrachtung<br />
unter Umständen sogar drei interne<br />
Speicher erfordern.<br />
Mehrere unabhängige Energiequellen<br />
zu besitzen, ist eine nötige, aber noch lange<br />
keine hinreichende Bedingung, um<br />
auch im Erstfehlerfall das Alarmsystem<br />
mit Strom versorgen zu können. Denn gerade<br />
Backupsysteme verwenden naturgemäß<br />
Energie jeder verfügbaren Quelle<br />
wie Netzteil, Akku oder Superkondensator.<br />
Ist die Zusammenführung der Quel-<br />
len falsch ausgeführt, zum Beispiel mit<br />
einfachen Dioden, kann ein Kurzschluss<br />
im Backupsystem auch alle Quellen kurzschließen.<br />
Hier ist darauf zu achten, dass<br />
auf jedem Pfad eine eigene Strombegrenzung<br />
implementiert wird, um den fehlerhaften<br />
Teil vom System abzukoppeln und<br />
einen totalen Blackout zu vermeiden. Zudem<br />
muss die Strombegrenzung schnell<br />
genug reagieren, bevor sekundäre Systeme<br />
wie die Schutzschaltung des Akkus<br />
eingreifen.<br />
Wechsel zwischen den<br />
Energiequellen berücksichtigen<br />
Weitere Stolperfallen sind Funktionen,<br />
die im normalen Anwendungsfall nicht<br />
verwendet und deshalb bei der Fehleranalyse<br />
oft vergessen werden. Zum Beispiel<br />
soll der Power Manager das System ausschalten<br />
und neu starten können, falls die<br />
Software nicht mehr reagiert und das reguläre<br />
Ausschalten über den Touchscreen<br />
30 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
(Grafik: IMT)<br />
Fehler in der Stromversorgung: Die schematische Darstellung zeigt die Fehlerausbreitung mit und ohne Überstrombegrenzung<br />
nicht mehr funktioniert. Der von Consumerprodukten<br />
bekannte und gerne verwendete<br />
Trick, den Einschaltknopf 10 Sekunden<br />
gedrückt zu halten, ist praktisch<br />
und bei einigen Power Management ICs<br />
bereits integriert. In lebenserhaltenden<br />
Medizingeräten kann dies jedoch tödlich<br />
sein. Denn es reicht ein defekter Taster,<br />
Buffer oder IO-Pin, um das ganze System<br />
zurückzusetzen – je nach Implementation<br />
sogar ohne Alarm. Auch Anwendungsfehler<br />
sind zu beachten. Wird das Gerät gegen<br />
eine Wand geschoben, kann der Taster<br />
unbemerkt dauerhaft betätigt werden.<br />
Fällt eine Energiequelle unerwartet<br />
aus, muss das Power Management sehr<br />
schnell umschalten, damit die Systemspannung<br />
nicht zu weit absinkt. Bei suboptimaler<br />
Umsetzung sind große Kondensatoren<br />
erforderlich, um die Pause zu<br />
überbrücken. Kondensatoren im Milli -<br />
farad-Bereich sind jedoch nicht nur teuer,<br />
sondern benötigen auch Platz, der im mechanischen<br />
Design oft nicht eingeplant<br />
ist. Grund dafür: Das Verhalten kann erst<br />
mit dem lauffähigen Prototyp festgestellt<br />
werden. Bis dahin ist das mechanische<br />
Design meist weit fortgeschritten.<br />
Zudem müssen die Kondensatoren<br />
auch wieder geladen werden. Geschieht<br />
dies zu schnell, wird kurzzeitig mehr<br />
Energie verbraucht als im normalen Betrieb.<br />
Die muss ebenfalls berücksichtigt<br />
werden , um nicht eine Überstrombegrenzung<br />
zu triggern. Ein Hot Swap von Akkus,<br />
also ein Akku-Tausch im laufenden<br />
Betrieb, erzeugt große Stromspitzen, die<br />
durch lange Leitungen oder Filterinduktivitäten<br />
ihrerseits große Spannungsspitzen<br />
erzeugen. Ohne Varistor oder gleichwertige<br />
Schutzelemente kann die maximal zulässige<br />
Versorgungsspannung überschritten<br />
werden – mit katastrophalen Folgen.<br />
Zuverlässigkeit und Resilienz -<br />
durchdachtes Design hilft<br />
Doch auch das auf dem Papier ideale Design<br />
ist im Alltag unbrauchbar, wenn die<br />
Schaltung nach nur wenigen Jahren den<br />
Dienst versagt. Bauteile wie Akkus, Superund<br />
Elektrolytkondensatoren haben eine<br />
begrenzte Lebensdauer, die stark von der<br />
Temperatur beeinflusst wird. Zum Beispiel<br />
halbiert sich die Lebensdauer eines<br />
Superkondensators pro 10 °C höherer<br />
Temperatur. Hier hilft ein durchdachtes<br />
thermisches Design, um die kritischen<br />
Bauteile direkt mit der kühlen Umgebungsluft<br />
zu umströmen und nicht die<br />
warme Abluft von einem Prozessor oder<br />
anderen Leistungsbauteilen zu verwenden.<br />
Gerade bei Elektrolytkondensatoren<br />
kommt hinzu, dass diese für die beste<br />
Wirksamkeit möglichst nahe an einer Last<br />
wie einem DC/DC-Wandler platziert werden<br />
sollten. Erwärmt sich der DC/DC-<br />
Wandler im Betrieb, ist dieser über das<br />
PCB thermisch mit dem Kondensator verbunden,<br />
wodurch die Arbeitstemperatur<br />
des Kondensators weit über die Umgebungstemperatur<br />
ansteigen kann.<br />
Auch sollte das Design möglichst resilient<br />
gegenüber Anwenderfehlern sein. So<br />
kann es durchaus vorkommen, dass zum<br />
Beispiel verschmutzte Filtermatten nicht<br />
gereinigt oder einfach entfernt werden.<br />
Dadurch kann sich Staub und Schmutz<br />
auf der Leiterplatte ansammeln, welcher<br />
je nach Umgebung leitfähige Partikel enthält<br />
oder durch zu hohe Luftfeuchtigkeit<br />
leitfähig wird. Eine Beschichtung mit<br />
Lack für die kritischen Stellen kann hier<br />
Abhilfe schaffen.<br />
Die hier aufgezeigten Grundsätze sind<br />
nur ein selektiver Auszug aus den Anforderungen<br />
der IEC 60601-1 und den produktspezifischen<br />
Normen. Je nach Geräteklasse<br />
und Land können weitere Anforderungen<br />
hinzukommen oder wegfallen.<br />
Auf jeden Fall lohnt sich eine ausführliche<br />
Normenrecherche, bevor das Power-Management-Konzept<br />
erstellt wird. ■<br />
Stefan Zoller<br />
IMT Information Management Technology,<br />
Buchs/Schweiz<br />
Weitere Informationen<br />
Zum Schweizer Partner für die<br />
Beratung , Konzepterstellung,<br />
Produktentwicklung und<br />
Regulatory Services von<br />
innovativen Medizingeräten :<br />
www.imt.ch<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 31
■ [ TECHNIK ]<br />
Je weniger Rückstände auf der Oberfläche von Instrumenten zurückbleiben, desto einfacher ist das Reinigen und<br />
Sterilisieren des Bestecks. Der Lotuseffekt, der sich künstlich erzeugen lässt, trägt dazu bei<br />
(Bild: nimon_t/stock.adobe.com)<br />
UKP-Laser: Lotus-Effekt<br />
auf Instrumenten für die Chirurgie<br />
Lotuseffekt durch Licht | Wie lassen sich mittels UKP-Laser superhydrophobe Ober -<br />
flächen auf einem Chirurgieinstrument erzeugen? Das haben Mitarbeiter der Hochschule<br />
Furtwangen am Beispiel einer Nahtschere getestet. Die optimalen Parameter<br />
wollen sie künftig mit einer Fünf-Achs-Laserbearbeitungsanlage ausarbeiten. Eine<br />
Erkenntnis: Die Oberfläche verändert sich nach der Bearbeitung noch.<br />
Eine geniale Eigenschaft, die die Evolution<br />
hervorgebracht hat, ist der so<br />
genannte Lotuseffekt: Die Blattoberfläche<br />
der Lotus-Pflanze wird von Wasser nicht<br />
benetzt. Das liegt an einer Kombina tion<br />
von Mikro- und Nanostrukturen, die eine<br />
hydrophobe Oberfläche entstehen lassen.<br />
Für viele biomedizinische Anwendungen<br />
ist diese Eigenschaft sehr interessant.<br />
Solche Oberflächen lassen sich auch<br />
künstlich mit dem Laser erzeugen – zum<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Künstlich erzeugte Strukturen machen<br />
Oberflächen hydrophob<br />
Interessant für Endoskope, Instrumente<br />
und die Interaktion mit Zellen<br />
Parameter für die Fertigung getestet<br />
Beispiel auf technischen Materialien. Damit<br />
erhalten zum Beispiel medizinische<br />
Implantate selbstreinigende Eigenschaften.<br />
Eine künstliche superhydrophobe<br />
Oberfläche ermöglicht auch eine kontrollierte<br />
zelluläre Interaktion oder Protein -<br />
adsorption und beeinflusst bakterielles<br />
Wachstum.<br />
Lotus-Effekt: Blut und andere<br />
Flüssigkeiten haften weniger<br />
In medizinischen Instrumenten wie Geräten<br />
zum Verabreichen von Medikamenten,<br />
Diagnose- und Operationsinstrumenten<br />
ist der Effekt ebenfalls von Nutzen:<br />
Für den Chirurgen ist es von Vorteil, wenn<br />
kein Blut oder andere Körperflüssigkeiten<br />
am Werkzeug haften und so die Sicht beeinträchtigen.<br />
Wenn weniger Rückstände<br />
auf der Oberfläche zurückbleiben, vereinfacht<br />
das auch das Reinigen und Sterilisieren<br />
des Bestecks.<br />
In einem aktuellen Projekt wurde nun<br />
die Technik weiterentwickelt und eingesetzt,<br />
um die Passflächen einer Nahtschere<br />
aus einer Stahllegierung zu strukturieren.<br />
Die Strukturen machen die Spitze der<br />
Schere besser sichtbar, und diese lässt<br />
sich auch einfacher reinigen. Die Technologie<br />
lässt sich, abgesehen von der Schere,<br />
aber auch auf viele weitere Bereiche der<br />
Medizin<strong>technik</strong> übertragen.<br />
Neu an dem im Projekt gewählten Ansatz<br />
war der Einsatz von UKP-Lasern, also<br />
ultrakurz gepulsten Lasern, die besonders<br />
viel Kontrolle beim Bearbeiten vieler medizinisch<br />
relevanter Werkstoffe ermöglichen<br />
– von Kunststoffen über Metalllegierungen<br />
bis hin zu Keramiken. Damit lassen<br />
sich Nanostrukturen erzeugen, die<br />
von der Größe her den winzigen Härchen<br />
der Lotusblume ähneln.<br />
Um den hydrophoben Effekt auf einer<br />
Oberfläche gemäß dem Vorbild aus der<br />
32 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Natur künstlich zu erzeugen, muss die<br />
Oberflächenenergie an der Kontaktfläche<br />
eines flüssigen Mediums mit einer festen<br />
Grenzfläche verändert werden. Meist geschieht<br />
dies, indem Multiskalenstrukturen<br />
im Mikro- und Nanobereich induziert<br />
werden – oder durch verschiedene Beschichtungs<strong>technik</strong>en.<br />
Man spricht dabei<br />
von so genannten Laser-Induced Periodic<br />
Surface Structures (Lipss).<br />
Solch Strukturen sind jedoch sehr<br />
empfindlich gegenüber mechanischen<br />
und chemischen Einflüssen. Deshalb<br />
sollte die Mikrostruktur zusätzlich durch<br />
eine Makrostruktur geschützt werden.<br />
Auch hierfür liefert das Lotusblatt die Vorlagen.<br />
Um die geeigneten Parameter zu finden,<br />
mit denen sich hierarchische Mikround<br />
Makrostrukturen mit dem UKP-Laser<br />
erzeugen lassen, standen zu Beginn<br />
Grundlagenuntersuchungen an. Auf flachen<br />
Proben aus Metall sollten unterschiedliche<br />
Mustern entstehen. Dabei<br />
kam es auf die richtigen Laserparameter<br />
und die passenden Bestrahlungsstrategien<br />
an.<br />
Richtige Pulsenergie für die<br />
multiskalige Mikrostruktur<br />
Bei den Untersuchungen hat sich eine<br />
mittlere Laserabtragsleistung von etwa<br />
2,5 W als Ablationsschwellwert er wiesen.<br />
Bei der gegebenen Pulsbreite entspricht<br />
das einer Pulsenergie von etwa 6 µJ. Mit<br />
wesentlich größeren Puls energiewerten<br />
von bis zu 17,5 µJ wurden die Proben im<br />
Mikrobereich strukturiert. Hier fehlte jedoch<br />
noch das Multiskalenmerkmal, das<br />
erst die hydrophoben Eigenschaften der<br />
Oberfläche hervorruft.<br />
Multiskalige Mikrostrukturen und entsprechend<br />
hydrophobe Eigenschaften waren<br />
mit einer Pulsenergie von etwa<br />
8,75 µJ zu erreichen, was leicht über der<br />
Ablationsschwelle liegt und einer durchschnittlichen<br />
Laserleistung von 3,5 W entspricht.<br />
Es hat sich aber gezeigt, dass nicht nur<br />
die Laserpulsenergie eine Rolle spielt.<br />
Entscheidend für das Erzeugen einer hierarchischen<br />
Mikrostruktur sind auch<br />
• die Scangeschwindigkeit,<br />
• der Abstand der Musterschraffur und<br />
• die Anzahl der Wiederholungen.<br />
Dementsprechend wurde die signi -<br />
fikanteste multiskalige Mikrostruktur mit<br />
einer Laserleistung von 3,5 W, einer Scangeschwindigkeit<br />
von 1000 mm/s, einem<br />
Schraffurabstand von 30 µm sowie einer<br />
Wiederholungszahl von 160 erreicht.<br />
Auf das Zusammenspiel zwischen Mirkostruktur<br />
und Makrostruktur kommt es<br />
an, um einen hydrophoben Effekt zu erreichen.<br />
Die größeren Strukturen auf der<br />
Oberfläche dürfen nicht zu nahe bei -<br />
einanderliegen – obwohl sie allein keine<br />
hydrophoben Eigenschaften hervorrufen.<br />
Die sekundären kleinräumigen Mikround<br />
Nanostrukturen (Lipss) hingegen<br />
sind die entscheidende Oberflächen -<br />
textur.<br />
Welche superhydrophoben Eigenschaften<br />
mit den oben genannten Parametern<br />
an der Oberfläche zu erzielen waren, ließ<br />
sich mit mikroskopischen Messungen<br />
nachweisen. Dass die Umgebungsatmosphäre<br />
die funktionalen Eigenschaften<br />
von laserbehandelten Oberflächen beeinflusst,<br />
ist in der Literatur bereits behandelt<br />
worden und hat sich hier bestätigt.<br />
Mehrere Messungen mit zeitlichem<br />
Abstand zeigten, dass die Oberfläche ihre<br />
Eigenschaften nach der Bearbeitung verändert.<br />
Man kommt also eventuell erst<br />
Stunden, Tage oder gar Wochen nach dem<br />
Bearbeiten zum gewünschten Ergebnis.<br />
Eine nachgelagerte Wärmebehandlung<br />
führte jedoch in einer deutlich kürzeren<br />
Zeit zu reproduzierbareren Ergebnissen.<br />
Die an flachen metallischen Bauteilen<br />
gesammelten Erfahrungen haben die am<br />
Projekt Beteiligten dann auf freiförmige<br />
medizinische Bauteile wie die Nahtschere<br />
übertragen.<br />
Bei den nächsten Schritten des Forschungsvorhabens<br />
am Kompetenzzentrum<br />
für Spanende Fertigung (KSF) der<br />
Hochschule Furtwangen geht es darum,<br />
eine synchronisierte und präzise Kombination<br />
von optischen und mechanischen<br />
Positionierungsschritten und Laserbestrahlungszyklen<br />
zu programmieren. Eine<br />
Fünf-Achs-Laserbearbeitungsanlage vom<br />
Typ Laser P 400 U vom Maschinen bauer<br />
GF Machining Solutions ist vorhanden.<br />
Damit lassen sich komplexe Programme<br />
für die Laserbearbeitung mit einer Auswahl<br />
von Laserparametern gestalten. ■<br />
Dirk Obergfell, Ali Zahedi,<br />
Bahman Azarhoushang<br />
KSF, Hochschule Furtwangen<br />
https://ksf-hfu.de/<br />
Die REM-Aufnahme der<br />
Oberfläche zeigt, wie die<br />
feinen Strukturen in Reihen<br />
angeordnet sind<br />
(Bild: Hochschule Furtwangen)<br />
Weitere Informationen<br />
GF Machining Solutions gehört zur<br />
Schweizer Georg Fischer Group und<br />
bietet Lösungen für Fräsen, Elektro -<br />
erosion, Lasertexturierung, additive<br />
Fertigung und Automatisierung.<br />
www.gfms.com/de<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 33
■ [ TECHNIK ]<br />
Highspeed-Wirbeln: Knochenschraube<br />
ohne Anfahrmarken fertigen<br />
Erfahrungen mit dem Highspeed-Wirbeln | Der Lohnfertiger HG Medical GmbH aus dem<br />
oberbayrischen Raisting stellt Knochenschrauben mit verschiedenen Verfahren her. Eines<br />
davon ist das Highspeed-Wirbeln, das unter anderem Vorteile bei der Qualität bietet.<br />
