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medizin&technik 01.2024

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<strong>01.2024</strong><br />

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TITELTHEMA<br />

Ohne PFAS<br />

Erste Ansätze für eine Substitution<br />

– woran Forscher arbeiten<br />

Seite 16<br />

Röntgen in Bewegung<br />

Hochgeschwindigkeitsbildgebung im<br />

Dynamic Imaging Center Seite 12<br />

Erfahrungen mit der MDR<br />

Gemeinsame Studie zeigt, wo es mit<br />

der Umsetzung noch hakt Seite 50<br />

SPECIAL<br />

Nachhaltige Medizinprodukte:<br />

bewerten, recyceln, verpacken Seite 39


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01/2024


Medizinischer<br />

Fortschritt.<br />

Mit Hochleistungs-<br />

Kunststoffen.<br />

Neue Anforderungen:<br />

Ohne PFAS und nachhaltig<br />

Seit gut einem Jahr bewegt das mögliche Verbot von PFAS in<br />

der EU die Gemüter. Dass etwas in der Richtung kommt,<br />

scheint unausweichlich. Was genau und wann genau, steht in<br />

den Sternen. Was also tun Forscher und die Medizin<strong>technik</strong>-<br />

Branche? Nach Wegen zur Substitution suchen. Was sich daraus<br />

bisher entwickelt hat, fasst das Titelthema dieser Ausgabe ab<br />

Seite 16 zusammen – mehr dazu lesen Sie auch im Online-Magazin,<br />

wo es um Empfehlungen von Medical Mountains geht, um<br />

die Gasphasenfluorierung von Silikonteilen und Alternativen<br />

zu PTFE als Additiv für bessere Gleiteigenschaften.<br />

Einen innovativen Ansatz verfolgen Mediziner und Materialwissenschaftler<br />

in der Schweiz: Wie lässt sich das Röntgen in Bewegung<br />

umsetzen? Das Dynamic Imaging Center in Bern, das<br />

Prof. Heverhagen im Interview ab Seite 12 vorstellt, soll das ermöglichen.<br />

Die Beteiligten erhoffen sich neue Erkenntnisse für<br />

die Medizin, aber auch für das Design von Implantaten.<br />

Wie nachhaltig Medizinprodukte heute schon sind, ist ein Thema<br />

im Special ab Seite 39. Darin geht es auch darum, wie man –<br />

schon bevor die neue Verpackungsverordnung kommt – den<br />

CO 2 -Fußabdruck von Verpackungen senkt. Spannend ist auch<br />

der Ansatz eines Start-ups: In einem neuen Technikum kombinieren<br />

die Experten im Kleinen, was später in Groß als Kreislaufwirtschaft<br />

laufen soll. Konzerne haben schon entsprechende<br />

Projekte gestartet. Auch die Medizin<strong>technik</strong> wäre hier willkommen.<br />

Und wie sieht es mit der Umsetzung der EU-MDR inzwischen<br />

aus? Eine Studie, die mehrere Verbände gemeinsam angestoßen<br />

haben, zeigt, wo der Schuh drückt. Lesen Sie auf Seite 50,<br />

welche Wünsche es gibt, am Regelwerk doch noch etwas zu verändern.<br />

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Dr. Birgit Oppermann<br />

Mehr zum Thema Nachhaltigkeit im Online-Magazin unter:<br />

www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/nachhaltigkeit-medizin<strong>technik</strong><br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 3


12<br />

■ Medizin im Dialog<br />

Hochgeschwindigkeitsbildgebung<br />

Röntgen in Bewegung: Physiker und<br />

Radiologe Prof. Heverhagen erklärt,<br />

wer von der neuen Form der Bildgebung<br />

am Dynamic Imaging Center in Bern<br />

künftig profitieren könnte ..................12<br />

(Bild: Inselspital)<br />

Prof. Johannes<br />

Heverhagen<br />

arbeitet am Dynamic<br />

Imaging<br />

Cener an einer<br />

neuen Form der<br />

Bildgebung<br />

■ Technik<br />

Entwicklung & Komponenten<br />

So bringen präzise Zykloidgetriebe<br />

Automation in die Medizin<strong>technik</strong> .....22<br />

Mit dem Expert Teardown Service<br />

Kosten in der Entwicklung sparen ......24<br />

Verbindungs<strong>technik</strong><br />

Viele Materialien an Prothesen mit<br />

demselben Klebstoff verbinden ..........26<br />

Sensorik<br />

Passendes Gehäuse für<br />

den Beatmungssensor ........................29<br />

Elektrische Bauteile<br />

Stromversorgung: Lebensrettende<br />

Energie im Notfall sicherstellen ..........30<br />

39<br />

Fertigung<br />

UKP-Laser: Lotus-Effekt auf<br />

Instrumenten für die Chirurgie ..........32<br />

Highspeed-Wirbeln: Knochenschraube<br />

ohne Anfahrmarken fertigen ..............34<br />

So wird der Reinraum energieeffizient<br />

und wirtschaftlich .............................36<br />

Sterilisation<br />

Polycarbonatfolien schützen das<br />

Brustimplantat beim Sterilisieren .......38<br />

16<br />

Special<br />

Nachhaltigkeit<br />

Übersicht ...........................................39<br />

CO 2<br />

-Fußabdruck berechnen<br />

und Verpackungen optimieren ...........40<br />

Technikum weist den Weg zur<br />

Kreislaufwirtschaft ............................42<br />

Mit geteilten Chirurgieinstrumenten<br />

nachhaltiger unterwegs .....................46<br />

Ranking für Medizinprodukte: Bewerten,<br />

welche nachhaltiger sind ...................48<br />

(Bild vegefox/stock.adobe.com)<br />

Nachhaltigkeit:<br />

Konzepte für Verpackung,<br />

Fertigung<br />

und Produkte<br />

4 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Titelthema<br />

Zukunft ohne PFAS?<br />

Suche nach Ersatz<br />

SystemTechnologie<br />

Ein mögliches Verbot der fluorhaltigen<br />

PFAS ist aktuell in der Diskussion.<br />

Forschungsbedarf ist vorhanden. Auf<br />

der Suche nach Alternativen sind erste<br />

Lösungsansätze erkennbar .................16<br />

(Bild: DBA/stock.adobe.com)<br />

(Bild: BellaSeno)<br />

■ Recht<br />

Aktuelle Bewertung der EU-MDR<br />

Bilanz nach zwei Jahren: So belastet die<br />

EU-MDR den Standort Deutschland ...50<br />

■ Fokus Forschung<br />

3D-Druck für den OP<br />

Bioaktives Komposit unterstützt<br />

Heilung von Knochenbrüchen ............52<br />

Aufbereitung<br />

Chirurgieinstrumente im OP-Sieb mit<br />

Kamera plus KI checken .....................54<br />

Hygiene im Klinikum<br />

Antimikrobielle Schicht für Textilien<br />

und Vorhänge ....................................55<br />

52<br />

Forschung: Bioaktives Komposit<br />

für den 3D-Druck im OP<br />

Rubriken<br />

Editorial ............................................03<br />

Visionen ............................................06<br />

Nachrichten .......................................08<br />

Innovationen .....................................56<br />

Firmenscout ......................................56<br />

Impressum .........................................58<br />

Zum Titelbild: Zu den PFAS gehört die<br />

Perfluor octansäure (PFOA), deren Fluor-<br />

Atome hier grün dargestellt sind. PFOA<br />

wurde als schädlich für Mensch und Umwelt<br />

eingestuft und darf in der EU seit 2020 nicht<br />

mehr hergestellt und in Verkehr gebracht<br />

werden – Ausnahmen gelten für implantierbare<br />

Medizinprodukte<br />

(Bild: DBA/stock.adobe.com)<br />

Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt folgender Firma bei:<br />

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Gerne können Sie die Beilagen auch digital lesen unter<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 5<br />

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VISIONEN<br />

DIE ROLLENDE GEHHILFE<br />

Rollator | Von außen betrachtet ist sein Aufbau simpel. Aber sein Erfo lg<br />

war und ist bahnbrechend. Wer nicht mehr sicher auf den Beinen ist,<br />

erhält mit einem Rollator seine Mobilität und Selbstständigkeit zurück.<br />

Material, Räder, Klappmechanismus und sogar Elektroantrieb machen<br />

bei ihm entscheidende Unterschiede.<br />

Der Stock oder der Rollator? Wenn wir ein<br />

Piktogramm für eine gebrechliche Person<br />

zeichnen sollten, dann wären das die beiden<br />

Kennzeichen. Für Menschen mit Gehbehinderung,<br />

Multipler Sklerose, Gleichgewichtsstörungen<br />

oder Erkrankungen wie Parkinson<br />

ist der Rollator ein Segen, ermöglicht er<br />

ihnen doch, sich frei in ihrer Wohnung und<br />

auch draußen zu bewegen. Seine Konstruktion<br />

ist denkbar einfach: ein Rahmen, drei<br />

bis vier Räder, Handgriffe, Bremse – fertig ist<br />

der Grundaufbau.<br />

Trotzdem hat der Rollator unter Senioren<br />

häufig einen schlechten Ruf, gerade weil<br />

viele Betroffene nicht als alt und gebrechlich<br />

gelten wollen. Zudem gibt es einen wirklichen<br />

Nachteil. Er ist das einzige technische<br />

Hilfsmittel, das nachweislich abhängig<br />

macht, wenn man es länger verwendet.<br />

Denn er bietet und vermittelt Sicherheit.<br />

Das ist gut, denn Gehen ist besser als im<br />

Rollstuhl sitzen. Doch das Gehirn gewöhnt<br />

sich an den Schutz. Und so kommt es, dass<br />

viele nicht mehr auf den Rollator verzichten<br />

wollen, selbst wenn sich ihr Gangbild bereits<br />

verbessert oder ihre Gleichgewichtsstörung<br />

gelegt hat. Zudem schützt der Rollator<br />

zwar bei Gleichgewichtsstörungen vor<br />

Stürzen, gleichwohl verhindert er durch das<br />

Festhalten an ihm quasi das Training. Hier<br />

wäre gehen mit frei schwingenden Armen<br />

gesünder für die Rückenmuskulatur und das<br />

Gleichgewicht. Es gilt also klar abzuwägen,<br />

wann und für wie lange ein Rollator von<br />

Nutzen ist.<br />

Das mindert nicht seine Bedeutung für alle,<br />

die auf ihn angewiesen sind. Je nach Verwendung<br />

gibt es Modelle für Innenräume,<br />

dreirädrige leichte Varianten, für den Stadtbummel<br />

mit Einkauf solche mit Korb oder<br />

gar für das Wandern in unwegsamen Gelände<br />

Bauformen mit Elektroantrieb.<br />

Anke Biester<br />

Wissenschaftsjournalistin aus Memmingen<br />

https://www.angehoerige-pflegen.de/wannist-ein-rollator-sinnvoll<br />

Entscheidend für ein sicheres Gehen mit dem<br />

Rollator ist nicht nur die korrekte Einstellung<br />

der Griffhöhe, sondern auch die Position beim<br />

Gehen : aufrecht und die Füße auf gleicher Höhe<br />

mit den hinteren Rädern.<br />

Im Forschungsvorhaben „Modest“ entwickeln<br />

daher die Projektpartner ein Modul, das Rückmeldung<br />

zur besseren Haltung am Rollator geben<br />

soll. Damit auch das Umfahren von Hindernissen,<br />

Erklimmen von Bordsteinen sowie das Ein- und<br />

Aussteigen im Bus klappt, bieten beispielsweise<br />

Senioreneinrichtungen, Verkehrsbetriebe und die<br />

Verkehrswacht „Rollatorführerscheine“, also ein<br />

Training mit dem Rollator an.<br />

Was „Tempo“ für Papiertaschentücher, ist der<br />

Rollator für die Gehhilfe auf Rollen. Zwar gibt<br />

es Gestelle mit Rollen bereits seit Hunderten von<br />

Jahren. Doch DEN Rollator, wie wir ihn heute kennen,<br />

erfand 1978 die Schwedin Aina Wifalk, die<br />

durch eine Kinderlähmung selbst gehbehindert<br />

war. Wifalk ließ sich ihre Erfindungen nicht patentieren,<br />

weil sie wollte, dass möglichst viele betroffene<br />

Menschen von ihr profitieren können. Und sie<br />

gab ihrer Gehhilfe den Namen: „Rollator“.<br />

6 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Auch die KI hält Einzug in den Rollator: Im Forschungsprojekt<br />

„Rabe“ verfügt der intelligente<br />

Rollator über ein Navigationsgerät und einen lokalisierbaren<br />

Motor. Er kann selbstständig ans Bett fahren<br />

und soll Menschen mit körperlichen oder kognitiven<br />

Einschränkungen helfen, sich sicher und eigenständig<br />

im Pflegeheim zu bewegen.<br />

Der autonome Roboter-Rollator „Roro“ soll<br />

nebenbei auch das Gehverhalten seiner Nutzer<br />

analysieren, um ein angepasstes Training zu<br />

ermöglichen . Zudem kann er selbstständig<br />

fahren und im Klinikum Patienten „abholen“.<br />

Rollz wiederum entwickelte einen Rollator, der<br />

mit rhythmischen Tonsignalen, vibrierenden<br />

Griffen und einer auf den Boden projizierten -<br />

Laserlinie Parkinson-Patienten unterstützen soll.<br />

Nach dem E-Bike kommt jetzt der E-Rollator. Noch<br />

gibt es wenige Modelle auf dem Markt, darunter<br />

mindestens drei aus Deutschland mit unterschiedlichen<br />

Schwerpunkten. Die Marke Ello wurde durch die Fernsehsendung<br />

„Höhle der Löwen“ bekannt. Der Wissel<br />

Alpin war bereits in diversen Medien und ermöglicht<br />

seinem über 90-jährigen Erfinder Gerhart Wissel ein<br />

Wandern über Stock und Stein.<br />

Nach einem kleinen Rückgang<br />

durch gestiegene Transportkosten<br />

und verschobene Operationen<br />

während der Covid-Pandemie geht<br />

der Markttrend für Rollatoren wieder<br />

stetig nach oben. Das US-amerikanische<br />

Marktforschungsinstitut<br />

Market research.com schätzt den<br />

weltweiten Markt für Rollatoren auf<br />

1,3 Mrd. US-Dollar und für 2031 auf<br />

2,65 Mrd. US-Dollar. Hauptabsatzmarkt<br />

sind die USA.<br />

Weg vom „altbackenen Design“ wollen<br />

gleich zwei ganz unterschiedliche Projekte.<br />

Per 3D-Druck realisierten Studierende<br />

aus der Schweiz neue Designs für den Rollator.<br />

In Deutschland entwarf und verkauft<br />

inzwischen die Rentnerin Elke Jensen einen<br />

schicken „Prada-Roller“. Er ist eine Mischung<br />

aus Rollator und Trolley, der Unterstützung<br />

beim Einkaufen bieten soll.<br />

(Bild: Guido Khoury/stock.adobe.com)<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 7


■ [ NACHRICHTEN ]<br />

2 Millionen Euro für<br />

Medizinrobotik-Projekt<br />

Roboterassistenzsysteme | Im Forschungsprojekt Fornero<br />

werden unter Leitung der TUM Möglichkeiten der<br />

Medizinrobotik im OP-Alltag analysiert. Die Bayerische<br />

Forschungsstiftung fördert das Projekt mit 2 Mio. Euro.<br />

Vorführung des Medizinroboters (v.l.): TUM-Vizepräsidentin<br />

Prof. Juliane Winkelmann, Dr. med. Maximilian Berlet ,<br />

Wissenschaftsminister Markus Blume und Prof. Arndt Bode,<br />

Präsident der Bayerischen Forschungsstiftung<br />

(Bild: Andreas Heddergott/TUM)<br />

Roboter werden künftig häufiger bei Operationen assistieren<br />

und sollen perspektivisch mehr Präzision bei chirurgischen Eingriffen<br />

ermöglichen. Dies erfordert möglichst effiziente Arbeitsabläufe.<br />

Hier setzt der Forschungsverbund für nahtlose und ergonomische<br />

Integration der Robotik in den klinischen Arbeitsablauf<br />

(Fornero) an. Vom bayerischen Wissenschaftsminister Markus<br />

Blume wurde am Translatum des Klinikums Rechts der Isar<br />

der TU München TUM nun der Förderbescheid der Bayerischen<br />

Forschungsstiftung überreicht. Im Rahmen der Hightech Agenda<br />

Bayern wird das Projekt mit 2 Mio. Euro unterstützt.<br />

Fornero wird vom Lehrstuhl für Ergonomie an der Technischen<br />

Universität München, von Prof. Klaus Bengler, geleitet. Das Projekt<br />

greift zudem auf die wissenschaftliche Kompetenz des Klinikums<br />

Rechts der Isar der TUM, der Friedrich-Alexander-Universität<br />

Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Deutschen Zentrums für<br />

Luft- und Raumfahrt (DLR) zurück. Zusammen mit verschiedenen<br />

Industriepartnern aus Bayern möchte das Team um Prof.<br />

Bengler die Arbeitsabläufe im OP maßgeblich verbessern.<br />

Der multidisziplinäre Verbund fokussiert sich konkret auf die äußerst<br />

komplexen Herausforderungen, Roboterassistenzsysteme<br />

nahtlos in klinische Abläufe zu integrieren. Dabei steht die Verbesserung<br />

der Effizienz und Sicherheit im medizinischen Bereich<br />

im Mittelpunkt. Durch den Einsatz modernster Technologien<br />

wie Maschinellem Lernen und Augmentierter Realität wird<br />

eine optimale Einsatzplanung, Platzierung und Nutzung der Robotersysteme<br />

angestrebt. Darüber hinaus konzentriert sich das<br />

Projekt auf die ergonomische und nutzerzentrierte Gestaltung<br />

der Roboterassistenz, um die Arbeitsabläufe zu optimieren und<br />

so das OP-Personal zu entlasten.<br />

Aus der Industrie unterstützen Karl Storz Venture One Germany,<br />

ITK Engineering, Imfusion, Aktormed und Custom Surgical den<br />

Forschungsverbund.<br />

Neues aus dem<br />

Online-Magazin<br />

Zukunft ohne PFAS – mehr dazu gibt‘s Online<br />

Alternativen und Empfehlungen für die Branche<br />

Das drohende EU-weite Aus für PFAS sorgt für Anspannung<br />

und Unsicherheit in der Medizin<strong>technik</strong>-Branche. An welchen<br />

Alternativen zu den per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen<br />

aktuell geforscht wird, beschreibt die Titelgeschichte dieser<br />

Ausgabe ab Seite 16.<br />

Bei der Recherche kamen Vertreter der Branche sowie Forschend<br />

zu Wort. Artikel und Interviews zu Empfehlungen für<br />

Medizin<strong>technik</strong>-Hersteller vom Netzwerk Medical Mountains,<br />

über die Suche von Anwendern nach PTFE-freien Hochleistungskunststoffen<br />

sowie zu einer Alternative zur Gas -<br />

phasenfluorierung von Silikonteilen finden Sie im Online-<br />

Magazin unter:<br />

www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/onlineweiterlesen.<br />

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Für mehr News zur Branche folgen Sie medizin&<strong>technik</strong><br />

auch auf LinkedIn: @medizin&<strong>technik</strong><br />

Medizinische Verpackungen<br />

Sanner übernimmt britische<br />

Springboard Pro<br />

Die Sanner Gruppe, Bensheim, hat mit der<br />

Springboard Pro Ltd, Cambridge, einen Spezialisten<br />

für Design und Entwicklung von medizintechnischen<br />

Produkten für regulierte<br />

Märkte übernommen. Der Hersteller von<br />

Healthcare-Verpackungen und Spezialist für<br />

Contract Development and Manufacturing<br />

Organization (CDMO) für medizintechnische<br />

Produkte erweitert so seine Dienstleistungen<br />

in den Bereichen Drug Delivery, Dia -<br />

gnostik und Medizin<strong>technik</strong>.<br />

Springboard Pro ist auf die Entwicklung von<br />

Devices vom ersten Konzept bis hin zur Herstellung<br />

spezialisiert. Das britische Unternehmen<br />

bietet ein umfassendes Angebot an<br />

Engineering-Leistungen und multidisziplinären<br />

wissenschaftlichen Kompetenzen. Zudem<br />

bietet es forensisches Engineering mit<br />

umfangreichem Service vor oder nach dem<br />

Markteintritt. Die Kompetenzen von Springboard<br />

stärken die internen Entwicklungs -<br />

kapazitäten von Sanner, teilt der Healthcare-<br />

Hersteller mit. Zudem werde ein neues Design<br />

Center of Excellence in Großbritannien<br />

ermöglicht.<br />

8 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


KI in der Bildgebung<br />

Karl Storz übernimmt Softwarehersteller<br />

Innersight Labs und baut den KI-Bereich aus<br />

(Bild: Karl Storz)<br />

Die Karl Storz SE & KG hat den<br />

Softwarehersteller Innersight<br />

Labs (ISL) mit Sitz in London<br />

übernommen. Damit baut das<br />

Tuttlinger Medizin<strong>technik</strong><br />

unternehmen sein Geschäft im<br />

Bereich innovativer Softwarelösungen<br />

aus. Über den Kaufpreis<br />

wurde Stillschweigen<br />

vereinbart.<br />

ISL wurde 2015 gegründet.<br />

Die Software Innersight3D ermöglicht<br />

es Chirurginnen und<br />

Chirurgen, aus einem CT- oder<br />

MRT-Scan ein patientenspezifisches<br />

3D-Modell zu erstellen.<br />

Dabei wird der Scan nach<br />

verschiedenen Gewebetypen<br />

markiert und ein interaktives<br />

3D-Modell erstellt. Die dreidimensionale<br />

Darstellung kann<br />

dann über einen an den Arzt<br />

gesendeten Weblink aufgerufen<br />

und bearbeitet werden.<br />

Der KI-basierte Algorithmus<br />

reduziert dabei den manuellen<br />

Aufwand, was die Kosten<br />

pro Modell und die Zeit bis zur<br />

Bereitstellung senkt. Das Unternehmen<br />

beschäftigt derzeit<br />

acht Mitarbeiter und unterhält<br />

eine Niederlassung in Indien.<br />

Mit der Übernahme von ISL erweitert<br />

Karl Storz das bestehende<br />

Portfolio gezielt um ein<br />

KI-Produkt und treibt damit<br />

die KI in laparoskopischen und<br />

robotergestützten Bildgebungslösungen<br />

voran.<br />

23. – 26. 4. 2024<br />

FRANKFURT / MAIN<br />

20. Ausgabe<br />

WIR SIND DER<br />

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Wegweisend, inspirierend,<br />

voran gehend: Erleben Sie, welche<br />

Entwicklungen die Industrie<br />

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Fachkräftesicherung<br />

HAWK und Ottobock kooperieren für den<br />

Studiengang Orthobionik<br />

PERFORMANCE.<br />

Am Gesundheitscampus Göttingen,<br />

einer Kooperation der<br />

Universitätsmedizin Göttingen<br />

(UMG) und der Hochschule<br />

für angewandte Wissenschaft<br />

und Kunst (HAWK),<br />

haben HAWK-Präsident Dr.<br />

Marc Hudy und Ottobock-Geschäftsführer<br />

Oliver Jakobi einen<br />

Kooperationsvertrag für<br />

den Studiengang Orthobionik<br />

unterzeichnet. Ziel des neuen<br />

Studiengangs an der HAWK ist<br />

es, Fachkräfte für diesen<br />

wachsenden Zukunftsmarkt<br />

auszubilden und zu gewinnen.<br />

Die Ottobock SE & Co. KGaA,<br />

Duderstadt, bringt die eigene<br />

langjährige Branchenexpertise<br />

in den Studiengang ein. Zudem<br />

leistet das Medizin<strong>technik</strong>-Unternehmen<br />

als Wirtschafts-<br />

und Praxispartner eine<br />

Unterstützung zur innovativen<br />

Lehre an der HAWK sowie<br />

zur Förderung der praktischen<br />

Ausbildung und der Betreuung<br />

der Studierenden.<br />

FUNCTION.<br />

(Bild: HAWK)<br />

Gemeinsames Engagement<br />

für den<br />

Studiengang Orthobionik:<br />

(v.l) HAWK-<br />

Vizepräsidentin Dr.<br />

Anne Faber, HAWK-<br />

Präsident Dr. Marc<br />

Hudy, Oliver Jakobi,<br />

CEO Ottobock und<br />

Dr. Andreas Hahn,<br />

Corporate Vice President<br />

Ottobock<br />

in parallel with<br />

FUTURE.<br />

part of<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 9


■ [ NACHRICHTEN ]<br />

In Kürze<br />

Roboterchirurgie<br />

Die Schweizer Nanoflex Robotics AG<br />

hat die ISO 13485-Zertifizierung für<br />

ihr Qualitätsmanagementsystem für<br />

die Entwicklung und Herstellung<br />

ferngesteuerter Robotergeräte erhalten.<br />

Das erste Produkt von Nanoflex<br />

Robotics wird ein ferngesteuertes<br />

Robotersystem sein, das mithilfe<br />

einer Steuereinheit und Magnetismus<br />

ultraflexible Geräte für eine<br />

Reihe komplexer Eingriffe durch den<br />

Körper führt.<br />

UKCA- und CE-Zertifizierung<br />

TÜV Süd BABT Unlimited, Fareham,<br />

UK, ist jetzt eine zugelassene britische<br />

Stelle (UKAB) für Teil III der britischen<br />

Medizinprodukteverordnung<br />

von 2002 für aktive implantierbare<br />

Medizinprodukte (AIMD). UKABs führen<br />

Konformitätsbewertungen von<br />

Medizinprodukten im Rahmen des<br />

UKCA-Systems durch. Dieses System<br />

ermöglicht es den Herstellern, ihre<br />

Produkte im Vereinigten Königreich<br />

zu vermarkten.<br />

Code of Conduct<br />

Seit Anfang Januar ist der aktualisierte<br />

Code of Conduct von Spectaris mit<br />

Empfehlungen zur Zusammenarbeit<br />

in der Gesundheitswirtschaft in Kraft.<br />

Damit unterstreicht Spectaris die<br />

Notwendigkeit des transparenten,<br />

rechtskonformen Umgangs der Medizin<strong>technik</strong>unternehmen<br />

und der<br />

Homecare-Provider mit allen Healthcare<br />

Professionals, mit medizinischen<br />

Einrichtungen sowie weiteren Institutionen<br />

der Gesundheitswirtschaft.<br />

Augenheilkunde<br />

Die Carl Zeiss Meditec AG in Jena<br />

erwirbt 100 % der Anteile am Dutch<br />

Ophthalmic Research Center (International)<br />

B.V. vom französischen Investment-Unternehmen<br />

Eurazeo SE. Mit<br />

der Übernahme will Zeiss Medizin<strong>technik</strong><br />

sein Produktangebot im<br />

Bereich der Augenheilkunde und das<br />

Spektrum digital vernetzter Workflow-Lösungen<br />

für eine Vielzahl von<br />

Beschwerden und Erkrankungen des<br />

Auges ergänzen.<br />

Kooperationsvereinbarung<br />

Medizin<strong>technik</strong>-Verbände Austromed, BVMed und Swiss<br />

Medtech intensivieren die Zusammenarbeit<br />

Die drei deutschsprachigen Medizin<strong>technik</strong>-Branchenverbände<br />

Austromed aus<br />

Österreich, BVMed aus Deutschland und<br />

Swiss Medtech aus der Schweiz werden<br />

künftig enger zusammenarbeiten. Ende<br />

letzten Jahres wurde dazu in Berlin eine<br />

Kooperationsvereinbarung unterzeichnet.<br />

Viele Medizin<strong>technik</strong>-Unternehmen<br />

aus Deutschland, Österreich und der<br />

Schweiz haben weltweit einen herausragenden<br />

Ruf und sind Vorreiter in ihren<br />

spezialisierten Bereichen, bekräftigen die<br />

drei Verbandspräsidenten Gerald<br />

Gschlössl (Austromed), Dr. Meinrad Lugan<br />

(BVMed) und Dr. Beat Vonlanthen<br />

(Swiss Medtech). Man habe deshalb ein<br />

(Bild: BVMed)<br />

gemeinsames Interesse an der Förderung<br />

und Stärkung der Branche in der DACH-<br />

Region und wolle zur Erreichung gemeinsamer<br />

Ziele künftig enger kooperieren.<br />

Dazu gehören beispielsweise der Erhalt<br />

einer hochwertigen Patientenversorgung,<br />

die Herstellung und Bewahrung eines innovationsfreundlichen<br />

Rechtsrahmens<br />

für die Medtech-Branche, die Stärkung<br />

des DACH-Wirtschaftsstandorts, die Positionierung<br />

der Medizinprodukte-Unternehmen<br />

als attraktiver Arbeitgeber für<br />

Fachkräfte und die Unterstützung bei<br />

Nachhaltigkeitsstrategien.<br />

Vorteile der Zusammenarbeit sehen die<br />

Verbände im stärkeren Austausch von<br />

Fachwissen, der Vertretung<br />

von politischen Interessen sowie<br />

der Entwicklung von gemeinsamen<br />

Initiativen.<br />

Gerald Gschlössl, Dr. Meinrad<br />

Lugan und Dr. Beat Vonlanthen<br />

(v.li.) haben die Kooperationsvereinbarung<br />

unterzeichnet<br />

Digitalisierung<br />

Gerresheimer und Aptar Digital Health kooperieren zur<br />

Entwicklung einer integrierten Lösung für die Krebstherapie<br />

(Bild: Gerresheimer)<br />

Die Gerresheimer AG, Düsseldorf, und<br />

Aptar Digital Health, Crystal Lake, Illinois,<br />

Experte für Software as a Medical<br />

Device (SaMD), digitale Patientenunterstützungsprogramme<br />

(PSPs) und Disease-<br />

Management-Lösungen, haben eine Zusammenarbeit<br />

beschlossen. Ziel ist es, eine<br />

integrierte Lösung für das Management<br />

von Krebstherapien zu entwickeln,<br />

teilen die beiden Partner mit. Im Rahmen<br />

der Kooperation wird die körpergetragene<br />

Gx Sensair Medikamentenpumpe mit der<br />

Software-as-a-medical-Device-Plattform<br />

von Aptar Digital Health vernetzt, um die<br />

Patientenerfahrung und den Therapieerfolg<br />

von Krebspatienten zu verbessern.<br />

Mit Gx Sensair können großmolekulare<br />

Biopharmazeutika subkutan verabreicht<br />

werden. Die integrierte Lösung soll die<br />

Einführung von Patienten in neue Therapien<br />

erleichtern, sie begleiten und ihnen<br />

helfen, Nebenwirkungen besser zu managen.<br />

Gleichzeitig können Patienten einfacher<br />

fernüberwacht werden. „Die Bündelung<br />

unserer Kräfte eröffnet neue, spannende<br />

Möglichkeiten, um die jeweilige<br />

Therapie zu optimieren und die Lebensqualität<br />

von Krebspatienten zu verbessern“,<br />

sagt Daniel Diezi, Vice President Digitalization<br />

& New Business Models bei<br />

Gerresheimer. „Mit der Zusammenarbeit<br />

im Bereich Onkologie legen wir den<br />

Grundstein dafür, dass die Kooperation<br />

zwischen Aptar Digital Health und Gerresheimer<br />

zukünftig auch auf andere Therapiebereiche<br />

ausgeweitet werden kann.“<br />

10 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 11


■ [ MEDIZIN IM DIALOG ]<br />

NEUE FORM DER BILDGEBUNG:<br />

RÖNTGEN IN BEWEGUNG<br />

Hochgeschwindigkeitsbildgebung | Eine neue Form der Bildgebung soll das klassische<br />

Spektrum mit Röntgen, MRT und CT ergänzen – und zwar durch Aufnahmen in Bewegung.<br />

Ärzte und Forscher haben dazu in Bern das Dynamic Imaging Center aufgebaut.<br />

Beteiligt ist der Physiker und Radiologe Prof. Heverhagen. Er erläutert, welche Chancen<br />

das Zentrum künftig für die Dia gnose, aber auch für Implantathersteller bietet.<br />

(Bild: Inselspital)<br />

IHR STICHWORT<br />

■ Hochgeschwindigkeitsbildgebung<br />

■ Erstes europäisches Zentrum in Bern<br />

■ 1000 Röntgenbilder pro Sekunde<br />

■ Derzeit noch nicht für die Diagnose<br />

■ Interesse bei Industrie und Verbänden<br />

Prof. Dr. Dr. med. Johannes Heverhagen<br />

ist sowohl Physiker als auch Mediziner und<br />

leitet das Universitätsinstitut für Diagnostische,<br />

Interventionelle und Pädiatrische Radiologie<br />

(DIPR) am Inselspital, Universitätsspital<br />

Bern<br />

■ Herr Professor Heverhagen, was bietet<br />

das neue Dynamic Imaging Center, kurz<br />

DIC?<br />

Das lässt sich gut am Beispiel von<br />

Rückenbeschwerden erklären. Wenn ein<br />

Patient Schmerzen hat, würden wir<br />

heute zwei oder drei statische Aufnahmen<br />

vom betroffenen Bereich der<br />

Wirbelsäule machen. Dabei nimmt der<br />

Patient unterschiedliche Positionen ein.<br />

Wenn wir auf diesen Bildern eine Erklärung<br />

für die Beschwerden erkennen<br />

können, hilft uns das weiter. Wenn<br />

nicht, wird es schwierig. Dann könnte<br />

die Ursache des Problems ganz woanders<br />

liegen – oder eben doch an der vermuteten<br />

Stelle, aber nicht in den Positionen,<br />

die wir untersucht haben. Mit<br />

dem DIC hoffen wir, eine vollständige<br />

Bewegung aufnehmen und analysieren<br />

zu können. Dann wäre klar, welche<br />

Richtung die Therapie nehmen muss,<br />

um gegen die Schmerzen anzugehen.<br />

Aufnahmen machen wir dafür jeweils<br />

in zwei Richtungen – die dritte Dimension<br />

können wir durch Berechnungen<br />

ergänzen und mit darstellen.<br />

■ Wie entstand die Idee zum DIC?<br />

Wir haben diesen Gedanken vor etwa<br />

vier Jahren in einer Gruppe von Fachleuten<br />

diskutiert. Beteiligt waren wir<br />

Radiologen, die gern Details am Patienten<br />

während der Bewegung darstellen<br />

wollten. Dazu braucht man aber unter<br />

anderem große Räume, die im Krankenhaus<br />

kaum zur Verfügung stehen. Bestehende<br />

Bildgebungsverfahren haben<br />

auch Einschränkungen, die dem entgegenstehen.<br />

In der Röhre eines CT oder<br />

MRT ist kaum Spielraum für Bewegungen,<br />

und natürlich gibt es Grenzen, was<br />

12 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Zukunftssichere mechatronische<br />

Montage<strong>technik</strong><br />

Bildgebung in Bewegung<br />

kann Herstellern helfen,<br />

Implantate zu verbessern<br />

die Belastung eines Probanden oder Patienten<br />

durch Röntgenstrahlen angeht.<br />

Beteiligt an der Diskussion über so etwas<br />

wie das DIC waren aber auch Empa-Forschende.<br />

Für sie schien es interessant,<br />

Fragen der Materialprüfung im<br />

Körper zu betrachten – zum Beispiel die<br />

Belastung eines Implantates. Und mein<br />

Kollege Prof. Ameet Ayangar schließlich<br />

hatte bei einem Aufenthalt in Pittsburgh<br />

ein System aus Röntgengeräten<br />

und Kameras kennengelernt, mit dem<br />

die Bildgebung während der Bewegung<br />

machbar erschien. Im Team haben wir<br />

dann beschlossen, dass wir Fördermittel<br />

beantragen, um ein erstes Zentrum<br />

dieser Art in Europa aufzubauen.<br />

■ Welche Herausforderungen standen<br />

dabei im Vordergrund: die technischen<br />

oder die organisatorischen?<br />

Wir hatten anhand des Pittsburgher<br />

Vorbildes ja schon eine Idee, wie wir<br />

das Dynamic Imaging Center umsetzen<br />

wollten. Die Technik dafür, die Sensoren<br />

und Kameras sowie die Bildverarbeitungssoftware,<br />

ist grundsätzlich im<br />

Markt verfügbar. Natürlich setzen wir<br />

High-End-Geräte ein, um die bis zu tausend<br />

Bilder pro Sekunde aufnehmen<br />

und auch verarbeiten zu können. Die<br />

Datenmengen, die in unserem Hochgeschwindigkeitsbildgebungssystem<br />

anfallen,<br />

sind schon immens. Doch nur so<br />

können wir die Aufnahmen in der erforderlichen<br />

Auflösung bekommen. Nur<br />

als Vergleich: Mit anderen Systemen,<br />

die eine Bewegung aufzeichnen, entstehen<br />

aktuell etwa 15 bis 30 Bilder pro<br />

Sekunde. Die größere Herausforderung<br />

war für uns aber tatsächlich, sowohl die<br />

Mittel in Höhe von etwa eineinhalb Millionen<br />

Schweizer Franken zu erhalten<br />

als auch die erforderlichen Räumlichkeiten<br />

zu finden. Doch seit Herbst 2023<br />

haben wir nun alles zusammen, die Geräte<br />

und die Ausstattung für die Räume<br />

im Sitem, dem Swiss Institute for Translational<br />

and Entrepreneurial Medicine<br />

in Bern. Und auch das Personal ist da,<br />

um mit den ersten Projekten zu beginnen.<br />

■ Sie formulieren das noch vorsichtig.<br />

Wann rechnen Sie damit, dass Patienten<br />

untersucht werden können?<br />

Das wird noch einige Zeit in Anspruch<br />

nehmen. Wir stehen erst am Anfang.<br />

Die Ausrüstung ist vorhanden. Aber wir<br />

müssen jetzt herausfinden, wie wir die<br />

Geräte und alle Details am besten aufeinander<br />

abstimmen, um die bestmöglichen<br />

Aufnahmen zu erhalten. Ich denke,<br />

in den kommenden Monaten werden<br />

wir das mit gesunden Probanden in<br />

den Griff bekommen. Diese werden<br />

über die Strahlenbelastung, die dabei<br />

auftritt, informiert, und für alle Durchläufe<br />

liegt die Zustimmung des Ethikrates<br />

vor. Wir sprechen aber noch nicht<br />

von einer dia gnostischen Nutzung. Dafür<br />

müsste das System regulatorische<br />

Hürden überwinden.<br />

■ Wie stark ist die Strahlenbelastung bei<br />

einer Untersuchung im DIC?<br />

Wir verwenden Röntgenstrahlen für die<br />

Hochgeschwindigkeitsbildgebung, für<br />

das Dynamic Biplane Radiographic Imaging<br />

oder kurz DBRI. Das, was wir von<br />

einer Bewegung aufzeichnen, sind aber<br />

nur sehr kurze Sequenzen. Wenn beispielsweise<br />

ein Sportler hochspringt<br />

und bei der Landung Knieprobleme hat,<br />

passiert das Entscheidende innerhalb<br />

vielleicht einer Millisekunde. Auch<br />

wenn die Röntgenaufnahme etwa ein<br />

bis zwei Sekunden umfasst, ist die<br />

Strahlenbelastung insgesamt sehr<br />

überschaubar.<br />

■ Welche Untersuchungen sind für die<br />

Materialwissenschaftler der Empa im DIC<br />

geplant?<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 13


■ [ MEDIZIN IM DIALOG ]<br />

Über die Bildgebung mittels DBRI<br />

Das Herzstück des Dynamic Imaging<br />

Center (DIC) am Sitem in Bern ist ein<br />

dyna misches Röntgen-basiertes Hochgeschwindigkeitsbildgebungssystem,<br />

das<br />

als Dynamic Biplane Radiographic Imaging<br />

(DBRI) bezeichnet wird.<br />

Bis zu 1000 Röntgenbilder pro Sekunde<br />

nimmt es in zwei verschiedenen Ebenen<br />

auf. Damit lassen sich nach Angaben der<br />

Betreiber Bewegungen auf den Submillimeter<br />

genau messen und auch feinste<br />

Roll- und Gleitbewegungen im Gelenk<br />

feststellen.<br />

Während der Aufnahme bewegen sich<br />

Probandinnen und Probanden entweder<br />

auf einem Laufband, das mit Kraftsensoren<br />

ausgestattet ist, oder auf Kraftmessplatten.<br />

16 Infrarot-Bewegungserfassungskameras<br />

nehmen die Bewegungen<br />

auf, parallel wird auch noch ein Muskel-<br />

Elektrogramm (EMG) aufgezeichnet.<br />

Die bewegten Röntgenbilder sollen dreidimensionale<br />

Bilder aus MRT- und CT-Geräten<br />

nicht ersetzen, sondern ergänzen.<br />

Durch alle Aufnahmen zusammen entsteht<br />

nach Angaben der Fachleute vom<br />

DIC ein umfassendes Bild der Situation<br />

im Knochen oder im Gelenk.<br />

Das Universitätsinstitut für Diagnostische,<br />

Interventionelle und Pädiatrische<br />

Radiologie (DIPR) am Inselspital, Universitätsspital<br />

Bern, ist Eigentümerin des Labors.<br />

Das DIPR gewährt der Empa im<br />

Rahmen einer zehnjährigen Koopera -<br />

tionsvereinbarung besondere Zugangsrechte<br />

und Nutzungsrechte.<br />

Zum DIPR: www.radiologie.insel.ch/de/<br />

Zur Empa: www.empa.ch<br />

Das neue Dynamic Imaging Center (DIC) ist in Bern in den Räumlichkeiten des<br />

Sitem untergebracht. Zu den Partnern, die es gemeinsam aufgebaut haben,<br />

gehört auch die EMPA<br />

Das DIC bietet erstmals die Möglichkeit,<br />

die Belastung, die auf ein Implantat<br />

im Körper wirkt, während der Bewegung<br />

zu untersuchen. Mit den Ergebnissen<br />

lassen sich die heute üblichen<br />

Formen von Implantaten besser bewerten<br />

und vielleicht auch optimieren. Das<br />

(Bild:Sitem )<br />

ist für Implantathersteller sehr interessant.<br />

■ Haben Unternehmen schon Interesse<br />

bekundet?<br />

Schon als wir mit dem Aufbau begonnen<br />

haben, kamen zahlreiche Anfragen<br />

von Verbänden und Unternehmen. Allein<br />

diese zu sichten und gegebenenfalls<br />

Forschungsprojekte dazu zu formulieren,<br />

wird einige Monate in Anspruch<br />

nehmen. Realistisch wäre wohl<br />

die Annahme, dass wir mit den ersten<br />

Projekten 2025 starten können. Es zeigt<br />

sich aber schon jetzt, dass wir an der einen<br />

oder anderen Stelle auch die Wünsche<br />

an die Realität werden angleichen<br />

müssen.<br />

■ Wo sind heute die Grenzen des<br />

Dynamic Imaging?<br />

Wir haben aktuell eine Bildgröße von<br />

etwa 40 mal 40 Zentimetern, die wir<br />

darstellen können. Ein weiterer Punkt<br />

ist, dass ein Proband oder später der<br />

Patient in der Lage sein muss, selbstständig<br />

und ohne Begleitung auf dem<br />

Laufband im DIC zu gehen, während die<br />

Aufnahmen entstehen.<br />

■ Wie ließe sich diese Art der Bildgebung<br />

eventuell noch weiterentwickeln?<br />

Das ist bisher noch schwierig zu sagen,<br />

wir tasten uns ja zunächst an die Möglichkeiten<br />

des heutigen Systems heran.<br />

Dabei kooperieren wir auch mit den<br />

Fachleuten aus Pittsburgh. Da wir das<br />

DIC gerade neu aufgebaut haben, ist<br />

unser System derzeit, was Schnelligkeit<br />

und Auflösung angeht, sogar noch weiter<br />

vorn. Die ETH Zürich hat allerdings<br />

schon Kontakt zu uns aufgenommen<br />

und wäre der richtige Ansprechpartner,<br />

um bei Bedarf die Technik weiterzuentwickeln.<br />

■ Welche Perspektiven sehen Sie für das<br />

Dynamic Imaging mit dem DBRI-Verfahren?<br />

Wenn wir mit unserem System zeigen<br />

können, dass wir Aufnahmen erhalten,<br />

die uns für die Therapie weiterhelfen,<br />

könnte so ein Verfahren die Diagnosemöglichkeiten<br />

auch in anderen Kliniken<br />

erweitern. Dann allerdings werden wir<br />

abgespeckte Versionen brauchen, denn<br />

die gesamte technische Ausrüstung<br />

wird für einen Einsatz in der Breite<br />

wohl zu teuer sein.<br />

Dr. Birgit Oppermann<br />

birgit.oppermann@konradin.de<br />

14 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Chirurgie<br />

Schlauer medizinischer Laser statt Skalpell<br />

Zum sicheren und präzisen Einsatz von<br />

Lasern arbeiten Forschende der Universität<br />

Basel. Das Team um Dr. Ferda Canbaz<br />

am Departement Biomedical Engineering<br />

in Basel und Prof. Azhar Zam, ehemals<br />

Universität Basel, entwickelt ein neues<br />

System, das Knochen schneidet, die<br />

Schnitttiefe kontrolliert und verschiedene<br />

Gewebe unterscheidet. Dafür sind Laser<br />

auf den gleichen Punkt gerichtet. Der erste<br />

scannt die Umgebung, bestrahlt die<br />

Oberfläche und vaporisiert eine winzige<br />

Gewebeprobe. Im Spektrometer hat jedes<br />

Gewebe eine eigene Signatur. Wenn der<br />

Laser dann schneidet, misst parallel ein<br />

optisches System die Schnitttiefe.<br />

Arsham Hamidi und Ferda Canbaz im Laserlabor,<br />

in dem sie ein neues Lasersystem entwickelten<br />

(Bild: Universität Basel, Reinhard Wendler)<br />

Anästhesie<br />

Elektromagnetische<br />

Felder betäuben<br />

Mit elektromagnetischen Feldern<br />

die Schmerzweiterleitung<br />

unterbinden: Das wollen<br />

Freiburger Forscher des<br />

Universitätsklinikums und<br />

der Universität erreichen. Im<br />

Projekt Mini, kurz für Magnetisch<br />

Induzierte Neuroinhibition,<br />

nutzen die Fachleute<br />

magnetische Felder im Kilohertz-Bereich,<br />

um die Nervenleitung<br />

zu blockieren.<br />

Diese Methode könnte eine<br />

schnelle, nicht-invasive und<br />

reversible Schmerzausschaltung<br />

ohne die Risiken einer<br />

Lokalanästhetika-Injektion<br />

ermöglichen. Die Carl-Zeiss-<br />

Stiftung fördert das Projekt<br />

ab Februar mit 749 000 Euro<br />

im Rahmen des CZS Wildcard<br />

Programms.<br />

Laut Prof. Nils Schallner, Leitender<br />

Oberarzt der Klinik für<br />

Anästhesiologie und Intensivmedizin<br />

des Universitätsklinikums<br />

Freiburg, hat der Ansatz<br />

das Potenzial, die Anästhesiologie<br />

nachhaltig zu verändern.<br />

Dass magnetische Felder<br />

im Kilohertz-Bereich<br />

grundsätzlich Nervensignale<br />

hemmen können, ist laut Prof.<br />

Thomas Stieglitz, Leiter der<br />

Professur für Biomedizinische<br />

Mikro<strong>technik</strong> am Institut für<br />

Mikrosystem<strong>technik</strong> der Universität<br />

Freiburg, bekannt.<br />

Jetzt gehe es darum, die Hemmung<br />

sicher, schonend und<br />

präzise zu gestalten.<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 15<br />

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TITELTHEMA<br />

Ohne PFAS: Suche<br />

nach sinnvollem Ersatz<br />

Alternativen zu fluorhaltigen Substanzen | Ein mögliches Verbot der fluorhaltigen PFAS<br />

ist aktuell in der Diskussion. Manche Unternehmen aus der Medizin<strong>technik</strong>-Branche<br />

haben sich bereits auf die Suche nach Alternativen begeben, erste Lösungsansätze sind<br />

erkennbar. Forschungsbedarf ist aber vorhanden – auch wenn Fachleute damit rechnen,<br />

dass unverzichtbare PFAS in Medizinprodukten weiter im Einsatz bleiben.<br />

16 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


(Bild:DBA/stock.adobe.com)<br />

Zu den PFAS gehört die Perfluor octansäure<br />

(PFOA), deren Fluor-Atome hier grün dargestellt<br />

sind. PFOA wurde als schädlich für<br />

Mensch und Umwelt eingestuft und darf in<br />

der EU seit 2020 nicht mehr hergestellt und<br />

in Verkehr gebracht werden – Ausnahmen<br />

gelten für implantierbare Medizinprodukte.<br />

Nun ist ein Verbot für alle PFAS im Gespräch<br />

Das wird sicher kein Spaziergang.<br />

Aber die angelaufenen Projekte<br />

zeigen immerhin Ansatzpunkte.<br />

Dr. Birgit Oppermann<br />

Zukunft ohne PFAS?<br />

Ohne PFAS? Das geht gar nicht. Das<br />

ist zwar flapsig formuliert, aber so<br />

etwa lautet der Tenor zahlreicher Stellungnahmen<br />

und Positionspapiere aus<br />

Unternehmen und Verbänden. Diese haben<br />

sich bis zum Herbst 2023 zu einem<br />

möglichen generellen Verbot der rund<br />

10000 Chemikalien geäußert, die zu den<br />

per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen,<br />

den PFAS, gerechnet werden. Ob Maschinenbau,<br />

Medizin<strong>technik</strong>, Gesundheitswesen<br />

– die sehr widerstandsfähigen Polymere<br />

betrachten viele als unverzichtbar.<br />

Über das mögliche Verbot wird daher<br />

seit etwa einem Jahr lebhaft diskutiert.<br />

Denn die auch als „Ewigkeitschemikalien“<br />

bezeichneten Verbindungen gelten als potenziell<br />

gefährlich, sammeln sich in der<br />

Umwelt an und sind in menschlichen Proben<br />

nachweisbar. „Ich bin als Toxikologe<br />

wirklich sehr besorgt darüber, wie wir bisher<br />

mit diesen bedenklichen Stoffen umgehen“,<br />

sagt Apl. Prof. Hubertus Brunn,<br />

der an der Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

(JLU) Lebensmittel- und Umwelttoxi-<br />

IHR STICHWORT<br />

■ PFAS aus toxikologischer Sicht<br />

■ Wie sich Emissionen reduzieren lassen<br />

■ Unverzichtbare Anwendungen<br />

definieren, auch in der Medizin<strong>technik</strong><br />

■ Substitution, wo immer es geht<br />

kologie lehrt und lange Zeit als Direktor<br />

des Hessischen Landeslabors in Gießen<br />

tätig war. Er bezeichnet sich selbst ausdrücklich<br />

als nicht industriefeindlich,<br />

sieht die Industrie aber in der Verantwortung<br />

für die menschliche Gesundheit und<br />

eine intakte Umwelt. Über das Thema<br />

PFAS wünscht er sich eine sachliche und<br />

konstruktive Diskussion.<br />

Emissionen vermeiden –<br />

verzichten, wo immer es geht<br />

Entscheidend ist aus seiner Sicht das Vermeiden<br />

von Emissionen insbesondere bei<br />

der Herstellung und der Entsorgung von<br />

Fluorpolymeren, wie sie auch in vielen<br />

Medizinprodukten verwendet werden.<br />

Veränderungen seien daher unumgänglich,<br />

auch der Umgang mit PFAS-haltigen<br />

Produkten nach Gebrauch müsse überdacht<br />

werden. Das Ziel: Je weniger PFAS<br />

freigesetzt werden, desto besser. Wobei<br />

ein Verzicht auf diese Substanzen natürlich<br />

einen Beitrag zu niedrigeren Emissionen<br />

leisten müsse – ein Verzicht an allen<br />

Stellen, wo sie nicht unabdingbar sind.<br />

Derzeit liegt das Thema bei der European<br />

Chemical Agency (ECHA), Helsinki,<br />

die den Verbotsvorschlag an sich und tausende<br />

Kommentare dazu analysiert und<br />

bewertet. Brunn geht davon aus, dass die<br />

Fachleute pragmatisch vorgehen werden<br />

und Produkte, die bisher PFAS enthalten,<br />

zunächst drei Gruppen zuordnen:<br />

• den verzichtbaren Anwendungen,<br />

• den ersetzbaren Anwendungen sowie<br />

• den unverzichtbaren und nicht ersetzbaren<br />

Anwendungen.<br />

„Zur ersten Gruppe, also zu verzichtbaren<br />

Anwendungen, würde ich auf jeden<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 17


TITELTHEMA<br />

Apl. Prof. Hubertus Brunn sorgt sich um den Umgang mit<br />

fluorhaltigen Substanzen. Er ist Chemiker und lehrt an der<br />

Gießener Universität Lebensmittel- und Umwelttoxikologie.<br />

Gemeinsam mit weiteren Autoren hat er Anfang 2023 ein Review<br />

zu PFAS verfasst<br />

(Bild: Universität Gießen)<br />

Fall eine PTFE-beschichtete Zahnseide<br />

zählen“, sagt Brunn. Als ersetzbar haben<br />

sich unter anderem viele Beschichtungen<br />

in Textilien erwiesen. Dass es unverzichtbare<br />

Anwendungen gibt, in denen sich die<br />

besonderen Eigenschaften von PFAS derzeit<br />

kaum durch eine technische Lösung<br />

ersetzen lassen, sei ebenfalls klar. Viele<br />

Medizinprodukte werden laut Brunn vermutlich<br />

in dieser Gruppe landen.<br />

Aber der Toxikologe mahnt auch zum<br />

Handeln. „Wir müssen bald zu Entscheidungen<br />

kommen, denn je länger wir weitermachen<br />

wie bisher, desto höher werden<br />

die PFAS-Konzentrationen in der Umwelt<br />

und auch in Lebewesen ansteigen.“<br />

Selbst wenn sofort Verbote ausgesprochen<br />

würden, sei ja nur mit einem verzögerten<br />

Effekt zu rechnen.<br />

Ein pauschales Verbot wurde in vielen<br />

an die ECHA gerichteten Stellungnahmen<br />

kritisiert und statt dessen eine individuelle<br />

Betrachtung für jedes PFAS gefordert.<br />

Erst auf der Basis solcher Untersuchungen<br />

solle über ein Verbot entschieden werden.<br />

Das hält Brunn für völlig unrealistisch.<br />

„Dafür würden wir hunderte von Jahren<br />

benötigen“, sagt der Toxikologe.<br />

Vier im Detail bewertete PFAS –<br />

alle sind bedenklich<br />

„Es sind in der EU bisher lediglich vier<br />

Substanzen aus der PFAS-Gruppe genauer<br />

untersucht und bewertet worden“, erläutert<br />

Brunn. Die European Food and<br />

Safety Agency (EFSA) habe viel Sorgfalt<br />

aufgewendet, um mehr über deren Eigenschaften<br />

zu erfahren. In allen Fällen wiesen<br />

die Resultate in die gleiche Richtung:<br />

Die Substanzen sind, wenn sie in die Umwelt<br />

gelangen, toxikologisch bedenklich,<br />

sie reichern sich im Körper an. Sie sind in<br />

Muttermilch nachweisbar und beeinträchtigen<br />

die Immunantwort zum Beispiel<br />

von Säuglingen, die ein Jahr lang gestillt<br />

wurden. Eine der untersuchten Substanzen,<br />

PFOA, schätzt die IARC, die International<br />

Research Agency for Cancer in<br />

Lyon, als sicher karzinogen ein.<br />

Doch was sollen Unternehmen heute<br />

aus der Diskussion um PFAS ableiten? Aus<br />

dem Johner-Institut in Konstanz heißt es<br />

in einem Blog-Eintrag mit Blickrichtung<br />

Medizin<strong>technik</strong>: „Sie müssen sofort handeln.“<br />

Solange nicht klar ist, was genau in<br />

welchen Anwendungen und ab wann<br />

noch erlaubt oder schon verboten sein<br />

wird, wäre zunächst zu klären, wo im eigenen<br />

Produkt und im Herstellungsprozess<br />

überhaupt PFAS im Einsatz sind. Das<br />

geht nicht ohne Aufwand.<br />

Auch die Tuttlinger Medical Mountains<br />

GmbH empfiehlt Unternehmen, die Kommunikation<br />

mit Lieferanten zu beginnen:<br />

Das Bewusstsein, wo überall PFAS zum<br />

Einsatz kommen und welche Konsequenzen<br />

ein Verzicht hätte, sei noch nicht<br />

überall vorhanden. Eine Zusammenfassung<br />

dazu bietet der Verband als „Handout<br />

PFAS“ an. Ebensowichtig ist die Frage,<br />

welche Alternativen sich denn bieten,<br />

wenn PFAS nicht mehr erlaubt wären.<br />

Mit der Frage, wie eine PFAS-Substitution<br />

aussehen könnte, beschäftigen sich<br />

bereits Fachleute des Bereichs Oberflächen<strong>technik</strong><br />

am Fraunhofer-Institut für<br />

Fertigungs<strong>technik</strong> und Angewandte Materialforschung<br />

IFAM in Bremen. Mit Unternehmen<br />

aus der Medizin<strong>technik</strong> sind<br />

sie seit Jahren in engem Kontakt und suchen<br />

nach Möglichkeiten, wie sich be-<br />

(Bild: Sergey/stock.adobe.com)<br />

Für Medizinprodukte<br />

für die Anästhesie<br />

werden bisher<br />

häufig PFAS eingesetzt.<br />

Ebenfalls auf<br />

der Liste der Produkte,<br />

die von einem<br />

möglichen Verbot<br />

betroffen wären,<br />

sind laut Medical<br />

Mountains unter<br />

anderem auch Katheterschläuche,<br />

Koronar-Führungsdrähte,<br />

Stents,<br />

Herzschrittmacher<br />

oder Dialysegeräte<br />

18 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Dr. Ralph Wilken leitet den Bereich Oberflächen<strong>technik</strong> am<br />