Das Highspeed-Wirbeln ermöglicht einen<br />
kontinuierlichen Schnitt durch parallele<br />
Drehbearbeitung<br />
achse vor der Führungsbuchse des Langdrehers<br />
angestellt. Das Werkstück rotiert<br />
langsam und wird mit einer axialen Vorschubbewegung<br />
in den Wirbelkopf geführt.<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Knochenschrauben aus Titan<br />
Wirbeln mit vorgeschaltetem<br />
Drehprozess<br />
Qualität der Gewinde<br />
Vermeiden von Graten<br />
(Bild: Horn/Sauermann)<br />
Drähte, verschraubte Platten oder lange<br />
Knochenschrauben sind geeignet,<br />
um Knochen nach einem Bruch zu fixieren.<br />
Was kaum ein Patient weiß: Gerade<br />
die Knochenschrauben sind medizinische<br />
Hightech-Produkte. Als einer der marktführenden<br />
Lohnfertiger solcher speziellen<br />
Schrauben gilt die HG Medical GmbH aus<br />
dem oberbayrischen Raisting. Die Schrauben<br />
werden dort auf Langdrehmaschinen<br />
von Traub mit speziellen Wirbelwerkzeugen<br />
der Tübinger Paul Horn GmbH gefertigt.<br />
Neben dem konventionellen Wirbeln<br />
setzt der Lohnfertiger auch das High -<br />
speed-Wirbeln ein.<br />
Knochenschrauben, die zumeist aus<br />
dem biokompatiblen Werkstoff Titan bestehen,<br />
lassen sich allein durch Zerspanung<br />
herstellen. Das Gewinderollen beispielsweise<br />
wäre zwar als Alternative<br />
denkbar, aber es würde den Werkstoff verdichten<br />
– und ausgerechnet Titan neigt<br />
bei zu hoher Materialverdichtung zum<br />
Verbrennen.<br />
Unter den spanabhebenden Verfahren<br />
wiederum hat sich das Gewindewirbeln<br />
seit Jahren etabliert. Es ist grundsätzlich<br />
seit 1942 bekannt und wurde lange Zeit<br />
nicht wesentlich weiterentwickelt. Standardmäßig<br />
läuft es auf Langdrehmaschinen,<br />
auf denen Knochenschrauben oder –<br />
in größerer Dimension – Gewindespindeln<br />
entstehen. Der Prozess dahinter ist<br />
der Gleiche: Ein schnell rotierender Wirbelkopf<br />
wird exzentrisch zur Werkstück-<br />
Wo Anfahrmarken herkommen<br />
– und wie man sie vermeidet<br />
Das Problem dabei: Wirbeln und Vor -<br />
drehen des Durchmessers erfolgen immer<br />
in einzelnen Schritten. „Die Schneiden<br />
des Wirbelmessers sind aber nicht dafür<br />
ausgelegt, die teils doch größeren Außendurchmesser<br />
des Rohmaterials zu zerspanen“,<br />
sagt der Prozessentwickler von HG<br />
Medical, Sebastian Schmid. So muss das<br />
Wirbelmesser, je nach Länge der Knochenschraube,<br />
mehrfach in den Gewindegängen<br />
neu angesetzt werden. Hierbei<br />
entstehen so genannte Anfahrmarken auf<br />
der Oberfläche. Diese sind zwar biologisch<br />
unbedenklich, könnten aber zur<br />
Sollbruchstelle an der Schraube werden,<br />
wenn diese stark beansprucht ist. Und unabhängig<br />
davon ist eine makellose Oberfläche<br />
immer noch ein Qualitätsmerkmal<br />
eines jeden Implantates.<br />
Das Highspeed-Wirbeln bringt hier<br />
Verbesserungen. Es ist eine Weiterentwicklung<br />
des Gewindewirbelns und entstand<br />
in einer Zusammenarbeit zwischen<br />
dem Maschinenhersteller Index Werke<br />
GmbH & Co KG Hahn & Tessky aus Esslingen,<br />
dem Werkzeughersteller Horn und<br />
einer Hochschule. Bei diesem Verfahren<br />
ist die Drehzahl so hoch, dass parallel<br />
zum Wirbeln ein Drehprozess erfolgen<br />
kann. Das vor dem Wirbelwerkzeug angestellte<br />
Drehwerkzeug reduziert das<br />
Material volumen, das bislang allein das<br />
Wirbelwerkzeug abtragen musste.<br />
34 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Die hierfür eingesetzten Wirbelköpfe<br />
gleichen den konventionellen. Nur die<br />
Schneideinsätze weisen eine andere Geometrie<br />
auf. Der Vorteil: So lassen sich einund<br />
mehrgängige Gewinde mit nur einem<br />
Schneidsatz herstellen. Das geht bis zu<br />
30 % schneller als beim konventionellen<br />
Gewindewirbeln und steigert zugleich die<br />
Qualität des Werkstücks.<br />
Wie viel Zeit sich sparen lässt, hängt<br />
von der jeweiligen Anwendung und der<br />
Geometrie der Schraube ab. Wichtig für<br />
Schmid ist: „Wir sehen einen großen Vorteil<br />
durch den Entfall der Anfahrmarken,<br />
da sich beim Highspeed-Wirbeln die<br />
Schneiden in einem kontinuierlichen<br />
Schnitt befinden.“<br />
Theoretisch ergibt sich beim<br />
Highspeed-Wirbeln auch ein Vorteil, da<br />
sich die Standzeiten der eingesetzten<br />
Schneiden erhöhen – schließlich ist durch<br />
die vorgelagerte Drehbearbeitung schon<br />
eine Menge an Material vorab abgetragen.<br />
„Diesen Vorteil hätte ich beispielsweise<br />
beim Wirbeln von kurzspanenden<br />
Werkstoffen“, sagt Schmid.<br />
Highspeed-Wirbeln auch bei<br />
langspanender Titanlegierung<br />
In der Praxis sieht die Sache aber anders<br />
aus, denn bei HG Medical geht es „zu<br />
nahezu 100 Prozent um langspanende<br />
Titanlegierungen“. Und unter diesen Umständen<br />
dient der Wirbelkopf beim<br />
Highspeed-Wirbeln von Titan „zwangsläufig<br />
als Häcksler der langen Späne aus<br />
der parallelen Drehbearbeitung“, erklärt<br />
Über den<br />
Anwender<br />
Die HG Medical GmbH wurde 2007<br />
gegründet und ist ein Lohnfertiger<br />
für orthopädische Implantate im Bereich<br />
untere und obere Extremitäten<br />
sowie für den Wirbelsäulenbereich.<br />
2023 hat das Unternehmen seinen<br />
Bereich HG Labs eröffnet, ein Entwicklungs-<br />
und Optimierungszentrum,<br />
das Kunden dabei unterstützt,<br />
ihre Neuproduktentwicklungen zu<br />
beschleunigen.<br />
https://hg-medical.de<br />
Vielfältige Knochenschrauben<br />
An der Wirbelsäule oder am Oberschenkelknochen?<br />
Zum Fixieren von Knochenfragmenten<br />
kommt eine enorme Vielfalt<br />
an unterschiedlichen Schraubenvarianten<br />
in Frage. Denn: Knochen ist nicht<br />
gleich Knochen. Je nach Beschaffenheit<br />
wie Härte, Porosität oder Knochenmark<br />
wählt der Chirurg die passende Schraube<br />
aus. Dabei kommen neben selbstsichernden<br />
Schrauben mit konischen Gewindegängen<br />
oder variablen Steigungen auch<br />
Schrauben mit einer Durchgangsbohrung<br />
zum Einsatz, durch die Knochenzement<br />
zur Stabilisierung gespritzt werden<br />
kann.<br />
Verletzte Knochen lassen sich mit Medizinprodukten<br />
unterschiedlicher Gestalt<br />
behandeln. Allein bei den Knochenschrauben<br />
ist die Variabilität groß<br />
Schmid. Daher liegt die zu erreichende<br />
Standzeit im Durchschnitt auf einem ähnlichen<br />
Niveau wie beim konventionellen<br />
Wirbeln. „Wir drehen, beziehungsweise<br />
wechseln die Schneideinsätze der Wirbelmesser<br />
in einem bestimmten Turnus. Die<br />
Qualität der Knochenschrauben steht immer<br />
über der maximal zu erreichenden<br />
Standzeit“, erläutert der Prozessentwickler.<br />
Und für Knochenschrauben sind die<br />
Kriterien für die Fertigungsqualität streng<br />
definiert. „Die Fertigungstoleranzen, gerade<br />
beim Kerndurchmesser des Gewindes,<br />
sind je nach Schraube sehr eng“, sagt<br />
Schmid. Des Weiteren sei bei der Produktion<br />
Gratfreiheit zu garantieren. Jeder<br />
noch so kleine Grataufwurf kann durch<br />
Ansammlungen von Keimen potenziell<br />
gefährlich werden.<br />
„Um solche Qualitäten und Vorgaben<br />
zu erreichen, müssen die Wirbelwerkzeuge<br />
mit den eingesetzten Schneidplatten<br />
sehr präzise gefertigt sein“, erläutert Stefan<br />
Benz, der Horn als Werkzeugexperte<br />
im Außendienst vertritt. Ein großer Fokus<br />
liege auf der Plan- und Rundlaufgenauigkeit.<br />
„Gerade beim Übergang von zwei<br />
verschiedenen Gewinden oder beim erneuten<br />
Ansetzen ist diese Genauigkeit<br />
entscheidend.“<br />
Horn schleift die Schneiden mit Längentoleranzen<br />
von unter 0,002 mm. Darüber<br />
hinaus sind auch die Plattensitze<br />
des Wirbelkopfes hochpräzise gefertigt.<br />
Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist das<br />
Profil der geschliffenen Schneide. Definierte<br />
Innenradien von r = 0,025 mm, mit<br />
Toleranzen von ± 0,005 mm sind beim<br />
Präzisionsschliff der Wendeschneidplatten<br />
keine Seltenheit.<br />
Für die Schneideinsätze kommt in den<br />
Horn-Wirbelwerkzeugen hauptsächlich<br />
die dreischneidige Wendeschneidplatte<br />
des Typs S302 oder die zweischneidige<br />
Platte des Typs S274 zum Einsatz. Wobei<br />
alle Wirbelwerkzeuge Sonderausführungen<br />
nach Kundenwunsch sind.<br />
Seit rund zehn Jahren verrichten die<br />
Horn-Werkzeugsysteme nun ihren zuverlässigen<br />
Dienst in den Hallen von HG Medical.<br />
Neben den Werkzeugen zum Gewindewirbeln<br />
setzt das Unternehmen<br />
auch auf Systeme zum Stechdrehen und<br />
Innenausdrehen von Horn. „Wir haben<br />
bei neuen Wirbelprojekten teils sehr knifflige<br />
Aufgabenstellungen. Hierzu besteht<br />
mittlerweile ein direkter Draht in die Konstruktion<br />
von Horn, um die Aufgabenstellung<br />
gemeinsam zu besprechen und eine<br />
Werkzeuglösung zu entwickeln“, erzählt<br />
Schmid und fährt fort: „So, wie wir selbst<br />
sind, erwarten wir von unseren Lieferanten<br />
und Partnern höchste Flexibilität und<br />
Schnelligkeit. Mit Horn haben wir einen<br />
Werkzeugpartner an der Seite, der diesen<br />
Service bietet und immer für uns erreichbar<br />
ist.“<br />
■<br />
Nico Sauermann<br />
Paul Horn, Tübingen<br />
www.phorn.de<br />
(Bild: Aliaksandr/stock.adobe.com)<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 35
■ [ TECHNIK ]<br />
Weiss Klima<strong>technik</strong> hilft, die Anforderungen bei Reinräumen mit Energie- und Kosteneffizienz in Einklang zu bringen<br />
(Bild: Weiss Technik)<br />
So wird der Reinraum energieeffizient<br />
und wirtschaftlich<br />
Reinraum<strong>technik</strong> | Um die Qualität von Medizinprodukten zu sichern, findet die<br />
Produktion häufig unter Reinraumbedingungen statt. Den Grundstein für mehr<br />
Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz im Reinraum können Hersteller bereits in der<br />
Planung legen. Das spart Kosten bei Neueinrichtungen und bestehenden Objekten.<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Reinraum<strong>technik</strong><br />
Energie- und Kosteneffizienz<br />
Energetisch orientierte Anlagenplanung<br />
Konzepte zur Wärmerückgewinnung<br />
Normen und Regeln für Reinräume<br />
Um die durch die EU-MDR gestiegenen<br />
Anforderungen an Medizinprodukte<br />
zu erfüllen und Risiken im Herstellungsprozess<br />
zu reduzieren, müssen viele<br />
Hersteller ihre Produkte neu klassifizieren.<br />
Dies hat zur Folge, dass viele ihre bestehende<br />
Klima<strong>technik</strong> optimieren oder<br />
neue Reinräume bauen müssen. Allerdings<br />
sind Reinräume wahre Stromfresser<br />
im Unternehmen.<br />
Die Weiss Klima<strong>technik</strong> GmbH, Reiskirchen,<br />
kennt als Anlagenspezialist die<br />
Einsparpotenziale, um einen Reinraum<br />
wirtschaftlich zu betreiben – sowohl für<br />
Neueinrichtungen als auch bei bestehenden<br />
Objekten. Ausgangspunkt für den<br />
Energiebedarf eines Reinraums sind<br />
grundlegenden Faktoren wie Größe, Temperatur<br />
und Feuchtigkeit. Steffen Röhm<br />
von Weiss Klima<strong>technik</strong> rät daher, bei<br />
Neubauten bereits in der Planungsphase<br />
auf energie- und kosteneffiziente Aspekte<br />
zu achten. „Dazu gehört“, so der Project<br />
Manager Planning & Qualification, „sich<br />
als künftiger Nutzer Gedanken zu machen,<br />
was tatsächlich benötigt wird.“ So<br />
lohne es sich, die geplanten Arbeitsabläufe<br />
im Reinraum auf Effizienz- und Kostenverbesserungen<br />
hin zu überprüfen. Denn<br />
die von vornherein optimierten Abläufe<br />
liefern die Basis für ein wirtschaftliches<br />
und energetisch orientiertes Planungskonzept<br />
mit gezielt ausgelegter Fläche,<br />
Ausstattung und Klimatisierung.<br />
Zentrale Faktoren für den Technikeinsatz<br />
und den Energieaufwand sind die<br />
Reinheitsklasse (Partikellasten), die Stofflasten<br />
(Kontaminanten, Schadstoffe) sowie<br />
die Wärme- und Feuchtelasten. Hinzu<br />
kommen die Anforderungen der Produkte<br />
und die des Prozesses an das Raumklima<br />
– und damit verbunden an das Tempera-<br />
tur- und Feuchteniveau. Ebenso die Art<br />
der Luftführung: Ob turbulente Mischlüftung<br />
oder turbulenzarme Verdrängungsströmung,<br />
hängt sowohl von den Raumlasten<br />
ab, die während des Prozesses<br />
durch Personenzahl, Partikelfreisetzung,<br />
Maschinenabwärme und Prozessluft entstehen,<br />
als auch von den Anforderungen<br />
an die Luftreinheit (Partikel). Neben den<br />
Prozessen im Raum kann auch der Außenluftbedarf<br />
einen großen Einfluss haben,<br />
der sich ebenfalls im Energieverbrauch<br />
niederschlägt. Auch das Luft -<br />
kanalnetz trägt seinen Teil zur Energie -<br />
bilanz bei: Je dichter und strömungsgünstiger<br />
es ausgelegt ist, desto effizienter ist<br />
die Luftverteilung.<br />
Wie Wärmerückgewinnung im<br />
Reinraum funktioniert<br />
Was bei der Planung von Anfang an berücksichtigt<br />
werden kann, lässt sich bei<br />
bestehenden Anlagen teilweise nachholen<br />
– zum Beispiel durch die Umstellung der<br />
Antriebs<strong>technik</strong> von riemengetriebenen<br />
Ventilatoren auf moderne, wesentlich<br />
sparsamere EC-Ventilatoren. Weitere Ein-<br />
36 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
sparpotenziale liegen bei Temperatur,<br />
Feuchtetoleranzen und Luftvolumenströmen<br />
– etwas weniger Wärme, Kälte oder<br />
Luftzufuhr macht sich bei den Betriebskosten<br />
bemerkbar.<br />
Ein weiterer Weg zu mehr Energieeffizienz<br />
im Reinraumbetrieb kann eine effektive<br />
Wärmerückgewinnung in der Lüftungsanlage<br />
sein. Hier stehen verschiedene<br />
Konzepte mit unterschiedlichen Eigenschaften<br />
zur Verfügung. Dazu gehören<br />
Kreuzstromwärmetauscher, Kreislaufverbundsysteme,<br />
Rotationswärmetauscher<br />
sowie das Umluftkonzept.<br />
Neben der Wärmerückgewinnung im<br />
Lüftungssystem gibt es weitere Möglichkeiten<br />
der Energierückgewinnung. Ein<br />
Ansatz ist die Nutzung von Abwärme aus<br />
Rückkühlern der Kälteerzeugung oder die<br />
Einspeisung von Prozessabwärme. Welches<br />
Konzept am effizientesten ist, hängt<br />
von den Anforderungen des Reinraums<br />
und den technischen Rahmenbedingungen<br />
ab.<br />
Vorschriften führen zu mehr<br />
Effizienz im Reinraum<br />
Auch die Normen für Reinräume zeigen<br />
bereits Einsparpotenziale auf. Dazu gehören<br />
die DIN EN ISO 14644 Blatt 16 und<br />
die VDI 2083 Blatt 4.1 mit Hinweisen zur<br />
energieeffizienten Planung von raumlufttechnischen<br />
Anlagen und Reinluftgeräten.<br />
Hinzu kommt die DIN EN ISO 16890<br />
mit Anforderungen an Filter und deren<br />
Klassifizierung. Die DIN EN 16798-3 definiert<br />