Fraunhofer IFAM in Bremen und ist an der Entwicklung der<br />

Plaslon-Technologie beteiligt. Die damit aufgebrachten<br />

Schichten bieten PFAS- typische Eigenschaften<br />

stimmte Eigenschaften auch ohne fluorhaltige<br />

Moleküle erzeugen lassen.<br />

„Es kommt natürlich immer darauf an,<br />

welche Eigenschaften ein Produkt haben<br />

soll“, sagt Dr. Ralph Wilken, der am<br />

Fraunhofer IFAM den Bereich Oberflächen<strong>technik</strong><br />

leitet. „PFAS bieten eine einzigartige<br />

Kombination von Eigenschaften,<br />

die man nicht ohne weiteres mit einem<br />

anderen Verfahren nachbilden kann.“<br />

Aber: Nicht in jeder Anwendung werden<br />

alle diese Eigenschaften gebraucht, sondern<br />

meist nur eine oder einige wenige.<br />

Seit zehn Jahren Projekte zur<br />

PFAS-Substition in der Medizin<br />

Und manche, wie Gleitfähigkeit, Härte<br />

oder Abriebbeständigkeit, können die<br />

Fraunhofer-Experten mit einem von ihnen<br />

entwickelten plasmabasierten Verfahren<br />

hervorrufen. Das ist auch für die Medizin<strong>technik</strong><br />

interessant. „Seit etwa zehn Jahren<br />

arbeiten wir dazu mit Herstellern von<br />

Implantaten, Kathetern oder auch Instrumenten<br />

für die minimal-invasive Chirurgie<br />

zusammen“, sagt Wilken.<br />

Technisch sind die Dinge zum Teil<br />

schon weit vorangekommen. „Aber bis so<br />

ein Medizinprodukt zertifiziert ist und auf<br />

den Markt kommt, kann es – je nach Klassifizierung<br />

des Produktes – leicht drei bis<br />

acht Jahre dauern“, sagt Wilken. Sein Kollege<br />

Dr. Kai Borcherding, Geschäftsfeldleiter<br />

Medizin<strong>technik</strong> und Life Sciences<br />

am Fraunhofer IFAM, ergänzt: „Die Unternehmen,<br />

mit denen wir bisher zusammenarbeiten,<br />

haben diese langen Zeitspannen<br />

im Blick und deswegen frühzeitig<br />

begonnen, nach Alternativen zu fluorhaltigen<br />

Verbindungen zu suchen.“<br />

Den Anstoß für entsprechende Projekte<br />

gab vor rund 20 Jahren die Erkenntnis,<br />

dass Reste fluorhaltiger Trennmittel aus<br />

Formen auf den darin hergestellten Produkten<br />

verblieben. Insbesondere dann,<br />

wenn die Produkte wie bei kohlefaserverstärkten<br />

Kunststoffbauteilen, kurz CFK,<br />

mithilfe von Reaktivharzen hergestellt<br />

werden. Sehr leistungsfähige Trennschichten<br />

stellen die IFAM-Mitarbeiter<br />

heute auf siliziumorganischer Basis her<br />

und haben diese weiter optimiert. Von<br />

Fluor ist hier nicht mehr die Rede.<br />

„Als erstes haben wir die trennenden und<br />

hydrophoben Eigenschaften erreicht“,<br />

sagt Wilken. „Dann haben wir auf die Festigkeit<br />

hin optimiert. Heute überstehen<br />

die Schichten 10000 Durchläufe.“ Auch<br />

die Temperaturbeständigkeit, die zum<br />

Beispiel für die Anwendung in Pfannen erforderlich<br />

ist, wurde erreicht. „Wir können<br />

also eine PTFE-Beschichtung ersetzen.“<br />

Aktuell sollen die Schichten noch<br />

abriebbeständiger werden und auch hydrophobe<br />

Eigenschaften bekommen.<br />

Die Schichten erzeugen die Bremer mit<br />

einer Niederdruckplasmatechnologie, der<br />

Plasma Enhanced Chemical Vapour Deposition,<br />

kurz PECVD. Die Schichten sind interessant<br />

für die Luftfahrt- und Automobilindustrie,<br />

für die Hersteller von Haushaltsgeräten<br />

und Elektronik sowie für die<br />

Medizin<strong>technik</strong>. „In diesem Bereich machen<br />

die Projekte aus der Medizin<strong>technik</strong><br />

schon jetzt etwa zwanzig Prozent aus“,<br />

sagt Wilken. Das Verfahren bezeichnen<br />

die IFAM-Ingenieure als Plaslon-Technologie<br />

und haben ihre Erfindung durch Patente<br />

geschützt. Nach Wilkens Einschätzung<br />

ist das Institut damit weit vorn beim<br />

Ersatz von PFAS.<br />

Produkte mit Plaslon-Beschichtung besitzen<br />

gute Gleiteigenschaften, sie können<br />

chemisch resistent und antiadhäsiv<br />

sein, zum Teil auch sehr gut elektrisch isolieren.<br />

Sie sind härter als PFAS – und laut<br />

Wilken ist mit der siliziumorganischen<br />

Verbindung sogar die bei PFAS geschätzte<br />

oleophobe Eigenschaft teilweise erreichbar.<br />

Ähnliche Erkenntnisse liegen zur optischen<br />

Transparenz vor. „Bei der elektrischen<br />

Isolation wiederum müssen wir<br />

schauen, was sich zum Beispiel im Umfeld<br />

eines Gewebes erreichen lässt und welche<br />

Isolationseigenschaften vorgegeben<br />

sind“, sagt Wilken. Die Schicht ist durch<br />

verschiedene Verfahren sterilisierbar.<br />

Auch die Frage nach der Entsorgung<br />

oder resultierenden Emissionen braucht<br />

niemanden zu schrecken. Kommt ein mit<br />

siliziumorganischen Verbindungen beschichtetes<br />

Produkt an sein Lebensende,<br />

lässt es sich verbrennen. Von der Beschichtung<br />

bleiben „toxikologisch unbedenkliche<br />

Silikate, also quasi Sand“. Alles<br />

in allem hat das Plaslon-Verfahren der<br />

Medizin<strong>technik</strong> Wilkens Meinung nach<br />

eine Menge zu bieten. „Wir freuen uns natürlich,<br />

dass schon Hersteller auf uns aufmerksam<br />

geworden sind und uns kontaktiert<br />

haben.“<br />

Wilken und seine Kollegen stellen ihr<br />

Wissen zu den Möglichkeiten der Plaslon-<br />

Beschichtungstechnologie inzwischen<br />

auch in einem weiteren Projekt zur Verfügung:<br />

Darin arbeiten Fachleute vom<br />

Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit<br />

und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt<br />

mit 21 Teilnehmern aus der Industrie<br />

zusammen.<br />

Ihr Ende 2023 gestartetes Verbundprojekt<br />

zum Ersatz von PFAS in der Industrie<br />

bringt zunächst vor allem Recherche -<br />

arbeit mit sich. Die Beteiligten stellen zusammen,<br />

welche Aufgaben bisher PFAS<br />

Weitere Informationen<br />

Zur ECHA und zu Neuigkeiten zum<br />

möglichen PFAS-Verbot:<br />

https://hier.pro/x4VfF<br />

Fraunhofer IFAM (Plaslon):<br />

https://hier.pro/XmcC7<br />

Fraunhofer LBF, Verbundprojekt:<br />

https://hier.pro/Dfgfq<br />

Medical Mountains, Handout PFAS:<br />

https://hier.pro/PgbA2<br />

Review „PFAS: forever chemicals...“:<br />

https://hier.pro/4qfUL<br />

(Bild: Fraunhofer IFAM)<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 19


TITELTHEMA<br />

Dr. Frank Schönberger leitet am Fraunhofer<br />

LBF die Abteilung Synthese und Formulierung<br />

und begleitet dort auch das Verbundprojekt<br />

zur PFAS-Substitution<br />

Über PFAS und das<br />

mögliche Verbot<br />

(Bild: Banczerowski/Fraunhofer LBF)<br />

erfordern und unter welchen Bedingungen<br />

die Bauteile und Komponenten funktionieren<br />

müssen. Dann soll die Suche<br />

nach potenziellen Ersatzwerkstoffen starten;<br />

es werden den Teilnehmern Möglichkeiten,<br />

aber auch Grenzen heutiger Ersatzwerkstoffe<br />

aufgezeigt.<br />

„Mit diesem Wissen wollen wir es den<br />

Projektteilnehmern ermöglichen, ihre Situation<br />

besser einzuschätzen“, sagt Projektleiter<br />

Dr. Frank Schönberger, der am<br />

Fraunhofer LBF die Abteilung Synthese<br />

und Formulierung leitet. Das Interesse am<br />

Projekt war von Anfang an groß. Partner<br />

aus der Medizin<strong>technik</strong> sind beteiligt,<br />

weitere Interessenten haben nach Projektstart<br />

Kontakt aufgenommen.<br />

Den Anstoß fürs Projekt gab zwar die<br />

Diskussion um das mögliche EU-weite<br />

Verbot von PFAS. Doch auch die Tatsache,<br />

dass PFAS-Hersteller ihre Produktion eingestellt<br />

haben oder das Unsicherheiten<br />

hinsichtlich künftiger Verfügbarkeit bestehen,<br />

bringt die Anwender in Zugzwang.<br />

Manche Werkstoffe seien bereits<br />

nicht mehr im gewohnten Maß verfügbar<br />

oder nicht mehr in den bisher verwendeten<br />

„Grades“. „Für die PFAS-Anwender ist<br />

auch das ein wichtiger Grund, sich mit Alternativen<br />

zu befassen“, so Schönberger.<br />

Für ihre Recherchen und Auswertungen<br />

sind im Verbundprojekt neun Monate<br />

eingeplant. „Was in dieser Zeit im Projekt<br />

am Beispiel der ausgewählten Anforderungen<br />

zusammengetragen und ausgewertet<br />

wird, ist für die Teilnehmer verfügbar“,<br />

erläutert Schönberger. Er nennt das<br />

Wissen einen „Schatz“. „Wir werden das<br />

Thema PFAS- Substitu tion am Fraunhofer<br />

LBF sicherlich auch weiter verfolgen. Es<br />

laufen jetzt schon Einzelprojekte zu konkreten<br />

Entwicklungen, und weitere werden<br />

starten.“ Auch branchenspezifische<br />

Forschungsprojekte mit mehreren Partnern<br />

seien denkbar.<br />

Jetzt Emissionen reduzieren,<br />

in Zukunft vielleicht recyceln<br />

Die Emissionen zu reduzieren, hält auch<br />

Schönberger angesichts der Risiken für<br />

Umwelt und Gesundheit „auf jeden Fall<br />

für richtig“. Konzepte für eine Kreislaufwirtschaft,<br />

ein Zerlegen oder ein Recyceln<br />

der gefährlichen Substanzen, böten ebenfalls<br />

Chancen. „Dazu muss ich allerdings<br />

klar sagen: Das ist noch Zukunftsmusik.<br />

Zunächst braucht es verlässliche Rahmenbedingungen.“<br />

Auch damit sind die Überlegungen<br />

aber noch nicht am Ende. „Sollten PFAS<br />

generell verboten werden, wird wohl<br />

auch das Redesign von Produkten als Ansatz<br />

auf den Tisch kommen“, sagt Schönberger.<br />

Da das mit erheblichem Aufwand<br />

verbunden ist, sei das zum jetzigen Zeitpunkt<br />

nicht die bevorzugte Denkrichtung.<br />

Wie eine Zukunft ohne PFAS aussehen<br />

könnte, ist auch beim Nufringer Kunststoffspezialisten<br />

Ensinger GmbH ein Thema.<br />

PTFE und PVDF, das Polyvinylidenfluorid,<br />

sind die Substanzen aus der<br />

PFAS-Gruppe, die das Unternehmen<br />

hauptsächlich für Halbzeuge, Profile und<br />

Compounds nutzt. Für die Medizin<strong>technik</strong><br />

relevant sind davon vor allem Modifikationen,<br />

die PTFE enthalten. Daraus<br />

werden zum Beispiel Instrumente und Instrumentengriffe<br />

oder auch Halterungen<br />

hergestellt, in denen Medizinprodukte<br />

während der Sterilisation fixiert sind.<br />

„Wir sind schon länger damit beschäftigt,<br />

nach PTFE-freien Hochleistungskunststoffen<br />

zu schauen“, berichtet Applika -<br />

tionsingenieur Sebastian Roller. Die Kunden<br />

fragten das auch gezielt an.<br />

Für Gleitanwendungen gebe es schon<br />

Alternativen – ausgehend von Additiven,<br />

„mit denen wir zu stabilen verschleißbeständigen<br />

Werkstoffen kommen können.“<br />

Als Polymerbasis für Anwendungen mit<br />

den PFAS-freien Festschmierstoffen komme<br />

zum Beispiel PEEK in Frage. Für Medizinprodukte<br />

könnte das interessant sein,<br />

Unter dem Begriff PFAS werden Perund<br />

polyfluorierte Alkylsubstanzen<br />

zusammengefasst. Sie enthalten mit<br />

der Verbindung zwischen Kohlenstoffund<br />

Fluor-Atomen die festeste Bindung,<br />

die es in einem Molekül überhaupt<br />

geben kann.<br />

Rund 10000 verschiedene PFAS sind<br />

bisher hergestellt worden. Sie bieten<br />

Eigenschaften wie Gleitfähigkeit oder<br />

Stabilität gegen Chemikalien, die in<br />

der Industrie geschätzt werden. Sie<br />

sind extrem haltbar und auch als<br />

„Ewigkeitschemikalien“ bekannt. Verwendet<br />

werden sie in Zehn tausenden<br />

von Produkten. Dazu gehören Lebens -<br />

mittelverpackungen, Outdoortextilien,<br />

Schaumlöschmittel, Teppiche,<br />

Schmier stoffe, Skiwachse und Möbel<br />

sowie zahlreiche Medizinprodukte.<br />

Während der Herstellung oder nach<br />

der Entsorgung von Produkten freigesetzte<br />

PFAS lassen sich nicht wieder<br />

einfangen und auch kaum zerstören.<br />

So bleiben sie Jahre bis Jahrzehnte in<br />

der Umwelt und den Nahrungsketten<br />

und reichern sich dort an. Die Fluor-<br />

Verbindungen kommen im Blutserum<br />

vom Menschen vor und können zu gesundheitlichen<br />

Effekten führen.<br />

Um eine weitere Kontamination zu<br />

verhindern, haben fünf euro päische<br />

Länder – Norwegen, Schweden, Dänemark,<br />

die Niederlande und Deutschland<br />

– am 13. Januar 2023 bei der European<br />

Chemical Agency (ECHA) mit<br />

Sitz in Helsiniki einen Vorschlag zur<br />

Beschränkung der Herstellung, des<br />

Vertriebs und der Verwendung der<br />

PFAS eingereicht.<br />

In der Konsultationsphase bis Herbst<br />

2023 gingen dazu über 5600 Kommentare<br />

bei der ECHA ein. Die meisten<br />

kamen aus Schweden, Deutschland<br />

und Japan. Unter den rund 4400<br />

Kommentierenden waren Unternehmen<br />

und Verbände mit knapp 69 %<br />

am häufigsten vertreten, gefolgt von<br />

Individuen mit gut 27 %.<br />

Eine Entscheidung der Europäischen<br />

Kommission über den Vorschlag ist<br />

laut Umweltbundesamt voraussichtlich<br />

2025 zu erwarten.<br />

20 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


sofern diese nicht direkt mit dem menschlichen<br />

Körper in Kontakt kommen. Gleitoder<br />

Schiebeelemente in Instrumenten<br />

seien denkbar. „Wenn ein generelles<br />

PFAS-Verbot kommt, würden solche Lösungen<br />

natürlich gebraucht“, sagt Roller.<br />

Welchen Einschnitt ein Verbot für Medizinprodukte-Hersteller<br />

bedeuten würde,<br />

fasst Dr. Helmut Scherer, Mitglied der<br />

Geschäftsleitung bei Erbe Elektromedizin<br />

in Tübingen, zusammen: „Alle unsere Instrumente<br />

wären davon betroffen – und<br />

damit rund eine Million Patienten, die damit<br />

behandelt werden.“ Sollten keine<br />

PFAS mehr verwendet werden dürfen,<br />

müssten alle Produkte grundlegend überarbeitet<br />

werden. „Wir haben das in einem<br />

Projekt sogar schon versucht. Das Ergebnis<br />

war ernüchternd“, sagt Scherer. Ohne<br />

PFAS sei entweder der medizinische Nutzen<br />

weg gewesen oder die Ärzte „fanden<br />

die Produkte inakzeptabel schlecht“. Daher<br />

habe man in Tübingen zunächst entschieden,<br />

PFAS weiter zu verwenden.<br />

Dass es nicht einfach sein wird, auf<br />

PFAS zu verzichten oder sie zu substituieren,<br />

ist auch für den Toxikologen Prof.<br />

Brunn klar. Aber hier gelte: Wo ein Wille<br />

ist, ist auch ein Weg – was auch der Umgang<br />

mit anderen gefährlichen Substanzen<br />

gezeigt habe. „Wir haben es geschafft,<br />

auf DDT oder PCB zu verzichten.“ Verantwortlich<br />

zu handeln heiße heute, PFAS<br />

künftig so wenig wie irgend möglich zu<br />

verwenden. Das Schlagwort dazu laute:<br />

„Alara: as low as rea sonably achievable“.<br />

Details zum möglichen PFAS-Verbot<br />

oder Sonderregelungen für Medizin -<br />

Online<br />

weiterlesen<br />

Mehr über Handlungsempfehlungen<br />

für Unternehmen, Kunststoffe ohne<br />

PFAS und die Zukunft der Gasphasenfluorierung<br />

von Silikon lesen Sie in unserem<br />

Online-Portal unter<br />

www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/<br />

onlineweiterlesen<br />

produkte sind derzeit nur Spekulationen.<br />

Die angelaufenen Projekte geben aber<br />

Anlass zur Hoffnung, dass es Alternativen<br />

geben könnte. Und je eher diese ent -<br />

wickelt und getestet werden, desto mehr<br />

Vorteile haben alle Beteiligten zu erwarten.<br />

■<br />

Dr. Birgit Oppermann<br />

birgit.oppermann@konradin.de<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 21


■ [ TECHNIK ]<br />

Dank ihrer besonderen Bauweise sind Zykloidgetriebe außerordentlich leistungsfähig, sehr genau und robust<br />

(Bild: Nabtesco Precision Europe)<br />

Präzise Zykloidgetriebe bringen die<br />

Medizin<strong>technik</strong> auf Automationskurs<br />

Antriebs<strong>technik</strong> | Digitalisierung und Automatisierung eröffnen im Gesundheitswesen neue Möglichkeiten<br />

für Diagnostik, Behandlung und Pflege. Zykloidgetriebe mit hoher Positioniergenauigkeit<br />

von Nabtesco sorgen für Sicherheit, Zuverlässigkeit und Präzision in der Anwendung.<br />

Von einem Roboter operiert zu werden?<br />

Nur jeder fünfte Deutsche<br />

könnte sich mit diesem Gedanken anfreunden.<br />

Eine höhere Akzeptanz genießt<br />

der medizintechnische Fortschritt in Ländern<br />

wie Schweden oder Polen. Dort würden<br />

sich 40 % unters Roboter-Skalpell legen.<br />

Fakt ist: Der Roboter im OP spaltet<br />

die Gemüter. Fakt ist aber auch: Die Automatisierung<br />

ist längst im Gesundheitswesen<br />

angekommen, und Chirurgieroboter,<br />

maschinelle Helfer sowie automatisierte<br />

Systeme sind in vielen Bereichen Alltag.<br />

Treiber dieser Entwicklung sind vor allem<br />

Faktoren wie der anhaltende Fachkräftemangel,<br />

steigende Personalkosten, eine<br />

alternde Gesellschaft sowie die Zunahme<br />

an pflegebedürftigen Menschen. Der Kosten-<br />

und Effizienzdruck ist enorm, und so<br />

kommen medizinische Einrichtungen<br />

nicht umhin, ihre Prozesse zu optimieren<br />

– sei es im Krankenhaus, in der Rehaklinik,<br />

im Pflegeheim oder in der Seniorenresidenz.<br />

IHR STICHWORT<br />

■ Automatisierung und Robotik<br />

■ Zykloidgetriebe<br />

■ Präzisionsgetriebe mit Voll-/Hohlwelle<br />

■ Antriebe für bildgebende Verfahren,<br />

Patientenhandling und Chirurgieroboter<br />

Doch wie lassen sich Ökonomisierung<br />

und Patientenwohl in Einklang bringen?<br />

Die Automatisierung spielt dabei eine<br />

zentrale Rolle, denn der Einsatz von Robotern<br />

& Co sorgt nicht nur für Effizienzsteigerungen,<br />

sondern auch für eine höhere<br />

Qualität bei der Patientenversorgung.<br />

Fehlerminimierung, Entlastung des<br />

Klinik- und Pflegepersonals, exaktere und<br />

schnellere Diagnoseverfahren, optimierte<br />

Behandlungs- und Therapiemethoden sowie<br />

eine Verbesserung von Komfort und<br />

Betreuung des Patienten sind hier entscheidende<br />

Schlagworte.<br />

Zuverlässige Antriebskonzepte<br />

für moderne Medizingeräte<br />

So werden beispielsweise komplexe minimal-invasive<br />

Eingriffe dank roboter-assistierter<br />

Chirurgie, die ein extrem präzises<br />

Operieren mit einer dreidimensionalen<br />

Sicht auf das Operationsfeld gewährleistet,<br />

teilweise überhaupt erst möglich.<br />

Weitere Anwendungsfelder finden sich<br />

darüber hinaus bei bildgebenden Verfahren<br />

wie Röntgen oder Ultraschall, beim<br />

Patientenhandling sowie in der Krankenhauslogistik,<br />

in der Labordiagnostik und<br />

im Reha-Training. Dabei gilt: Kollege Roboter<br />

assistiert und unterstützt, ersetzt<br />

aber weder Arzt noch Krankenschwester<br />

oder Pfleger.<br />

Damit die neuen Technologien sicher<br />

und leise am beziehungsweise im Umfeld<br />

des Patienten arbeiten können, kommt<br />

der Antriebs<strong>technik</strong> eine entscheidende<br />

Bedeutung zu. „In keiner anderen Branche<br />

sind die Anforderungen hinsichtlich<br />

Präzision, Sicherheit und Laufruhe so<br />

hoch wie in der Medizin<strong>technik</strong>“, macht<br />

Daniel Obladen, Head of Sales General Industries<br />

bei der Nabtesco Precision<br />

Europe GmbH in Düsseldorf deutlich. Er<br />

ergänzt: „Auch muss eine hygienegerechte<br />

Gestaltung gewährleistet sein, damit<br />

die Getriebe die regelmäßigen Reinigungs-<br />

und Desinfektionsprozesse gut<br />

überstehen.“<br />

Eine Lösung bietet die Neco-Serie, die<br />

aktuell in den Baugrößen 25, 42, 80, 125<br />

und 160 verfügbar ist. Die kompakten<br />

Servogetriebe ermöglichen eine Positionierung<br />

im Hundertstel-Millimeterbereich,<br />

bringen höchste Sicherheitsreserven<br />

mit und zeichnen sich durch ein<br />

cleanes, geschlossenes Design sowie ein<br />

konstantes Betriebsverhalten und einen<br />

geringen Geräuschpegel aus.<br />

Den Unterschied macht die besondere<br />

Bauweise. Die für Zykloidgetriebe typische<br />

Kraftübertragung über Kurvenscheiben<br />

und Rollen führt zu einem exzellenten<br />

Verhalten hinsichtlich Wiederhol- und<br />

Bahngenauigkeit, Dynamik, Belastbarkeit<br />

und Laufruhe. Auch bei großen Lasten<br />

oder hohen Beschleunigungsmomenten<br />

stellen die Neco-Getriebe exakt ausgeführte<br />

Bewegungen sicher und positionie-<br />

22 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


(Bild: sudok1/stock.adobe.com /<br />

Nabtesco Precision Europe)<br />

Präzision im Hygienic Design:<br />

Dank der glatten Oberflächen<br />

und des ganzheitlichen Korro -<br />

sionsschutzes ist das Neco-<br />

Getriebe wie geschaffen für den<br />

Einsatz in sensiblen Branchen<br />

wie der Medizin<strong>technik</strong><br />

Mehr Infos<br />

im Video<br />

ren hochpräzise. Der fast vollständige<br />

Kontakt sowie eine gleichmäßige Kraftverteilung<br />

im Getriebe sorgen für eine hohe<br />

Steifigkeit. So lassen sich sehr hohe<br />

Drehmomente mit höchster Präzision und<br />

Laufruhe übertragen. Auch über einen<br />

langen Zeitraum ist die Spielzunahme<br />

verschwindend gering. „Dieses geringe<br />

Spiel trägt beispielsweise entscheidend zu<br />

hochwertigen und detailreichen Körperbildern<br />

bei“, sagt Obladen und macht<br />

deutlich: „Vor allem angesichts des großen<br />

Potenzials der künstlichen Intelligenz<br />

(KI) für die Bilddiagnostik wird die Datenqualität<br />

zum Schlüsselfaktor, denn KI-<br />

Algorithmen, die eine vollautomatische<br />

Analyse und Auswertung von Röntgenaufnahmen<br />

vornehmen, sind auf präzise<br />

und zuverlässige Daten angewiesen.“<br />

Sicherheit und Sauberkeit<br />

haben oberste Priorität<br />

Ihre spezielle Konstruktion macht die Neco-Getriebe<br />

zur Idealbesetzung für medizintechnische<br />

Anwendungen: Dank doppelt<br />

gelagerter Exzenterwellen sowie der<br />

gelagerten Antriebswelle sind die Antriebe<br />

sehr robust. Zur hohen Torsionssteifigkeit<br />

und Widerstandsfähigkeit gegen<br />

Stoß- und Überbelastung tragen auch die<br />

integrierten Schrägkugellager bei, die<br />

axiale sowie radiale Lasten und Biegemomente<br />

aufnehmen. So erlauben die Getriebesysteme<br />

in Not-Halt-Situationen<br />

Lastspitzen von bis zu 500 % des Nenndrehmoments<br />

und bieten damit im Fall einer<br />

Betriebsstörung Patienten und Bedienpersonal<br />

Schutz. „Wir haben auch<br />

schon Projekte mit einem Not-Aus-Drehmoment<br />

von 800 % des Nenndrehmoments<br />

realisiert“, erzählt Obladen. „Möglich<br />

wird dies durch den Aufbau spezifischer<br />

Prüfszenarien und unsere enge Zusammenarbeit<br />

mit Universitäten, Fachhochschulen<br />

sowie Forschungseinrichtungen.<br />

Dadurch sind wir in der Lage,<br />

auch außergewöhnliche Anforderungen<br />

umsetzen zu können.“<br />

Das hygienefreundliche Design der Neco-Serie<br />

minimiert das Kontaminationsrisiko<br />

und gewährleistet eine schnelle, effiziente<br />

Reinigung und Desinfektion. Auf<br />

raue Gussbauteile und scharfe Kanten<br />

wurde gänzlich verzichtet. Es gibt weder<br />

Toträume noch Spalten oder Nischen, in<br />

denen sich Reinigungsmittel sammeln<br />

könnte. Die Verschraubungen befinden<br />

sich auf der Anwendungsseite, sodass die<br />

Motorseite ohne Schraubenlöcher und<br />

vorstehende Teile auskommt. Glatte<br />

Oberflächen und das abgerundete Getriebegehäuse<br />

sorgen dafür, dass Schmutz<br />

sich nicht festsetzen und Flüssigkeiten ungehindert<br />

abfließen können.<br />

Zuleitungen, Schläuche und<br />

Kabel passen in die Hohlwelle<br />

Dank ihrer hohen Präzision, Zuverlässigkeit<br />

und Laufruhe finden sich die Neco-<br />

Getriebe vor allem in C-Bögen, Patienten-<br />

Handling-Systemen, Patientenliegen, OP-<br />

Tischen, Krankenhausbetten oder robotergestützten<br />

Reha-Geräten.<br />

Sollen gekapselte Systeme aufgebaut<br />

werden, sind die Hohlwellengetriebe der<br />

RD-C-Serie eine gute Wahl. Die Präzi -<br />

sionsgetriebe verfügen über eine großzügig<br />

dimensionierte Hohlwelle, in der sich<br />

Kabel, Schläuche und Zuleitungen hygienisch<br />

und platzsparend unterbringen lassen.<br />

Neben Zykloidgetrieben gehören<br />

hochpräzise, kleine Wellgetriebe der Marke<br />

Ovalo für den unteren Drehmomentbereich<br />

sowie kompakte Antriebskonzepte<br />

für fahrerlose Transportsysteme (FTS)<br />

zum breiten Medizin<strong>technik</strong>-Portfolio von<br />

Nabtesco. Sollten Standardprodukte nicht<br />

passen, realisiert der Getriebespezialist in<br />

enger Zusammenarbeit mit dem Kunden<br />

maßgeschneiderte Lösungen, die auf die<br />

jeweilige Applikation zugeschnitten sind<br />

– von kundenspezifischen Anpassungen<br />

über individuell ausgelegte Getriebesysteme<br />

bis hin zur Entwicklung kompletter<br />

Prozesspläne inklusive Qualitätssystem,<br />

Montagekonzept, Lieferketten, Labeling<br />

und Verpackung.<br />

■<br />

Jennifer Hagmeyer<br />

Nabtesco Precision Europe, Düsseldorf<br />

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■ [ TECHNIK ]<br />

Mit Expert Teardown Service Kosten<br />

in der Entwicklung einsparen<br />

Medizinprodukte-Entwicklung | Demontieren, analysieren und Kosten sparen – der<br />

Bossard Engineering Service optimiert den Entwicklungsprozess und ermöglicht eine<br />

wirtschaftlichere Produktion von Medizingeräten. Expert Teardown ist dabei das Mittel<br />

der Wahl, um die richtigen C-Teile bestmöglich einzusetzen.<br />

Um nicht nur besser,<br />

sondern auch<br />

kostengünstiger<br />

Medizin<strong>technik</strong> zu<br />

entwickeln und zu<br />

fertigen, setzt Bossard<br />

auf den Service<br />

„Expert Teardown“<br />

(Bild: Bossard)<br />

Ein großes MRT-Gerät oder ein hochkomplexes<br />

Laborinstrument – die Anzahl<br />

der hier verbauten Verbindungs- und<br />

Befestigungselemente summiert sich<br />

schnell im zwei- bis dreistelligen Bereich.<br />

Aber sind auch alle notwendig? Kann man<br />

die Anzahl nicht reduzieren und/oder<br />

einzelne Elemente durch bessere, kostengünstigere<br />

Alternativen ersetzen?<br />

Andreas Reiger, der das unternehmensinterne<br />

Team „Medical Technology“<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Verbindungs- und Befestigungs<strong>technik</strong><br />