allgemeine Anforderungen an die<br />
Energieeffizienz von Nichtwohngebäuden,<br />
und die Ökodesign-Richtlinie legt<br />
Rahmenparameter für die Energieeffizienz<br />
von Ventilatoren und Klimageräten<br />
fest. Darüber hinaus gibt es technische<br />
Regeln wie die VDMA 66412-4 mit „Kennzahlen<br />
für das Energiemanagement“ oder<br />
die DIN EN ISO 500001, die sich an „Energiemanagementsysteme“<br />
richtet.<br />
Für energieoptimierte Reinräume<br />
bringt das Reiskirchener Unternehmen<br />
jahrzehntelange Expertise in der Klima<strong>technik</strong><br />
mit. „Aus der Erfahrung heraus<br />
haben wir sehr früh angefangen, über gezielte<br />
Ent- und Befeuchtung große Anlagen<br />
energieoptimiert aufzubauen“, fasst<br />
Steffen Röhm zusammen.<br />
Dazu gehört auch die Entwicklung eigener<br />
Geräte. Dazu gehört auch die Produktion<br />
eigener Klimageräte für Standard-<br />
und Sonderanwendungen sowie ein<br />
Serviceangebot für normgerechte Qualifizierung,<br />
Inbetriebnahme und Wartung.<br />
So verbindet Weiss Klima<strong>technik</strong> Effizienz<br />
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Wärmerückgewinnung im Lüftungssystem<br />
Die Wärmerückgewinnung in der Lüftungsanlage<br />
ist eine Möglichkeit, den<br />
Energiebedarf im Reinraum zu optimieren.<br />
Dafür gibt es verschiedene Konzepte<br />
mit unterschiedlich hohen Wirkungs -<br />
graden.<br />
■ Kreuzstrom-Wärmetauscher erzielen<br />
einen Wirkungsgrad von bis zu 90 %.<br />
Allerdings besteht das Risiko von<br />
Kreuzkontaminationen. Zudem muss<br />
das Gesamtsystem unter anderem mit<br />
Vereisungsschutz und Nachheizung<br />
entsprechend konzipiert sein wie auch<br />
der Platz zur Verfügung stehen.<br />
■ Im Kreislauf-Verbund-System wird die<br />
Wärme über Wasser als Zwischenmedium<br />
zurückgewonnen. Somit lassen<br />
sich auch zusätzliche Wärmequellen<br />
in das System integrieren. Die Wärmequellen<br />
können von den Verbrauchern<br />
räumlich getrennt sein. Der Wirkungsgrad<br />
von Hochleistungssystemen liegt<br />
bei bis zu 80 %. Kreuzkontaminationen<br />
finden nicht statt. Allerdings sind relativ<br />
hohe Investitionen notwendig.<br />
■ Rotations-Wärmeübertrager kombinieren<br />
Wärme- und Feuchteübertragung,<br />
dabei erreichen sie Wirkungsgrade<br />
von mehr als 85 %. Zwar ist hier<br />
kein Frostschutz erforderlich, doch<br />
zwischen den Luftströmen kann es zu<br />
Kreuzkontaminationen kommen. Zudem<br />
führt das System zu einem relativ<br />
hohen Druckverlust.<br />
■ Über Umluft lässt sich mit geringen<br />
Investitionskosten eine hohe Energieeinsparung<br />
erzielen, wenn dies prozesstechnisch<br />
möglich ist. Allerdings<br />
besteht zum Beispiel das Risiko einer<br />
Kreuzkontamination.<br />
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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 37<br />
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■ [ TECHNIK ]<br />
Polycarbonatfolien schützen das<br />
Brustimplantat bei der Sterilisation<br />
Sterile Verpackung | Brustimplantate benötigen eine starre Verpackung, die transparent,<br />
schlagfest – und vor allem hochsteril ist. Eine Lösung bieten Polycarbonatfolien,<br />
die eine Sterilisation im Autoklaven bei Temperaturen von 121 °C aushalten und darüber<br />
hinaus eine visuelle Inspektion des Produkts vor dem Auspacken ermöglichen.<br />
Die robusten und transparenten Makrofol-Folien zur Verpackung von Brustimplantaten<br />
halten einer Sterilisation im Autoklav bei 121 °C und höher stand<br />
Implantateregister<br />
Das Implantateregistergesetz<br />
(IRegG), das als Grundlage für die Errichtung<br />
des Implantateregisters<br />
dient, ist am 1. Januar 2020 in Kraft<br />
getreten. Die rechtlichen Voraussetzungen<br />
für den Betrieb mit Echtdaten<br />
soll die Implantateregister-Betriebsverordnung<br />
(IRegBV) regeln.<br />
Starten wird das Implantateregister<br />
mit der Erfassung von Brustimplantaten<br />
und daran anschließend von<br />
Endoprothesen für Hüfte und Knie.<br />
Der Testbetrieb des Registers verlief<br />
erfolgreich. Der Regelbetrieb mit verpflichtender<br />
Meldung von implantatbezogenen<br />
Maßnahmen mit<br />
Brustimplantaten durch die Gesundheitseinrichtungen<br />
startet am<br />
1. Januar 2024. Der Regelbetrieb für<br />
die Erfassung von Endoprothesen<br />
für Hüfte und Knie soll zum 1. Januar<br />
2025 aufgenommen werden.<br />
Quelle: Bundesministerium für<br />
Gesundheit<br />
(Bild: Covestro)<br />
In Deutschland werden jährlich rund<br />
15000 bis 20000 Frauen mit Brustimplantaten<br />
behandelt. Dies geschieht entweder<br />
zur Vergrößerung des bestehenden<br />
Brustvolumens oder zur Rekonstruktion<br />
nach einer Brustkrebserkrankung. Die dabei<br />
verwendeten Implantate müssen von<br />
der Herstellung über den Transport bis<br />
hin zur Inspektion vor der Operation mit<br />
größter Sorgfalt behandelt werden. Dabei<br />
muss die Verpackung die Sterilität, Sicherheit<br />
und strukturelle Integrität der<br />
Implantate gewährleisten.<br />
Die Wahl des medizinischen Verpackungsmaterials<br />
hängt davon ab, wie kritisch<br />
das Implantat ist, vom Wert des Artikels<br />
selbst und von der Art der Sterilisa -<br />
tion, für die sich der Lieferant oder Hersteller<br />
entscheidet. An hochwertige Brustimplantate<br />
werden besonders hohe Anforderungen<br />
gestellt.<br />
Eine Verpackungslösung für Brustimplantate<br />
muss vor allem in der Lage sein,<br />
eine Hochtemperatur-Autoklaven-Dampfsterilisation<br />
zu bewältigen, die alle Rückstände<br />
entfernt. Außerdem muss sie stoßfest<br />
sein und eine Transparenz aufweisen,<br />
die eine sorgfältige optische Inspektion<br />
des Implantats vor dem Auspacken ermöglicht.<br />
Diese Anforderungen erfüllen<br />
die Makrofol-Folien der Covestro AG, Leverkusen.<br />
Die Hochleistungsfolien sind<br />
vollständig mit der Sterilisation im Autoklaven<br />
bei Temperaturen von 121 °C und<br />
mehr kompatibel, die andere Polymere<br />
nicht aushalten können. Die MA336-Folie<br />
erlaubt zudem eine zusätzliche Laminierschicht.<br />
Die sterilen Verpackungen ermöglichen<br />
eine verbesserte Infektionskontrolle<br />
und -prävention bei chirurgischen<br />
Eingriffen.<br />
Brustimplantate erfordern<br />
hohe Verpackungsstandards<br />
„Unsere transparenten Folien Makrofol<br />
MA507 und MA336 in medizinischer<br />
Qualität geben Chirurgen mehr Sicherheit.<br />
Sie wissen, dass das stoßfeste und<br />
rissbeständige Material der bestmöglichen<br />
Sterilisation standhalten kann. Und<br />
sie können ein Brustimplantat inspizieren,<br />
bevor sie es auspacken. Das hilft, unnötige<br />
Kosten zu vermeiden“, sagt Karine<br />
Benbelaid, Global Medical Segment Manager<br />
beim Werkstoffhersteller Covestro.<br />
Die Polycarbonatfolien in medizinischer<br />
Qualität gewährleisten einen robusten<br />
Schutz für hochwertige Gesundheitsartikel,<br />
einschließlich Implantate. „Die<br />
Schlag- und Reißfestigkeit der Makrofol-<br />
Folien MA507 und MA336 sorgt zudem<br />
dafür, dass die hochwertigen medizinischen<br />
Gegenstände sicher transportiert<br />
werden können und unbeschädigt im<br />
Operationssaal ankommen“, so Benbelaid.<br />
Beide Folien lassen sich leicht thermoumformen<br />
und entsprechen der Qualitätsmanagementnorm<br />
ISO 9001:2015 sowie<br />
den beiden Standardspezifikationen<br />
für implantierbare Brustprothesenverpackungen<br />
der American Society for Testing<br />
and Materials (ASTM).<br />
(su)■<br />
www.solutions.covestro.com<br />
38 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Special<br />
Nachhaltige Medizin<strong>technik</strong><br />
(Bild:vegefox.com/stock.adobe.com)<br />
Verpackungsverordnung vorwegnehmen<br />
Nachhaltige Instrumente konzipieren | Technikum: Alle Kunststoffe recyceln | Nachhaltige Medizinprodukte erkennen<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 39
■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />
CO 2 -FUßABDRUCK BERECHNEN<br />
UND VERPACKUNGEN OPTIMIEREN<br />
PPWR-Anforderungen jetzt schon berücksichtigen | Die EU will mit der geplanten Packaging &<br />
Packaging Waste Regulation PPWR Verpackungen nachhaltiger machen. Das wird mittelfristig<br />
auch die Pharma- und Medizin<strong>technik</strong>-Branche betreffen. Südpack Medica richtet seine Verpackungsentwicklung<br />
schon jetzt daran aus und hat dafür ein eigenes LCA-Software-Tool entwickelt.<br />
Seit Anfang 2024 können Kunden ihre Verpackungen damit bewerten lassen.<br />
Die bisherige Richtlinie wird durch eine<br />
EU-weit gültige Verordnung ersetzt:<br />
So ist es im Bereich Verpackung geplant.<br />
Mit der Packaging & Packaging<br />
Waste Regulation, kurz PPWR, werden<br />
sich die Anforderungen an Verpackungen<br />
in der EU enorm verschärfen. Nach heutigem<br />
Kenntnisstand sollen die Regelungen<br />
ab 2035 greifen. Damit werden Änderungen<br />
erforderlich, unter anderem in Bezug<br />
auf Verpackungsdesign, Recyclingfähigkeit<br />
und auch auf die Rezyklateinsatzquoten<br />
bei Kunststoffverpackungen.<br />
„Zwar gilt die Verordnung, die auf EU-<br />
Ebene voraussichtlich ab 2025 verpflichtend<br />
wird, zunächst nicht für die Verpackung<br />
von Medizingütern und Pharmazeutika“,<br />
erklärt Thomas Freis. Er ist Geschäftsführer<br />
der Südpack Medica AG, einem<br />
Anbieter von Hochleistungsfolien in<br />
Baar in der Schweiz. „Aber die PPWR wird<br />
zu einem späteren Zeitpunkt auch in diesen<br />
Märkten greifen.“<br />
Unabhängig von den Vorgaben ist die<br />
Produktverpackung aber schon heute ein<br />
Bereich, in dem Potenzial zur Verbesserung<br />
der Ökobilanz schlummert. Mit dieser<br />
Herausforderung beschäftigt sich Südpack<br />
Medica bereits seit längerem. Die<br />
Entwickler wollen Produktschutz und<br />
Nachhaltigkeit in einer Lösung vereinen,<br />
um so materialeffiziente und nachhaltige<br />
Lösungen anbieten zu können.<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
PPWR: Vorbereitet für<br />
neue Anforderungen<br />
Screening LCA zum Verbessern<br />
von Verpackungskonzepten<br />
Chemisches Recycling mit Carboliq<br />
(Bild: Südpack/blackday/stock.adobe.com)<br />
Pharmaguard nennt Südpack Medica eine nachhaltige Verpackungslösung, die nur aus PP<br />
besteht und klassische Blisterverpackungen ersetzen kann<br />
Ein Beispiel dafür ist die Pharmaguard-<br />
Lösung: Sie kann eine konventionelle, auf<br />
PVC/PVdC und Aluminium basierende<br />
Blisterverpackung ersetzen, ohne Abstriche<br />
bei der Produkt- und Packungssicherheit.<br />
Das ressourcenschonende, recyclingfähige<br />
Konzept hat Südpack Anfang 2023<br />
vorgestellt. Eingesetzt wird nur ein Material:<br />
Aus PP werden in einem speziell ausgelegten<br />
Coextrusionsverfahren Oberund<br />
Unterfolien hergestellt. „Aufgrund<br />
seiner spezifischen Eigenschaften wie etwa<br />
seiner hervorragenden Wasserdampfbarriere<br />
ist PP in puncto Produktschutz<br />
im Vergleich zu PVC mindestens als<br />
gleichwertig an zusehen“, betont Jürgen<br />
Bodenmüller, der den Bereich Business<br />
Development bei Südpack Mdedica verantwortet.<br />
Am Ende der Nutzungsphase<br />
lassen sich die Folien den bereits etablierten<br />
Wertstoffströmen zuordnen.<br />
PP-Folie hat bessere Ökobilanz<br />
als das Pendant aus PVC<br />
Interessant ist die Lösung aber auch<br />
wegen ihrer sehr günstigen Ökobilanz.<br />
PP hat eine geringe Dichte und ist zudem<br />
sehr ergiebig. Das zeigt sich im direkten<br />
Vergleich. Ein Quadratmeter einer<br />
250 µm starken PP-Folie wiegt etwa<br />
225 g. Das gleichstarke Pendant in PVC<br />
bringt hingegen 337 g auf die Waage. Damit<br />
liefert ein Kilo PP fast 50 % mehr<br />
Fläche und zugleich auch mehr Ver -<br />
packungsein heiten.<br />
Im Vergleich zu konventionellen Blis -<br />
terlösungen weist Pharmaguard insgesamt<br />
eine deutlich reduzierte Klimawir-<br />
40 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
kung, gemessen in CO 2 -Äquivalenten,<br />
auf, sowie einen geringeren Energie- und<br />
Wasserverbrauch. Gemäß interner Berechnungen<br />
ist beispielsweise der CO 2 -<br />
Fußabdruck eines Pharmaguard-Blisters<br />
aus PP um fast 50 % niedriger als der eines<br />
herkömmlichen PVC/PVdC-Blisters.<br />
Diese Zahlen lieferte ein Screening<br />
Life-Cylce-Assessment von Sphera. Dabei<br />
werden die Umweltwirkungen grob abgeschätzt,<br />
in dem man die relevantesten<br />
Materialien betrachtet und mit Durchschnittsdaten<br />
arbeitet – was mit weniger<br />
Aufwand zu Erkenntnissen führt als eine<br />
vollständige Ökobilanz.<br />
Mehr über die PPWR<br />
PP-Blister-Verpackungskonzept<br />
mit breiterem Prozessfenster<br />
Dass das neue Verpackungskonzept den<br />
Nerv trifft, zeigt die steigende Nachfrage.<br />
Aktuell stellt Südpack Medica bereits eine<br />
weitere Variante zur Verfügung, die im<br />
Bereich Tiefziehen und Siegeln ein breiteres<br />
Prozessfenster aufweist. Das bietet<br />
Vorteile gegenüber marktüb lichen PP-Folien:<br />
Für Unternehmen mit unterschiedlichen<br />
Blisteranlagen, wie beispielsweise<br />
Contract Development and Manufacturing<br />
Organization (CDMO), erleichtert es<br />
die Verarbeitung der PP-Blister.<br />
Inzwischen hat Südpack sein eigenes<br />
LCA-Software-Tool entwickelt. Damit lassen<br />
sich die tatsächlichen Umweltauswirkungen<br />
von Verpackungslösungen wie<br />
auch deren Kreislauffähigkeit ganzheitlich<br />
bewerten. Das ermöglicht es Südpack,<br />
entlang der Prozesskette auf Fakten<br />
zurückzugreifen und sich für Verpackungskonzepte<br />
zu entscheiden, die die<br />
tech nischen Anfor derungen erfüllen und<br />
zugleich ökologisch sinnvoll sind. Dabei<br />
modellieren die Fachleute im Unternehmen<br />
auch unterschiedliche End-of-Life-<br />
Szenarien, denn bei flexiblen Folien gehen<br />
rund 15 % des CO 2 -Fußabdrucks auf<br />
die Phase nach ihrer Nutzung zurück.<br />
Das Instrument wird im Entwicklungsprozess<br />
für eigene Produkte eingesetzt, es<br />
steht aber auch für Kundenprojekte zur<br />
Verfügung. Diese können damit bestehende<br />
Verpackungslösungen auf den Prüfstand<br />
stellen lassen und auch nachhaltigere<br />
Alternativen vergleichen.<br />
Enthalten Verpackungsabfälle beispielsweise<br />
unterschiedliche Materialien<br />
oder erweisen sich als kontaminiert, lassen<br />
sie sich bis dato mechanisch nicht recyceln.<br />
In solchen Fällen ist das chemische<br />
Recycling eine interessante Verwertungsoption.<br />
„Wir gewinnen dadurch die<br />
wichtige Ressource Kohlenwasserstoff in<br />
Neuware qualität zurück und können diese<br />