Services für die Entwicklung von<br />

Medizinprodukten und Geräten<br />

Optimierung von Kosten und Prozessen<br />

Funktionalität und Sicherheit im Blick<br />

bei Bossard Deutschland leitet, bringt es<br />

auf den Punkt: „Es geht immer einfacher,<br />

günstiger und besser. Das betrifft aber<br />

nicht nur die Wahl der richtigen C-Teile,<br />

sondern bezieht die Montage und die Gesamtprozesskosten<br />

mit ein. Dazu gehört<br />

nicht selten auch Überzeugungsarbeit,<br />

denn viele haben die ‚Nische Verbindungs-<br />

und Befestigungs<strong>technik</strong>‘ nicht auf<br />

dem Schirm, weil beispielsweise die Ansprüche<br />

an Qualität, Sicherheit und Zertifizierungen<br />

glauben machen, dass hier ‚eh<br />

nichts möglich ist‘“.<br />

Das Gegenteil ist aber der Fall: Wer sowohl<br />

in der Entwicklung als auch in der<br />

Produktion unter anderem von Updates<br />

und neuen Versionen jedes Verbindungsund<br />

Befestigungselement, jedes Scharnier<br />

und jeden Verschluss genau betrachtet,<br />

kann zum Beispiel eine unnötige Teilevielfalt<br />

und unrunde Prozesse vermeiden,<br />

die hohe versteckte Kosten in einem<br />

Produktionsbetrieb verursachen würden.<br />

Neben den Services „Expert Assortment<br />

Analyses“ (Analyse zur Rationalisierung<br />

von Verbindungselementen) und „Expert<br />

Design“ (Unterstützung bei der Entwicklung)<br />

ist der „Expert Teardown“ ein probates<br />

Mittel und stringenter Ansatz, die<br />

richtigen C-Teile bestmöglich zu verwenden.<br />

Zugrunde liegend ist laut Andreas<br />

Reiger das Bewusstsein, „dass man vielleicht<br />

manche Lösung deshalb außer Acht<br />

ließ, weil man das Problem gar nicht<br />

kannte“. Genau hier setzt der „Expert Teardown“<br />

an.<br />

Demontage und Suche nach<br />

Verbesserungen<br />

Aber der Reihe nach: Beim „Expert Teardown“<br />

wird ein Instrument oder Gerät demontiert<br />

und systematisch auf mögliche<br />

Verbesserungen untersucht. Strukturiertes<br />

Vorgehen ist dabei elementar. Bevor<br />

die Bossard-Expertinnen und -Experten<br />

Hand beziehungsweise ihre Werkzeuge<br />

24 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


anlegen, definieren sie die Rahmenbedingungen<br />

und Anforderungen zum Beispiel<br />

bei einem Elektro-Rollstuhl. Berücksichtigt<br />

werden dabei mechanische Festigkeiten,<br />

Belastungsarten, Korrosion, Wartungsfreundlichkeit,<br />

Sicherheit, Langlebigkeit,<br />

Recyclingfähigkeit, aber auch kollisionsfreie<br />

und effiziente Montagefreundlichkeit,<br />

stets unter Berücksichtigung<br />

der technischen Machbarkeit.<br />

Schrauben, Muttern, Blindnietmuttern,<br />

Niete, Einpressbefestiger, Scharniere,<br />

Verschlüsse und mehr – jedes der Elemente<br />

wird unter die Lupe genommen<br />

und nach seiner Funktionalität analysiert:<br />

Hat es an dieser Stelle Sinn? Gibt es bessere<br />

Alternativen, und zwar nicht nur mit<br />

Blick auf das Produkt selbst, sondern<br />

auch im Kontext zur Konstruktion und mit<br />

welchem Einfluss auf die Montage?<br />

Perfekte Verbindungslösung<br />

entscheidet über Markterfolg<br />

Nach der Zerlegung des Produkts und der<br />

präzisen Analyse im Team erarbeiteten<br />

die Bossard-Experten konkrete Verbesserungsvorschläge<br />

sowie Konstruktionshinweise,<br />

die wiederum signifikante Produktverbesserungen<br />

in Hinblick auf die<br />

Verbindungselemente und die Herstellungs-<br />

und Montagekosten ermöglichen.<br />

Reiger erklärt: „Die perfekte Verbindungslösung<br />

entscheidet über die Qualität,<br />

den Preis und die Wettbewerbsfähigkeit<br />

eines Produkts am Markt. Wir bieten<br />

mit ‘Expert Teardown‘ Unterstützung<br />

durch Lösungs- und Verbesserungsvorschläge.<br />

Diese werden wiederum unter<br />

Zuhilfenahme eines empirischen Total<br />

Cost of Ownership (TCO)-Kalkulators auf<br />

Wirtschaftlichkeit und ROI (Return On<br />

Investment) geprüft. „Kurzum: Mit Bossard<br />

hin zur optimalen Produktlösung.“<br />

Dass Bossard Deutschland im vergangenen<br />

Jahr ein eigenes Team „Medical“<br />

installiert hat, drängte sich für Geschäftsführer<br />

Dr. Daniel Philippe Stier „geradezu<br />

auf, denn: Nur wenige Branchen sind in<br />

ihren Segmenten so verzweigt, so innovativ<br />

und stellen so hohe Qualitätsansprüche.“<br />

Diese hohen Anforderungen hörten<br />

dabei logischerweise bei den kleinsten<br />

Andreas Reiger leitet das Team Medical<br />

Technology bei Bossard Deutschland<br />

Teilen nicht auf. Im Gegenteil: In der Verbindungs<strong>technik</strong><br />

entschieden nicht selten<br />

Zuverlässigkeit, Funktionalität und Sicherheit<br />

eines medizinischen Geräts, Instruments<br />

oder Hilfsmittels.<br />

Die erfahrene Mannschaft wird von<br />

Andreas Reiger geleitet, ihm zur Seite stehen<br />

als Business beziehungsweise Development<br />

Manager Markus Mayer, Dirk<br />

Ockel und Vladan Henkies sowie Sarah<br />

Schneider, Luca Ebhard und Lukas Holitschke.<br />

Sie unterstützen Konstrukteure<br />

und Designer, Hersteller und Produzenten,<br />

OEMs und Start-Ups im weiten Feld<br />

der Medizin<strong>technik</strong>, können im Hinblick<br />

auf die Verbindungs-, Montage- und Befestigungs<strong>technik</strong><br />

alle Fragen beantworten<br />

und die individuell besten Lösungen<br />

finden.<br />

Bei Bedarf halten sich in Deutschland<br />

mehr als 30 weitere Business Development<br />

Manager, Produktmanager sowie<br />

Experten von Vertrieb bis Lager bereit,<br />

ganz zu schweigen von „der Expertise der<br />

ganzen Bossard Gruppe, auf die international<br />

bereits eine stattliche Anzahl von<br />

Global Player in der Medizin<strong>technik</strong> vertrauen“,<br />

so Dr. Stier. „Für unsere Kunden<br />

heißt das: Alles aus der Hand eines persönlichen<br />

Ansprechpartners plus die Gewissheit,<br />

das Know-how eines großen<br />

Teams von ausgewiesenen Spezialisten<br />

nutzen zu können.“<br />

■<br />

Bernhard Krebs<br />

Bossard Deutschland, Illerrieden<br />

(Bild: Bossard)<br />

Für die hohen Qualitätsansprüche in der<br />

Medizin<strong>technik</strong> hat Bossard-Geschäftsführer<br />

Dr. Daniel Philippe Stier ein eigenes Medical-Team<br />

installiert<br />

Zum Unternehmen<br />

Die Bossard Gruppe ist weltweit als<br />

Verbindungs<strong>technik</strong>-Spezialist für<br />

OEMs und Zulieferer tätig. Das Unternehmen<br />

verfügt über Fachwissen<br />

in vielen Märkten. So bietet Bossard<br />

Verbindungselemente für die Entwicklungen<br />

von Medizin<strong>technik</strong>und<br />

Life Sciences-Geräten und Ausrüstungen<br />

– sortiert nach verschiedenen<br />

Anwendungsbereichen. Dazu<br />

gehören beispielsweise Verbindungselemente<br />

für elektromedizinische<br />

Geräte im Operationssaal, für<br />

Chirurgie- und Therapiegeräte auf<br />

Intensivstationen sowie für Life Sciences-<br />

und Laborgeräte.<br />

Beim Expert-Teardown-Service unterziehen<br />

die technischen Fachkräfte<br />

von Bossard das gewünschte Produkt<br />

für die Analyse der Bauteilkomplexität<br />

einer genauen Untersuchung.<br />

Ziel des Services ist es, die<br />

Funktionalität zu verstehen und<br />

dann das jeweilige Kosteneinsparpotenzial<br />

und mögliche Verbesserungen<br />

in den Bereichen Qualität<br />

und Zuverlässigkeit zu erfassen.<br />

Zum Unternehmen:<br />

www.bossard.com<br />

Zum Expert Teardown Service:<br />

www.bossard.com/de-de/<br />

assembly-technology-expert/<br />

expert-teardown/<br />

(Bild: Bossard)<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 25


■ [ TECHNIK ]<br />

Viele Materialien an Prothesen mit<br />

demselben Klebstoff sicher verbinden<br />

Kleben in der Orthopädie<strong>technik</strong> | Metall, Carbonfaser, Kunststoff. Leder, Textil,<br />

Schaumstoff. Damit eine Prothese oder Orthese genau zum Patienten passt, müssen<br />

Teile aus vielen Materialien schnell und sicher miteinander verbunden werden.<br />

Gottinger Orthopädie<strong>technik</strong> hat dafür den geeigneten Klebstoff gesucht und mit<br />

Unterstützung von Ruderer die passende Lösung gefunden.<br />

Eine Prothese muss individuell an<br />

den Träger angepasst sein. Dafür<br />

setzten Orthopädie<strong>technik</strong>er moderne<br />

Werkstoffe und Herstellverfahren<br />

ein. Das Kleben ist dabei<br />

wichtig, um Teile sicher und schnell<br />

mit einander zu verbinden<br />

Mit Carbon und Metall allein ist es aber<br />

nicht getan. Bestimmte Teile von Orthesen<br />

und Prothesen werden von innen gepolstert,<br />

um die Haut einzubetten und<br />

den direkten Kontakt mit der harten Orthesenschale<br />

zu verhindern. Der ideale<br />

Klebstoff hierfür soll das Polstermaterial<br />

schnell fixieren.<br />

(Bild: Gottinger)<br />

Passgenaue Orthesen und Prothesen,<br />

die der individuellen Anatomie von<br />

Patienten entsprechen, entstehen aus verschiedenen<br />

Materialien. In Frage kommen<br />

thermoplastische Kunststoffe, Faserverbundstoffe<br />

und Metalle, Hightech-<br />

Funktionsfasern, Leder sowie Textilien in<br />

verschiedenen Materialkombinationen,<br />

die es zu verbinden gilt. Um die bestmögliche<br />

Produktqualität zu erzielen und die<br />

Herstellung zu vereinfachen, suchten die<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Kleben in der Orthopädie<strong>technik</strong><br />

Zahlreiche Materialien und<br />

Kombinationen daraus verbinden<br />

Beratung bei der Klebstoffauswahl<br />

Auf neue Herausforderungen vorbereitet<br />

Fachleute der F. Gottinger Orthopädie<strong>technik</strong><br />

GmbH in Zorneding nach wenigen,<br />

aber guten Klebstoffen, die allen Anforderungen<br />

der Orthopädie<strong>technik</strong> entsprechen.<br />

Oder noch lieber nach einem<br />

Klebstoff, dem „Klebstoff für alles“, der<br />

die Bandbreite der Materialkombinationen<br />

möglichst vollständig abdeckt.<br />

So ein Klebstoff muss eine Vielzahl von<br />

Eigenschaften aufweisen. Dazu gehört<br />

das Fixieren der aus Metall bestehenden<br />

Gelenksysteme einer Orthese am Carbon-<br />

Rahmen. Ein solcher Klebstoff muss dem<br />

Anwender genug Zeit lassen, um die Teile<br />

zu positionieren, aber dann mit hoher Anfangsfestigkeit<br />

punkten. Auch auf senkrechten<br />

Flächen oder dreidimensional<br />

verformten Teilen soll er seine Klebkraft<br />

entfalten können – und das Ablaufen des<br />

Klebstoffes war ein Ausschlusskriterium.<br />

Große Spaltbreiten sollte er weich und<br />

flexibel zusammenfügen können.<br />

PE-Schaumstoff ist eine<br />

Herausforderung beim Kleben<br />

So gepolstert sind zum Beispiel die teils<br />

dreidimensionalen Schäfte von Orthesen<br />

und Prothesen. Deren Grundmaterial sind<br />

Perlontrikotschlauch-Lagen und eine<br />

Acryl -Matrix. Hier schafft eine Schicht<br />

aus Polyethylen-Schaumstoff mehr Tragekomfort.<br />

Da Polyethylen (PE), wie Polypropylen<br />

(PP) oder auch Polyoxymethylen<br />

(POM), zu den schwer verklebbaren<br />

Kunststoffen zählt, war hier ein Klebstoff<br />

gefordert, der auf diesen Materialien haftet,<br />

kaum thermoplastische Verformung<br />

zulässt und mit Lösungsmittel wieder ablösbar<br />

ist.<br />

Bisher verbrachten die Entwickler bei<br />

Gottinger nicht wenig Zeit damit, für<br />

neue Aufgaben die jeweils passenden<br />

Klebstoffe zu finden. Nun haben sie Ansprechpartner,<br />

mit deren Hilfe sich dieser<br />

Aufwand reduzieren lässt, und diese sitzen<br />

gerade mal zwei Straßen weiter: Die<br />

Fachleute der Ruderer Kleb<strong>technik</strong> GmbH<br />

haben sich auf hochwertige Industrie-<br />

Klebstoffe spezialisiert und sind ebenfalls<br />

in Zorneding ansässig. Neben der hauseigenen<br />

Marke Technicoll gehören Klebstoffe<br />

andere Hersteller zum Sortiment, da-<br />

26 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


(Bild: Gottinger)<br />

Orthopädie<strong>technik</strong>ermeister Francisco<br />

Martins hat sich auf der Suche nach einem<br />

möglichst vielseitig einsetzbaren Klebstoff<br />

an die Experten von Ruderer Kleb<strong>technik</strong><br />

gewandt. Für die Zukunft sieht er sich mit<br />

der Auswahl nun gut gerüstet<br />

runter Araldite, H.B. Fuller, Sika, 3M, Panacol,<br />

Lord, Kömmerling, Born2Bond<br />

(Bostik), Loctite, Teroson, Otto-Chemie,<br />

Weiss-Chemie und Drei Bond.<br />

Beratung und Testklebungen<br />

erleichtern die Entscheidung<br />

Mit seinem Anliegen aus der Orthopädie<strong>technik</strong><br />

profitierte Gottinger nun nicht<br />

nur vom Know-how des Nachbarunternehmens.<br />

Orthopädie<strong>technik</strong>ermeister<br />

und MSc Neuroorthopädie Francisco Martins,<br />

der seit 1997 bei der Gottinger arbeitet,<br />

lobt auch „die gute Zusammenarbeit“<br />

sowie die Schnelligkeit und Zuverlässigkeit<br />

der Klebstoffexperten. Dass bei Bedarf<br />

Testklebungen bei Ruderer möglich<br />

sind oder die Klebstoffexperten vor Ort<br />

beraten, sei bei spezifischen Anforderungen<br />

von Vorteil gewesen.<br />

Ein Spezialfall sind zum Beispiel<br />

schnelle Reparaturen. War man hier früher<br />

noch zu 100 % aufs Nieten, Schrauben<br />

und Bohren angewiesen, halten heute<br />

Spezialklebstoffe als Ergänzung und Ersatz<br />

zu den herkömmlichen Verbindungstechnologien<br />

Einzug. Auch orthopädische<br />

High-Tech-Produkte wie Ganzbeinorthesen<br />

lassen sich zum Teil innerhalb von nur<br />

einer Woche fertigen. Wichtig beim Kleben<br />

sind hier eine schnelle Aushärtung,<br />

eine gute Fließfähigkeit und eine glas -<br />

klare Farbe, um die Optik des Produktes<br />

nicht durch den Klebstoff zu beeinträch -<br />

tigen.<br />

Als Lösung für all diese Anforderungen<br />

kristallisierte sich schließlich der Kontaktklebstoff<br />

Helmitin Formel 1 des Herstellers<br />

H.B. Fuller heraus. Dieser flüssige,<br />

lösemittelhaltige Spezialkleber ist hochelastisch<br />

und wird als 1- und 2-Komponenten-Kontaktklebstoff<br />

angeboten. Er<br />

haftet auf nahezu allen in der Orthopädie<strong>technik</strong><br />

verwendeten Materialien –<br />

auch auf Kork, Leder, Lederfaserstoff,<br />

EVA bis hin zu Textilien und Filz.<br />

Der Klebstoff ermöglicht einen flexiblen<br />

Fugenzustand und ist beständig gegen<br />

Wärme, Weichmacher und Feuchtigkeit.<br />

Seine Lagerfähigkeit von einem Jahr<br />

bei Raumtemperatur macht ihn für die<br />

Orthopädie<strong>technik</strong> besonders interessant.<br />

Helmitin Formel 1 hat eine Kontakt -<br />

klebezeit von 120 min, was den Orthopädie<strong>technik</strong>ern<br />

genug Zeit zum Arbeiten<br />

einräumt. Die Ablüftezeit beträgt 5 bis<br />

60 min. Der lösemittelhaltige Kontaktklebstoff<br />

muss nicht extra angemischt<br />

werden und wird auf beide Fügeteile aufgetragen.<br />

Während der Ablüftezeit verdunstet<br />

der Großteil des Lösemittels. Danach<br />

lassen sich beide Teile fügen und mit<br />

einem kurzen hohen Druck verbinden.<br />

Für die Herstellung der Prothesen und<br />

Orthesen hat das Unternehmen Gottinger<br />

den Faktor Zeit beim Kleben im Blick: „Da<br />

keine Vorbehandlung nötig ist, lassen sich<br />

komplexe Arbeitsvorgänge in der Orthopädie<strong>technik</strong><br />

ohne großen Zeitaufwand<br />

komfortabel umsetzen“, berichtet Martins.<br />

„Vom ersten Formabdruck bis hin zur<br />

Über den Anwender<br />

Die F. Gottinger Orthopädie<strong>technik</strong><br />

GmbH in Zorneding verfügt über<br />

120 Jahre Erfahrung in der Herstellung<br />

von technischen Hilfsmitteln.<br />

Dazu gehören Kopforthesen, dynamische<br />

und statische Fuß-, Beinund<br />

Armorthesen über Korsette bis<br />

hin zu Prothesen. Jedes Produkt wird<br />

individuell gefertigt und ist Maßarbeit.<br />

Jährlich verlassen etwa 1.500<br />

Orthesen und Prothesen die Orthopädischen<br />

Werkstätten.<br />

Einen Namen gemacht hat sich das<br />

Unternehmen bei der Versorgung<br />

von Kindern mit neurologischen<br />

Krankheitsbildern wie Spina bifida<br />

(Fehlbildung der Wirbelsäule), ICP<br />

(Störung des Nerven- und Muskelsystems)<br />

und Polio (Kinderlähmung).<br />

Dafür haben die Mitarbeiter<br />

unter anderem neuartige Passteile<br />

entwickelt.<br />

www.gottinger.de<br />

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∙ Chirurgische Mikroskope<br />

∙ Anästhesiegerät<br />

∙ Blutstillendes Gerät<br />

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∙ Netzhaut- und Kataraktlaser<br />

∙ Dental-Ofen<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 27<br />

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■ [ TECHNIK ]<br />

(Bild: Gottinger)<br />

Fertigstellung einer Orthese oder Prothese<br />

ist durch den Einsatz des leistungsfähigen<br />

Industrieklebstoffs eine deutliche<br />

Zeitersparnis möglich.“<br />

Als vorteilhaft erwies sich auch die Ablösbarkeit.<br />

Denn trotz seiner hohen Klebekraft<br />

kann Helmitin Formel 1 mithilfe des<br />

Lösemittels Helmitin 676/2 wieder von<br />

den Materialien entfernt werden. Das ist<br />

in der Orthopädie<strong>technik</strong> wichtig, weil<br />

durch Wachstumsschübe oder Operationen<br />

immer wieder Anpassungen am Produkt<br />

notwendig sind.<br />

Allerdings hat die Analyse der Anforderungen<br />

gezeigt, dass „ein“ Klebstoff<br />

dann doch nicht für alle Anwendungsfälle<br />

in der Orthopädie<strong>technik</strong> ausreicht. Für<br />

die besondere Herausforderung beim Kleben<br />

hochfester Materialien wie Metallen<br />

mit Verbundwerkstoffen wie Carbon-Prepreg<br />

setzen die Zornedinger heute auf<br />

den 2-K-Klebstoff Agomet F 330. Dieser<br />

kalthärtende Klebstoff auf Methacrylatbasis<br />

hat eine Fügezeit von 10 min und<br />

zeigt eine sehr gute Zugscher- und Schälfestigkeit<br />

– auch ohne aufwendige Vorbehandlung<br />

der Fügeteile.<br />

In Kombination mit Agomet F 330 Härterpulver<br />

oder der Härtepaste können Fugendicken<br />

von 5 mm und mehr überwunden<br />

werden. Dadurch, dass Agomet F 330<br />

Temperaturen zwischen –40 °C und<br />

+130 °C standhält, eignet er sich sehr gut<br />

für die in der Orthopädie unter Hitze verarbeiteten<br />

Formteile. Auch mehrlagige<br />

Konstruktionen werden damit zu beständigen<br />

und wärmefesten Einheiten.<br />

Für kleine Reparaturen, zum Beispiel<br />

Wenn die eigene Muskelkraft fehlt, stabilisieren<br />

Unterschenkel orthesen das Knöchelgelenk<br />

und unterstützen die Fußhebung.<br />

Insbesondere Kinder profitieren von dieser<br />

Bewegungsfreiheit<br />

(Bild: Gottinger)<br />

an Innenschäften oder Schuhsohlen,<br />

schwört man bei Gottinger auf den Sekundenkleber<br />

Technicoll 9556. Diesen<br />

niedrigviskosen Cyanacrylat-Klebstoff hat<br />

Ruderer Kleb<strong>technik</strong> speziell für Gummi<br />

und EPDM-Verbindungen (Moosgummi)<br />

entwickelt, er haftet aber genauso gut auf<br />

Metall, Keramik und Kunststoffen.<br />

Durch wenige geeignete<br />

Klebstoffe<br />

lassen sich zahlreiche<br />

Materialkombinationen<br />

miteinander<br />

verbinden. Das<br />

beschleunigt die<br />

Herstellung und<br />

spart auch Zeit, die<br />

bisher für die oft<br />

langwierige Suche<br />

nach dem richtigen<br />

Klebstoff aufgewendet<br />

werden<br />

musste<br />

Spezialklebstoff als<br />

Hilfe für alle Fälle<br />

Bei Gottinger dient dieser Spezialkleber<br />

als Universalhilfe. Er kommt rund um den<br />

Anpassungsprozess immer dann zum Einsatz,<br />

wenn es um passgenaue, sehr kleine<br />

Fügeflächen oder Bauteile geht, die in Sekundenschnelle<br />

geklebt oder fixiert werden<br />

müssen.<br />

Da Orthesen und Prothesen ein Leben<br />

lang halten sollten, floss auch das Thema<br />

Nachhaltigkeit in den Entscheidungsprozess<br />

der Orthopädie<strong>technik</strong>er ein. Sowohl<br />

Helmitin Formel 1 als auch der Klebstoff<br />

Agomet F330 bieten mehr Materialeffizienz:<br />

Genau das Material, das andernfalls<br />

durch Schweißen, Bohren oder Nieten<br />

verloren gegangen wäre, lässt sich damit<br />

einsparen. Die hohe Leistungsfähigkeit<br />

trägt auch zur Langlebigkeit der Produkte<br />

bei – wobei deren „Haltbarkeit“ laut<br />

Europäischer Verordnung (MDR – Medical<br />

Device Regulation) auf einige Jahre<br />

beschränkt ist, damit sicherheitsrelevante<br />

Aspekte gewahrt bleiben.<br />

Und wie sieht es mit neuen Technologien<br />

wie dem 3D-Druck für die Orthopädie<strong>technik</strong><br />

aus? Zwar arbeite man bereits<br />

mit diesem Verfahren, sagt Francisco Martins,<br />

und vermutlich werde das in Zukunft<br />

auch mehr werden. Insbesondere Orthesen<br />

und Prothesen seien aber hohen,<br />

wechselnden Belastungen ausgesetzt. Sie<br />

dürfen dennoch weder ihre Form noch ihre<br />

Rotationsstabilität verlieren. Materialien,<br />

die heute für die Additive Fertigung<br />

verfügbar sind, hielten diesen Anforderungen<br />

oft nicht stand.<br />

Ob die additive Fertigung die konventionelle<br />

Bauart in naher Zukunft ersetzen<br />

wird, hängt laut Martins vom Therapieziel<br />

und den Orthopädie<strong>technik</strong>ern ab.<br />

Die individuelle Anfertigung im 3D-Drucker<br />

verkürze zwar den Herstellungsprozess<br />

und ermögliche mehr Individualität.<br />

„Andere Prozesse in der Additiven Fertigung<br />

hingegen, wie das Konstruieren,<br />

Drucken, Formen und Färben, nehmen<br />

bislang aber noch sehr viel Zeit in Anspruch.“<br />

Seiner Meinung nach werde<br />

„nichts das manuelle Herstellungsverfahren<br />

ersetzen“. Und mit den Hochleistungsklebstoffen<br />

spart Gottinger inzwischen<br />

viel Zeit bei der Herstellung der<br />

Prothesen und Orthesen.<br />

Dass er und sein Team heute mit nur einem,<br />

maximal drei Klebstoffen auskommen,<br />

ist das Resultat innovativer Denkansätze.<br />

Francisco Martins blickt daher gelassen<br />

in die Zukunft. „Die von uns eingesetzten<br />

Klebstoffe sind aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach ausreichend, um auch kommende<br />

Herausforderungen bestens zu<br />

meistern.“<br />

(op) ■<br />

Weitere Informationen<br />

Die Ruderer Kleb<strong>technik</strong> GmbH in<br />

Zorneding bietet eine herstellerunabhängige<br />

Beratung zu Klebeprojekten.<br />

Probeklebungen, Alterungstests,<br />

die Modifikation von Klebstoffen<br />

oder das Lohnkleben gehören<br />

zum Portfolio.<br />

www.ruderer.de<br />

28 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Passendes Gehäuse<br />

für Beatmungssensor<br />

Spezialgehäuse | Für einen Sensor, der beim Beatmungstraining<br />

Echtzeit-Feedback ermöglicht, haben<br />

Gehäuseexperten die passende Lösung entwickelt.<br />

Zwischen Beutel und Maske steckt der Sensor Qubeairflow<br />

und liefert sofort ein Feedback zur Beatmung<br />

(Bild: OKW)<br />

Manchmal ist eine individuelle Gehäuse-Lösung erforderlich:<br />

Solch einen Anwendungsfall gab es bei der badenwürttembergischen<br />

Skillqube GmbH. Das Unternehmen aus<br />

Rauenberg entwickelt Lösungen für Simulationen und Trainings<br />

in der klinischen und präklinischen Versorgung.<br />

Für einen Sensor, der es ermöglicht, ein Echtzeit-Feedback bei<br />

der Beatmung zu geben, brauchten die Fachleute von Skillqube<br />

ein passendes Gehäuse. In Zusammenarbeit mit den Gehäuseexperten<br />

von OKW entstand der Qubeairflow. Für so eine maßgeschneiderte<br />

Entwicklung, inklusive Werkzeuglösungen, wird das<br />

Know-how der OBT Bearbeitungs<strong>technik</strong> gebraucht. Diese ist ein<br />

Geschäftsbereich der OKW Gehäusesysteme GmbH in Buchen/<br />

Odw.<br />

Der Beatmungssensor soll im Beatmungstraining hohe Präzision<br />

bieten. Er unterstützt Trainierende dabei, eine ausreichende Beatmung<br />

zu üben und zugleich Hyperventilationen zu verhindern.<br />

Dabei geben Echtzeit-Daten ein visuelles Beatmungsfeedback<br />

auf dem simulierten Patienten-Monitor aus.<br />

Der Qubeairflow wird zwischen Beutel und Maske aufgesteckt.<br />

Über Bluetooth verbindet er sich mit dem EKG-Monitor, der die<br />

Daten auch an das Controller Tablet sendet.<br />

Trainierende und Instruktoren können so die Beatmung in Echtzeit<br />

überwachen und die im Logbuch gespeicherten Daten für<br />

das Debriefing nutzen.<br />

https://de.skillqube.com/; www.okw.com<br />

SMD-Schablonen<br />

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Kataloge sind wir bestens gerüstet – speziell wenn es<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 29


■ [ TECHNIK ]<br />

Lebensrettende Energie<br />

auch im Notfall sicherstellen<br />

Stromversorgung | Bei lebenserhaltenden Medizinprodukten ist es unerlässlich, dass<br />

sie auch im Erstfehlerfall weiterarbeiten oder zumindest das medizinische Personal<br />

informieren können. Fällt die externe Stromversorgung aus, ist ein interner Energiespeicher<br />

wie ein Akku und ein intelligentes Power Management notwendig.<br />

Insbesondere auf<br />

Intensivstationen<br />

muss die Stromversorgung<br />

absolut zuverlässig<br />

sein. Der<br />

Einsatz von Batterien<br />

sowie Power<br />

Management kann<br />

Leben retten<br />

(Bild: Kiryl Lis/stock.adobe.com)<br />

IHR STICHWORT<br />

■ Power Management<br />

■ Medizingeräte-Entwicklung<br />

■ Akku<br />

■ Redundanz<br />

■ Erstfehler<br />

Die Normen schreiben vor, dass ein lebenserhaltendes<br />

Medizingerät im<br />

Erstfehlerfall, nach dem Auftreten des<br />

Fehlers, weiterhin akustisch alarmieren<br />

kann. Zum Beispiel die ISO 80601-2-84<br />

für Notfallbeatmungsgeräte verlangt noch<br />

mindestens 120 Sekunden. Dies erfordert<br />

neben einem redundanten Alarmsystem<br />

auch eine redundante Energieversorgung,<br />

üblicherweise in Form einer Batterie,<br />

Akkus oder Superkondensators<br />

(EDLC). Die Anforderung an die Energieversorgung<br />

muss von Anfang an im Design<br />

berücksichtigt werden, um eine teure<br />

Nachrüstung zu vermeiden. Dabei kann<br />

es bereits bei der Definition des Wortes<br />

Redundanz zu Unsicherheiten kommen.<br />

Denn ist das Gerät für einen mobilen Einsatz<br />

spezifiziert, ist das Ausstecken der<br />

Netzversorgung kein Fehlerfall, sondern<br />

eine normale Anwendung. Somit werden<br />

zwei unabhängige interne Energiequellen<br />

benötigt. Darf zudem ein Akku im Betrieb<br />

ausgetauscht werden, kann die Risikobetrachtung<br />

unter Umständen sogar drei interne<br />

Speicher erfordern.<br />

Mehrere unabhängige Energiequellen<br />

zu besitzen, ist eine nötige, aber noch lange<br />

keine hinreichende Bedingung, um<br />

auch im Erstfehlerfall das Alarmsystem<br />

mit Strom versorgen zu können. Denn gerade<br />

Backupsysteme verwenden naturgemäß<br />

Energie jeder verfügbaren Quelle<br />

wie Netzteil, Akku oder Superkondensator.<br />

Ist die Zusammenführung der Quel-<br />

len falsch ausgeführt, zum Beispiel mit<br />

einfachen Dioden, kann ein Kurzschluss<br />

im Backupsystem auch alle Quellen kurzschließen.<br />

Hier ist darauf zu achten, dass<br />

auf jedem Pfad eine eigene Strombegrenzung<br />

implementiert wird, um den fehlerhaften<br />

Teil vom System abzukoppeln und<br />

einen totalen Blackout zu vermeiden. Zudem<br />

muss die Strombegrenzung schnell<br />

genug reagieren, bevor sekundäre Systeme<br />

wie die Schutzschaltung des Akkus<br />

eingreifen.<br />

Wechsel zwischen den<br />

Energiequellen berücksichtigen<br />

Weitere Stolperfallen sind Funktionen,<br />

die im normalen Anwendungsfall nicht<br />

verwendet und deshalb bei der Fehleranalyse<br />

oft vergessen werden. Zum Beispiel<br />

soll der Power Manager das System ausschalten<br />

und neu starten können, falls die<br />

Software nicht mehr reagiert und das reguläre<br />

Ausschalten über den Touchscreen<br />

30 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


(Grafik: IMT)<br />

Fehler in der Stromversorgung: Die schematische Darstellung zeigt die Fehlerausbreitung mit und ohne Überstrombegrenzung<br />

nicht mehr funktioniert. Der von Consumerprodukten<br />

bekannte und gerne verwendete<br />

Trick, den Einschaltknopf 10 Sekunden<br />

gedrückt zu halten, ist praktisch<br />

und bei einigen Power Management ICs<br />

bereits integriert. In lebenserhaltenden<br />

Medizingeräten kann dies jedoch tödlich<br />

sein. Denn es reicht ein defekter Taster,<br />

Buffer oder IO-Pin, um das ganze System<br />

zurückzusetzen – je nach Implementation<br />

sogar ohne Alarm. Auch Anwendungsfehler<br />

sind zu beachten. Wird das Gerät gegen<br />

eine Wand geschoben, kann der Taster<br />

unbemerkt dauerhaft betätigt werden.<br />

Fällt eine Energiequelle unerwartet<br />

aus, muss das Power Management sehr<br />

schnell umschalten, damit die Systemspannung<br />

nicht zu weit absinkt. Bei suboptimaler<br />

Umsetzung sind große Kondensatoren<br />

erforderlich, um die Pause zu<br />

überbrücken. Kondensatoren im Milli -<br />

farad-Bereich sind jedoch nicht nur teuer,<br />

sondern benötigen auch Platz, der im mechanischen<br />

Design oft nicht eingeplant<br />

ist. Grund dafür: Das Verhalten kann erst<br />

mit dem lauffähigen Prototyp festgestellt<br />

werden. Bis dahin ist das mechanische<br />

Design meist weit fortgeschritten.<br />

Zudem müssen die Kondensatoren<br />

auch wieder geladen werden. Geschieht<br />

dies zu schnell, wird kurzzeitig mehr<br />

Energie verbraucht als im normalen Betrieb.<br />

Die muss ebenfalls berücksichtigt<br />

werden , um nicht eine Überstrombegrenzung<br />

zu triggern. Ein Hot Swap von Akkus,<br />

also ein Akku-Tausch im laufenden<br />

Betrieb, erzeugt große Stromspitzen, die<br />

durch lange Leitungen oder Filterinduktivitäten<br />

ihrerseits große Spannungsspitzen<br />

erzeugen. Ohne Varistor oder gleichwertige<br />

Schutzelemente kann die maximal zulässige<br />

Versorgungsspannung überschritten<br />

werden – mit katastrophalen Folgen.<br />

Zuverlässigkeit und Resilienz -<br />

durchdachtes Design hilft<br />

Doch auch das auf dem Papier ideale Design<br />

ist im Alltag unbrauchbar, wenn die<br />

Schaltung nach nur wenigen Jahren den<br />

Dienst versagt. Bauteile wie Akkus, Superund<br />

Elektrolytkondensatoren haben eine<br />

begrenzte Lebensdauer, die stark von der<br />

Temperatur beeinflusst wird. Zum Beispiel<br />

halbiert sich die Lebensdauer eines<br />

Superkondensators pro 10 °C höherer<br />

Temperatur. Hier hilft ein durchdachtes<br />

thermisches Design, um die kritischen<br />

Bauteile direkt mit der kühlen Umgebungsluft<br />

zu umströmen und nicht die<br />

warme Abluft von einem Prozessor oder<br />

anderen Leistungsbauteilen zu verwenden.<br />

Gerade bei Elektrolytkondensatoren<br />

kommt hinzu, dass diese für die beste<br />

Wirksamkeit möglichst nahe an einer Last<br />

wie einem DC/DC-Wandler platziert werden<br />

sollten. Erwärmt sich der DC/DC-<br />

Wandler im Betrieb, ist dieser über das<br />

PCB thermisch mit dem Kondensator verbunden,<br />

wodurch die Arbeitstemperatur<br />

des Kondensators weit über die Umgebungstemperatur<br />

ansteigen kann.<br />

Auch sollte das Design möglichst resilient<br />

gegenüber Anwenderfehlern sein. So<br />

kann es durchaus vorkommen, dass zum<br />

Beispiel verschmutzte Filtermatten nicht<br />

gereinigt oder einfach entfernt werden.<br />

Dadurch kann sich Staub und Schmutz<br />

auf der Leiterplatte ansammeln, welcher<br />

je nach Umgebung leitfähige Partikel enthält<br />

oder durch zu hohe Luftfeuchtigkeit<br />

leitfähig wird. Eine Beschichtung mit<br />

Lack für die kritischen Stellen kann hier<br />

Abhilfe schaffen.<br />

Die hier aufgezeigten Grundsätze sind<br />

nur ein selektiver Auszug aus den Anforderungen<br />

der IEC 60601-1 und den produktspezifischen<br />

Normen. Je nach Geräteklasse<br />

und Land können weitere Anforderungen<br />

hinzukommen oder wegfallen.<br />

Auf jeden Fall lohnt sich eine ausführliche<br />

Normenrecherche, bevor das Power-Management-Konzept<br />

erstellt wird. ■<br />

Stefan Zoller<br />

IMT Information Management Technology,<br />

Buchs/Schweiz<br />

Weitere Informationen<br />

Zum Schweizer Partner für die<br />

Beratung , Konzepterstellung,<br />

Produktentwicklung und<br />

Regulatory Services von<br />

innovativen Medizingeräten :<br />

www.imt.ch<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 31


■ [ TECHNIK ]<br />

Je weniger Rückstände auf der Oberfläche von Instrumenten zurückbleiben, desto einfacher ist das Reinigen und<br />

Sterilisieren des Bestecks. Der Lotuseffekt, der sich künstlich erzeugen lässt, trägt dazu bei<br />

(Bild: nimon_t/stock.adobe.com)<br />

UKP-Laser: Lotus-Effekt<br />

auf Instrumenten für die Chirurgie<br />

Lotuseffekt durch Licht | Wie lassen sich mittels UKP-Laser superhydrophobe Ober -<br />

flächen auf einem Chirurgieinstrument erzeugen? Das haben Mitarbeiter der Hochschule<br />

Furtwangen am Beispiel einer Nahtschere getestet. Die optimalen Parameter<br />

wollen sie künftig mit einer Fünf-Achs-Laserbearbeitungsanlage ausarbeiten. Eine<br />

Erkenntnis: Die Oberfläche verändert sich nach der Bearbeitung noch.<br />

Eine geniale Eigenschaft, die die Evolution<br />

hervorgebracht hat, ist der so<br />

genannte Lotuseffekt: Die Blattoberfläche<br />

der Lotus-Pflanze wird von Wasser nicht<br />

benetzt. Das liegt an einer Kombina tion<br />

von Mikro- und Nanostrukturen, die eine<br />

hydrophobe Oberfläche entstehen lassen.<br />

Für viele biomedizinische Anwendungen<br />

ist diese Eigenschaft sehr interessant.<br />

Solche Oberflächen lassen sich auch<br />

künstlich mit dem Laser erzeugen – zum<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Künstlich erzeugte Strukturen machen<br />

Oberflächen hydrophob<br />

Interessant für Endoskope, Instrumente<br />

und die Interaktion mit Zellen<br />

Parameter für die Fertigung getestet<br />

Beispiel auf technischen Materialien. Damit<br />

erhalten zum Beispiel medizinische<br />

Implantate selbstreinigende Eigenschaften.<br />

Eine künstliche superhydrophobe<br />

Oberfläche ermöglicht auch eine kontrollierte<br />

zelluläre Interaktion oder Protein -<br />

adsorption und beeinflusst bakterielles<br />

Wachstum.<br />

Lotus-Effekt: Blut und andere<br />

Flüssigkeiten haften weniger<br />

In medizinischen Instrumenten wie Geräten<br />

zum Verabreichen von Medikamenten,<br />

Diagnose- und Operationsinstrumenten<br />

ist der Effekt ebenfalls von Nutzen:<br />

Für den Chirurgen ist es von Vorteil, wenn<br />

kein Blut oder andere Körperflüssigkeiten<br />

am Werkzeug haften und so die Sicht beeinträchtigen.<br />

Wenn weniger Rückstände<br />

auf der Oberfläche zurückbleiben, vereinfacht<br />

das auch das Reinigen und Sterilisieren<br />

des Bestecks.<br />

In einem aktuellen Projekt wurde nun<br />

die Technik weiterentwickelt und eingesetzt,<br />

um die Passflächen einer Nahtschere<br />

aus einer Stahllegierung zu strukturieren.<br />

Die Strukturen machen die Spitze der<br />

Schere besser sichtbar, und diese lässt<br />

sich auch einfacher reinigen. Die Technologie<br />

lässt sich, abgesehen von der Schere,<br />

aber auch auf viele weitere Bereiche der<br />

Medizin<strong>technik</strong> übertragen.<br />

Neu an dem im Projekt gewählten Ansatz<br />

war der Einsatz von UKP-Lasern, also<br />

ultrakurz gepulsten Lasern, die besonders<br />

viel Kontrolle beim Bearbeiten vieler medizinisch<br />

relevanter Werkstoffe ermöglichen<br />

– von Kunststoffen über Metalllegierungen<br />

bis hin zu Keramiken. Damit lassen<br />

sich Nanostrukturen erzeugen, die<br />

von der Größe her den winzigen Härchen<br />

der Lotusblume ähneln.<br />

Um den hydrophoben Effekt auf einer<br />

Oberfläche gemäß dem Vorbild aus der<br />

32 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Natur künstlich zu erzeugen, muss die<br />

Oberflächenenergie an der Kontaktfläche<br />

eines flüssigen Mediums mit einer festen<br />

Grenzfläche verändert werden. Meist geschieht<br />

dies, indem Multiskalenstrukturen<br />

im Mikro- und Nanobereich induziert<br />

werden – oder durch verschiedene Beschichtungs<strong>technik</strong>en.<br />

Man spricht dabei<br />

von so genannten Laser-Induced Periodic<br />

Surface Structures (Lipss).<br />

Solch Strukturen sind jedoch sehr<br />

empfindlich gegenüber mechanischen<br />

und chemischen Einflüssen. Deshalb<br />

sollte die Mikrostruktur zusätzlich durch<br />

eine Makrostruktur geschützt werden.<br />

Auch hierfür liefert das Lotusblatt die Vorlagen.<br />

Um die geeigneten Parameter zu finden,<br />

mit denen sich hierarchische Mikround<br />

Makrostrukturen mit dem UKP-Laser<br />

erzeugen lassen, standen zu Beginn<br />

Grundlagenuntersuchungen an. Auf flachen<br />

Proben aus Metall sollten unterschiedliche<br />

Mustern entstehen. Dabei<br />

kam es auf die richtigen Laserparameter<br />

und die passenden Bestrahlungsstrategien<br />

an.<br />

Richtige Pulsenergie für die<br />

multiskalige Mikrostruktur<br />

Bei den Untersuchungen hat sich eine<br />

mittlere Laserabtragsleistung von etwa<br />

2,5 W als Ablationsschwellwert er wiesen.<br />

Bei der gegebenen Pulsbreite entspricht<br />

das einer Pulsenergie von etwa 6 µJ. Mit<br />

wesentlich größeren Puls energiewerten<br />

von bis zu 17,5 µJ wurden die Proben im<br />

Mikrobereich strukturiert. Hier fehlte jedoch<br />

noch das Multiskalenmerkmal, das<br />

erst die hydrophoben Eigenschaften der<br />

Oberfläche hervorruft.<br />

Multiskalige Mikrostrukturen und entsprechend<br />

hydrophobe Eigenschaften waren<br />

mit einer Pulsenergie von etwa<br />

8,75 µJ zu erreichen, was leicht über der<br />

Ablationsschwelle liegt und einer durchschnittlichen<br />

Laserleistung von 3,5 W entspricht.<br />

Es hat sich aber gezeigt, dass nicht nur<br />

die Laserpulsenergie eine Rolle spielt.<br />

Entscheidend für das Erzeugen einer hierarchischen<br />

Mikrostruktur sind auch<br />

• die Scangeschwindigkeit,<br />

• der Abstand der Musterschraffur und<br />

• die Anzahl der Wiederholungen.<br />

Dementsprechend wurde die signi -<br />

fikanteste multiskalige Mikrostruktur mit<br />

einer Laserleistung von 3,5 W, einer Scangeschwindigkeit<br />

von 1000 mm/s, einem<br />

Schraffurabstand von 30 µm sowie einer<br />

Wiederholungszahl von 160 erreicht.<br />

Auf das Zusammenspiel zwischen Mirkostruktur<br />

und Makrostruktur kommt es<br />

an, um einen hydrophoben Effekt zu erreichen.<br />

Die größeren Strukturen auf der<br />

Oberfläche dürfen nicht zu nahe bei -<br />

einanderliegen – obwohl sie allein keine<br />

hydrophoben Eigenschaften hervorrufen.<br />

Die sekundären kleinräumigen Mikround<br />

Nanostrukturen (Lipss) hingegen<br />

sind die entscheidende Oberflächen -<br />

textur.<br />

Welche superhydrophoben Eigenschaften<br />

mit den oben genannten Parametern<br />

an der Oberfläche zu erzielen waren, ließ<br />

sich mit mikroskopischen Messungen<br />

nachweisen. Dass die Umgebungsatmosphäre<br />

die funktionalen Eigenschaften<br />

von laserbehandelten Oberflächen beeinflusst,<br />

ist in der Literatur bereits behandelt<br />

worden und hat sich hier bestätigt.<br />

Mehrere Messungen mit zeitlichem<br />

Abstand zeigten, dass die Oberfläche ihre<br />

Eigenschaften nach der Bearbeitung verändert.<br />

Man kommt also eventuell erst<br />

Stunden, Tage oder gar Wochen nach dem<br />

Bearbeiten zum gewünschten Ergebnis.<br />

Eine nachgelagerte Wärmebehandlung<br />

führte jedoch in einer deutlich kürzeren<br />

Zeit zu reproduzierbareren Ergebnissen.<br />

Die an flachen metallischen Bauteilen<br />

gesammelten Erfahrungen haben die am<br />

Projekt Beteiligten dann auf freiförmige<br />

medizinische Bauteile wie die Nahtschere<br />

übertragen.<br />

Bei den nächsten Schritten des Forschungsvorhabens<br />

am Kompetenzzentrum<br />

für Spanende Fertigung (KSF) der<br />

Hochschule Furtwangen geht es darum,<br />

eine synchronisierte und präzise Kombination<br />

von optischen und mechanischen<br />

Positionierungsschritten und Laserbestrahlungszyklen<br />

zu programmieren. Eine<br />

Fünf-Achs-Laserbearbeitungsanlage vom<br />

Typ Laser P 400 U vom Maschinen bauer<br />

GF Machining Solutions ist vorhanden.<br />

Damit lassen sich komplexe Programme<br />

für die Laserbearbeitung mit einer Auswahl<br />

von Laserparametern gestalten. ■<br />

Dirk Obergfell, Ali Zahedi,<br />

Bahman Azarhoushang<br />

KSF, Hochschule Furtwangen<br />

https://ksf-hfu.de/<br />

Die REM-Aufnahme der<br />

Oberfläche zeigt, wie die<br />

feinen Strukturen in Reihen<br />

angeordnet sind<br />

(Bild: Hochschule Furtwangen)<br />

Weitere Informationen<br />

GF Machining Solutions gehört zur<br />

Schweizer Georg Fischer Group und<br />

bietet Lösungen für Fräsen, Elektro -<br />

erosion, Lasertexturierung, additive<br />

Fertigung und Automatisierung.<br />

www.gfms.com/de<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 33


■ [ TECHNIK ]<br />

Highspeed-Wirbeln: Knochenschraube<br />

ohne Anfahrmarken fertigen<br />

Erfahrungen mit dem Highspeed-Wirbeln | Der Lohnfertiger HG Medical GmbH aus dem<br />

oberbayrischen Raisting stellt Knochenschrauben mit verschiedenen Verfahren her. Eines<br />

davon ist das Highspeed-Wirbeln, das unter anderem Vorteile bei der Qualität bietet.<br />

Das Highspeed-Wirbeln ermöglicht einen<br />

kontinuierlichen Schnitt durch parallele<br />

Drehbearbeitung<br />

achse vor der Führungsbuchse des Langdrehers<br />

angestellt. Das Werkstück rotiert<br />

langsam und wird mit einer axialen Vorschubbewegung<br />

in den Wirbelkopf geführt.<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Knochenschrauben aus Titan<br />

Wirbeln mit vorgeschaltetem<br />

Drehprozess<br />

Qualität der Gewinde<br />

Vermeiden von Graten<br />

(Bild: Horn/Sauermann)<br />

Drähte, verschraubte Platten oder lange<br />

Knochenschrauben sind geeignet,<br />

um Knochen nach einem Bruch zu fixieren.<br />

Was kaum ein Patient weiß: Gerade<br />

die Knochenschrauben sind medizinische<br />

Hightech-Produkte. Als einer der marktführenden<br />

Lohnfertiger solcher speziellen<br />

Schrauben gilt die HG Medical GmbH aus<br />

dem oberbayrischen Raisting. Die Schrauben<br />

werden dort auf Langdrehmaschinen<br />

von Traub mit speziellen Wirbelwerkzeugen<br />

der Tübinger Paul Horn GmbH gefertigt.<br />

Neben dem konventionellen Wirbeln<br />

setzt der Lohnfertiger auch das High -<br />

speed-Wirbeln ein.<br />

Knochenschrauben, die zumeist aus<br />

dem biokompatiblen Werkstoff Titan bestehen,<br />

lassen sich allein durch Zerspanung<br />

herstellen. Das Gewinderollen beispielsweise<br />

wäre zwar als Alternative<br />

denkbar, aber es würde den Werkstoff verdichten<br />

– und ausgerechnet Titan neigt<br />

bei zu hoher Materialverdichtung zum<br />

Verbrennen.<br />

Unter den spanabhebenden Verfahren<br />

wiederum hat sich das Gewindewirbeln<br />

seit Jahren etabliert. Es ist grundsätzlich<br />

seit 1942 bekannt und wurde lange Zeit<br />

nicht wesentlich weiterentwickelt. Standardmäßig<br />

läuft es auf Langdrehmaschinen,<br />

auf denen Knochenschrauben oder –<br />

in größerer Dimension – Gewindespindeln<br />

entstehen. Der Prozess dahinter ist<br />

der Gleiche: Ein schnell rotierender Wirbelkopf<br />

wird exzentrisch zur Werkstück-<br />

Wo Anfahrmarken herkommen<br />

– und wie man sie vermeidet<br />

Das Problem dabei: Wirbeln und Vor -<br />

drehen des Durchmessers erfolgen immer<br />

in einzelnen Schritten. „Die Schneiden<br />

des Wirbelmessers sind aber nicht dafür<br />

ausgelegt, die teils doch größeren Außendurchmesser<br />

des Rohmaterials zu zerspanen“,<br />

sagt der Prozessentwickler von HG<br />

Medical, Sebastian Schmid. So muss das<br />

Wirbelmesser, je nach Länge der Knochenschraube,<br />

mehrfach in den Gewindegängen<br />

neu angesetzt werden. Hierbei<br />

entstehen so genannte Anfahrmarken auf<br />

der Oberfläche. Diese sind zwar biologisch<br />

unbedenklich, könnten aber zur<br />

Sollbruchstelle an der Schraube werden,<br />

wenn diese stark beansprucht ist. Und unabhängig<br />

davon ist eine makellose Oberfläche<br />

immer noch ein Qualitätsmerkmal<br />

eines jeden Implantates.<br />

Das Highspeed-Wirbeln bringt hier<br />

Verbesserungen. Es ist eine Weiterentwicklung<br />

des Gewindewirbelns und entstand<br />

in einer Zusammenarbeit zwischen<br />

dem Maschinenhersteller Index Werke<br />

GmbH & Co KG Hahn & Tessky aus Esslingen,<br />

dem Werkzeughersteller Horn und<br />

einer Hochschule. Bei diesem Verfahren<br />

ist die Drehzahl so hoch, dass parallel<br />

zum Wirbeln ein Drehprozess erfolgen<br />

kann. Das vor dem Wirbelwerkzeug angestellte<br />

Drehwerkzeug reduziert das<br />

Material volumen, das bislang allein das<br />

Wirbelwerkzeug abtragen musste.<br />

34 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Die hierfür eingesetzten Wirbelköpfe<br />

gleichen den konventionellen. Nur die<br />

Schneideinsätze weisen eine andere Geometrie<br />

auf. Der Vorteil: So lassen sich einund<br />

mehrgängige Gewinde mit nur einem<br />

Schneidsatz herstellen. Das geht bis zu<br />

30 % schneller als beim konventionellen<br />

Gewindewirbeln und steigert zugleich die<br />

Qualität des Werkstücks.<br />

Wie viel Zeit sich sparen lässt, hängt<br />

von der jeweiligen Anwendung und der<br />

Geometrie der Schraube ab. Wichtig für<br />

Schmid ist: „Wir sehen einen großen Vorteil<br />

durch den Entfall der Anfahrmarken,<br />

da sich beim Highspeed-Wirbeln die<br />

Schneiden in einem kontinuierlichen<br />

Schnitt befinden.“<br />

Theoretisch ergibt sich beim<br />

Highspeed-Wirbeln auch ein Vorteil, da<br />

sich die Standzeiten der eingesetzten<br />

Schneiden erhöhen – schließlich ist durch<br />

die vorgelagerte Drehbearbeitung schon<br />

eine Menge an Material vorab abgetragen.<br />

„Diesen Vorteil hätte ich beispielsweise<br />

beim Wirbeln von kurzspanenden<br />

Werkstoffen“, sagt Schmid.<br />

Highspeed-Wirbeln auch bei<br />

langspanender Titanlegierung<br />

In der Praxis sieht die Sache aber anders<br />

aus, denn bei HG Medical geht es „zu<br />

nahezu 100 Prozent um langspanende<br />

Titanlegierungen“. Und unter diesen Umständen<br />

dient der Wirbelkopf beim<br />

Highspeed-Wirbeln von Titan „zwangsläufig<br />

als Häcksler der langen Späne aus<br />

der parallelen Drehbearbeitung“, erklärt<br />

Über den<br />

Anwender<br />

Die HG Medical GmbH wurde 2007<br />

gegründet und ist ein Lohnfertiger<br />

für orthopädische Implantate im Bereich<br />

untere und obere Extremitäten<br />

sowie für den Wirbelsäulenbereich.<br />

2023 hat das Unternehmen seinen<br />

Bereich HG Labs eröffnet, ein Entwicklungs-<br />

und Optimierungszentrum,<br />

das Kunden dabei unterstützt,<br />

ihre Neuproduktentwicklungen zu<br />

beschleunigen.<br />

https://hg-medical.de<br />

Vielfältige Knochenschrauben<br />

An der Wirbelsäule oder am Oberschenkelknochen?<br />

Zum Fixieren von Knochenfragmenten<br />

kommt eine enorme Vielfalt<br />

an unterschiedlichen Schraubenvarianten<br />

in Frage. Denn: Knochen ist nicht<br />

gleich Knochen. Je nach Beschaffenheit<br />

wie Härte, Porosität oder Knochenmark<br />

wählt der Chirurg die passende Schraube<br />

aus. Dabei kommen neben selbstsichernden<br />

Schrauben mit konischen Gewindegängen<br />

oder variablen Steigungen auch<br />

Schrauben mit einer Durchgangsbohrung<br />

zum Einsatz, durch die Knochenzement<br />

zur Stabilisierung gespritzt werden<br />

kann.<br />

Verletzte Knochen lassen sich mit Medizinprodukten<br />

unterschiedlicher Gestalt<br />

behandeln. Allein bei den Knochenschrauben<br />

ist die Variabilität groß<br />

Schmid. Daher liegt die zu erreichende<br />

Standzeit im Durchschnitt auf einem ähnlichen<br />

Niveau wie beim konventionellen<br />

Wirbeln. „Wir drehen, beziehungsweise<br />

wechseln die Schneideinsätze der Wirbelmesser<br />

in einem bestimmten Turnus. Die<br />

Qualität der Knochenschrauben steht immer<br />

über der maximal zu erreichenden<br />

Standzeit“, erläutert der Prozessentwickler.<br />

Und für Knochenschrauben sind die<br />

Kriterien für die Fertigungsqualität streng<br />

definiert. „Die Fertigungstoleranzen, gerade<br />

beim Kerndurchmesser des Gewindes,<br />

sind je nach Schraube sehr eng“, sagt<br />

Schmid. Des Weiteren sei bei der Produktion<br />

Gratfreiheit zu garantieren. Jeder<br />

noch so kleine Grataufwurf kann durch<br />

Ansammlungen von Keimen potenziell<br />

gefährlich werden.<br />

„Um solche Qualitäten und Vorgaben<br />

zu erreichen, müssen die Wirbelwerkzeuge<br />

mit den eingesetzten Schneidplatten<br />

sehr präzise gefertigt sein“, erläutert Stefan<br />

Benz, der Horn als Werkzeugexperte<br />

im Außendienst vertritt. Ein großer Fokus<br />

liege auf der Plan- und Rundlaufgenauigkeit.<br />

„Gerade beim Übergang von zwei<br />

verschiedenen Gewinden oder beim erneuten<br />

Ansetzen ist diese Genauigkeit<br />

entscheidend.“<br />

Horn schleift die Schneiden mit Längentoleranzen<br />

von unter 0,002 mm. Darüber<br />

hinaus sind auch die Plattensitze<br />

des Wirbelkopfes hochpräzise gefertigt.<br />

Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist das<br />

Profil der geschliffenen Schneide. Definierte<br />

Innenradien von r = 0,025 mm, mit<br />

Toleranzen von ± 0,005 mm sind beim<br />

Präzisionsschliff der Wendeschneidplatten<br />

keine Seltenheit.<br />

Für die Schneideinsätze kommt in den<br />

Horn-Wirbelwerkzeugen hauptsächlich<br />

die dreischneidige Wendeschneidplatte<br />

des Typs S302 oder die zweischneidige<br />

Platte des Typs S274 zum Einsatz. Wobei<br />

alle Wirbelwerkzeuge Sonderausführungen<br />

nach Kundenwunsch sind.<br />

Seit rund zehn Jahren verrichten die<br />

Horn-Werkzeugsysteme nun ihren zuverlässigen<br />

Dienst in den Hallen von HG Medical.<br />

Neben den Werkzeugen zum Gewindewirbeln<br />

setzt das Unternehmen<br />

auch auf Systeme zum Stechdrehen und<br />

Innenausdrehen von Horn. „Wir haben<br />

bei neuen Wirbelprojekten teils sehr knifflige<br />

Aufgabenstellungen. Hierzu besteht<br />

mittlerweile ein direkter Draht in die Konstruktion<br />

von Horn, um die Aufgabenstellung<br />

gemeinsam zu besprechen und eine<br />

Werkzeuglösung zu entwickeln“, erzählt<br />

Schmid und fährt fort: „So, wie wir selbst<br />

sind, erwarten wir von unseren Lieferanten<br />

und Partnern höchste Flexibilität und<br />

Schnelligkeit. Mit Horn haben wir einen<br />

Werkzeugpartner an der Seite, der diesen<br />

Service bietet und immer für uns erreichbar<br />

ist.“<br />

■<br />

Nico Sauermann<br />

Paul Horn, Tübingen<br />

www.phorn.de<br />

(Bild: Aliaksandr/stock.adobe.com)<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 35