erneut in den Kreislauf einbringen“, betont<br />
Dirk Hardow, der die Business Unit<br />
FF&C bei Südpack leitet. Er ist auch für<br />
die Implementierung von Kreislaufmodellen<br />
entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />
von Südpack verantwortlich.<br />
In seiner Rolle als Geschäftsführer der<br />
Carboliq GmbH treibt Hardow zudem die<br />
Technologie des chemischen Recyclingverfahrens<br />
für Südpack voran. Das Remscheider<br />
Unternehmen nutzt eine eigene<br />
Depolymerisationstechnologie, die zu einer<br />
hochwertigen flüssigen Ressource<br />
führt, aus der sich neue Polymere herstellen<br />
lassen.<br />
Das zusätzliche Verfahren ist wichtig,<br />
denn nach heutigem Stand der Technik<br />
Den ersten Entwurf für die Packaging &<br />
Packaging Waste Regulation (PPWR) gab<br />
es in der EU im November 2022. Die Verordnung<br />
soll die Verschmutzung durch<br />
Verpackungen senken und eine Kreislaufwirtschaft<br />
für Verpackungen fördern.<br />
Dafür werden Anforderungen an das Design<br />
von Verpackungen definiert: Diese<br />
sollen recyclingfähig gestaltet sein und<br />
Recyclingmaterialien enthalten. Unternehmen,<br />
die in der EU produzieren oder<br />
Verpackungen in die EU liefern, sind von<br />
den Regelungen betroffen.<br />
Fachleute rechnen damit, dass eine endgültige<br />
Version der Verordnung bis 2024<br />
vorliegen könnte. Die Umsetzung könnte<br />
dann 2025 beginnen. Allerdings sind dafür<br />
Fristen vorgesehen.<br />
Bis zum Jahr 2030 zum Beispiel müssten<br />
dann alle Verpackungen auf dem EU-<br />
Markt recycelbar sein – und einen Mindestanteil<br />
an Post-Consumer-Recyclingmaterial<br />
(PCR) enthalten. Als PCR wird<br />
Material bezeichnet, das aus den Abfällen<br />
der Endverbraucher hergestellt wird.<br />
Der vorgeschriebene Anteil an PCR ist unterschiedlich<br />
und hängt vom Material<br />
selbst ab sowie von der Art der Verpackung.<br />
Weitere fünf Jahre später, also<br />
2035, müssten Hersteller auch nachweisen,<br />
dass ihre Verpackungen recycelt werden<br />
können.<br />
Um Recycling-Material in ausreichender<br />
Menge und Qualität zur Verfügung zu<br />
haben, sind Investitionen in moderne Recyclingtechnologien<br />
erforderlich. Auch<br />
müssen Abfälle effizient gesammelt und<br />
sortiert werden. Wer Verpackungen herstellt<br />
oder in Verkehr bringt, soll dafür in<br />
finanzieller Hinsicht Verantwortung<br />
übernehmen und einen Teil der Kosten<br />
für Sammlung, Sortierung und Recycling<br />
mittragen. Bestimmte Verpackungen sollen<br />
ganz verboten werden, zum Beispiel<br />
solche für frisches Obst und Gemüse<br />
oder Hotelverpackungen für Kosmetika.<br />
Bisher gilt die EU-Verpackungsrichtlinie,<br />
der zu Folge jedes EU-Land eigene Maßnahmen<br />
definiert, um Verpackungsabfälle<br />
zu reduzieren.<br />
https://hier.pro/eGlZJ<br />
sind die in der PPWR geforderten Rezyklateinsatzquoten<br />
nur zu erreichen, wenn<br />
auch chemisches Recycling durchgeführt<br />
wird. „Im europäischen Binnenmarkt jedenfalls<br />
stehen derzeit keine ausreichenden<br />
Rezyklatmengen zur Verfügung, die<br />
auch für den Kontakt mit Lebensmitteln<br />
sowie Pharma- und Medizinprodukten<br />
zugelassen sind“, sagt Hardow.<br />
Trotz aller Anstrengungen steht aber<br />
die Gesundheitsbranche erst am Anfang<br />
in Fragen der Nachhaltigkeit. Doch ganz<br />
gleich, ob es sich um eine Produktver -<br />
packung mit weniger schädlichen Auswirkungen<br />
oder eine ökologisch wie öko -<br />
nomisch sinnvolle Verwertungsoption<br />
handelt: Jeder Schritt zählt – darin sind<br />
sich die Fachleute bei Südpack einig.<br />
Auf den „Zauberstoff“ Kunststoff könne<br />
man auf absehbare Zeit aus unterschiedlichen<br />
Gründen nicht verzichten, insbesondere<br />
in der Medizingüter- und Pharmaindustrie.<br />
■<br />
Vera Sebastian<br />
Fachjournalistin in München<br />
www.suedpack-medica.com<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 41
■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />
Wie neu: Die Fachleute bei Holypoly schauen sich jedes Kunststoff-<br />
Bauteil genau an. Unter anderem Ergebnisse aus der Röntgenfluoreszenzanalyse<br />
fließen in eine Datenbank ein, die zeigt, woraus<br />
hochwertige Rezyklate und neue Produkte entstehen können<br />
(Bild:Holypoly )<br />
Kaum wiederzuerkennen: Halter für sterile Pipettenspitzen eignen<br />
sich fürs Recycling. Was aus dem Schredder kommt, lässt sich zum<br />
Beispiel zu Haushaltsgegenständen weiterverarbeiten<br />
(Bild: Holypoly)<br />
TECHNIKUM WEIST DEN WEG<br />
ZUR KREISLAUFWIRTSCHAFT<br />
Gebrauchte Kunststoffe weiter verwenden, aber wie? | Das Dresdner Start-up Holy -<br />
poly ent wickelt zirkuläre Geschäftsmodelle für namhafte Großkonzerne wie Bosch,<br />
Mattel oder auch Nuk. Im neuen Technikum entsteht im Kleinen eine Closed-Loop<br />
Factory. Sie soll zeigen, wie genau aus gebrauchten Kunststoffen Rezyklate und neue<br />
Produkte werden. Gegebenenfalls auch für die Gesundheitsbranche.<br />
Kreislaufwirtschaft – über dieses Ziel<br />
reden viele, wenn es darum geht,<br />
mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Aber<br />
wie sieht denn eine Closed-Loop Factory<br />
im Einzelnen aus? Was braucht es an<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Kreislaufwirtschaft: Im Technikum<br />
anfangen, dann hochskalieren<br />
Großunternehmen testen schon<br />
die Möglichkeiten<br />
Medizin<strong>technik</strong>: Es gibt Ansatzpunkte<br />
Technik und Verfahren, was an Daten und<br />
an Organisation, um zu einem echten<br />
Kreislauf zu kommen? Damit beschäftigt<br />
sich das Dresdner Start-up Holypoly und<br />
will genau so eine Closed-Loop Factory<br />
aufbauen und als Technikum nutzen.<br />
Closed-Loop Factory:<br />
Konzerne bekunden Interesse<br />
Interessenten für diesen Ansatz gibt es<br />
schon. Das sind Unternehmen, die in<br />
großen Mengen Kunststoff nutzen, aber<br />
nicht wie die Hersteller von Flaschen oder<br />
Verpackungsmaterialien in bestehende<br />
Recyclingkreisläufe eingebunden sind.<br />
Beispiele dafür sind Markenhersteller<br />
wie Bosch, Lamy, Mattel oder Nuk, die be-<br />
reits zu den Auftraggebern von Holypoly<br />
zählen.<br />
„Wir richten uns ausdrücklich an Hersteller,<br />
die Kunststoffe verarbeiten, die<br />
nicht in die etablierten Verwertungsströme<br />
fallen“, berichtet der Technische Leiter<br />
bei Holypoly, Pascal Haaf. Dazu zählen<br />
Spielzeughersteller, Schreibwarenanbieter<br />
oder Produzenten von Haushalts-,<br />
Elektro- oder Gartengeräten. „Diese wissen<br />
um die Bedeutung von Rezyklaten<br />
und sind daran interessiert, sie einzusetzen<br />
und die Kreisläufe zu schließen.“<br />
Auch für Unternehmen aus der Medizin<strong>technik</strong><br />
sind erste kleine Projekte<br />
schon gelaufen. „Wir sind sehr offen und<br />
gewillt, für die Branche zu arbeiten“, sagt<br />
42 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Geschäftsführer Fridolin Pflüger. Zu wirklich<br />
großen Initiativen kam es hier aber<br />
noch nicht – „leider“. Denn diese wären<br />
notwendig, um den Sektor vorwärts zu<br />
bringen, „der allein in Deutschland jedes<br />
Jahr über eine Viertelmillion Tonnen<br />
Kunststoff in Verkehr bringt, während<br />
praktisch nichts davon recycelt wird“.<br />
Recyceltes Material kann für<br />
Medizinprodukte geeignet sein<br />
Gründe dafür gebe es natürlich. Hohe Anforderungen<br />
an die Produkte wecken laut<br />
Pflüger Zweifel daran, ob Recyclingmaterial<br />
diesen gerecht werden kann. „Aber<br />
das kann es“, betont er. Produkt-Zertifizierungsprozesse<br />
nach einer Materialveränderung<br />
seien zwar aufwendig, Schwankungen<br />
in der Materialversorgung mit Risiken<br />
behaftet. „Langfristig bekommt man<br />
aber alle Qualitätsfragen gut in den Griff<br />
und erreicht verlässliche Kontinuität.“<br />
Ein wichtiger Aspekt ist laut Pflüger<br />
die typische Unternehmensgröße in der<br />
Medtech-Branche: Angesichts der vielen<br />
kleineren Akteure sei es schwierig, jemanden<br />
zu finden, der vorpreschen möchte –<br />
auch wenn viele die Hände über dem Kopf<br />
zusammenschlagen angesichts der großen<br />
Kunststoffmengen. „Labore zum Beispiel<br />
kommen direkt auf uns zu, haben<br />
aber selbst keine Budgets, um die nötigen<br />
Entwicklungsprojekte anzuschieben.“<br />
Trotz des Drucks, etwas zu verbessern,<br />
fänden die Verantwortlichen bei Medizin<strong>technik</strong>-Konzernen<br />
keine Kontaktpersonen,<br />
die es sich zur Aufgabe machen,<br />
schnell solide Lösungen zu entwickeln.<br />
„Das liegt auch daran, dass die Kommunikation<br />
mit den Herstellern hauptsächlich<br />
auf der Ebene des Vertriebs läuft<br />
und es da wenig um Entwicklung, Innovation<br />
oder Nachhaltigkeit geht“, sagt Pflüger.<br />
Neue, stark ausgestattete Funktionsbereiche<br />
würden weiterhelfen, wie das<br />
Beispiel aus anderen Branchen zeige.<br />
„Das könnten die Medizinprodukte-Hersteller<br />
auch so angehen, und wir stehen<br />
mit den ersten diesbezüglich in Kontakt.“<br />
Noch gehe es aber langsam voran.<br />
„Alternativ könnte es Partnerschaften<br />
zwischen Akteuren entlang der gesamten<br />
Wertschöpfungskette geben. Wir können<br />
uns gut vorstellen, so etwas zu moderieren<br />
und zu koordinieren und haben das in<br />
anderen Branchen auch schon gemacht“,<br />
berichtet der Geschäftsführer. Noch fehle<br />
dafür aber der „initiale Funke“, der von einem<br />
Branchenverband oder eine freiwilligen<br />
Gruppe ausgehen könnte.<br />
Solange allerdings neues Material aus<br />
Erdöl so billig bleibe wie bisher, mangele<br />
ein wenig der Anstoß. Nur wer langfristige<br />
Verantwortung übernehmen will und<br />
den strategischen Vorteil in der Nachhaltigkeit<br />
sehe, könne entschieden genug<br />
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In-Vitro-Diagnose-Streifen zum visuellen Nachweis von Drogen und Alkohol<br />
Spezialmatten zur Bindung von Staub- und Schmutzpartikeln in Laboren,<br />
Praxen und Klinikräumen<br />
Elektronisch geregelte Mikro-Gasbrenner zum manuellen Erhitzen von<br />
Oberflächen und Produkten<br />
Zertifiziert nach<br />
DIN EN ISO 9001:2015<br />
Kompetente Beratung. Hohe Verfügbarkeit. Kurzfristige Lieferung kleiner Mengen.<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 43<br />
Medizin<strong>technik</strong> | Hygiene<strong>technik</strong> | Diagnose<strong>technik</strong> | Sterilisations<strong>technik</strong> | Qualitätssicherung<br />
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■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />
Schnuller & Co auf dem Weg zum Recycling<br />
Ein Recycling-Projekt setzt Holypoly mit<br />
Nuk um: Seit Juni 2022 werden Schnuller,<br />
Baby flaschen und Becher aus Kunststoff<br />
deutschlandweit kostenlos zurückgenommen<br />
und kreislaufgerecht recycelt.<br />
Dafür wartet das so genannte „Nuk<br />
Schnullermonster” in Kitas oder Geschäften<br />
und hat „Plastik zum Fressen gern“.<br />
Es nimmt nicht nur die Produkte von Nuk,<br />
sondern auch die anderer Marken entgegen.<br />
Darüber hinaus können Privatpersonen<br />
einen kostenlosen Paketschein erstellen,<br />
um Produkte einzusenden. In einem<br />
speziellen Recyclingprozess entstehen<br />
daraus neue Sandförmchen, die zu<br />
100 % aus den recycelten Kunststoffen<br />
der Schnuller, Flaschen und Becher bestehen.<br />
Über ein Losverfahren gelangen sie<br />
an die teilnehmenden Kitas und an Personen,<br />
die Produkte eingesendet haben.<br />
Seit 2023 läuft so ein Programm auch<br />
schon in Österreich.<br />
Was an gebrauchtem Kunststoff zurückkommt, wird sortiert, geschreddert und<br />
zu neuem Granulat verarbeitet – als Basis für neue Produkte<br />
den Weg der Transformation beschreiten.<br />
Erfolgsgeschichten aus anderen Branchen<br />
zeigen, in welche Richtung es gehen könne.<br />
„Bei Holypoly sind uns Ansprechpartner<br />
immer willkommen, die an so etwas<br />
interessiert sind – aber wir brauchen natürlich<br />
für ein Innovationsprojekt auch<br />
das entsprechende Budget.“<br />
So ein Innovationsprojekt umfasst den<br />
gesamten Kreislauf beim Kunststoff. So<br />
sind in der Closed-Loop Factory sowohl<br />
die Prototypenfertigung als auch Testverfahren<br />
und Materialanalysen vertreten.<br />
(Bild: Holypoly)<br />
Ebenso geht es um die Recyclingprozesse<br />
und die Musterproduk tion. Schrittweise<br />
sollen im Technikum bei Holypoly sämtliche<br />
Technologien und Maschinen des<br />
Kunststoffrecyclings vereint sein. „Dies ermöglicht<br />
es uns, Stoffströme genau zu erforschen<br />
und maßgeschneiderte industrielle<br />
Recyclingprozesse im Kleinen zu<br />
erproben“, sagt Fridolin Pflüger.<br />
Der Reiz des Technikums: Die Prozesse<br />
sollen hier optimal auf den wirtschaftlichen<br />
Einsatz im großen Maßstab vorbereitet<br />
werden. Projekte für Auftraggeber<br />
aus 11 Ländern sind dazu bereits erfolgreich<br />
abgeschlossen. Die Herausforderung<br />
sei dabei nicht, die mechanischen<br />
Eigenschaften des Kunststoffs zu erhalten,<br />
sondern die Einhaltung der Schadstoffrichtlinien.<br />
Holypoly prüft aber die<br />
Schadstoffkennwerte und erstellt Machbarkeitsstudien<br />
auf Einzelteilebene.<br />
„Wir schauen uns jedes Bauteil an und<br />
setzen auch die Röntgenfluoreszenzanalyse<br />
ein. Alle ermittelten Merkmale werden<br />
in einer Datenbank erfasst. Daraus<br />
können wir ableiten, welche Bauteile für<br />
hochwertiges Recycling geeignet sind“,<br />
fasst Haaf zusammen. Die detaillierte<br />
Analyse in Verbindung mit dem Verständnis<br />
für den Abfallstrom sei eine der Kernkompetenzen<br />
von Holypoly. Am Ende stehe<br />
nach der Machbarkeitsstudie die Konzeption<br />
eines Serienprozesses, in den alle<br />
erforderlichen Recyclingschritte für eine<br />
Kreislaufwirtschaft implementiert sind.<br />
Granulat zertifizieren und ein<br />
Sammelsystem organisieren<br />
Anschließend folgt die Skalierung des<br />
Verfahrens für die Großserie, die Effizienz<br />
wird optimiert. Holypoly ist ebenso an der<br />
Erstellung der Datenblätter der Produkte<br />
beteiligt wie an deren Bemusterung. Haaf<br />
zeigt sich selbstbewusst: „Wir zertifizieren<br />
das Granulat für die neuen Kunststoffteile,<br />
aber wir kümmern uns auch um den<br />
Rücklauf der gebrauchten Produkte, zum<br />
Beispiel, indem wir ein Sammelsystem organisieren.“<br />
Darüber hinaus berät das Unternehmen<br />
in Bezug auf Design, strategisches<br />
Marketing, Kommunikation,<br />
Rechtsfragen, Qualitätssicherung oder<br />
Logistik.<br />
Derzeit beschäftigt Holypoly 26 feste<br />