■ [ TECHNIK ]<br />

Weiss Klima<strong>technik</strong> hilft, die Anforderungen bei Reinräumen mit Energie- und Kosteneffizienz in Einklang zu bringen<br />

(Bild: Weiss Technik)<br />

So wird der Reinraum energieeffizient<br />

und wirtschaftlich<br />

Reinraum<strong>technik</strong> | Um die Qualität von Medizinprodukten zu sichern, findet die<br />

Produktion häufig unter Reinraumbedingungen statt. Den Grundstein für mehr<br />

Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz im Reinraum können Hersteller bereits in der<br />

Planung legen. Das spart Kosten bei Neueinrichtungen und bestehenden Objekten.<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Reinraum<strong>technik</strong><br />

Energie- und Kosteneffizienz<br />

Energetisch orientierte Anlagenplanung<br />

Konzepte zur Wärmerückgewinnung<br />

Normen und Regeln für Reinräume<br />

Um die durch die EU-MDR gestiegenen<br />

Anforderungen an Medizinprodukte<br />

zu erfüllen und Risiken im Herstellungsprozess<br />

zu reduzieren, müssen viele<br />

Hersteller ihre Produkte neu klassifizieren.<br />

Dies hat zur Folge, dass viele ihre bestehende<br />

Klima<strong>technik</strong> optimieren oder<br />

neue Reinräume bauen müssen. Allerdings<br />

sind Reinräume wahre Stromfresser<br />

im Unternehmen.<br />

Die Weiss Klima<strong>technik</strong> GmbH, Reiskirchen,<br />

kennt als Anlagenspezialist die<br />

Einsparpotenziale, um einen Reinraum<br />

wirtschaftlich zu betreiben – sowohl für<br />

Neueinrichtungen als auch bei bestehenden<br />

Objekten. Ausgangspunkt für den<br />

Energiebedarf eines Reinraums sind<br />

grundlegenden Faktoren wie Größe, Temperatur<br />

und Feuchtigkeit. Steffen Röhm<br />

von Weiss Klima<strong>technik</strong> rät daher, bei<br />

Neubauten bereits in der Planungsphase<br />

auf energie- und kosteneffiziente Aspekte<br />

zu achten. „Dazu gehört“, so der Project<br />

Manager Planning & Qualification, „sich<br />

als künftiger Nutzer Gedanken zu machen,<br />

was tatsächlich benötigt wird.“ So<br />

lohne es sich, die geplanten Arbeitsabläufe<br />

im Reinraum auf Effizienz- und Kostenverbesserungen<br />

hin zu überprüfen. Denn<br />

die von vornherein optimierten Abläufe<br />

liefern die Basis für ein wirtschaftliches<br />

und energetisch orientiertes Planungskonzept<br />

mit gezielt ausgelegter Fläche,<br />

Ausstattung und Klimatisierung.<br />

Zentrale Faktoren für den Technikeinsatz<br />

und den Energieaufwand sind die<br />

Reinheitsklasse (Partikellasten), die Stofflasten<br />

(Kontaminanten, Schadstoffe) sowie<br />

die Wärme- und Feuchtelasten. Hinzu<br />

kommen die Anforderungen der Produkte<br />

und die des Prozesses an das Raumklima<br />

– und damit verbunden an das Tempera-<br />

tur- und Feuchteniveau. Ebenso die Art<br />

der Luftführung: Ob turbulente Mischlüftung<br />

oder turbulenzarme Verdrängungsströmung,<br />

hängt sowohl von den Raumlasten<br />

ab, die während des Prozesses<br />

durch Personenzahl, Partikelfreisetzung,<br />

Maschinenabwärme und Prozessluft entstehen,<br />

als auch von den Anforderungen<br />

an die Luftreinheit (Partikel). Neben den<br />

Prozessen im Raum kann auch der Außenluftbedarf<br />

einen großen Einfluss haben,<br />

der sich ebenfalls im Energieverbrauch<br />

niederschlägt. Auch das Luft -<br />

kanalnetz trägt seinen Teil zur Energie -<br />

bilanz bei: Je dichter und strömungsgünstiger<br />

es ausgelegt ist, desto effizienter ist<br />

die Luftverteilung.<br />

Wie Wärmerückgewinnung im<br />

Reinraum funktioniert<br />

Was bei der Planung von Anfang an berücksichtigt<br />

werden kann, lässt sich bei<br />

bestehenden Anlagen teilweise nachholen<br />

– zum Beispiel durch die Umstellung der<br />

Antriebs<strong>technik</strong> von riemengetriebenen<br />

Ventilatoren auf moderne, wesentlich<br />

sparsamere EC-Ventilatoren. Weitere Ein-<br />

36 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


sparpotenziale liegen bei Temperatur,<br />

Feuchtetoleranzen und Luftvolumenströmen<br />

– etwas weniger Wärme, Kälte oder<br />

Luftzufuhr macht sich bei den Betriebskosten<br />

bemerkbar.<br />

Ein weiterer Weg zu mehr Energieeffizienz<br />

im Reinraumbetrieb kann eine effektive<br />

Wärmerückgewinnung in der Lüftungsanlage<br />

sein. Hier stehen verschiedene<br />

Konzepte mit unterschiedlichen Eigenschaften<br />

zur Verfügung. Dazu gehören<br />

Kreuzstromwärmetauscher, Kreislaufverbundsysteme,<br />

Rotationswärmetauscher<br />

sowie das Umluftkonzept.<br />

Neben der Wärmerückgewinnung im<br />

Lüftungssystem gibt es weitere Möglichkeiten<br />

der Energierückgewinnung. Ein<br />

Ansatz ist die Nutzung von Abwärme aus<br />

Rückkühlern der Kälteerzeugung oder die<br />

Einspeisung von Prozessabwärme. Welches<br />

Konzept am effizientesten ist, hängt<br />

von den Anforderungen des Reinraums<br />

und den technischen Rahmenbedingungen<br />

ab.<br />

Vorschriften führen zu mehr<br />

Effizienz im Reinraum<br />

Auch die Normen für Reinräume zeigen<br />

bereits Einsparpotenziale auf. Dazu gehören<br />

die DIN EN ISO 14644 Blatt 16 und<br />

die VDI 2083 Blatt 4.1 mit Hinweisen zur<br />

energieeffizienten Planung von raumlufttechnischen<br />

Anlagen und Reinluftgeräten.<br />

Hinzu kommt die DIN EN ISO 16890<br />

mit Anforderungen an Filter und deren<br />

Klassifizierung. Die DIN EN 16798-3 definiert<br />

allgemeine Anforderungen an die<br />

Energieeffizienz von Nichtwohngebäuden,<br />

und die Ökodesign-Richtlinie legt<br />

Rahmenparameter für die Energieeffizienz<br />

von Ventilatoren und Klimageräten<br />

fest. Darüber hinaus gibt es technische<br />

Regeln wie die VDMA 66412-4 mit „Kennzahlen<br />

für das Energiemanagement“ oder<br />

die DIN EN ISO 500001, die sich an „Energiemanagementsysteme“<br />

richtet.<br />

Für energieoptimierte Reinräume<br />

bringt das Reiskirchener Unternehmen<br />

jahrzehntelange Expertise in der Klima<strong>technik</strong><br />

mit. „Aus der Erfahrung heraus<br />

haben wir sehr früh angefangen, über gezielte<br />

Ent- und Befeuchtung große Anlagen<br />

energieoptimiert aufzubauen“, fasst<br />

Steffen Röhm zusammen.<br />

Dazu gehört auch die Entwicklung eigener<br />

Geräte. Dazu gehört auch die Produktion<br />

eigener Klimageräte für Standard-<br />

und Sonderanwendungen sowie ein<br />

Serviceangebot für normgerechte Qualifizierung,<br />

Inbetriebnahme und Wartung.<br />

So verbindet Weiss Klima<strong>technik</strong> Effizienz<br />

und Anspruch im Reinraum, liefert<br />

mit Planung, Bau, Inbetriebnahme und<br />

Service alles aus einer Hand – mit hoher<br />

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Wärmerückgewinnung im Lüftungssystem<br />

Die Wärmerückgewinnung in der Lüftungsanlage<br />

ist eine Möglichkeit, den<br />

Energiebedarf im Reinraum zu optimieren.<br />

Dafür gibt es verschiedene Konzepte<br />

mit unterschiedlich hohen Wirkungs -<br />

graden.<br />

■ Kreuzstrom-Wärmetauscher erzielen<br />

einen Wirkungsgrad von bis zu 90 %.<br />

Allerdings besteht das Risiko von<br />

Kreuzkontaminationen. Zudem muss<br />

das Gesamtsystem unter anderem mit<br />

Vereisungsschutz und Nachheizung<br />

entsprechend konzipiert sein wie auch<br />

der Platz zur Verfügung stehen.<br />

■ Im Kreislauf-Verbund-System wird die<br />

Wärme über Wasser als Zwischenmedium<br />

zurückgewonnen. Somit lassen<br />

sich auch zusätzliche Wärmequellen<br />

in das System integrieren. Die Wärmequellen<br />

können von den Verbrauchern<br />

räumlich getrennt sein. Der Wirkungsgrad<br />

von Hochleistungssystemen liegt<br />

bei bis zu 80 %. Kreuzkontaminationen<br />

finden nicht statt. Allerdings sind relativ<br />

hohe Investitionen notwendig.<br />

■ Rotations-Wärmeübertrager kombinieren<br />

Wärme- und Feuchteübertragung,<br />

dabei erreichen sie Wirkungsgrade<br />

von mehr als 85 %. Zwar ist hier<br />

kein Frostschutz erforderlich, doch<br />

zwischen den Luftströmen kann es zu<br />

Kreuzkontaminationen kommen. Zudem<br />

führt das System zu einem relativ<br />

hohen Druckverlust.<br />

■ Über Umluft lässt sich mit geringen<br />

Investitionskosten eine hohe Energieeinsparung<br />

erzielen, wenn dies prozesstechnisch<br />

möglich ist. Allerdings<br />

besteht zum Beispiel das Risiko einer<br />

Kreuzkontamination.<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 37<br />

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■ [ TECHNIK ]<br />

Polycarbonatfolien schützen das<br />

Brustimplantat bei der Sterilisation<br />

Sterile Verpackung | Brustimplantate benötigen eine starre Verpackung, die transparent,<br />

schlagfest – und vor allem hochsteril ist. Eine Lösung bieten Polycarbonatfolien,<br />

die eine Sterilisation im Autoklaven bei Temperaturen von 121 °C aushalten und darüber<br />

hinaus eine visuelle Inspektion des Produkts vor dem Auspacken ermöglichen.<br />

Die robusten und transparenten Makrofol-Folien zur Verpackung von Brustimplantaten<br />

halten einer Sterilisation im Autoklav bei 121 °C und höher stand<br />

Implantateregister<br />

Das Implantateregistergesetz<br />

(IRegG), das als Grundlage für die Errichtung<br />

des Implantateregisters<br />

dient, ist am 1. Januar 2020 in Kraft<br />

getreten. Die rechtlichen Voraussetzungen<br />

für den Betrieb mit Echtdaten<br />

soll die Implantateregister-Betriebsverordnung<br />

(IRegBV) regeln.<br />

Starten wird das Implantateregister<br />

mit der Erfassung von Brustimplantaten<br />

und daran anschließend von<br />

Endoprothesen für Hüfte und Knie.<br />

Der Testbetrieb des Registers verlief<br />

erfolgreich. Der Regelbetrieb mit verpflichtender<br />

Meldung von implantatbezogenen<br />

Maßnahmen mit<br />

Brustimplantaten durch die Gesundheitseinrichtungen<br />

startet am<br />

1. Januar 2024. Der Regelbetrieb für<br />

die Erfassung von Endoprothesen<br />

für Hüfte und Knie soll zum 1. Januar<br />

2025 aufgenommen werden.<br />

Quelle: Bundesministerium für<br />

Gesundheit<br />

(Bild: Covestro)<br />

In Deutschland werden jährlich rund<br />

15000 bis 20000 Frauen mit Brustimplantaten<br />

behandelt. Dies geschieht entweder<br />

zur Vergrößerung des bestehenden<br />

Brustvolumens oder zur Rekonstruktion<br />

nach einer Brustkrebserkrankung. Die dabei<br />

verwendeten Implantate müssen von<br />

der Herstellung über den Transport bis<br />

hin zur Inspektion vor der Operation mit<br />

größter Sorgfalt behandelt werden. Dabei<br />

muss die Verpackung die Sterilität, Sicherheit<br />

und strukturelle Integrität der<br />

Implantate gewährleisten.<br />

Die Wahl des medizinischen Verpackungsmaterials<br />

hängt davon ab, wie kritisch<br />

das Implantat ist, vom Wert des Artikels<br />

selbst und von der Art der Sterilisa -<br />

tion, für die sich der Lieferant oder Hersteller<br />

entscheidet. An hochwertige Brustimplantate<br />

werden besonders hohe Anforderungen<br />

gestellt.<br />

Eine Verpackungslösung für Brustimplantate<br />

muss vor allem in der Lage sein,<br />

eine Hochtemperatur-Autoklaven-Dampfsterilisation<br />

zu bewältigen, die alle Rückstände<br />

entfernt. Außerdem muss sie stoßfest<br />

sein und eine Transparenz aufweisen,<br />

die eine sorgfältige optische Inspektion<br />

des Implantats vor dem Auspacken ermöglicht.<br />

Diese Anforderungen erfüllen<br />

die Makrofol-Folien der Covestro AG, Leverkusen.<br />

Die Hochleistungsfolien sind<br />

vollständig mit der Sterilisation im Autoklaven<br />

bei Temperaturen von 121 °C und<br />

mehr kompatibel, die andere Polymere<br />

nicht aushalten können. Die MA336-Folie<br />

erlaubt zudem eine zusätzliche Laminierschicht.<br />

Die sterilen Verpackungen ermöglichen<br />

eine verbesserte Infektionskontrolle<br />

und -prävention bei chirurgischen<br />

Eingriffen.<br />

Brustimplantate erfordern<br />

hohe Verpackungsstandards<br />

„Unsere transparenten Folien Makrofol<br />

MA507 und MA336 in medizinischer<br />

Qualität geben Chirurgen mehr Sicherheit.<br />

Sie wissen, dass das stoßfeste und<br />

rissbeständige Material der bestmöglichen<br />

Sterilisation standhalten kann. Und<br />

sie können ein Brustimplantat inspizieren,<br />

bevor sie es auspacken. Das hilft, unnötige<br />

Kosten zu vermeiden“, sagt Karine<br />

Benbelaid, Global Medical Segment Manager<br />

beim Werkstoffhersteller Covestro.<br />

Die Polycarbonatfolien in medizinischer<br />

Qualität gewährleisten einen robusten<br />

Schutz für hochwertige Gesundheitsartikel,<br />

einschließlich Implantate. „Die<br />

Schlag- und Reißfestigkeit der Makrofol-<br />

Folien MA507 und MA336 sorgt zudem<br />

dafür, dass die hochwertigen medizinischen<br />

Gegenstände sicher transportiert<br />

werden können und unbeschädigt im<br />

Operationssaal ankommen“, so Benbelaid.<br />

Beide Folien lassen sich leicht thermoumformen<br />

und entsprechen der Qualitätsmanagementnorm<br />

ISO 9001:2015 sowie<br />

den beiden Standardspezifikationen<br />

für implantierbare Brustprothesenverpackungen<br />

der American Society for Testing<br />

and Materials (ASTM).<br />

(su)■<br />

www.solutions.covestro.com<br />

38 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Special<br />

Nachhaltige Medizin<strong>technik</strong><br />

(Bild:vegefox.com/stock.adobe.com)<br />

Verpackungsverordnung vorwegnehmen<br />

Nachhaltige Instrumente konzipieren | Technikum: Alle Kunststoffe recyceln | Nachhaltige Medizinprodukte erkennen<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 39


■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />

CO 2 -FUßABDRUCK BERECHNEN<br />

UND VERPACKUNGEN OPTIMIEREN<br />

PPWR-Anforderungen jetzt schon berücksichtigen | Die EU will mit der geplanten Packaging &<br />

Packaging Waste Regulation PPWR Verpackungen nachhaltiger machen. Das wird mittelfristig<br />

auch die Pharma- und Medizin<strong>technik</strong>-Branche betreffen. Südpack Medica richtet seine Verpackungsentwicklung<br />

schon jetzt daran aus und hat dafür ein eigenes LCA-Software-Tool entwickelt.<br />

Seit Anfang 2024 können Kunden ihre Verpackungen damit bewerten lassen.<br />

Die bisherige Richtlinie wird durch eine<br />

EU-weit gültige Verordnung ersetzt:<br />

So ist es im Bereich Verpackung geplant.<br />

Mit der Packaging & Packaging<br />

Waste Regulation, kurz PPWR, werden<br />

sich die Anforderungen an Verpackungen<br />

in der EU enorm verschärfen. Nach heutigem<br />

Kenntnisstand sollen die Regelungen<br />

ab 2035 greifen. Damit werden Änderungen<br />

erforderlich, unter anderem in Bezug<br />

auf Verpackungsdesign, Recyclingfähigkeit<br />

und auch auf die Rezyklateinsatzquoten<br />

bei Kunststoffverpackungen.<br />

„Zwar gilt die Verordnung, die auf EU-<br />

Ebene voraussichtlich ab 2025 verpflichtend<br />

wird, zunächst nicht für die Verpackung<br />

von Medizingütern und Pharmazeutika“,<br />

erklärt Thomas Freis. Er ist Geschäftsführer<br />

der Südpack Medica AG, einem<br />

Anbieter von Hochleistungsfolien in<br />

Baar in der Schweiz. „Aber die PPWR wird<br />

zu einem späteren Zeitpunkt auch in diesen<br />

Märkten greifen.“<br />

Unabhängig von den Vorgaben ist die<br />

Produktverpackung aber schon heute ein<br />

Bereich, in dem Potenzial zur Verbesserung<br />

der Ökobilanz schlummert. Mit dieser<br />

Herausforderung beschäftigt sich Südpack<br />

Medica bereits seit längerem. Die<br />

Entwickler wollen Produktschutz und<br />

Nachhaltigkeit in einer Lösung vereinen,<br />

um so materialeffiziente und nachhaltige<br />

Lösungen anbieten zu können.<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

PPWR: Vorbereitet für<br />

neue Anforderungen<br />

Screening LCA zum Verbessern<br />

von Verpackungskonzepten<br />

Chemisches Recycling mit Carboliq<br />

(Bild: Südpack/blackday/stock.adobe.com)<br />

Pharmaguard nennt Südpack Medica eine nachhaltige Verpackungslösung, die nur aus PP<br />

besteht und klassische Blisterverpackungen ersetzen kann<br />

Ein Beispiel dafür ist die Pharmaguard-<br />

Lösung: Sie kann eine konventionelle, auf<br />

PVC/PVdC und Aluminium basierende<br />

Blisterverpackung ersetzen, ohne Abstriche<br />

bei der Produkt- und Packungssicherheit.<br />

Das ressourcenschonende, recyclingfähige<br />

Konzept hat Südpack Anfang 2023<br />

vorgestellt. Eingesetzt wird nur ein Material:<br />

Aus PP werden in einem speziell ausgelegten<br />

Coextrusionsverfahren Oberund<br />

Unterfolien hergestellt. „Aufgrund<br />

seiner spezifischen Eigenschaften wie etwa<br />

seiner hervorragenden Wasserdampfbarriere<br />

ist PP in puncto Produktschutz<br />

im Vergleich zu PVC mindestens als<br />

gleichwertig an zusehen“, betont Jürgen<br />

Bodenmüller, der den Bereich Business<br />

Development bei Südpack Mdedica verantwortet.<br />

Am Ende der Nutzungsphase<br />

lassen sich die Folien den bereits etablierten<br />

Wertstoffströmen zuordnen.<br />

PP-Folie hat bessere Ökobilanz<br />

als das Pendant aus PVC<br />

Interessant ist die Lösung aber auch<br />

wegen ihrer sehr günstigen Ökobilanz.<br />

PP hat eine geringe Dichte und ist zudem<br />

sehr ergiebig. Das zeigt sich im direkten<br />

Vergleich. Ein Quadratmeter einer<br />

250 µm starken PP-Folie wiegt etwa<br />

225 g. Das gleichstarke Pendant in PVC<br />

bringt hingegen 337 g auf die Waage. Damit<br />

liefert ein Kilo PP fast 50 % mehr<br />

Fläche und zugleich auch mehr Ver -<br />

packungsein heiten.<br />

Im Vergleich zu konventionellen Blis -<br />

terlösungen weist Pharmaguard insgesamt<br />

eine deutlich reduzierte Klimawir-<br />

40 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


kung, gemessen in CO 2 -Äquivalenten,<br />

auf, sowie einen geringeren Energie- und<br />

Wasserverbrauch. Gemäß interner Berechnungen<br />

ist beispielsweise der CO 2 -<br />

Fußabdruck eines Pharmaguard-Blisters<br />

aus PP um fast 50 % niedriger als der eines<br />

herkömmlichen PVC/PVdC-Blisters.<br />

Diese Zahlen lieferte ein Screening<br />

Life-Cylce-Assessment von Sphera. Dabei<br />

werden die Umweltwirkungen grob abgeschätzt,<br />

in dem man die relevantesten<br />

Materialien betrachtet und mit Durchschnittsdaten<br />

arbeitet – was mit weniger<br />

Aufwand zu Erkenntnissen führt als eine<br />

vollständige Ökobilanz.<br />

Mehr über die PPWR<br />

PP-Blister-Verpackungskonzept<br />

mit breiterem Prozessfenster<br />

Dass das neue Verpackungskonzept den<br />

Nerv trifft, zeigt die steigende Nachfrage.<br />

Aktuell stellt Südpack Medica bereits eine<br />

weitere Variante zur Verfügung, die im<br />

Bereich Tiefziehen und Siegeln ein breiteres<br />

Prozessfenster aufweist. Das bietet<br />

Vorteile gegenüber marktüb lichen PP-Folien:<br />

Für Unternehmen mit unterschiedlichen<br />

Blisteranlagen, wie beispielsweise<br />

Contract Development and Manufacturing<br />

Organization (CDMO), erleichtert es<br />

die Verarbeitung der PP-Blister.<br />

Inzwischen hat Südpack sein eigenes<br />

LCA-Software-Tool entwickelt. Damit lassen<br />

sich die tatsächlichen Umweltauswirkungen<br />

von Verpackungslösungen wie<br />

auch deren Kreislauffähigkeit ganzheitlich<br />

bewerten. Das ermöglicht es Südpack,<br />

entlang der Prozesskette auf Fakten<br />

zurückzugreifen und sich für Verpackungskonzepte<br />

zu entscheiden, die die<br />

tech nischen Anfor derungen erfüllen und<br />

zugleich ökologisch sinnvoll sind. Dabei<br />

modellieren die Fachleute im Unternehmen<br />

auch unterschiedliche End-of-Life-<br />

Szenarien, denn bei flexiblen Folien gehen<br />

rund 15 % des CO 2 -Fußabdrucks auf<br />

die Phase nach ihrer Nutzung zurück.<br />

Das Instrument wird im Entwicklungsprozess<br />

für eigene Produkte eingesetzt, es<br />

steht aber auch für Kundenprojekte zur<br />

Verfügung. Diese können damit bestehende<br />

Verpackungslösungen auf den Prüfstand<br />

stellen lassen und auch nachhaltigere<br />

Alternativen vergleichen.<br />

Enthalten Verpackungsabfälle beispielsweise<br />

unterschiedliche Materialien<br />

oder erweisen sich als kontaminiert, lassen<br />

sie sich bis dato mechanisch nicht recyceln.<br />

In solchen Fällen ist das chemische<br />

Recycling eine interessante Verwertungsoption.<br />

„Wir gewinnen dadurch die<br />

wichtige Ressource Kohlenwasserstoff in<br />

Neuware qualität zurück und können diese<br />

erneut in den Kreislauf einbringen“, betont<br />

Dirk Hardow, der die Business Unit<br />

FF&C bei Südpack leitet. Er ist auch für<br />

die Implementierung von Kreislaufmodellen<br />

entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />

von Südpack verantwortlich.<br />

In seiner Rolle als Geschäftsführer der<br />

Carboliq GmbH treibt Hardow zudem die<br />

Technologie des chemischen Recyclingverfahrens<br />

für Südpack voran. Das Remscheider<br />

Unternehmen nutzt eine eigene<br />

Depolymerisationstechnologie, die zu einer<br />

hochwertigen flüssigen Ressource<br />

führt, aus der sich neue Polymere herstellen<br />

lassen.<br />

Das zusätzliche Verfahren ist wichtig,<br />

denn nach heutigem Stand der Technik<br />

Den ersten Entwurf für die Packaging &<br />

Packaging Waste Regulation (PPWR) gab<br />

es in der EU im November 2022. Die Verordnung<br />

soll die Verschmutzung durch<br />

Verpackungen senken und eine Kreislaufwirtschaft<br />

für Verpackungen fördern.<br />

Dafür werden Anforderungen an das Design<br />

von Verpackungen definiert: Diese<br />

sollen recyclingfähig gestaltet sein und<br />

Recyclingmaterialien enthalten. Unternehmen,<br />

die in der EU produzieren oder<br />

Verpackungen in die EU liefern, sind von<br />

den Regelungen betroffen.<br />

Fachleute rechnen damit, dass eine endgültige<br />

Version der Verordnung bis 2024<br />

vorliegen könnte. Die Umsetzung könnte<br />

dann 2025 beginnen. Allerdings sind dafür<br />

Fristen vorgesehen.<br />

Bis zum Jahr 2030 zum Beispiel müssten<br />

dann alle Verpackungen auf dem EU-<br />

Markt recycelbar sein – und einen Mindestanteil<br />

an Post-Consumer-Recyclingmaterial<br />

(PCR) enthalten. Als PCR wird<br />

Material bezeichnet, das aus den Abfällen<br />

der Endverbraucher hergestellt wird.<br />

Der vorgeschriebene Anteil an PCR ist unterschiedlich<br />

und hängt vom Material<br />

selbst ab sowie von der Art der Verpackung.<br />

Weitere fünf Jahre später, also<br />

2035, müssten Hersteller auch nachweisen,<br />

dass ihre Verpackungen recycelt werden<br />

können.<br />

Um Recycling-Material in ausreichender<br />

Menge und Qualität zur Verfügung zu<br />

haben, sind Investitionen in moderne Recyclingtechnologien<br />

erforderlich. Auch<br />

müssen Abfälle effizient gesammelt und<br />

sortiert werden. Wer Verpackungen herstellt<br />

oder in Verkehr bringt, soll dafür in<br />

finanzieller Hinsicht Verantwortung<br />

übernehmen und einen Teil der Kosten<br />

für Sammlung, Sortierung und Recycling<br />

mittragen. Bestimmte Verpackungen sollen<br />

ganz verboten werden, zum Beispiel<br />

solche für frisches Obst und Gemüse<br />

oder Hotelverpackungen für Kosmetika.<br />

Bisher gilt die EU-Verpackungsrichtlinie,<br />

der zu Folge jedes EU-Land eigene Maßnahmen<br />

definiert, um Verpackungsabfälle<br />

zu reduzieren.<br />

https://hier.pro/eGlZJ<br />

sind die in der PPWR geforderten Rezyklateinsatzquoten<br />

nur zu erreichen, wenn<br />

auch chemisches Recycling durchgeführt<br />

wird. „Im europäischen Binnenmarkt jedenfalls<br />

stehen derzeit keine ausreichenden<br />

Rezyklatmengen zur Verfügung, die<br />

auch für den Kontakt mit Lebensmitteln<br />

sowie Pharma- und Medizinprodukten<br />

zugelassen sind“, sagt Hardow.<br />

Trotz aller Anstrengungen steht aber<br />

die Gesundheitsbranche erst am Anfang<br />

in Fragen der Nachhaltigkeit. Doch ganz<br />

gleich, ob es sich um eine Produktver -<br />

packung mit weniger schädlichen Auswirkungen<br />

oder eine ökologisch wie öko -<br />

nomisch sinnvolle Verwertungsoption<br />

handelt: Jeder Schritt zählt – darin sind<br />

sich die Fachleute bei Südpack einig.<br />

Auf den „Zauberstoff“ Kunststoff könne<br />

man auf absehbare Zeit aus unterschiedlichen<br />

Gründen nicht verzichten, insbesondere<br />

in der Medizingüter- und Pharmaindustrie.<br />

■<br />

Vera Sebastian<br />

Fachjournalistin in München<br />

www.suedpack-medica.com<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 41


■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />

Wie neu: Die Fachleute bei Holypoly schauen sich jedes Kunststoff-<br />

Bauteil genau an. Unter anderem Ergebnisse aus der Röntgenfluoreszenzanalyse<br />

fließen in eine Datenbank ein, die zeigt, woraus<br />

hochwertige Rezyklate und neue Produkte entstehen können<br />

(Bild:Holypoly )<br />

Kaum wiederzuerkennen: Halter für sterile Pipettenspitzen eignen<br />

sich fürs Recycling. Was aus dem Schredder kommt, lässt sich zum<br />

Beispiel zu Haushaltsgegenständen weiterverarbeiten<br />

(Bild: Holypoly)<br />

TECHNIKUM WEIST DEN WEG<br />

ZUR KREISLAUFWIRTSCHAFT<br />

Gebrauchte Kunststoffe weiter verwenden, aber wie? | Das Dresdner Start-up Holy -<br />

poly ent wickelt zirkuläre Geschäftsmodelle für namhafte Großkonzerne wie Bosch,<br />