Mitarbeiter und arbeitet mit etwa 40 externen<br />
Fachkräften zusammen. Die Zahl<br />
der Mitarbeiter soll durch Crowdinvesting<br />
weiter steigen. Eine entsprechende Kampagne<br />
Ende 2023 verlief äußerst erfolgreich:<br />
Beinahe eine Million Euro stehen<br />
nun für weitere Fachkräfte und Investitionen<br />
zur Verfügung.<br />
(op) ■<br />
https://holypoly.co<br />
44 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
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Das Kompetenznetzwerk der Industrie<br />
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■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />
MIT GETEILTEN INSTRUMENTEN<br />
NACHHALTIGER UNTERWEGS<br />
Adaptive Chirurgieinstrumente | Ein Mehrweg-Griff lässt sich mit vielen Arbeitsenden<br />
kombinieren. Diese können als Disposables konzipiert sein – oder wie der Griff aus<br />
Metall und damit aufbereitbar sein. Mit einer solchen Lösung ergänzt Kammerer<br />
Medical Systems seine Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit.<br />
(Bild: Kammerer Medical Systems)<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Modulare Chirurgieinstrumente<br />
Einweg- und Mehrweg nach Wunsch<br />
Metall und Kunststoff kombiniert<br />
10 bis 20 % geringerer CO2 -Fußabdruck<br />
LCA geplant, für jedes Modul berechnet<br />
So wenig reinigen oder entsorgen wie<br />
möglich und damit nachhaltiger<br />
arbeiten : Das ermöglichen Chirurgieinstrumente,<br />
bei denen der Griff und das<br />
Arbeitsende getrennte Wege gehen. Verbunden<br />
sind beide durch einen Kupplungsmechanismus.<br />
„Wir haben schon vor langer Zeit begonnen,<br />
solche Instrumente zu entwickeln“,<br />
sagt Uli Kammerer, Geschäftsführer<br />
der Kammerer Medical Systems<br />
GmbH & Co. KG in Stockach. Was vor über<br />
zehn Jahren als Idee auf den Tisch kam,<br />
haben die Experten für Chirurgieinstrumente<br />
allerdings 2022 zu einem System<br />
ausgearbeitet, das sie als „adaptives Instrument“<br />
bezeichnen und vermarkten.<br />
Die Nachhaltigkeit ist dabei ein Aspekt,<br />
der solche Instrumente interessant<br />
macht.<br />
So kann der Griff aus silikonummanteltem<br />
Metall immer wieder gereinigt und<br />
sterilisiert werden. Für das Arbeitsende<br />
hingegen hat der Auftraggeber die Wahl:<br />
Soll es als Disposable eingesetzt werden<br />
und daher aus Kunststoff bestehen? Oder<br />
soll es, wie der Griff, aus den für Chirurgieinstrumente<br />
typischen metallischen<br />
Materialien hergestellt und daher ebenso<br />
mehrfach einsetzbar sein? Den Vorteil<br />
bringt Geschäftsführer Uli Kammerer auf<br />
den Punkt: „Wenn sich ein Auftraggeber<br />
für eine Disposable-Lösung entscheidet,<br />
muss der Anwender bei einem adaptiven<br />
Instrument eben nur das Arbeitsende entsorgen<br />
und nicht den Griff gleich mit.“<br />
Wie viel das mit Blick auf den<br />
CO 2 -Fußabdruck insgesamt ausmacht?<br />
Kammerers Schätzungen dazu belaufen<br />
Ein Griff lässt sich mit einer Vielzahl von Arbeitsenden<br />
zu verschiedenen chirurgischen<br />
Instrumenten kombinieren. Der entscheidende<br />
Punkt dafür ist der sichere, aber einfach<br />
zu verwendende Kupplungsmechanismus<br />
sich aktuell auf 10 bis 20 %, um die das<br />
Unternehmen den eigenen Abdruck<br />
durch diese Art von Instrumenten reduzieren<br />
könnte.<br />
Aktuell lassen sich Rongeure, schneidende<br />
sowie haltende Instrumente zweigeteilt<br />
ausführen, ebenso Instrumente für<br />
die Entnahme von Biopsien. Weil der Effekt<br />
so groß ist, sollen entsprechende<br />
Überlegungen auf weitere Instrumente<br />
ausgeweitet werden, die der Spezialist<br />
herstellt. „Die Idee ist natürlich nicht<br />
grundsätzlich neu, es gibt auch schon Instrumente<br />
zum Beispiel für die Fuß- und<br />
Handchirurgie, bei denen dieser Gedanke<br />
umgesetzt ist“, sagt Kammerer.<br />
Idee hat sich bewährt, in der<br />
Kupplung steckt viel Wissen<br />
Besonders stolz allerdings ist er auf die<br />
Art der Kupplung, mit denen seine adaptiven<br />
Instrumente ausgestattet sind. Über<br />
20 Jahre Erfahrung in der Kupplungsentwicklung<br />
seien darin eingeflossen. „Und<br />
das heißt, dass sich die Arbeitsenden sehr<br />
einfach austauschen lassen und man den<br />
Griff zum Reinigen und Sterilisieren nicht<br />
auseinanderbauen muss.“ Für den Einsatz<br />
der Instrumente im OP sieht er darin einen<br />
großen Vorteil. Die OP-Schwester<br />
müsse am Griff nichts montieren, wie<br />
man das von bisherigen teilbaren Instrumenten<br />
kenne. Die Griffe und die Arbeitsenden<br />
liegen vielmehr gebrauchsfertig im<br />
OP-Sieb und lassen sich nach Anforderungen<br />
durch den Operateur einfach zusammenstecken.<br />
Die Unterlagen und Vor-<br />
46 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
(Bild: Kammerer Medical Systems)<br />
Uli Kammerer, Geschäftsführer bei Kammerer<br />
Medical Systems, setzt in der Produktion<br />
und bei den Produkten auf nachhaltigere<br />
Lösungen<br />
schriften zur validierten Reinigung und<br />
Sterilisation stellt Kammerer Medical Systems<br />
zur Verfügung.<br />
Dass die Siebe leichter sind, weil nicht<br />
für jedes Arbeitsende ein eigener Griff darin<br />
enthalten ist, und dennoch viele Instrumente<br />
im OP-Saal bereitstehen, sei<br />
ein Vorteil für das Krankenhaus. Weniger<br />
zu reinigen und zu sterilisieren, weniger<br />
zu lagern – auch das zählt beim Blick auf<br />
die Nachhaltigkeit. Für den Hersteller von<br />
Implantaten, der seine Produkte zusammen<br />
mit solchen Instrumenten anbietet,<br />
entscheidet wiederum der Blick auf die<br />
Kosten. „Zumeist gehören die Instrumente<br />
dem Medizinproduktehersteller – und<br />
es sind schon große Werte, die er da in<br />
vielen Instrumentensätzen für viele Krankenhäuser<br />
zur Verfügung stellt.“<br />
Die Lebensdauer der Instrumente leidet<br />
durch den geteilten Aufbau übrigens<br />
nicht. Als Standardwert nennt Kammerer<br />
für die adaptiven Instrumente aus Metall<br />
rund 500 Zyklen der Reinigung und<br />
Sterilisa tion. Dieser Wert lasse sich durch<br />
Zahlen belegen, die in einem Tübinger Labor<br />
ermittelt wurden.<br />
Genauere Daten hierzu wollen die<br />
Stockacher in Zusammenarbeit mit ihren<br />
Auftraggebern erheben, denn wie die Instrumente<br />
im Einzelnen aufgebaut sind,<br />
was als Disposable und was als Mehrweg<br />
konzipiert wird, hängt von der Anwendung<br />
ab. Für die Griffe geht Kammerer<br />
davon aus, dass diese mindestens fünf<br />
Jahre lang verwendet werden können.<br />
Arbeiten für eine nachhaltige Zukunft<br />
Aus der Weber Instrumente GmbH & Co.<br />
KG wurde Anfang 2023 die Kammerer<br />
Medical Systems GmbH & Co KG. Was<br />
der neue Name zeigen soll: Die Kompetenz<br />
des Unternehmens geht über das<br />
Herstellen der Instrumente selbst hinaus.<br />
Die Dokumentation für eine Zertifizierung<br />
gemäß EU-MDR gehört ebenso<br />
dazu wie die Möglichkeit, in den Instrumentengriff<br />
zukunftsfähige RFID-Technik<br />
zu integrieren.<br />
Das Jahr 2023 brachte dem Unternehmen<br />
einen großen Wachstumsschritt. In<br />
einem neuen Produktions- und Büro -<br />
gebäude am Standort Stockach hat Kammerer<br />
Medical Systems seine Kapazität<br />
verdreifacht.<br />
Mit Blick auf künftige Anforderungen<br />
sind die Gebäude nachhaltig ausgelegt<br />
und mit Photovoltaikanlagen ausgestattet.<br />
Die Abwärme der Maschinen fließt in<br />
eine Klimaanlage, die im Sommer die Büro-Räume<br />
und die Produktion kühlt und<br />
im Winter heizt, bei Bedarf unterstützt<br />
von mehreren Wärmepumpen. Das Ziel<br />
„Wobei wir in der Praxis oft auch Instrumente<br />
sehen, die mehr als die doppelte<br />
Zeit tadellos in Gebrauch waren.“<br />
Mehrweg ist aber nicht überall gefragt.<br />
Arbeits enden zum einmaligen Gebrauch<br />
beispielsweise seien vor allem in Frankreich<br />
sehr gefragt, sagt er – die Sorge vor<br />
einer Verbreitung von infektiösem Material<br />
wie Prionen, die die Creutzfeld-Jakob-<br />
Krankheit hervorrufen, sei dort besonders<br />
verbreitet.<br />
ist laut Geschäftsführer Uli Kammerer,<br />
bis 2026 CO 2 -neutral zu produzieren. Seine<br />
Erfahrungen mit dem Thema Nachhaltigkeit<br />
will der Geschäftsführer bei<br />
Veranstaltungen im Jahr 2024 mit Interessierten<br />
teilen.<br />
Im ersten Anlauf im Ecovadis-Ranking erhielt<br />
das Unternehmen die Auskunft,<br />
dass die Leistung in den Bereichen Corporate<br />
Social Responsibility (CSR) und Umwelt<br />
über dem Durchschnitt der Branche<br />
liege. „Die Bronze-Medaille nehmen wir<br />
als Ansporn für weitere Verbesserung“,<br />
sagt der Geschäftsführer.<br />
Weiteres Wachstum ist ebenfalls geplant.<br />
Das Unternehmen beschäftigte<br />
Ende 2023 etwas über 80 Mitarbeiter. Die<br />
Belegschaft soll 2024 auf etwa 130 Beschäftigte<br />
anwachsen. Mehrfamilienhäuser<br />
für die Mitarbeiter sind ebenso<br />
geplant wie eine Kindertagesstätte.<br />
Zwei weitere Hallen sollen entstehen, die<br />
Anträge für den Bau einer weiteren Halle<br />
sind bereits gestellt.<br />
www.kammerer-med.de<br />
Für das Zertifizieren sind Griff<br />
plus Arbeitsenden ein System<br />
Nach EU-MDR zertifiziert werden die<br />
adaptiven Instrumente gemäß den Vorgaben<br />
für wiederverwendbare Produkte der<br />
Klasse Ir. Dabei gilt der Griff mit allen zugehörigen<br />
Arbeitsenden aus Metall als ein<br />
System, das einmalig den Zertifizierungsprozess<br />
durchläuft.<br />
Getrennt betrachten muss man hingegen<br />
die Zahlen für Griffe und Arbeitsenden,<br />
wenn es um das Life-Cycle-Assessment<br />
und den CO 2 -Fußabdruck der beiden<br />
Bestandteile geht. Die Berechnungsgrundlagen,<br />
die hierzu konkrete Zahlen<br />
liefern sollen, baut Kammerer Medical<br />
Systems derzeit auf. „Ich gehe davon aus“,<br />
sagt der Geschäftsführer, „dass wir diese<br />
dann bis Ende 2024 vorliegen haben.“<br />
Bis dahin soll sich im Unternehmen am<br />
neuen Standort in Sachen Nachhaltigkeit<br />
aber auch noch mehr tun. „Wir beschäftigen<br />
uns intensiv mit dem Thema, haben<br />
unseren neuen Standort für die nächste<br />
Generation ausgerichtet – und wir merken,<br />
dass sowohl unsere Kunden, vor allem<br />
die US-amerikanischen, genauer<br />
nachfragen. Und auch die Banken haben<br />
schon angekündigt, dass der Nachweis<br />
von Nachhaltigkeit in zwei oder drei Jahren<br />
bei der Bewertung der Bonität eines<br />
Unternehmens eine Rolle spielen wird.“<br />
Doch für solche Nachfragen sieht sich<br />
Kammerer mit seinem Unternehmen<br />
schon auf einem guten Weg.<br />
■<br />
Dr. Birgit Oppermann<br />
birgit.oppermann@konradin.de<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 47
■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />
MEDIZINPRODUKTE: BEWERTEN,<br />
WELCHE NACHHALTIGER SIND<br />
Start-up erstellt Ranking für Medizinprodukte | Wenn Ärzte sich für nachhaltige<br />
Medizinprodukte entscheiden möchten, woran sollen sie diese erkennen? Diese Frage<br />
beantwortet das Start-up Praxis ohne Plastik. Dessen Kriterien ermöglichen auch den<br />
Vergleich von Produkten verschiedener Hersteller.<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Einheitliche Bewertung der<br />
Nachhaltigkeit von Medizinprodukten<br />
Verbrauchsmaterial<br />
Gerätebewertung möglich<br />
Beratung für Medizinproduktehersteller<br />
Bislang landet zu viel Verbrauchsmaterial aus dem Gesundheits -<br />
wesen im Müll. Aber welche Hersteller bieten echte Alternativen?<br />
Zahnarztpraxis: Es gluckert, Wasser<br />
fließt in einen Plastikbecher. Der Patient<br />
spült den Mund. Fertig. Der Plastikbecher<br />
fliegt nach wenige Sekunden in<br />
den Müll. „So etwas ist doch unnötig“,<br />
sagt Nora Stroetzel. Und damit sich solche<br />
Fälle vermeiden lassen, gibt es seit knapp<br />
drei Jahren ein Start-up, das nachhaltigere<br />
Lösungen rund um Gesundheitswesen<br />
und Medizinprodukte bewertet und den<br />
Praxen zur Verfügung stellt.<br />
Der Name des Start-ups, das Ingenieurin<br />
Nora Stroetzel mit gegründet hat, ist<br />
Programm: Praxis ohne Plastik nennt sich<br />
das Unternehmen aus Kiel, das bislang<br />
drei Mitarbeiterinnen hat – plus Unterstützung<br />
von Werkstudenten. Die Fachleute<br />
haben sich einen Katalog von Kriterien<br />
erarbeitet, anhand derer sich bewerten<br />
und vergleichen lässt, wie sehr sich<br />
ein als nachhaltig bezeichnetes Medizinprodukt<br />
tatsächlich von anderen unterscheidet.<br />
Produkte, die dabei gute Bewertungen<br />
erhalten, bietet Praxis ohne Plastik<br />
im eigenen Online-Shop an. Das Ziel laut<br />
Stroetzel: „Mit Transparenz zeigen wir<br />
Greenwashing klare Grenzen!“<br />
Um im Angebot aufzutauchen, muss<br />
ein Produkt bei vielen Aspekten gut abschneiden.<br />
„Wir betrachten nicht nur das<br />
Produkt an sich, sondern auch die Herstellung<br />
und alles, was bis zum Lebensende<br />
noch passiert“, fasst Stroetzel zusammen.<br />
Denn am ehesten gelange man zu<br />
nachhaltigen Produkten, wenn man sich<br />
das „Rethink“ zu Herzen nimmt und ein<br />
Produkt von Grund auf überarbeitet.<br />
Bewertungen erfolgen entlang<br />
des gesamten Lebenszyklus<br />
Heißt: Es geht um das Material, den<br />
Herstellungsprozess, die Energiequellen,<br />
ein Design, das der Nachhaltigkeit entspricht.<br />
Es geht darum, wie das Produkt<br />
trans portiert wird und wie lange es sich<br />
nutzen lässt. Und schließlich geht es auch<br />
um die Frage, ob es am Ende im Müll landet<br />
oder kreislauffähig ist. Einzelne Faktoren<br />
bekommen eine Gewichtung: So erhält<br />
ein Produkt mehr „Punkte“, wenn der<br />
CO 2 -Ausstoß im Vergleich zu herkömmlichen<br />
Produkten gesenkt wird. Der<br />
CO 2 -Ausgleich bringt auch Punkte, aber<br />
weniger. Und wer sowohl spart als auch<br />
ausgleicht, erhält die höchste Punktzahl.<br />
Oft erweist es sich allerdings als<br />
schwierig, die Fakten zu all diesen Krite-<br />
rien überhaupt in Erfahrung zu bringen.<br />
„Hersteller werben eher mit einzelnen Aspekten,<br />
bei denen sie sich um mehr Nachhaltigkeit<br />
bemüht haben“, sagt Stroetzel.<br />
Genau das mache es für die Anwender so<br />
schwierig, zu vergleichen und sich zwischen<br />
Produkten zu entscheiden.<br />
Einen positiven Eindruck hinterlässt<br />
bei der Bewertung die Konformität zu relevanten<br />
Normen. So erfasst Praxis ohne<br />
Plastik, ob es beim Hersteller ein Ecolo -<br />
gical Management System gemäß Iso<br />
14001 gibt oder ein Life Cycle Assessment<br />
gemäß ISO 14044 durchgeführt wird.<br />
Wer internationalen Standards genügt,<br />
bekommt viele Punkte. „Bei unter -<br />
nehmenseigenen Labels schauen wir,<br />