Mattel oder auch Nuk. Im neuen Technikum entsteht im Kleinen eine Closed-Loop<br />

Factory. Sie soll zeigen, wie genau aus gebrauchten Kunststoffen Rezyklate und neue<br />

Produkte werden. Gegebenenfalls auch für die Gesundheitsbranche.<br />

Kreislaufwirtschaft – über dieses Ziel<br />

reden viele, wenn es darum geht,<br />

mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Aber<br />

wie sieht denn eine Closed-Loop Factory<br />

im Einzelnen aus? Was braucht es an<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Kreislaufwirtschaft: Im Technikum<br />

anfangen, dann hochskalieren<br />

Großunternehmen testen schon<br />

die Möglichkeiten<br />

Medizin<strong>technik</strong>: Es gibt Ansatzpunkte<br />

Technik und Verfahren, was an Daten und<br />

an Organisation, um zu einem echten<br />

Kreislauf zu kommen? Damit beschäftigt<br />

sich das Dresdner Start-up Holypoly und<br />

will genau so eine Closed-Loop Factory<br />

aufbauen und als Technikum nutzen.<br />

Closed-Loop Factory:<br />

Konzerne bekunden Interesse<br />

Interessenten für diesen Ansatz gibt es<br />

schon. Das sind Unternehmen, die in<br />

großen Mengen Kunststoff nutzen, aber<br />

nicht wie die Hersteller von Flaschen oder<br />

Verpackungsmaterialien in bestehende<br />

Recyclingkreisläufe eingebunden sind.<br />

Beispiele dafür sind Markenhersteller<br />

wie Bosch, Lamy, Mattel oder Nuk, die be-<br />

reits zu den Auftraggebern von Holypoly<br />

zählen.<br />

„Wir richten uns ausdrücklich an Hersteller,<br />

die Kunststoffe verarbeiten, die<br />

nicht in die etablierten Verwertungsströme<br />

fallen“, berichtet der Technische Leiter<br />

bei Holypoly, Pascal Haaf. Dazu zählen<br />

Spielzeughersteller, Schreibwarenanbieter<br />

oder Produzenten von Haushalts-,<br />

Elektro- oder Gartengeräten. „Diese wissen<br />

um die Bedeutung von Rezyklaten<br />

und sind daran interessiert, sie einzusetzen<br />

und die Kreisläufe zu schließen.“<br />

Auch für Unternehmen aus der Medizin<strong>technik</strong><br />

sind erste kleine Projekte<br />

schon gelaufen. „Wir sind sehr offen und<br />

gewillt, für die Branche zu arbeiten“, sagt<br />

42 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Geschäftsführer Fridolin Pflüger. Zu wirklich<br />

großen Initiativen kam es hier aber<br />

noch nicht – „leider“. Denn diese wären<br />

notwendig, um den Sektor vorwärts zu<br />

bringen, „der allein in Deutschland jedes<br />

Jahr über eine Viertelmillion Tonnen<br />

Kunststoff in Verkehr bringt, während<br />

praktisch nichts davon recycelt wird“.<br />

Recyceltes Material kann für<br />

Medizinprodukte geeignet sein<br />

Gründe dafür gebe es natürlich. Hohe Anforderungen<br />

an die Produkte wecken laut<br />

Pflüger Zweifel daran, ob Recyclingmaterial<br />

diesen gerecht werden kann. „Aber<br />

das kann es“, betont er. Produkt-Zertifizierungsprozesse<br />

nach einer Materialveränderung<br />

seien zwar aufwendig, Schwankungen<br />

in der Materialversorgung mit Risiken<br />

behaftet. „Langfristig bekommt man<br />

aber alle Qualitätsfragen gut in den Griff<br />

und erreicht verlässliche Kontinuität.“<br />

Ein wichtiger Aspekt ist laut Pflüger<br />

die typische Unternehmensgröße in der<br />

Medtech-Branche: Angesichts der vielen<br />

kleineren Akteure sei es schwierig, jemanden<br />

zu finden, der vorpreschen möchte –<br />

auch wenn viele die Hände über dem Kopf<br />

zusammenschlagen angesichts der großen<br />

Kunststoffmengen. „Labore zum Beispiel<br />

kommen direkt auf uns zu, haben<br />

aber selbst keine Budgets, um die nötigen<br />

Entwicklungsprojekte anzuschieben.“<br />

Trotz des Drucks, etwas zu verbessern,<br />

fänden die Verantwortlichen bei Medizin<strong>technik</strong>-Konzernen<br />

keine Kontaktpersonen,<br />

die es sich zur Aufgabe machen,<br />

schnell solide Lösungen zu entwickeln.<br />

„Das liegt auch daran, dass die Kommunikation<br />

mit den Herstellern hauptsächlich<br />

auf der Ebene des Vertriebs läuft<br />

und es da wenig um Entwicklung, Innovation<br />

oder Nachhaltigkeit geht“, sagt Pflüger.<br />

Neue, stark ausgestattete Funktionsbereiche<br />

würden weiterhelfen, wie das<br />

Beispiel aus anderen Branchen zeige.<br />

„Das könnten die Medizinprodukte-Hersteller<br />

auch so angehen, und wir stehen<br />

mit den ersten diesbezüglich in Kontakt.“<br />

Noch gehe es aber langsam voran.<br />

„Alternativ könnte es Partnerschaften<br />

zwischen Akteuren entlang der gesamten<br />

Wertschöpfungskette geben. Wir können<br />

uns gut vorstellen, so etwas zu moderieren<br />

und zu koordinieren und haben das in<br />

anderen Branchen auch schon gemacht“,<br />

berichtet der Geschäftsführer. Noch fehle<br />

dafür aber der „initiale Funke“, der von einem<br />

Branchenverband oder eine freiwilligen<br />

Gruppe ausgehen könnte.<br />

Solange allerdings neues Material aus<br />

Erdöl so billig bleibe wie bisher, mangele<br />

ein wenig der Anstoß. Nur wer langfristige<br />

Verantwortung übernehmen will und<br />

den strategischen Vorteil in der Nachhaltigkeit<br />

sehe, könne entschieden genug<br />

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und Blutprodukten<br />

In-Vitro-Diagnose-Streifen zum visuellen Nachweis von Drogen und Alkohol<br />

Spezialmatten zur Bindung von Staub- und Schmutzpartikeln in Laboren,<br />

Praxen und Klinikräumen<br />

Elektronisch geregelte Mikro-Gasbrenner zum manuellen Erhitzen von<br />

Oberflächen und Produkten<br />

Zertifiziert nach<br />

DIN EN ISO 9001:2015<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 43<br />

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■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />

Schnuller & Co auf dem Weg zum Recycling<br />

Ein Recycling-Projekt setzt Holypoly mit<br />

Nuk um: Seit Juni 2022 werden Schnuller,<br />

Baby flaschen und Becher aus Kunststoff<br />

deutschlandweit kostenlos zurückgenommen<br />

und kreislaufgerecht recycelt.<br />

Dafür wartet das so genannte „Nuk<br />

Schnullermonster” in Kitas oder Geschäften<br />

und hat „Plastik zum Fressen gern“.<br />

Es nimmt nicht nur die Produkte von Nuk,<br />

sondern auch die anderer Marken entgegen.<br />

Darüber hinaus können Privatpersonen<br />

einen kostenlosen Paketschein erstellen,<br />

um Produkte einzusenden. In einem<br />

speziellen Recyclingprozess entstehen<br />

daraus neue Sandförmchen, die zu<br />

100 % aus den recycelten Kunststoffen<br />

der Schnuller, Flaschen und Becher bestehen.<br />

Über ein Losverfahren gelangen sie<br />

an die teilnehmenden Kitas und an Personen,<br />

die Produkte eingesendet haben.<br />

Seit 2023 läuft so ein Programm auch<br />

schon in Österreich.<br />

Was an gebrauchtem Kunststoff zurückkommt, wird sortiert, geschreddert und<br />

zu neuem Granulat verarbeitet – als Basis für neue Produkte<br />

den Weg der Transformation beschreiten.<br />

Erfolgsgeschichten aus anderen Branchen<br />

zeigen, in welche Richtung es gehen könne.<br />

„Bei Holypoly sind uns Ansprechpartner<br />

immer willkommen, die an so etwas<br />

interessiert sind – aber wir brauchen natürlich<br />

für ein Innovationsprojekt auch<br />

das entsprechende Budget.“<br />

So ein Innovationsprojekt umfasst den<br />

gesamten Kreislauf beim Kunststoff. So<br />

sind in der Closed-Loop Factory sowohl<br />

die Prototypenfertigung als auch Testverfahren<br />

und Materialanalysen vertreten.<br />

(Bild: Holypoly)<br />

Ebenso geht es um die Recyclingprozesse<br />

und die Musterproduk tion. Schrittweise<br />

sollen im Technikum bei Holypoly sämtliche<br />

Technologien und Maschinen des<br />

Kunststoffrecyclings vereint sein. „Dies ermöglicht<br />

es uns, Stoffströme genau zu erforschen<br />

und maßgeschneiderte industrielle<br />

Recyclingprozesse im Kleinen zu<br />

erproben“, sagt Fridolin Pflüger.<br />

Der Reiz des Technikums: Die Prozesse<br />

sollen hier optimal auf den wirtschaftlichen<br />

Einsatz im großen Maßstab vorbereitet<br />

werden. Projekte für Auftraggeber<br />

aus 11 Ländern sind dazu bereits erfolgreich<br />

abgeschlossen. Die Herausforderung<br />

sei dabei nicht, die mechanischen<br />

Eigenschaften des Kunststoffs zu erhalten,<br />

sondern die Einhaltung der Schadstoffrichtlinien.<br />

Holypoly prüft aber die<br />

Schadstoffkennwerte und erstellt Machbarkeitsstudien<br />

auf Einzelteilebene.<br />

„Wir schauen uns jedes Bauteil an und<br />

setzen auch die Röntgenfluoreszenzanalyse<br />

ein. Alle ermittelten Merkmale werden<br />

in einer Datenbank erfasst. Daraus<br />

können wir ableiten, welche Bauteile für<br />

hochwertiges Recycling geeignet sind“,<br />

fasst Haaf zusammen. Die detaillierte<br />

Analyse in Verbindung mit dem Verständnis<br />

für den Abfallstrom sei eine der Kernkompetenzen<br />

von Holypoly. Am Ende stehe<br />

nach der Machbarkeitsstudie die Konzeption<br />

eines Serienprozesses, in den alle<br />

erforderlichen Recyclingschritte für eine<br />

Kreislaufwirtschaft implementiert sind.<br />

Granulat zertifizieren und ein<br />

Sammelsystem organisieren<br />

Anschließend folgt die Skalierung des<br />

Verfahrens für die Großserie, die Effizienz<br />

wird optimiert. Holypoly ist ebenso an der<br />

Erstellung der Datenblätter der Produkte<br />

beteiligt wie an deren Bemusterung. Haaf<br />

zeigt sich selbstbewusst: „Wir zertifizieren<br />

das Granulat für die neuen Kunststoffteile,<br />

aber wir kümmern uns auch um den<br />

Rücklauf der gebrauchten Produkte, zum<br />

Beispiel, indem wir ein Sammelsystem organisieren.“<br />

Darüber hinaus berät das Unternehmen<br />

in Bezug auf Design, strategisches<br />

Marketing, Kommunikation,<br />

Rechtsfragen, Qualitätssicherung oder<br />

Logistik.<br />

Derzeit beschäftigt Holypoly 26 feste<br />

Mitarbeiter und arbeitet mit etwa 40 externen<br />

Fachkräften zusammen. Die Zahl<br />

der Mitarbeiter soll durch Crowdinvesting<br />

weiter steigen. Eine entsprechende Kampagne<br />

Ende 2023 verlief äußerst erfolgreich:<br />

Beinahe eine Million Euro stehen<br />

nun für weitere Fachkräfte und Investitionen<br />

zur Verfügung.<br />

(op) ■<br />

https://holypoly.co<br />

44 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Industrie<br />

Das Kompetenznetzwerk der Industrie<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 45<br />

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■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />

MIT GETEILTEN INSTRUMENTEN<br />

NACHHALTIGER UNTERWEGS<br />

Adaptive Chirurgieinstrumente | Ein Mehrweg-Griff lässt sich mit vielen Arbeitsenden<br />

kombinieren. Diese können als Disposables konzipiert sein – oder wie der Griff aus<br />

Metall und damit aufbereitbar sein. Mit einer solchen Lösung ergänzt Kammerer<br />

Medical Systems seine Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit.<br />

(Bild: Kammerer Medical Systems)<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Modulare Chirurgieinstrumente<br />

Einweg- und Mehrweg nach Wunsch<br />

Metall und Kunststoff kombiniert<br />

10 bis 20 % geringerer CO2 -Fußabdruck<br />

LCA geplant, für jedes Modul berechnet<br />

So wenig reinigen oder entsorgen wie<br />

möglich und damit nachhaltiger<br />

arbeiten : Das ermöglichen Chirurgieinstrumente,<br />

bei denen der Griff und das<br />

Arbeitsende getrennte Wege gehen. Verbunden<br />

sind beide durch einen Kupplungsmechanismus.<br />

„Wir haben schon vor langer Zeit begonnen,<br />

solche Instrumente zu entwickeln“,<br />

sagt Uli Kammerer, Geschäftsführer<br />

der Kammerer Medical Systems<br />

GmbH & Co. KG in Stockach. Was vor über<br />

zehn Jahren als Idee auf den Tisch kam,<br />

haben die Experten für Chirurgieinstrumente<br />

allerdings 2022 zu einem System<br />

ausgearbeitet, das sie als „adaptives Instrument“<br />

bezeichnen und vermarkten.<br />

Die Nachhaltigkeit ist dabei ein Aspekt,<br />

der solche Instrumente interessant<br />

macht.<br />

So kann der Griff aus silikonummanteltem<br />

Metall immer wieder gereinigt und<br />

sterilisiert werden. Für das Arbeitsende<br />

hingegen hat der Auftraggeber die Wahl:<br />

Soll es als Disposable eingesetzt werden<br />

und daher aus Kunststoff bestehen? Oder<br />

soll es, wie der Griff, aus den für Chirurgieinstrumente<br />

typischen metallischen<br />

Materialien hergestellt und daher ebenso<br />

mehrfach einsetzbar sein? Den Vorteil<br />

bringt Geschäftsführer Uli Kammerer auf<br />

den Punkt: „Wenn sich ein Auftraggeber<br />

für eine Disposable-Lösung entscheidet,<br />

muss der Anwender bei einem adaptiven<br />

Instrument eben nur das Arbeitsende entsorgen<br />

und nicht den Griff gleich mit.“<br />

Wie viel das mit Blick auf den<br />

CO 2 -Fußabdruck insgesamt ausmacht?<br />

Kammerers Schätzungen dazu belaufen<br />

Ein Griff lässt sich mit einer Vielzahl von Arbeitsenden<br />

zu verschiedenen chirurgischen<br />

Instrumenten kombinieren. Der entscheidende<br />

Punkt dafür ist der sichere, aber einfach<br />

zu verwendende Kupplungsmechanismus<br />

sich aktuell auf 10 bis 20 %, um die das<br />

Unternehmen den eigenen Abdruck<br />

durch diese Art von Instrumenten reduzieren<br />

könnte.<br />

Aktuell lassen sich Rongeure, schneidende<br />

sowie haltende Instrumente zweigeteilt<br />

ausführen, ebenso Instrumente für<br />

die Entnahme von Biopsien. Weil der Effekt<br />

so groß ist, sollen entsprechende<br />

Überlegungen auf weitere Instrumente<br />

ausgeweitet werden, die der Spezialist<br />

herstellt. „Die Idee ist natürlich nicht<br />

grundsätzlich neu, es gibt auch schon Instrumente<br />

zum Beispiel für die Fuß- und<br />

Handchirurgie, bei denen dieser Gedanke<br />

umgesetzt ist“, sagt Kammerer.<br />

Idee hat sich bewährt, in der<br />

Kupplung steckt viel Wissen<br />

Besonders stolz allerdings ist er auf die<br />

Art der Kupplung, mit denen seine adaptiven<br />

Instrumente ausgestattet sind. Über<br />

20 Jahre Erfahrung in der Kupplungsentwicklung<br />

seien darin eingeflossen. „Und<br />

das heißt, dass sich die Arbeitsenden sehr<br />

einfach austauschen lassen und man den<br />

Griff zum Reinigen und Sterilisieren nicht<br />

auseinanderbauen muss.“ Für den Einsatz<br />

der Instrumente im OP sieht er darin einen<br />

großen Vorteil. Die OP-Schwester<br />

müsse am Griff nichts montieren, wie<br />

man das von bisherigen teilbaren Instrumenten<br />

kenne. Die Griffe und die Arbeitsenden<br />

liegen vielmehr gebrauchsfertig im<br />

OP-Sieb und lassen sich nach Anforderungen<br />

durch den Operateur einfach zusammenstecken.<br />

Die Unterlagen und Vor-<br />

46 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


(Bild: Kammerer Medical Systems)<br />

Uli Kammerer, Geschäftsführer bei Kammerer<br />

Medical Systems, setzt in der Produktion<br />

und bei den Produkten auf nachhaltigere<br />

Lösungen<br />

schriften zur validierten Reinigung und<br />

Sterilisation stellt Kammerer Medical Systems<br />

zur Verfügung.<br />

Dass die Siebe leichter sind, weil nicht<br />

für jedes Arbeitsende ein eigener Griff darin<br />

enthalten ist, und dennoch viele Instrumente<br />

im OP-Saal bereitstehen, sei<br />

ein Vorteil für das Krankenhaus. Weniger<br />

zu reinigen und zu sterilisieren, weniger<br />

zu lagern – auch das zählt beim Blick auf<br />

die Nachhaltigkeit. Für den Hersteller von<br />

Implantaten, der seine Produkte zusammen<br />

mit solchen Instrumenten anbietet,<br />

entscheidet wiederum der Blick auf die<br />

Kosten. „Zumeist gehören die Instrumente<br />

dem Medizinproduktehersteller – und<br />

es sind schon große Werte, die er da in<br />

vielen Instrumentensätzen für viele Krankenhäuser<br />

zur Verfügung stellt.“<br />

Die Lebensdauer der Instrumente leidet<br />

durch den geteilten Aufbau übrigens<br />

nicht. Als Standardwert nennt Kammerer<br />

für die adaptiven Instrumente aus Metall<br />

rund 500 Zyklen der Reinigung und<br />

Sterilisa tion. Dieser Wert lasse sich durch<br />

Zahlen belegen, die in einem Tübinger Labor<br />

ermittelt wurden.<br />

Genauere Daten hierzu wollen die<br />

Stockacher in Zusammenarbeit mit ihren<br />

Auftraggebern erheben, denn wie die Instrumente<br />

im Einzelnen aufgebaut sind,<br />

was als Disposable und was als Mehrweg<br />

konzipiert wird, hängt von der Anwendung<br />

ab. Für die Griffe geht Kammerer<br />

davon aus, dass diese mindestens fünf<br />

Jahre lang verwendet werden können.<br />

Arbeiten für eine nachhaltige Zukunft<br />

Aus der Weber Instrumente GmbH & Co.<br />

KG wurde Anfang 2023 die Kammerer<br />

Medical Systems GmbH & Co KG. Was<br />

der neue Name zeigen soll: Die Kompetenz<br />

des Unternehmens geht über das<br />

Herstellen der Instrumente selbst hinaus.<br />

Die Dokumentation für eine Zertifizierung<br />

gemäß EU-MDR gehört ebenso<br />

dazu wie die Möglichkeit, in den Instrumentengriff<br />

zukunftsfähige RFID-Technik<br />

zu integrieren.<br />

Das Jahr 2023 brachte dem Unternehmen<br />

einen großen Wachstumsschritt. In<br />

einem neuen Produktions- und Büro -<br />

gebäude am Standort Stockach hat Kammerer<br />

Medical Systems seine Kapazität<br />

verdreifacht.<br />

Mit Blick auf künftige Anforderungen<br />

sind die Gebäude nachhaltig ausgelegt<br />

und mit Photovoltaikanlagen ausgestattet.<br />

Die Abwärme der Maschinen fließt in<br />

eine Klimaanlage, die im Sommer die Büro-Räume<br />

und die Produktion kühlt und<br />

im Winter heizt, bei Bedarf unterstützt<br />

von mehreren Wärmepumpen. Das Ziel<br />

„Wobei wir in der Praxis oft auch Instrumente<br />

sehen, die mehr als die doppelte<br />

Zeit tadellos in Gebrauch waren.“<br />

Mehrweg ist aber nicht überall gefragt.<br />

Arbeits enden zum einmaligen Gebrauch<br />

beispielsweise seien vor allem in Frankreich<br />

sehr gefragt, sagt er – die Sorge vor<br />

einer Verbreitung von infektiösem Material<br />

wie Prionen, die die Creutzfeld-Jakob-<br />

Krankheit hervorrufen, sei dort besonders<br />

verbreitet.<br />

ist laut Geschäftsführer Uli Kammerer,<br />

bis 2026 CO 2 -neutral zu produzieren. Seine<br />

Erfahrungen mit dem Thema Nachhaltigkeit<br />

will der Geschäftsführer bei<br />

Veranstaltungen im Jahr 2024 mit Interessierten<br />

teilen.<br />

Im ersten Anlauf im Ecovadis-Ranking erhielt<br />

das Unternehmen die Auskunft,<br />

dass die Leistung in den Bereichen Corporate<br />

Social Responsibility (CSR) und Umwelt<br />

über dem Durchschnitt der Branche<br />

liege. „Die Bronze-Medaille nehmen wir<br />

als Ansporn für weitere Verbesserung“,<br />

sagt der Geschäftsführer.<br />

Weiteres Wachstum ist ebenfalls geplant.<br />

Das Unternehmen beschäftigte<br />

Ende 2023 etwas über 80 Mitarbeiter. Die<br />

Belegschaft soll 2024 auf etwa 130 Beschäftigte<br />

anwachsen. Mehrfamilienhäuser<br />

für die Mitarbeiter sind ebenso<br />

geplant wie eine Kindertagesstätte.<br />

Zwei weitere Hallen sollen entstehen, die<br />

Anträge für den Bau einer weiteren Halle<br />

sind bereits gestellt.<br />

www.kammerer-med.de<br />

Für das Zertifizieren sind Griff<br />

plus Arbeitsenden ein System<br />

Nach EU-MDR zertifiziert werden die<br />

adaptiven Instrumente gemäß den Vorgaben<br />

für wiederverwendbare Produkte der<br />

Klasse Ir. Dabei gilt der Griff mit allen zugehörigen<br />

Arbeitsenden aus Metall als ein<br />

System, das einmalig den Zertifizierungsprozess<br />

durchläuft.<br />

Getrennt betrachten muss man hingegen<br />

die Zahlen für Griffe und Arbeitsenden,<br />

wenn es um das Life-Cycle-Assessment<br />

und den CO 2 -Fußabdruck der beiden<br />

Bestandteile geht. Die Berechnungsgrundlagen,<br />

die hierzu konkrete Zahlen<br />

liefern sollen, baut Kammerer Medical<br />

Systems derzeit auf. „Ich gehe davon aus“,<br />

sagt der Geschäftsführer, „dass wir diese<br />

dann bis Ende 2024 vorliegen haben.“<br />

Bis dahin soll sich im Unternehmen am<br />

neuen Standort in Sachen Nachhaltigkeit<br />

aber auch noch mehr tun. „Wir beschäftigen<br />

uns intensiv mit dem Thema, haben<br />

unseren neuen Standort für die nächste<br />

Generation ausgerichtet – und wir merken,<br />

dass sowohl unsere Kunden, vor allem<br />

die US-amerikanischen, genauer<br />

nachfragen. Und auch die Banken haben<br />

schon angekündigt, dass der Nachweis<br />

von Nachhaltigkeit in zwei oder drei Jahren<br />

bei der Bewertung der Bonität eines<br />

Unternehmens eine Rolle spielen wird.“<br />

Doch für solche Nachfragen sieht sich<br />

Kammerer mit seinem Unternehmen<br />

schon auf einem guten Weg.<br />

■<br />

Dr. Birgit Oppermann<br />

birgit.oppermann@konradin.de<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 47


■ [ SPECIAL NACHHALTIGKEIT ]<br />

MEDIZINPRODUKTE: BEWERTEN,<br />

WELCHE NACHHALTIGER SIND<br />

Start-up erstellt Ranking für Medizinprodukte | Wenn Ärzte sich für nachhaltige<br />

Medizinprodukte entscheiden möchten, woran sollen sie diese erkennen? Diese Frage<br />

beantwortet das Start-up Praxis ohne Plastik. Dessen Kriterien ermöglichen auch den<br />

Vergleich von Produkten verschiedener Hersteller.<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Einheitliche Bewertung der<br />