welche Aussagen dahinter stehen und<br />
fragen auch beim Hersteller nach, damit<br />
wir so etwas in die Bewertung einbe -<br />
ziehen können“, berichtet Stroetzel.<br />
Wenn die Informationslage zu dünn ist,<br />
bringt ein firmeneigenes Label keine Vorteile.<br />
(Bild:Praxis ohne Plastik)<br />
48 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Für Produktmanager in der Medizin<strong>technik</strong>,<br />
das zeige die Erfahrung, sei es<br />
immer noch sehr ungewohnt, Nachfragen<br />
zu einem Produkt zu beantworten. Schon<br />
die Frage nach dem Herstellort – die Praxis<br />
ohne Plastik stellt, um den Einfluss des<br />
Transportes auf den CO 2 -Ausstoß einzuschätzen<br />
–, errege oftmals Misstrauen.<br />
Weitere Informationen<br />
Das Start-up Praxis ohne Plastik bietet<br />
neben einem Online-Shop für<br />
Geschäftskunden auch Workshops<br />
zu nachhaltiger Praxisführung an.<br />
Zur Zielgruppe gehören Praxen von<br />
Medizinern, Zahnärzten und Veterinärmedizinern.<br />
Auch die Beratung<br />
für Medizinproduktehersteller ist<br />
möglich.<br />
www.praxisohneplastik.de<br />
Wirklich nachhaltige Produkte<br />
gibt‘s nicht – aber Unterschiede<br />
Die bisher durchgeführten Bewertungen<br />
an Produkten haben im Start-up zu der<br />
Gesamteinschätzung geführt, dass es heute<br />
im Grunde noch keine „nachhaltigen“<br />
Medizinprodukte gibt. „Aber es gibt<br />
durchaus Unterschiede, und man kann<br />
die Produkte erkennen, die nachhaltiger<br />
sind als andere“, fasst Stroetzel zusammen.<br />
In Zahlen ausgedrückt: Ein wirklich<br />
nachhaltiges Produkte könnte im Bewertungssystem<br />
des Start-ups etwa 85 bis<br />
100 % der möglichen Punkte erreichen.<br />
Heute gilt schon als vorbildlich, wer es auf<br />
15 % der möglichen Punkte bringt.<br />
Hersteller von Medizinprodukten können<br />
sich auch an das Start-up wenden,<br />
um Produkte bewerten zu lassen. Zusammen<br />
mit dem Ergebnis bekommen sie<br />
dann ein Label, das sie fürs Marketing verwenden<br />
können. Auch eine Beratung, was<br />
sich in Richtung Nachhaltigkeit tun lasse,<br />
sei durch Praxis ohne Plastik möglich. So<br />
sagt Stroetzel: „Wir arbeiten mit Arztpraxen<br />
zusammen und können zum Beispiel<br />
im Auftrag eines Herstellers eine Umfrage<br />
machen, ob eine bestimmte nachhaltige<br />
Lösung im Praxisalltag umsetzbar wäre.“<br />
Als Start-up sind die Möglichkeiten<br />
heute aber noch begrenzt: Es geht bisher<br />
vor allem um Verbrauchsmaterial. Grundsätzlich<br />
lasse sich die Art der Bewertung<br />
auch auf Medizingeräte übertragen. „Das<br />
ist allerdings ein eher aufwendiger Prozess“,<br />
sagt Stroetzel. Wenn ein Gerätehersteller<br />
diesen in Auftrag gebe, lasse sich<br />
das aber umsetzen.<br />
Interesse an den Bewertungen der<br />
nachhaltigeren Medizinprodukte gibt es,<br />
und zwar nicht nur aus Arztpraxen. „Für<br />
Einkäufer in Krankenhäusern bieten wir<br />
auch schon eine Beratung an“, sagt Stroe -<br />
tzel. Die hohen Anforderungen, die für<br />
(Bild: Praxis ohne Plastik)<br />
die Belieferung von Krankenhäusern erfüllt<br />
werden müssen, lassen sich mit dem<br />
Start-up-eigenen Online-Shop für nachhaltigere<br />
Medizinprodukte bisher jedoch<br />
nicht umsetzen. Aber was nicht ist, kann<br />
ja noch werden. Und: „Wenn sich unsere<br />
Label durchsetzen, wird damit auch für<br />
den Einkäufer im Krankenhaus erkennbar,<br />
welche Produkte als besonders nachhaltig<br />
gelten können.“<br />
■<br />
Dr. Birgit Oppermann<br />
birgit.oppermann@konradin.de<br />
Nora Stroetzel ist<br />
Mitgründerin des<br />
Start-ups Praxis<br />
ohne Plastik. Trans -<br />
parenz gegen<br />
Greenwashing ist<br />
das Ziel bei der<br />
Bewertung von<br />
Medizinprodukten<br />
Mehr dazu online<br />
Mehr zum Thema Nachhaltigkeit in<br />
der Medizin<strong>technik</strong> finden Sie auf unserer<br />
Themenseite im Online-Portal.<br />
www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/<br />
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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 49
■ [ RECHT ]<br />
Bilanz nach zwei Jahren:<br />
EU-MDR belastet Standort Deutschland<br />
Aktuelle Bewertung zur EU-MDR | Auch zwei Jahre nach Geltungsbeginn stellt die Medical Device<br />
Regulation viele Medizinproduktehersteller vor Umsetzungsprobleme – mit Auswirkungen auf die<br />
Innovationskraft und den Gesundheitsstandort Deutschland. Das zeigt eine aktuelle Studie von<br />
Spectaris, DIHK und Medical Mountains.<br />
(Bild: Vadim/stock.adobe.com)<br />
Die Umsetzung der EU-MDR erschwert laut einer aktuellen Umfrage<br />
die zuverlässige Gesundheitsversorgung in der Europäischen Union<br />
Ob chirurgische Instrumente, Herzkatheter<br />
für Neugeborene oder Notfallbeatmungsgeräte:<br />
Zwei Jahren nach<br />
der Einführung der Europäischen<br />
Medizinprodukte verordnung (EU-MDR)<br />
ziehen deutsche Hersteller eine ernüchternde<br />
Bilanz. In einer gemeinsamen Befragung<br />
der Deutschen Industrie- und<br />
Handelskammer (DIHK), der Medical<br />
Mountains GmbH und des Industrieverbands<br />
Spectaris äußerten sich fast 400<br />
Unternehmen zu den Auswirkungen.<br />
Die MDR, so das Ergebnis, führe dazu,<br />
dass bereits heute viele Medizinprodukte<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Erfahrungen mit der EU-MDR<br />
Umsetzung zu aufwendig und zu teuer<br />
Verbände suchen Gespräch<br />
mit der Politik<br />
Veränderungen an der MDR erwünscht<br />
vom Markt genommen werden – und bis<br />
2027 drohten zahlreiche weitere zu verschwinden.<br />
Drei Viertel der befragten Unternehmen<br />
verzeichnen demnach negative<br />
Auswirkungen auf ihre Innovations -<br />
tätigkeit. In mehr als jedem zweiten Produktportfolio<br />
werden einzelne Produkte<br />
oder komplette Produktionen und Sortimente<br />
vom Markt genommen – betroffen<br />
sind dabei alle 21 abgefragten Anwendungsgebiete.<br />
Zwar wurden Ende 2022 die Übergangsfristen<br />
für Bestandsprodukte bis<br />
2027/2028 verlängert. Dies ändere jedoch<br />
nichts an den strukturellen Problemen.<br />
Im Gegenteil: Es manifestiert sich<br />
nach Angaben der Verbände sogar die<br />
Einschätzung aus der ersten gemeinsamen<br />
Erhebung im Frühjahr 2022, wonach<br />
die MDR nach wie vor nicht praxistauglich<br />
sei.<br />
Fast alle Betriebe (97 %) haben weiterhin<br />
Probleme bei der Umsetzung der Vorgaben<br />
aus der Medizinprodukteverordnung<br />
– insbesondere aufgrund der hohen<br />
Belastungen durch Kosten- und Bürokratie.<br />
Unter den genannten Herausforderungen<br />
steht mit 67 % der Aufwand zur<br />
Anpassung der technischen Dokumentationen<br />
ganz oben. Hier seien die Kosten<br />
im Durchschnitt um 111 % gestiegen.<br />
Die für den Marktzugang erforderliche<br />
Zusammenarbeit mit Benannten Stellen<br />
stößt laut Befragung ebenfalls auf erhebliche<br />
Hindernisse. Die Unternehmen verzeichnen<br />
durchschnittliche Kostensteigerungen<br />
von 124 %, wenn es um das Einbinden<br />
einer Benannten Stelle geht.<br />
Sollen Medizinprodukte vom EU-<br />
Markt genommen werden, geben in 91 %<br />
der Fälle die kompletten Zertifizierungskosten<br />
den Ausschlag bei der Entscheidung.<br />
Gerade Nischenprodukte mit kleinem<br />
Absatzmarkt können demnach nicht<br />
mehr wirtschaftlich vermarktet werden.<br />
Lange Verfahren, verzögerte<br />
Bereitstellung der Produkte<br />
Auch die Dauer der Verfahren verlängert<br />
sich für viele Betriebe drastisch. Bei 37 %<br />
der Unternehmen sei die Verfahrensdauer<br />
sogar dreimal so lange wie vor der MDR.<br />
In der Folge verzögere sich die Bereitstellung<br />
der Produkte massiv.<br />
Angesichts dieser Entwicklungen<br />
mahnt Achim Dercks, stellvertretender<br />
DIHK-Hauptgeschäftsführer: „Die Politik<br />
muss die Wettbewerbs- und Innovationskraft<br />
der mittelständisch geprägten Medizin<strong>technik</strong>-Branche<br />
erhalten und stärker<br />
in den Blick nehmen – das wäre auch<br />
wichtig für die zuverlässige Gesundheitsversorgung<br />
in der EU.“<br />
Diese Entwicklung birgt zugleich<br />
Zündstoff für weitere gesellschaftliche<br />
Debatten – auch, weil die EU damit nicht<br />
mehr unbestrittene Nummer 1 bei Neuzulassungen<br />
ist: Mehr als jedes fünfte Unternehmen<br />
weicht mit medizintechnischen<br />
Innovationen auf andere Märkte aus –<br />
meistens in die USA.<br />
50 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
„Diese Ergebnisse halten der EU den<br />
Spiegel vor“, findet Julia Steckeler, Geschäftsführerin<br />
der Medical Mountains<br />
GmbH in Tuttlingen. „Wenn die USA aufgrund<br />
der schnelleren Zulassungsverfahren<br />
sowie planbarer Kosten und verlässlichen<br />
regulatorischer Anforderungen den<br />
Vorzug erhalten, ist ganz klar, woran gearbeitet<br />
werden muss.“ Das System weise<br />
noch zu viele Baustellen auf.<br />
„Besorgniserregend“: Situation<br />
vieler kleiner Unternehmen<br />
Martin Leonhard, Vorsitzender des Bereiches<br />
Medizin<strong>technik</strong> bei Verband Spectaris,<br />
ergänzt: „Für die Industrie und die Patienten<br />
ist jetzt das Handeln der Politik gefordert“.<br />
Deutschland und die gesamte EU<br />
drohten abgehängt zu werden – einerseits<br />
im internationalen Wettbewerb, andererseits<br />
bei der Versorgung mit innovativen,<br />
aber auch speziellen und bewährten Medizinprodukten.<br />
Gerade die Situation der<br />
vielen kleinen Unternehmen sei besorgniserregend.<br />
Diese Unternehmen hätten<br />
in der Regel weniger finanzielle und personellen<br />
Ressourcen zur Verfügung.<br />
Für die eigenen gestrichenen Produkte<br />
gibt es in fast 20 % der Fälle nach Angaben<br />
der befragten Unternehmen keine<br />
gleichwertigen Alternativen am Markt.<br />
Für Anwender und Patienten außerhalb<br />
der EU bleiben viele dieser Medizinprodukte<br />
jedoch weiterhin verfügbar. So vertreiben<br />
58 % der Unternehmen, die Produkte<br />
in der EU einstellen, diese weiterhin<br />
in Ländern außerhalb der EU – vornehmlich<br />
in den USA.<br />
Vor allem kleine Unternehmen haben<br />
in der Regel weniger finanzielle und personellen<br />
Ressourcen zur Verfügung.<br />
Achim Dercks: „Unter dem Dauerdruck<br />
droht die mittelständisch geprägte Branche<br />
von der Basis her zu erodieren.“ 70 %<br />
der Betriebe mit bis zu 49 Beschäftigten<br />
machten die hohen Zertifizierungskosten<br />
zu schaffen. In den Erwägungsgründen<br />
der MDR werde zwar ausdrücklich erwähnt,<br />
dass auch die Belange kleinerer<br />
und mittlerer Unternehmen zu berücksichtigen<br />
seien, aber „die Realität zeigt<br />
ein anderes Bild“, so Dercks.<br />
Mehr Digitalisierung erwünscht<br />
Ein Ergebnis lieferte die Umfrage auch<br />
zum Thema Digitalisierung. Dabei ging es<br />
um Prozessen wie auch Dokumente, mit<br />
denen die Produkt-Compliance über den<br />
gesamten Lebenszyklus nachgewiesen<br />
wird und QM- und RA-Prozesse effizienter<br />
zu gestalten wären. Das könne Zeit, Geld<br />
und vor allem knappe personelle Ressourcen<br />
sparen.<br />
Laut Studie gibt es hier erhebliche Ausbaupotenziale<br />
in der Zusammenarbeit<br />
mit den Benannten Stellen und Landesbehörden.<br />
Bei 76 % der Unternehmen, so<br />
heißt es, könne der Zertifizierungsprozess<br />
bei ihrer Benannten Stelle nicht oder<br />
nicht vollständig digital durchlaufen werden.<br />
In der Zusammenarbeit mit Landesbehörden<br />
zeigt sich ein noch schlechterer<br />
Wert: Bei 89 % der Unternehmen können<br />
beispielsweise Registrierungen oder das<br />
Beantragen eines Freihandelszertifikates<br />
nicht oder nur teilweise digital erfolgen.<br />
Die Teilnehmer der Umfrage wünschen<br />
sich aber insbesondere einheitliche und<br />
durchgängige digitale Prozesse, um die<br />
Effizienz beim Marktzugang in der EU zu<br />
steigern. Notwendig hierfür sind entsprechende<br />
Schnittstellen. Als Vorbild<br />
werden oftmals die US-amerikanische<br />
Zulassungsbehörde FDA und das dort<br />
verwendete Estar-Programm genannt,<br />
Mit ihrer Bilanz gehen Spectaris, Medical<br />
Mountains und die DIHK in den weiteren<br />
politischen Dialog. „Die Zahlen müssen<br />
Brüssel nun zum schnellen Handeln bringen<br />
und kurzfristig zu pragmatischen,<br />
grundlegenden Schritten führen“, fordern<br />
die Initiatoren. Gingen Medizinprodukte<br />
sowie Forschungs- und Entwicklungs-<br />
Kompetenzen verloren, könnten sie nur<br />
unter größten Mühen oder nicht mehr zurückgeholt<br />
werden.<br />
Wie der BVMed im Januar berichtete,<br />
haben die deutschen Europaabgeordneten<br />
Dr. Peter Liese und Prof. Dr. Angelika<br />
Niebler in Brüssel einen 10-Punkte-Forderungskatalog<br />
der EVP-Fraktion vorgelegt.<br />
mit dem sich interaktive PDF-Dokumente<br />
einreichen lassen.<br />
Zur Digitalisierung von Dokumenten<br />
wird durch die Befragten besonders häufig<br />
die Einführung einer elektronischen<br />
Technischen Dokumentation (eTD) in einem<br />
einheitlichen Format (wie STET) aufgeführt.<br />
Ebenfalls genannt wird die<br />
grundsätzliche Möglichkeit, elektronische<br />
Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte<br />
(eIFU) zu nutzen und digitale<br />
Unterschriften zu akzeptieren.<br />
Die noch immer nicht voll umfänglich<br />
funktionsbereite europäische Datenbank<br />
Eudamed21 wird als Bremser der Digitalisierung<br />
in der EU bemängelt. Durch unnötige<br />
Einzelregistrierungen der Hersteller<br />
in den 21 einzelnen EU-Mitgliedsstaaten<br />
entstünden vermeidbare Mehraufwände.<br />
Der Termin für vollständige Funktionsfähigkeit<br />
der Datenbank wurde bereits<br />
mehrfach verschoben.<br />
Als Ursache der Probleme bei der digitalen<br />
Umsetzung der MDR sehen Teilnehmer<br />
auch den Gesetzestext selbst. Sie bezweifeln,<br />
dass die Einführung digitaler<br />
Prozesse bei den bestehenden Schwierigkeiten<br />
helfen werde.<br />
Zur Studie: https://hier.pro/kG4Nd<br />
Darin geht es um Änderungen der EU-<br />
Medizinprodukte-Verordnung (MDR).<br />
Die Abgeordneten sprechen sich den<br />
Angaben zu Folge unter anderem für die<br />
Abschaffung der 5-jährigen Rezertifizierung<br />
für Medizinprodukte mit geringerem<br />
Risiko und die schnellstmögliche Ein -<br />
führung einer Orphan-Device-Regu lie -<br />
rung analog zu den USA aus. Für „bahnbrechende<br />
Innovationen“ solle es zu dem<br />
ein beschleunigtes Zulassungsverfahren<br />
geben. Um schnelle Lösungen zu unterstützen,<br />
sollte auch die Evaluierung der<br />
MDR vor gezogen werden, so Liese und<br />
Niebler.<br />
(su/op) ■<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 51
■ [ FOKUS FORSCHUNG ]<br />
Bioaktives Komposit unterstützt<br />
Heilung von Knochenbrüchen<br />
3D-Druck für den OP | Ein Kompositmaterial soll gebrochene Knochen schneller heilen<br />
lassen. Dafür kombinieren Forscher ein biodegradierbares Polymer mit bioaktivem<br />
Glas. Daraus drucken sie ein Leit- und Stützgerüst. Es soll das Wachstum von Bakterien<br />
an der Defektstelle hemmen und den Aufbau neuer Knochensubstanz fördern.<br />
(Bild: BellaSeno )<br />
IHR STICHWORT<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
■<br />
Aus dem Kompositmaterial druckt ein<br />
3D-Drucker das Scaffold, hier im Technikum.<br />
Im Körper soll das Bauteil perfekt in den<br />
Knochendefekt eingepasst werden<br />
Patientenindividueller 3D-Druck<br />
Neues Materialgemisch<br />
Wachstum von Bakterien hemmen<br />
Gerüst mit eigenen Zellen besiedeln<br />
Weniger Anpassung währen der OP<br />
Ungefähr 800000 Knochenbrüche behandeln<br />
Ärzte in Deutschland pro<br />
Jahr im Krankenhaus. Bei bis zu 10 % der<br />
Fälle gibt es nach der Behandlung Kom -<br />
plikationen: Der Knochen heilt nicht richtig,<br />
und es kommt zu schmerzhaften<br />
Pseudoarthrosen, die eine Belastung des<br />
Knochens unmöglich machen. Für die<br />
Patientinnen und Patienten bedeutet das<br />
oftmals einen weiteren Krankenhausaufenthalt<br />
mit einer Nachoperation und<br />
Langzeitbe handlung. Kliniken müssen<br />
sich auf aufwendige kostenintensive Therapien<br />
einstellen.<br />
Eine Arbeitshypothese verspricht eine<br />
Lösung dieses Problems: Könnte der Einsatz<br />
bioaktiver Materialien bei der Operation<br />
den Heilungsprozess unterstützen<br />
und das Risiko von Infektionen senken?<br />
Diese Frage wollen Forscher im Verbundprojekt<br />
Scaffold bio-active glass enhanced<br />
osteogenesis (kurz: Scabaego ) beantworten.<br />
Daran beteiligt ist das Fraunhofer<br />
IFAM in Bremen sowie die Klinik für Unfall-<br />
und Wiederherstellungschirurgie am<br />
Universitätsklinikum Heidelberg und die<br />
Bellaseno GmbH, ein Medizin<strong>technik</strong>spezialist<br />
aus Leipzig.<br />
52 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Die Forschenden am Fraunhofer IFAM<br />
haben ein Kompositmaterial aus dem biologisch<br />
abbaubaren Polymer Polycaprolacton<br />
(PCL) und bioaktivem Glas entwickelt.<br />
Daraus entsteht im 3D-Druck ein individuell<br />
angepasstes Stütz- und Leitgerüst<br />
für die Bruchstelle im Knochen, das<br />
so genannte Scaffold. Damit es exakt zum<br />
Patienten passt und das fehlende Knochenstück<br />
ersetzen kann, werden die<br />
Strukturen des beschädigten Knochens<br />
mittels Computertomografie (CT) erfasst.<br />
Doch das gedruckte Material kommt<br />
nicht allein an die defekte Stelle im Knochen.<br />
Die Forscher füllen es vielmehr mit<br />
Knochenmark, das zuvor aus dem Beckenkamm<br />
oder dem Markraum großer<br />
Röhrenknochen entnommen wird. Dieses<br />
biologische Knochenersatzmaterial (Autologous<br />
Bone Graft, ABG) stellt sicher,<br />
dass das gedruckte Teil zuverlässig und sicher<br />
an der gewünschten Stelle einheilt.<br />
Bioaktives Glas hebt pH-Wert –<br />
Infektionsrisiko soll sinken<br />
Das innovative Medizinprodukt bietet<br />
entscheidende Vorteile. „Das bioaktive<br />
Glas im Scaffold hebt den pH-Wert des<br />
umgebenden Milieus in den basischen Bereich“,<br />
erklärt Dr. Kai Borcherding, Geschäftsfeldleiter<br />
Medizin<strong>technik</strong> und Life<br />
Sciences am Fraunhofer IFAM. Die Forscher<br />
gehen davon aus, dass das das<br />
Wachstum von Bakterien hemmt. „Das<br />
wollen wir als nächstes untersuchen“,<br />
sagt Borcherding. Die Forschenden erwarten,<br />
dass so das Risiko von Infektionen<br />
nach der Operation deutlich sinkt.<br />
Darüber hinaus fördert bioaktives Glas<br />
die Neubildung von Knochensubstanz an<br />
der Bruchstelle. Denn in Kontakt mit Körperflüssigkeiten<br />
wandelt sich das Glas in<br />
Hydroxylapatit um. Diese chemische Verbindung<br />
besteht hauptsächlich aus Calciumphosphat,<br />
einer knochennahen Substanz.<br />
Die klinisch relevanten Probleme –<br />
also das bakterielle Wachstum und die<br />
Knochenheilung –, können „mit bioaktivem<br />
Glas adressiert werden“, sagt der Unfallchirurg<br />
PD Dr. Tobias Großner, Oberarzt<br />
und Leiter der Experimentellen Unfallchirurgie<br />
am Universitätsklinikum<br />
Heidelberg. „Nach sechs oder sieben Jahren<br />
ist auch das Scaffold vollständig abgebaut<br />
beziehungsweise in Knochensubstanz<br />
umgewandelt.“<br />
Mit dem bioaktiven Glas werden bereits<br />
Knochendefekte behandelt. Neu ist jedoch<br />
die Kombination mit PCL im Industrie -<br />
maßstab. Den Fraunhofer-Forschenden ist<br />
es gelungen, Glas und PCL zu einem Kompositmaterial<br />
zu verbinden, das direkt in<br />
der additiven Fertigung einsetzbar ist. So<br />
sind insbesondere patientenindividuelle<br />
3D-Scaffolds herstellbar.<br />
Das Kompositmaterial selbst ist einfach<br />
herzustellen und schnell industriell anwendbar.<br />
„Das Polymer PCL wird mit dem<br />
Glasgranulat und einem Lösungsmittel<br />
gemischt und anschließend über mehrere<br />
Stufen prozessiert. Abschließend wird das<br />
Lösungsmittel durch Trocknung entzogen<br />
und das zurückbleibende Komposit fein<br />
granuliert“, erklärt Borcherding. Aus diesem<br />
Material druckt der Projektpartner<br />
Bellaseno das Scaffold im 3D-Drucker.<br />
Konkrete Antworten auf<br />
komplexe Fragestellungen<br />
finden Sie in den<br />
Whitepapern der<br />
medizin&<strong>technik</strong>!<br />
Kompaktes Fachwissen ganz<br />
einfach downloaden!<br />
https://medizin-und<strong>technik</strong>.industrie.de/whitepaper/<br />
Geschäftsführer und Projektkoordinator<br />
Dr. Mohit Chhaya erklärt: „Wir nutzen ein<br />
additives 3D-Druckverfahren. Damit können<br />
wir das Scaffold individuell und passgenau<br />
für die Fehlstelle im Knochen fertigen.“<br />
Damit entfalle das zeitraubende mechanische<br />
Bearbeiten im Operationssaal,<br />
ergänzt Unfallchirurg Großner.<br />
Mehr dazu online<br />
Mehr zum Thema 3D-Druck für die<br />
Medizin lesen Sie im Medizin<strong>technik</strong>-<br />
Onlineportal auf unserer Themenseite<br />
unter<br />
www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/<br />
3d-druck<br />
Gegenüber herkömmlichen Verfahren<br />
soll das innovative Kompositmaterial einen<br />
bedeutenden Fortschritt bei der Behandlung<br />
ermöglichen. Bisher wurde die<br />
Bruchstelle in einer ersten Operation mit<br />
einem Knochenzement versehen. Der<br />
menschliche Organismus nimmt den Zement<br />
als Fremdkörper wahr und umhüllt<br />
ihn durch eine neue Knochenhaut, auch<br />
als Masquelet-Membran bezeichnet.<br />
Scaffold gibt der<br />
weichen Knochensubstanz Halt<br />
Dieser Prozess dauert bis zu zwei Monate.<br />
Anschließend muss die Patientin oder der<br />
Patient wieder in den Operationssaal.<br />
Dort schneidet der Chirurg die Knochenhaut<br />
auf, entfernt den Zement, füllt die an<br />
anderer Stelle entnommene autologe<br />
Knochensubstanz ein und vernäht die<br />
Knochenhaut wieder.<br />
Bisher gab es nur eingeschränkte Möglichkeiten,<br />
die weiche Knochensubstanz<br />
sicher zu verankern und so eine ungestörte<br />
Heilung zu erreichen. Das Scaffold gibt<br />
in Verbindung mit einer Platte oder einem<br />
Nagel der weichen Knochensubstanz den<br />
nötigen Halt, bis der Knochen geheilt ist.<br />
Das Forschungsteam des Scabaego-<br />
Projekts ist gerade dabei, das Konzept gemeinsam<br />
mit dem Universitätsklinikum<br />
Heidelberg mit präklinischen Tests in vitro<br />
und in vivo weiter zu erproben. Parallel<br />
dazu soll die Rezeptur des Komposits<br />
optimiert werden. Der mögliche Anteil<br />
von bioaktivem Glas im Scaffold liegt bereits<br />
zwischen 10 und 30 %. „Wir experimentieren<br />
mit dem Mischungsverhältnis“,<br />
sagt Borcherding, „um möglichst viel der<br />
biologisch positiven Eigenschaften von<br />
Glas nutzen zu können, gleichzeitig aber<br />
die nötige Festigkeit des Scaffolds zu bewahren.“<br />
(op) ■<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 53
■ [ FOKUS FORSCHUNG ]<br />
Chirurgieinstrumente im OP-Sieb<br />
mit Kamera plus KI checken<br />
Aufbereitung von Instrumenten | Die Sterilgutlogistik in Krankenhäusern und Kliniken<br />
soll ein KI-basiertes Kamerasystem optimieren. Das Ziel: Mit Bilderkennung die OP-Instrumente<br />
zu prüfen und nachzuverfolgen, auch wenn diese keine Markierung tragen.<br />
Daran arbeitet ein Team vom Fraunhofer IPK.<br />
Was kann eine KI-basierte Bilderkennung<br />
bei der Aufbereitung von Medizinprodukten<br />
leisten – und warum wird<br />
so eine Lösung gebraucht? Der Fachkräftemangel<br />
im Gesundheitswesen betrifft<br />
nicht nur das medizinische Personal, sondern<br />
auch viele Dienstleistungskräfte, die<br />
den reibungslosen Betrieb von Kliniken<br />
und Krankenhäusern gewährleisten. Besonders<br />
hoch ist der Bedarf an qualifiziertem<br />
Personal in den so genannten Aufbereitungseinheiten<br />
für Medizinprodukte,<br />
kurz AEMP.<br />
Hier werden für jede Operation vorab<br />
die benötigten Instrumente von Hand gereinigt,<br />
sortiert, verpackt und sterilisiert.<br />
Allein an der Charité in Berlin sind das<br />
jährlich rund 14 Millionen OP-Bestecke,<br />
die es unter strengsten Hygiene- und Qualitätsstandards<br />
aufzubereiten gilt.<br />
In den meisten AEMP gilt eine Null-<br />
Fehler-Politik, denn Probleme, die hier<br />
auftreten, haben direkte Auswirkungen<br />
auf die Behandlung von Patientinnen und<br />
Patienten. Das Personal an den Packplätzen<br />
muss deshalb sicherstellen, dass alle<br />
für eine OP benötigten Instrumente vollzählig<br />
in den so genannten OP-Sieben<br />
enthalten sind. Keine einfache Aufgabe<br />
bei bis zu 160 Skalpellen, Scheren, Klammern<br />
und anderen Instrumenten, die<br />
möglichst effizient in ein solches Sieb gepackt<br />
werden müssen.<br />
Ein auf KI-Technologien basierendes<br />
Kamerasystem soll die Mitarbeitenden<br />
dabei zukünftig unterstützen: Es heißt<br />
Cir.Log und wird derzeit von Forschern<br />
des Fraunhofer IPK entwickelt.<br />
Die Kamera soll OP-Instrumente mithilfe<br />
von Algorithmen des maschinellen<br />
Lernens erkennen und verfolgen, und das<br />
markerlos, nur anhand ihres Aussehens.<br />
Sie soll zuverlässig unterschiedliche OP-<br />
Bestecke lokalisieren und prüfen,<br />
• welche Instrumente tatsächlich in ein<br />
Sieb gepackt wurden,<br />
Das Cir.Log-System erprobt hier Fraunhofer-Wissenschaftler Clemens Briese<br />
– in der AEMP des Campus Benjamin Franklin der Charité Berlin<br />
• welche noch fehlen und auch<br />
• Instrumente identifizieren, die nicht<br />
zum Sieb gehören.<br />
Wie ein Barcodescanner – aber<br />
eben ohne jede Markierung<br />
Cir.Log wird damit quasi wie ein Barcodescanner<br />
arbeiten, nur ohne Barcode.<br />
Teures und zeitintensives Aufbringen von<br />
Barcodes, Datamatrix-Codes oder RFID-<br />
Chips, wie es derzeit für das Tracking von<br />
OP-Instrumenten üblich ist, würde damit<br />
überflüssig. Aufgrund seines kompakten<br />
Designs ist das Kamerasystem platzsparend<br />
an handelsüblichen Packtischen einsetzbar<br />
und kann in jeder AEMP einfach<br />
installiert oder nachgerüstet werden.<br />
„Wir sind überzeugt davon, dass unsere<br />
Lösung einen großen Mehrwert für<br />
Krankenhäuser und Kliniken bietet, weil<br />
sie nicht nur Zeit und Kosten spart, sondern<br />
auch die Prozesssicherheit verbessert“,<br />
sagt Jan Lehr, wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Fraunhofer IPK. Cir.Log<br />
erleichtere die Einarbeitung neuer Mitarbeitender<br />
und ermögliche auf Anhieb<br />
deutlich schnellere Packzeiten, insbeson-<br />
dere auch für ungelerntes oder neues Personal.<br />
„Wir schätzen, dass erfahrene Mitarbeitende<br />
mit Cir.Log 30 Prozent effektiver<br />
arbeiten können. Die Einarbeitungszeit<br />
für neues Personal verringert sich um 65<br />
Prozent“, so Lehr. Das Kamerasystem liefert<br />
darüber hinaus eine digitale Dokumentation<br />
zu jedem Packprozess und<br />
trägt so zur Qualitätssicherung in den<br />
AEMP bei.<br />
Prototypen von Cir.Log sind bereits im<br />
Einsatz, unter anderem am Charité Campus<br />
Benjamin Franklin in Berlin. Ziel des<br />
Forscherteams am Fraunhofer IPK ist es,<br />
das Kamerasystem bis zur Marktreife weiterzuentwickeln<br />
und anschließend in einem<br />
Spin-off des Instituts zu vertreiben.<br />
Dafür arbeiten die Forschenden aktuell<br />
im Rahmen des Exist-Forschungstransfers<br />
des Bundesministeriums für Wirtschaft<br />
und Klimaschutz (BMWK) an einem Businessplan<br />
und bereiten die Unternehmensgründung<br />
vor. Das BMWK fördert das Vorhaben<br />
mit rund 1 Mio. Euro.<br />
www.cirlog.de/umfrage<br />
(Bild: Fraunhofer IPK)<br />
54 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Antimikrobielle<br />
Schicht für Textilien<br />
Hygiene im Klinikum | Beschichtete Textilien, die Krankheitserreger<br />
hemmen, könnten künftig als antimikrobiell<br />
wirkende Vorhänge zum Einsatz kommen.<br />
So sieht die antimikrobielle Beschichtung auf den Textilfasern im<br />
Rasterelektronenmikroskop aus. Die Aufnahme ist koloriert und<br />
30 000-fach vergrößert<br />
(Bild: Empa)<br />
Unzählige Male pro Tag berühren im Krankenhaus Patienten,<br />
Besucher oder medizinisches Personal Oberflächen jeglicher<br />
Art. Glatte Flächen lassen sich nach einer Kontamina tion<br />
vergleichsweise einfach reinigen. Bei porösen Strukturen wie<br />
Textilien ist dies nicht so.<br />
Dieses Problem lösen nun schweizerische Empa-Forschende zusammen<br />
mit Experten der BASF, des Labor Spiez und der Technischen<br />
Universität Berlin. Sie behandeln Stoffe mit einem Beschichtungsverfahren<br />
so, dass bakterielle und virale Krankheitserreger<br />
inaktiviert oder im Wachstum gehemmt werden. So imprägnierte<br />
Textilien könnten als antimikrobiell wirkende Vorhänge<br />
zwischen Patientenbetten vor Keimen schützen.<br />
Bei dem Beschichtungsverfahren arbeiteten die Forschenden<br />
Benzalkoniumchlorid-haltiges Desinfektionsmittel gleichmäßig<br />
in die Klinikvorhänge ein. Sie optimierten dabei Konzentration,<br />
Einwirkzeit, Verarbeitungsdruck und Trocknung so lange, bis die<br />
Beschichtung stabil auf den Textilien haftete.<br />
„Die Ergebnisse der Laboruntersuchungen waren sehr erfreulich“,<br />
berichtet Prof. Peter Wick vom Particles-Biology-Interac -<br />
tions-Labor der Empa in St. Gallen. Die beschichteten Textilproben<br />
hemmten das Wachstum beispielsweise von Staphylokokken<br />
und Pseudomonas-Bakterien. Diese wurden „nach zehn Minuten<br />
deutlich reduziert oder sogar abgetötet“. Die Beschichtung inaktivierte<br />
auch über 99 % der untersuchten Viren.<br />
Nach mehrmonatiger Lagerung blieben die Beschichtungen<br />
wirksam. Dies erlaubt laut Wick eine Produktion auf Vorrat.<br />
www.empa.ch<br />
INTERNATIONALE FACHMESSE<br />
11.-14. JUNI 2024<br />
WWW.EPHJ.CH<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 55
■ [ INNOVATIONEN ]<br />
UKP-Laser für<br />
Medizinprodukte<br />
Lasermarkierung | Nach der Markteinführung in Europa<br />
stellt Foba seinen neuen UKP-Laser für besonders<br />
schwarze und materialschonende Markierungen<br />
erstmals auch in den USA vor.<br />
Der Ultrakurzpulslaser F.0100-ir eignet sich für tiefschwarze,<br />
materialschonende Markierungen in der Medizin<strong>technik</strong><br />
Der neue Ultrakurzpulslaser F.0100-ir von Foba Laser Marking<br />
+ Engraving soll sich vor allem für den Medizin<strong>technik</strong>markt<br />
eignen. Die Kombination einer hohen Pulsenergie mit<br />
sehr kurzen Pulsen zeichnet den F.0100-ir aus und ist der Schlüssel<br />
zu besonders schwarzen, permanenten, materialschonenden<br />
Markierungen: Beschriftungen mit dem Ultrakurzpulslaser zeigen<br />
sich unabhängig von Winkel und Lichteinfall matt und tiefschwarz.<br />
Da das Material kaum durch Hitze belastet wird, bleibt<br />
die Markierung selbst nach weiteren Bearbeitungsschritten, wie<br />
zum Beispiel Passivierung, zuverlässig lesbar und korrosionsbeständig.<br />
Das macht den Ultrakurzpulslaser zum idealen Markierlaser<br />
für medizinische Instrumente aus Edelstahl oder Titan und<br />
für eine Vielzahl an Kunststoffen, Glas und weiteren Metallen.<br />
Der F.0100-ir ist laut Anbieter eines der kleinsten Ultrakurzpuls-<br />
Markiersysteme am Markt und ermöglicht so einen Einsatz auf<br />
engstem Raum. Durch die sehr kompakte Bauweise lässt der<br />
Markierlaser sich einfach und reibungslos in Produktionslinien<br />
und Laserbeschriftungsgeräte wie die M-Serie integrieren. Auf<br />
der Messe MD&M West in Anaheim, Kalifornien, wird der Ultrakurzpulslaser<br />
F.0100-ir erstmals in den USA vorgestellt und dort<br />
in einem M2000-Laserarbeitsplatz zu sehen sein. „Wir wollen<br />
unsere Kunden aktiv bei den aktuellen und kommenden UDI-<br />
Kennzeichnungsstandards unterstützen“, sagt Jeffrey A. Kniptash,<br />
Sales Manager Americas bei Foba. Gemäß FDA-Vorschriften<br />
müssen alle wiederverwendbaren und wiederaufbereiteten<br />
Medizinprodukte eine direkt gekennzeichnete UDI, also einen<br />
eindeutigen numerischen oder alphanumerischen Code, tragen.<br />
Foba Laser Marking + Engraving , Selmsdorf<br />
www.fobalaser.com<br />
(Bild: Foba)<br />
Firmenscout (Redaktion/Anzeige)<br />
Aktormed ........................... 8<br />
Ensinger ............................ 16<br />
Hochschule<br />
Messe Frankfurt<br />
Springboard Pro ................ 8<br />
Aptar Digital Health ...... 10<br />
Erbe Elektromedizin ...... 16<br />
Furtwangen ..................... 32<br />
GmbH ..................................9<br />
STARLIM Spritzguss .......11<br />
BASF ................................... 55<br />
Eurazeo ............................. 10<br />
Holypoly ........................... 42<br />
Metrofunkkabel-Union<br />
Südpack Medica ............. 40<br />
Bellaseno .......................... 52<br />
EXSAL c/o Palexpo SA ....55<br />
Imfusion ............................. 8<br />
GmbH ................................59<br />
Technische Universität<br />
Bosch Sensortec ............. 58<br />
F. Gottinger<br />
IMT Information<br />
Nabtesco .......................... 22<br />
München ............................ 8<br />
Bossard ............................. 24<br />
Orthopädie<strong>technik</strong> ........ 26<br />
Management<br />
Nanoflex Robotics .......... 10<br />
TU Berlin ........................... 55<br />
Bürkert Werke .................21<br />
Foba Laser Marking<br />
Technology AG .......... 30, 27<br />
OKW<br />
TÜV Süd ............................ 10<br />
Carboliq ............................ 40<br />
+ Engraving ...................... 56<br />
Index Werke .................... 34<br />
Gehäusesysteme ............ 29<br />
Universität Basel ............ 15<br />
Carl Zeiss Meditec .......... 10<br />
Fraunhofer IFAM ...... 16, 52<br />
Innersight Labs .................. 9<br />
Ottobock ............................. 9<br />
Universitä t Erlangen-<br />
Contexo GmbH ...............15<br />
Fraunhofer IPK ................ 54<br />
Inselspital ......................... 12<br />
Paul Horn ......................... 34<br />
Nürnberg (FAU) ................. 8<br />
Covestro ........................... 38<br />
Fraunhofer LBF ................ 16<br />
ITK Engineering ................. 8<br />
PHOTOCAD GMBH &<br />
Universität Freiburg ...... 15<br />
Custom Surgical ................ 8<br />
Genthner GmbH System<br />
KAGER Industrieprodukte<br />
CO. KG ...............................29<br />
Universität Gießen ........ 16<br />
DESOTEC GmbH<br />
Technologie ........................5<br />
GmbH ................................43<br />
Praxis ohne Plastik ......... 48<br />
Universitätsklinikum<br />
Sondermaschinenbau ...13<br />
Gerresheimer .................. 10<br />
Kammerer<br />
RCT Reichelt<br />
Freiburg ............................ 15<br />
Deutsches Zentrum für<br />
GF Machining<br />
Medical Systems ............ 46<br />
Chemie<strong>technik</strong><br />
Universitätsklinikum<br />
Luft- und Raumfahrt<br />
Solutions .......................... 33<br />
Karl Storz Venture<br />
GmbH + Co. ..........43,57,58<br />
Heidelberg ....................... 52<br />
(DLR) .................................... 8<br />
Gindele .............................23<br />
One Germany .................... 8<br />
Ruderer Kleb<strong>technik</strong> ...... 26<br />
Universitätsmedizin<br />
Dutch Ophthalmic<br />
Hartmetall Werkzeug-<br />
Karl Storz ............................ 9<br />
Sanner ................................. 8<br />
Göttingen (UMG)..............<br />
9<br />
Research Center .............. 10<br />
fabrik Paul Horn .............60<br />
Klinikum Rechts der<br />
Sitem ................................. 14<br />
Weiss Klima<strong>technik</strong> ....... 36<br />
ECHA ................................. 16<br />
HG Medical ...................... 34<br />
Isar ....................................... 8<br />
Skillqube .......................... 29<br />
ZORN Maschinenbau ....49<br />
ElringKlinger Kunststoff-<br />
Hochschule für ange-<br />
Maxon Motor ....................2<br />
Smalley Steel Ring<br />
<strong>technik</strong> ................................3<br />
wandte Wissenschaft<br />
Medical Mountains ....... 16<br />
Company ..........................57<br />
Empa .......................... 12, 55<br />
und Kunst (HAWK) ........... 9<br />
Spectaris .................... 10, 50<br />
56 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
Wir<br />
präsentieren<br />
Ihnen<br />
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Industrie<br />
DAS<br />
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RCT® Reichelt Chemie<strong>technik</strong> GmbH + Co.<br />
www.rct-online.de<br />
Reichelt Chemie<strong>technik</strong> steht für das Prinzip<br />
„Angebot und Vertrieb der kleinen Quantität“ gepaart<br />
mit einer viele Bereiche umfassenden Produktvielfalt<br />
und einem hohen technischen Beratungsservice.<br />
Das Angebot von Reichelt Chemie<strong>technik</strong> umfasst<br />
ca. 80 000 Artikel, die aus den Bereichen Schlauch<strong>technik</strong>,<br />
Verbindungselemente, Durchfluss<strong>technik</strong>,<br />
Labor <strong>technik</strong>, Halbzeuge, Befestigungselemente,<br />
Filtration und Antriebs<strong>technik</strong> stammen.<br />
Smalley Europa<br />
www. smalley.com/de<br />
Das vor mehr als 50 Jahren gegründete Unternehmen<br />
Smalley Steel Ring Company ist zum Weltmarktführer<br />
bei der Fertigung und Entwicklung von Spirolox<br />
Sicherungsringen, Schnappringen mit einheitlichem<br />
Querschnitt und Wellenfedern geworden. Smalley hat<br />
mit der Einführung modernster Produkte die Messlatte<br />
vorgegeben und wird alles dafür tun, dass seine<br />
Innovationen den Weg in die Zukunft auch weiterhin<br />
aufzeigen.<br />
www.industrie.de<br />
Reichelt Chemie<strong>technik</strong> GmbH + Co.<br />
Englerstraße 18, 69126 Heidelberg<br />
Tel. 0 62 21/3 12 50, info@rct-online.de<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 57
ISSN 1863–7604<br />
■ [ INNOVATIONEN ]<br />
Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />
Verlag:<br />
Konradin-Verlag<br />
Robert Kohlhammer GmbH<br />
Anschrift: Ernst-Mey-Straße 8,<br />
70771 Leinfelden-Echterdingen,<br />
Germany<br />
Geschäftsführer: Peter Dilger<br />
REDAKTION<br />
Chefredakteurin:<br />
Redaktion:<br />
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Redaktionsassistenz:<br />
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Sabine Koll (sk),<br />
Daniela Engel,<br />
Phone +49 711 7594–452,<br />
Fax +49 711 7594–1452<br />
E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />
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Phone +49 711 7594–273<br />
Joachim Linckh,<br />
Phone +49 711 7594–565,<br />
Fax +49 711 7594–1565<br />
Auftragsmanagement: Melanie Strauß,<br />
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Leserservice:<br />
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medizin&<strong>technik</strong>,<br />
Postfach 810580, 70522 Stuttgart<br />
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Inland jährlich 85,20 € inkl. Versandkosten und MwSt;<br />
Ausland: 91,80 € inkl. Versandkosten. Einzelpreis 14,25 €<br />
(inkl. MwSt zzgl. Versand).<br />
Für Schüler, Studenten und Auszubildende gegen Nachweis:<br />
Inland 47,70 € inkl. Versand u. MwSt., Ausland 54,30 € inkl. Versand.<br />
Bestellungen erbitten wir an den Verlag.<br />
Sofern die Lieferung nicht für einen bestimmten Zeitraum ausdrücklich<br />
bestellt war, läuft das Abonnement bis auf Widerruf.<br />
Bezugszeit:<br />
Das Abonnement kann erstmals vier Wochen zum Ende des<br />
ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach Ablauf des ersten<br />
Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils vier Wochen zum<br />
Quartalsende. Bei Nichterscheinen aus technischen Gründen<br />
oder höherer Gewalt entsteht kein Anspruch auf Ersatz.<br />
AUSLANDSVERTRETUNGEN<br />
Großbritannien/Irland:<br />
Jens Smith Partnership<br />
The Court, Long Sutton<br />
GB-Hook, Hampshire RG 29 1TA<br />
Phone 01256 862589<br />
Fax 01256 862182<br />
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Japan:<br />
USA:<br />
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Gekennzeichnete Artikel stellen die Meinung des Autors, nicht<br />
unbedingt die der Redaktion dar. Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte keine Gewähr. Alle in medizin&<strong>technik</strong> erscheinenden<br />
Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch<br />
Übersetzungen, vorbehalten. Reproduktionen gleich welcher Art<br />
nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Stuttgart.<br />
Druck: Konradin Druck, Leinfelden-Echterdingen<br />
Printed in Germany<br />
© 2024 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />
Leinfelden-Echterdingen<br />
Sensorik<br />
Kleinste MEMS-Beschleunigungssensoren mit<br />
Sprachaktivitätserkennung für Wearables und Hearables<br />
Beschleunigungssensor BMA580: Knochenleitung<br />
reduziert den Stromverbrauch<br />
In Hearables, Smartwatches und anderen<br />
tragbaren Geräten ist Platz kostbar und<br />
erfordert kompakte Komponenten.<br />
Gleichzeitig suchen OEMs nach Sensoren<br />
mit integrierten Funktionen, die eine einfache<br />
Implementierung ohne spezifisches<br />
Anwendungswissen ermöglichen. Für<br />
diese Anforderungen hat die Bosch Sensortec<br />
GmbH, Reutlingen, die MEMS-Beschleunigungssensoren<br />
BMA530 und<br />
BMA580 mit integrierten Funktionen entwickelt.<br />
Verglichen mit der Beschleunigungssensorengeneration<br />
(BMA253) von<br />
Bosch haben der BMA530 und der<br />
BMA580 eine um 76 % kleinere Grundfläche.<br />
Die Höhe reduziert sich auf 0,55 mm<br />
dank des Wafer Level Chip Scale Package<br />
(WLCSP). Ihre geringe Größe ermöglicht<br />
eine einfache Montage auf Leiterplatten,<br />
während ihre erweiterten Funktionen<br />
Entwicklern die Integration in ihre tragbaren<br />
Produkte erleichtern.<br />
Der BMA580 beinhaltet eine Sprachaktivitätserkennung<br />
und erweiterte Funktionen<br />
für Hearables. Statt permanent aktivierter<br />
Mikrofone, die viel Strom verbrauchen,<br />
nutzt der BMA580 die Knochenleitung,<br />
um die Stimmschwingungen des<br />
Trägers zu erkennen und das Mikrofon zu<br />
aktivieren. Der Beschleunigungssensor<br />
BMA530 eignet sich für Wearables, aber<br />
auch für Gestenerkennung, Sturzerkennung<br />
und Energiesparfunktionen.<br />
Bosch Sensortec, Reutlingen<br />
www.bosch-sensortec.com<br />
Verschlusselemente<br />
Kappen und Stopfen aus weichen Elastomeren<br />
und harten Kunststoffen<br />
(Bild: Bosch Sensortec)<br />
Verschlusselemente wie Kappen und<br />
Stopfen sind wichtige Komponenten in<br />
den verschiedenen Industriezweigen, von<br />
der Medizin über die Betriebs<strong>technik</strong> bis<br />
zur Lebensmittelverarbeitung. Sie verschließen<br />
Flaschen sowie Laborbehälter<br />
und schützen Rohrenden und Gewindestutzen<br />
vor Korrosion, Schmutz und Beschädigungen.<br />
Die Auswahl des Materials<br />
hängt von der Anwendung ab. Das Produktprogramm<br />
der Reichelt Chemie<strong>technik</strong><br />
GmbH + Co. umfasst Kappen und<br />
Stopfen aus Elastomeren und Kunststoffen.<br />
Bei der einfachsten Form von Kappen<br />
aus Polymeren handelt es sich um Schutzkappen<br />
mit flacher, abgeflachter oder gewölbter<br />
Haube. Sie schützen sensible Materialien<br />
vor mechanischen Beeinträchtigungen,<br />
Spritzwasser und Verschmutzung.<br />
Zum Verschluss von Flaschen und<br />
Behältern eignen sich Gewinde- oder Gewindeschutzkappen.<br />
Stopfen aus Elastomeren<br />
und Kunststoff gibt es in runder,<br />
rechteckiger und quadratischer Form.<br />
Stopfen mit rundem Querschnitt werden<br />
mit zylindrischem oder konischem Körper<br />
gefertigt. Auch Stopfen mit Außengewinde<br />
oder Lamellen sind verfügbar.<br />
Reichelt Chemie<strong>technik</strong>, Heidelberg<br />
www.rct-online.de<br />
Verschlusselemente aus verschiedenen<br />
Kunststoffen<br />
(Bild: Reichelt Chemie)<br />
58 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 59
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60 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024