Nachhaltigkeit von Medizinprodukten<br />

Verbrauchsmaterial<br />

Gerätebewertung möglich<br />

Beratung für Medizinproduktehersteller<br />

Bislang landet zu viel Verbrauchsmaterial aus dem Gesundheits -<br />

wesen im Müll. Aber welche Hersteller bieten echte Alternativen?<br />

Zahnarztpraxis: Es gluckert, Wasser<br />

fließt in einen Plastikbecher. Der Patient<br />

spült den Mund. Fertig. Der Plastikbecher<br />

fliegt nach wenige Sekunden in<br />

den Müll. „So etwas ist doch unnötig“,<br />

sagt Nora Stroetzel. Und damit sich solche<br />

Fälle vermeiden lassen, gibt es seit knapp<br />

drei Jahren ein Start-up, das nachhaltigere<br />

Lösungen rund um Gesundheitswesen<br />

und Medizinprodukte bewertet und den<br />

Praxen zur Verfügung stellt.<br />

Der Name des Start-ups, das Ingenieurin<br />

Nora Stroetzel mit gegründet hat, ist<br />

Programm: Praxis ohne Plastik nennt sich<br />

das Unternehmen aus Kiel, das bislang<br />

drei Mitarbeiterinnen hat – plus Unterstützung<br />

von Werkstudenten. Die Fachleute<br />

haben sich einen Katalog von Kriterien<br />

erarbeitet, anhand derer sich bewerten<br />

und vergleichen lässt, wie sehr sich<br />

ein als nachhaltig bezeichnetes Medizinprodukt<br />

tatsächlich von anderen unterscheidet.<br />

Produkte, die dabei gute Bewertungen<br />

erhalten, bietet Praxis ohne Plastik<br />

im eigenen Online-Shop an. Das Ziel laut<br />

Stroetzel: „Mit Transparenz zeigen wir<br />

Greenwashing klare Grenzen!“<br />

Um im Angebot aufzutauchen, muss<br />

ein Produkt bei vielen Aspekten gut abschneiden.<br />

„Wir betrachten nicht nur das<br />

Produkt an sich, sondern auch die Herstellung<br />

und alles, was bis zum Lebensende<br />

noch passiert“, fasst Stroetzel zusammen.<br />

Denn am ehesten gelange man zu<br />

nachhaltigen Produkten, wenn man sich<br />

das „Rethink“ zu Herzen nimmt und ein<br />

Produkt von Grund auf überarbeitet.<br />

Bewertungen erfolgen entlang<br />

des gesamten Lebenszyklus<br />

Heißt: Es geht um das Material, den<br />

Herstellungsprozess, die Energiequellen,<br />

ein Design, das der Nachhaltigkeit entspricht.<br />

Es geht darum, wie das Produkt<br />

trans portiert wird und wie lange es sich<br />

nutzen lässt. Und schließlich geht es auch<br />

um die Frage, ob es am Ende im Müll landet<br />

oder kreislauffähig ist. Einzelne Faktoren<br />

bekommen eine Gewichtung: So erhält<br />

ein Produkt mehr „Punkte“, wenn der<br />

CO 2 -Ausstoß im Vergleich zu herkömmlichen<br />

Produkten gesenkt wird. Der<br />

CO 2 -Ausgleich bringt auch Punkte, aber<br />

weniger. Und wer sowohl spart als auch<br />

ausgleicht, erhält die höchste Punktzahl.<br />

Oft erweist es sich allerdings als<br />

schwierig, die Fakten zu all diesen Krite-<br />

rien überhaupt in Erfahrung zu bringen.<br />

„Hersteller werben eher mit einzelnen Aspekten,<br />

bei denen sie sich um mehr Nachhaltigkeit<br />

bemüht haben“, sagt Stroetzel.<br />

Genau das mache es für die Anwender so<br />

schwierig, zu vergleichen und sich zwischen<br />

Produkten zu entscheiden.<br />

Einen positiven Eindruck hinterlässt<br />

bei der Bewertung die Konformität zu relevanten<br />

Normen. So erfasst Praxis ohne<br />

Plastik, ob es beim Hersteller ein Ecolo -<br />

gical Management System gemäß Iso<br />

14001 gibt oder ein Life Cycle Assessment<br />

gemäß ISO 14044 durchgeführt wird.<br />

Wer internationalen Standards genügt,<br />

bekommt viele Punkte. „Bei unter -<br />

nehmenseigenen Labels schauen wir,<br />

welche Aussagen dahinter stehen und<br />

fragen auch beim Hersteller nach, damit<br />

wir so etwas in die Bewertung einbe -<br />

ziehen können“, berichtet Stroetzel.<br />

Wenn die Informationslage zu dünn ist,<br />

bringt ein firmeneigenes Label keine Vorteile.<br />

(Bild:Praxis ohne Plastik)<br />

48 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Für Produktmanager in der Medizin<strong>technik</strong>,<br />

das zeige die Erfahrung, sei es<br />

immer noch sehr ungewohnt, Nachfragen<br />

zu einem Produkt zu beantworten. Schon<br />

die Frage nach dem Herstellort – die Praxis<br />

ohne Plastik stellt, um den Einfluss des<br />

Transportes auf den CO 2 -Ausstoß einzuschätzen<br />

–, errege oftmals Misstrauen.<br />

Weitere Informationen<br />

Das Start-up Praxis ohne Plastik bietet<br />

neben einem Online-Shop für<br />

Geschäftskunden auch Workshops<br />

zu nachhaltiger Praxisführung an.<br />

Zur Zielgruppe gehören Praxen von<br />

Medizinern, Zahnärzten und Veterinärmedizinern.<br />

Auch die Beratung<br />

für Medizinproduktehersteller ist<br />

möglich.<br />

www.praxisohneplastik.de<br />

Wirklich nachhaltige Produkte<br />

gibt‘s nicht – aber Unterschiede<br />

Die bisher durchgeführten Bewertungen<br />

an Produkten haben im Start-up zu der<br />

Gesamteinschätzung geführt, dass es heute<br />

im Grunde noch keine „nachhaltigen“<br />

Medizinprodukte gibt. „Aber es gibt<br />

durchaus Unterschiede, und man kann<br />

die Produkte erkennen, die nachhaltiger<br />

sind als andere“, fasst Stroetzel zusammen.<br />

In Zahlen ausgedrückt: Ein wirklich<br />

nachhaltiges Produkte könnte im Bewertungssystem<br />

des Start-ups etwa 85 bis<br />

100 % der möglichen Punkte erreichen.<br />

Heute gilt schon als vorbildlich, wer es auf<br />

15 % der möglichen Punkte bringt.<br />

Hersteller von Medizinprodukten können<br />

sich auch an das Start-up wenden,<br />

um Produkte bewerten zu lassen. Zusammen<br />

mit dem Ergebnis bekommen sie<br />

dann ein Label, das sie fürs Marketing verwenden<br />

können. Auch eine Beratung, was<br />

sich in Richtung Nachhaltigkeit tun lasse,<br />

sei durch Praxis ohne Plastik möglich. So<br />

sagt Stroetzel: „Wir arbeiten mit Arztpraxen<br />

zusammen und können zum Beispiel<br />

im Auftrag eines Herstellers eine Umfrage<br />

machen, ob eine bestimmte nachhaltige<br />

Lösung im Praxisalltag umsetzbar wäre.“<br />

Als Start-up sind die Möglichkeiten<br />

heute aber noch begrenzt: Es geht bisher<br />

vor allem um Verbrauchsmaterial. Grundsätzlich<br />

lasse sich die Art der Bewertung<br />

auch auf Medizingeräte übertragen. „Das<br />

ist allerdings ein eher aufwendiger Prozess“,<br />

sagt Stroetzel. Wenn ein Gerätehersteller<br />

diesen in Auftrag gebe, lasse sich<br />

das aber umsetzen.<br />

Interesse an den Bewertungen der<br />

nachhaltigeren Medizinprodukte gibt es,<br />

und zwar nicht nur aus Arztpraxen. „Für<br />

Einkäufer in Krankenhäusern bieten wir<br />

auch schon eine Beratung an“, sagt Stroe -<br />

tzel. Die hohen Anforderungen, die für<br />

(Bild: Praxis ohne Plastik)<br />

die Belieferung von Krankenhäusern erfüllt<br />

werden müssen, lassen sich mit dem<br />

Start-up-eigenen Online-Shop für nachhaltigere<br />

Medizinprodukte bisher jedoch<br />

nicht umsetzen. Aber was nicht ist, kann<br />

ja noch werden. Und: „Wenn sich unsere<br />

Label durchsetzen, wird damit auch für<br />

den Einkäufer im Krankenhaus erkennbar,<br />

welche Produkte als besonders nachhaltig<br />

gelten können.“<br />

■<br />

Dr. Birgit Oppermann<br />

birgit.oppermann@konradin.de<br />

Nora Stroetzel ist<br />

Mitgründerin des<br />

Start-ups Praxis<br />

ohne Plastik. Trans -<br />

parenz gegen<br />

Greenwashing ist<br />

das Ziel bei der<br />

Bewertung von<br />

Medizinprodukten<br />

Mehr dazu online<br />

Mehr zum Thema Nachhaltigkeit in<br />

der Medizin<strong>technik</strong> finden Sie auf unserer<br />

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01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 49


■ [ RECHT ]<br />

Bilanz nach zwei Jahren:<br />

EU-MDR belastet Standort Deutschland<br />

Aktuelle Bewertung zur EU-MDR | Auch zwei Jahre nach Geltungsbeginn stellt die Medical Device<br />

Regulation viele Medizinproduktehersteller vor Umsetzungsprobleme – mit Auswirkungen auf die<br />

Innovationskraft und den Gesundheitsstandort Deutschland. Das zeigt eine aktuelle Studie von<br />

Spectaris, DIHK und Medical Mountains.<br />

(Bild: Vadim/stock.adobe.com)<br />

Die Umsetzung der EU-MDR erschwert laut einer aktuellen Umfrage<br />

die zuverlässige Gesundheitsversorgung in der Europäischen Union<br />

Ob chirurgische Instrumente, Herzkatheter<br />

für Neugeborene oder Notfallbeatmungsgeräte:<br />

Zwei Jahren nach<br />

der Einführung der Europäischen<br />

Medizinprodukte verordnung (EU-MDR)<br />

ziehen deutsche Hersteller eine ernüchternde<br />

Bilanz. In einer gemeinsamen Befragung<br />

der Deutschen Industrie- und<br />

Handelskammer (DIHK), der Medical<br />

Mountains GmbH und des Industrieverbands<br />

Spectaris äußerten sich fast 400<br />

Unternehmen zu den Auswirkungen.<br />

Die MDR, so das Ergebnis, führe dazu,<br />

dass bereits heute viele Medizinprodukte<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Erfahrungen mit der EU-MDR<br />

Umsetzung zu aufwendig und zu teuer<br />

Verbände suchen Gespräch<br />

mit der Politik<br />

Veränderungen an der MDR erwünscht<br />

vom Markt genommen werden – und bis<br />

2027 drohten zahlreiche weitere zu verschwinden.<br />

Drei Viertel der befragten Unternehmen<br />

verzeichnen demnach negative<br />

Auswirkungen auf ihre Innovations -<br />

tätigkeit. In mehr als jedem zweiten Produktportfolio<br />

werden einzelne Produkte<br />

oder komplette Produktionen und Sortimente<br />

vom Markt genommen – betroffen<br />

sind dabei alle 21 abgefragten Anwendungsgebiete.<br />

Zwar wurden Ende 2022 die Übergangsfristen<br />

für Bestandsprodukte bis<br />

2027/2028 verlängert. Dies ändere jedoch<br />

nichts an den strukturellen Problemen.<br />

Im Gegenteil: Es manifestiert sich<br />

nach Angaben der Verbände sogar die<br />

Einschätzung aus der ersten gemeinsamen<br />

Erhebung im Frühjahr 2022, wonach<br />

die MDR nach wie vor nicht praxistauglich<br />

sei.<br />

Fast alle Betriebe (97 %) haben weiterhin<br />

Probleme bei der Umsetzung der Vorgaben<br />

aus der Medizinprodukteverordnung<br />

– insbesondere aufgrund der hohen<br />

Belastungen durch Kosten- und Bürokratie.<br />

Unter den genannten Herausforderungen<br />

steht mit 67 % der Aufwand zur<br />

Anpassung der technischen Dokumentationen<br />

ganz oben. Hier seien die Kosten<br />

im Durchschnitt um 111 % gestiegen.<br />

Die für den Marktzugang erforderliche<br />

Zusammenarbeit mit Benannten Stellen<br />

stößt laut Befragung ebenfalls auf erhebliche<br />

Hindernisse. Die Unternehmen verzeichnen<br />

durchschnittliche Kostensteigerungen<br />

von 124 %, wenn es um das Einbinden<br />

einer Benannten Stelle geht.<br />

Sollen Medizinprodukte vom EU-<br />

Markt genommen werden, geben in 91 %<br />

der Fälle die kompletten Zertifizierungskosten<br />

den Ausschlag bei der Entscheidung.<br />

Gerade Nischenprodukte mit kleinem<br />

Absatzmarkt können demnach nicht<br />

mehr wirtschaftlich vermarktet werden.<br />

Lange Verfahren, verzögerte<br />

Bereitstellung der Produkte<br />

Auch die Dauer der Verfahren verlängert<br />

sich für viele Betriebe drastisch. Bei 37 %<br />

der Unternehmen sei die Verfahrensdauer<br />

sogar dreimal so lange wie vor der MDR.<br />

In der Folge verzögere sich die Bereitstellung<br />

der Produkte massiv.<br />

Angesichts dieser Entwicklungen<br />

mahnt Achim Dercks, stellvertretender<br />

DIHK-Hauptgeschäftsführer: „Die Politik<br />

muss die Wettbewerbs- und Innovationskraft<br />

der mittelständisch geprägten Medizin<strong>technik</strong>-Branche<br />

erhalten und stärker<br />

in den Blick nehmen – das wäre auch<br />

wichtig für die zuverlässige Gesundheitsversorgung<br />

in der EU.“<br />

Diese Entwicklung birgt zugleich<br />

Zündstoff für weitere gesellschaftliche<br />

Debatten – auch, weil die EU damit nicht<br />

mehr unbestrittene Nummer 1 bei Neuzulassungen<br />

ist: Mehr als jedes fünfte Unternehmen<br />

weicht mit medizintechnischen<br />

Innovationen auf andere Märkte aus –<br />

meistens in die USA.<br />

50 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


„Diese Ergebnisse halten der EU den<br />

Spiegel vor“, findet Julia Steckeler, Geschäftsführerin<br />

der Medical Mountains<br />

GmbH in Tuttlingen. „Wenn die USA aufgrund<br />

der schnelleren Zulassungsverfahren<br />

sowie planbarer Kosten und verlässlichen<br />

regulatorischer Anforderungen den<br />

Vorzug erhalten, ist ganz klar, woran gearbeitet<br />

werden muss.“ Das System weise<br />

noch zu viele Baustellen auf.<br />

„Besorgniserregend“: Situation<br />

vieler kleiner Unternehmen<br />

Martin Leonhard, Vorsitzender des Bereiches<br />

Medizin<strong>technik</strong> bei Verband Spectaris,<br />

ergänzt: „Für die Industrie und die Patienten<br />

ist jetzt das Handeln der Politik gefordert“.<br />

Deutschland und die gesamte EU<br />

drohten abgehängt zu werden – einerseits<br />

im internationalen Wettbewerb, andererseits<br />

bei der Versorgung mit innovativen,<br />

aber auch speziellen und bewährten Medizinprodukten.<br />

Gerade die Situation der<br />

vielen kleinen Unternehmen sei besorgniserregend.<br />

Diese Unternehmen hätten<br />

in der Regel weniger finanzielle und personellen<br />

Ressourcen zur Verfügung.<br />

Für die eigenen gestrichenen Produkte<br />

gibt es in fast 20 % der Fälle nach Angaben<br />

der befragten Unternehmen keine<br />

gleichwertigen Alternativen am Markt.<br />

Für Anwender und Patienten außerhalb<br />

der EU bleiben viele dieser Medizinprodukte<br />

jedoch weiterhin verfügbar. So vertreiben<br />

58 % der Unternehmen, die Produkte<br />

in der EU einstellen, diese weiterhin<br />

in Ländern außerhalb der EU – vornehmlich<br />

in den USA.<br />

Vor allem kleine Unternehmen haben<br />

in der Regel weniger finanzielle und personellen<br />

Ressourcen zur Verfügung.<br />

Achim Dercks: „Unter dem Dauerdruck<br />

droht die mittelständisch geprägte Branche<br />

von der Basis her zu erodieren.“ 70 %<br />

der Betriebe mit bis zu 49 Beschäftigten<br />

machten die hohen Zertifizierungskosten<br />

zu schaffen. In den Erwägungsgründen<br />

der MDR werde zwar ausdrücklich erwähnt,<br />

dass auch die Belange kleinerer<br />

und mittlerer Unternehmen zu berücksichtigen<br />

seien, aber „die Realität zeigt<br />

ein anderes Bild“, so Dercks.<br />

Mehr Digitalisierung erwünscht<br />

Ein Ergebnis lieferte die Umfrage auch<br />

zum Thema Digitalisierung. Dabei ging es<br />

um Prozessen wie auch Dokumente, mit<br />

denen die Produkt-Compliance über den<br />

gesamten Lebenszyklus nachgewiesen<br />

wird und QM- und RA-Prozesse effizienter<br />

zu gestalten wären. Das könne Zeit, Geld<br />

und vor allem knappe personelle Ressourcen<br />

sparen.<br />

Laut Studie gibt es hier erhebliche Ausbaupotenziale<br />

in der Zusammenarbeit<br />

mit den Benannten Stellen und Landesbehörden.<br />

Bei 76 % der Unternehmen, so<br />

heißt es, könne der Zertifizierungsprozess<br />

bei ihrer Benannten Stelle nicht oder<br />

nicht vollständig digital durchlaufen werden.<br />

In der Zusammenarbeit mit Landesbehörden<br />

zeigt sich ein noch schlechterer<br />

Wert: Bei 89 % der Unternehmen können<br />

beispielsweise Registrierungen oder das<br />

Beantragen eines Freihandelszertifikates<br />

nicht oder nur teilweise digital erfolgen.<br />

Die Teilnehmer der Umfrage wünschen<br />

sich aber insbesondere einheitliche und<br />

durchgängige digitale Prozesse, um die<br />

Effizienz beim Marktzugang in der EU zu<br />

steigern. Notwendig hierfür sind entsprechende<br />

Schnittstellen. Als Vorbild<br />

werden oftmals die US-amerikanische<br />

Zulassungsbehörde FDA und das dort<br />

verwendete Estar-Programm genannt,<br />

Mit ihrer Bilanz gehen Spectaris, Medical<br />

Mountains und die DIHK in den weiteren<br />

politischen Dialog. „Die Zahlen müssen<br />

Brüssel nun zum schnellen Handeln bringen<br />

und kurzfristig zu pragmatischen,<br />

grundlegenden Schritten führen“, fordern<br />

die Initiatoren. Gingen Medizinprodukte<br />

sowie Forschungs- und Entwicklungs-<br />

Kompetenzen verloren, könnten sie nur<br />

unter größten Mühen oder nicht mehr zurückgeholt<br />

werden.<br />

Wie der BVMed im Januar berichtete,<br />

haben die deutschen Europaabgeordneten<br />

Dr. Peter Liese und Prof. Dr. Angelika<br />

Niebler in Brüssel einen 10-Punkte-Forderungskatalog<br />

der EVP-Fraktion vorgelegt.<br />

mit dem sich interaktive PDF-Dokumente<br />

einreichen lassen.<br />

Zur Digitalisierung von Dokumenten<br />

wird durch die Befragten besonders häufig<br />

die Einführung einer elektronischen<br />

Technischen Dokumentation (eTD) in einem<br />

einheitlichen Format (wie STET) aufgeführt.<br />

Ebenfalls genannt wird die<br />

grundsätzliche Möglichkeit, elektronische<br />

Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte<br />

(eIFU) zu nutzen und digitale<br />

Unterschriften zu akzeptieren.<br />

Die noch immer nicht voll umfänglich<br />

funktionsbereite europäische Datenbank<br />

Eudamed21 wird als Bremser der Digitalisierung<br />

in der EU bemängelt. Durch unnötige<br />

Einzelregistrierungen der Hersteller<br />

in den 21 einzelnen EU-Mitgliedsstaaten<br />

entstünden vermeidbare Mehraufwände.<br />

Der Termin für vollständige Funktionsfähigkeit<br />

der Datenbank wurde bereits<br />

mehrfach verschoben.<br />

Als Ursache der Probleme bei der digitalen<br />

Umsetzung der MDR sehen Teilnehmer<br />

auch den Gesetzestext selbst. Sie bezweifeln,<br />

dass die Einführung digitaler<br />

Prozesse bei den bestehenden Schwierigkeiten<br />

helfen werde.<br />

Zur Studie: https://hier.pro/kG4Nd<br />

Darin geht es um Änderungen der EU-<br />

Medizinprodukte-Verordnung (MDR).<br />

Die Abgeordneten sprechen sich den<br />

Angaben zu Folge unter anderem für die<br />

Abschaffung der 5-jährigen Rezertifizierung<br />

für Medizinprodukte mit geringerem<br />

Risiko und die schnellstmögliche Ein -<br />

führung einer Orphan-Device-Regu lie -<br />

rung analog zu den USA aus. Für „bahnbrechende<br />

Innovationen“ solle es zu dem<br />

ein beschleunigtes Zulassungsverfahren<br />

geben. Um schnelle Lösungen zu unterstützen,<br />

sollte auch die Evaluierung der<br />

MDR vor gezogen werden, so Liese und<br />

Niebler.<br />

(su/op) ■<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 51


■ [ FOKUS FORSCHUNG ]<br />

Bioaktives Komposit unterstützt<br />

Heilung von Knochenbrüchen<br />

3D-Druck für den OP | Ein Kompositmaterial soll gebrochene Knochen schneller heilen<br />

lassen. Dafür kombinieren Forscher ein biodegradierbares Polymer mit bioaktivem<br />

Glas. Daraus drucken sie ein Leit- und Stützgerüst. Es soll das Wachstum von Bakterien<br />

an der Defektstelle hemmen und den Aufbau neuer Knochensubstanz fördern.<br />

(Bild: BellaSeno )<br />

IHR STICHWORT<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Aus dem Kompositmaterial druckt ein<br />

3D-Drucker das Scaffold, hier im Technikum.<br />

Im Körper soll das Bauteil perfekt in den<br />

Knochendefekt eingepasst werden<br />

Patientenindividueller 3D-Druck<br />

Neues Materialgemisch<br />

Wachstum von Bakterien hemmen<br />

Gerüst mit eigenen Zellen besiedeln<br />

Weniger Anpassung währen der OP<br />

Ungefähr 800000 Knochenbrüche behandeln<br />

Ärzte in Deutschland pro<br />

Jahr im Krankenhaus. Bei bis zu 10 % der<br />

Fälle gibt es nach der Behandlung Kom -<br />

plikationen: Der Knochen heilt nicht richtig,<br />

und es kommt zu schmerzhaften<br />

Pseudoarthrosen, die eine Belastung des<br />

Knochens unmöglich machen. Für die<br />

Patientinnen und Patienten bedeutet das<br />

oftmals einen weiteren Krankenhausaufenthalt<br />

mit einer Nachoperation und<br />

Langzeitbe handlung. Kliniken müssen<br />

sich auf aufwendige kostenintensive Therapien<br />

einstellen.<br />

Eine Arbeitshypothese verspricht eine<br />

Lösung dieses Problems: Könnte der Einsatz<br />

bioaktiver Materialien bei der Operation<br />

den Heilungsprozess unterstützen<br />

und das Risiko von Infektionen senken?<br />

Diese Frage wollen Forscher im Verbundprojekt<br />

Scaffold bio-active glass enhanced<br />

osteogenesis (kurz: Scabaego ) beantworten.<br />

Daran beteiligt ist das Fraunhofer<br />

IFAM in Bremen sowie die Klinik für Unfall-<br />

und Wiederherstellungschirurgie am<br />

Universitätsklinikum Heidelberg und die<br />

Bellaseno GmbH, ein Medizin<strong>technik</strong>spezialist<br />

aus Leipzig.<br />

52 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Die Forschenden am Fraunhofer IFAM<br />

haben ein Kompositmaterial aus dem biologisch<br />

abbaubaren Polymer Polycaprolacton<br />

(PCL) und bioaktivem Glas entwickelt.<br />

Daraus entsteht im 3D-Druck ein individuell<br />

angepasstes Stütz- und Leitgerüst<br />

für die Bruchstelle im Knochen, das<br />

so genannte Scaffold. Damit es exakt zum<br />

Patienten passt und das fehlende Knochenstück<br />

ersetzen kann, werden die<br />

Strukturen des beschädigten Knochens<br />

mittels Computertomografie (CT) erfasst.<br />

Doch das gedruckte Material kommt<br />

nicht allein an die defekte Stelle im Knochen.<br />

Die Forscher füllen es vielmehr mit<br />

Knochenmark, das zuvor aus dem Beckenkamm<br />

oder dem Markraum großer<br />

Röhrenknochen entnommen wird. Dieses<br />

biologische Knochenersatzmaterial (Autologous<br />

Bone Graft, ABG) stellt sicher,<br />

dass das gedruckte Teil zuverlässig und sicher<br />

an der gewünschten Stelle einheilt.<br />

Bioaktives Glas hebt pH-Wert –<br />

Infektionsrisiko soll sinken<br />

Das innovative Medizinprodukt bietet<br />

entscheidende Vorteile. „Das bioaktive<br />

Glas im Scaffold hebt den pH-Wert des<br />

umgebenden Milieus in den basischen Bereich“,<br />

erklärt Dr. Kai Borcherding, Geschäftsfeldleiter<br />

Medizin<strong>technik</strong> und Life<br />

Sciences am Fraunhofer IFAM. Die Forscher<br />

gehen davon aus, dass das das<br />

Wachstum von Bakterien hemmt. „Das<br />

wollen wir als nächstes untersuchen“,<br />

sagt Borcherding. Die Forschenden erwarten,<br />

dass so das Risiko von Infektionen<br />

nach der Operation deutlich sinkt.<br />

Darüber hinaus fördert bioaktives Glas<br />

die Neubildung von Knochensubstanz an<br />

der Bruchstelle. Denn in Kontakt mit Körperflüssigkeiten<br />

wandelt sich das Glas in<br />

Hydroxylapatit um. Diese chemische Verbindung<br />

besteht hauptsächlich aus Calciumphosphat,<br />

einer knochennahen Substanz.<br />

Die klinisch relevanten Probleme –<br />

also das bakterielle Wachstum und die<br />

Knochenheilung –, können „mit bioaktivem<br />

Glas adressiert werden“, sagt der Unfallchirurg<br />

PD Dr. Tobias Großner, Oberarzt<br />

und Leiter der Experimentellen Unfallchirurgie<br />

am Universitätsklinikum<br />

Heidelberg. „Nach sechs oder sieben Jahren<br />

ist auch das Scaffold vollständig abgebaut<br />

beziehungsweise in Knochensubstanz<br />

umgewandelt.“<br />

Mit dem bioaktiven Glas werden bereits<br />

Knochendefekte behandelt. Neu ist jedoch<br />

die Kombination mit PCL im Industrie -<br />

maßstab. Den Fraunhofer-Forschenden ist<br />

es gelungen, Glas und PCL zu einem Kompositmaterial<br />

zu verbinden, das direkt in<br />

der additiven Fertigung einsetzbar ist. So<br />

sind insbesondere patientenindividuelle<br />

3D-Scaffolds herstellbar.<br />

Das Kompositmaterial selbst ist einfach<br />

herzustellen und schnell industriell anwendbar.<br />

„Das Polymer PCL wird mit dem<br />

Glasgranulat und einem Lösungsmittel<br />

gemischt und anschließend über mehrere<br />

Stufen prozessiert. Abschließend wird das<br />

Lösungsmittel durch Trocknung entzogen<br />

und das zurückbleibende Komposit fein<br />

granuliert“, erklärt Borcherding. Aus diesem<br />

Material druckt der Projektpartner<br />

Bellaseno das Scaffold im 3D-Drucker.<br />

Konkrete Antworten auf<br />

komplexe Fragestellungen<br />

finden Sie in den<br />

Whitepapern der<br />

medizin&<strong>technik</strong>!<br />

Kompaktes Fachwissen ganz<br />

einfach downloaden!<br />

https://medizin-und<strong>technik</strong>.industrie.de/whitepaper/<br />

Geschäftsführer und Projektkoordinator<br />

Dr. Mohit Chhaya erklärt: „Wir nutzen ein<br />

additives 3D-Druckverfahren. Damit können<br />

wir das Scaffold individuell und passgenau<br />

für die Fehlstelle im Knochen fertigen.“<br />

Damit entfalle das zeitraubende mechanische<br />

Bearbeiten im Operationssaal,<br />

ergänzt Unfallchirurg Großner.<br />

Mehr dazu online<br />

Mehr zum Thema 3D-Druck für die<br />

Medizin lesen Sie im Medizin<strong>technik</strong>-<br />

Onlineportal auf unserer Themenseite<br />

unter<br />

www.medizin-und-<strong>technik</strong>.de/<br />

3d-druck<br />

Gegenüber herkömmlichen Verfahren<br />

soll das innovative Kompositmaterial einen<br />

bedeutenden Fortschritt bei der Behandlung<br />

ermöglichen. Bisher wurde die<br />

Bruchstelle in einer ersten Operation mit<br />

einem Knochenzement versehen. Der<br />

menschliche Organismus nimmt den Zement<br />

als Fremdkörper wahr und umhüllt<br />

ihn durch eine neue Knochenhaut, auch<br />

als Masquelet-Membran bezeichnet.<br />

Scaffold gibt der<br />

weichen Knochensubstanz Halt<br />

Dieser Prozess dauert bis zu zwei Monate.<br />

Anschließend muss die Patientin oder der<br />

Patient wieder in den Operationssaal.<br />

Dort schneidet der Chirurg die Knochenhaut<br />

auf, entfernt den Zement, füllt die an<br />

anderer Stelle entnommene autologe<br />

Knochensubstanz ein und vernäht die<br />

Knochenhaut wieder.<br />

Bisher gab es nur eingeschränkte Möglichkeiten,<br />

die weiche Knochensubstanz<br />

sicher zu verankern und so eine ungestörte<br />

Heilung zu erreichen. Das Scaffold gibt<br />

in Verbindung mit einer Platte oder einem<br />

Nagel der weichen Knochensubstanz den<br />

nötigen Halt, bis der Knochen geheilt ist.<br />

Das Forschungsteam des Scabaego-<br />

Projekts ist gerade dabei, das Konzept gemeinsam<br />

mit dem Universitätsklinikum<br />

Heidelberg mit präklinischen Tests in vitro<br />

und in vivo weiter zu erproben. Parallel<br />

dazu soll die Rezeptur des Komposits<br />

optimiert werden. Der mögliche Anteil<br />

von bioaktivem Glas im Scaffold liegt bereits<br />

zwischen 10 und 30 %. „Wir experimentieren<br />

mit dem Mischungsverhältnis“,<br />

sagt Borcherding, „um möglichst viel der<br />

biologisch positiven Eigenschaften von<br />

Glas nutzen zu können, gleichzeitig aber<br />

die nötige Festigkeit des Scaffolds zu bewahren.“<br />

(op) ■<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 53


■ [ FOKUS FORSCHUNG ]<br />

Chirurgieinstrumente im OP-Sieb<br />

mit Kamera plus KI checken<br />

Aufbereitung von Instrumenten | Die Sterilgutlogistik in Krankenhäusern und Kliniken<br />

soll ein KI-basiertes Kamerasystem optimieren. Das Ziel: Mit Bilderkennung die OP-Instrumente<br />

zu prüfen und nachzuverfolgen, auch wenn diese keine Markierung tragen.<br />

Daran arbeitet ein Team vom Fraunhofer IPK.<br />

Was kann eine KI-basierte Bilderkennung<br />

bei der Aufbereitung von Medizinprodukten<br />

leisten – und warum wird<br />

so eine Lösung gebraucht? Der Fachkräftemangel<br />

im Gesundheitswesen betrifft<br />

nicht nur das medizinische Personal, sondern<br />

auch viele Dienstleistungskräfte, die<br />

den reibungslosen Betrieb von Kliniken<br />

und Krankenhäusern gewährleisten. Besonders<br />

hoch ist der Bedarf an qualifiziertem<br />

Personal in den so genannten Aufbereitungseinheiten<br />

für Medizinprodukte,<br />

kurz AEMP.<br />

Hier werden für jede Operation vorab<br />

die benötigten Instrumente von Hand gereinigt,<br />

sortiert, verpackt und sterilisiert.<br />

Allein an der Charité in Berlin sind das<br />

jährlich rund 14 Millionen OP-Bestecke,<br />

die es unter strengsten Hygiene- und Qualitätsstandards<br />

aufzubereiten gilt.<br />

In den meisten AEMP gilt eine Null-<br />

Fehler-Politik, denn Probleme, die hier<br />

auftreten, haben direkte Auswirkungen<br />

auf die Behandlung von Patientinnen und<br />

Patienten. Das Personal an den Packplätzen<br />

muss deshalb sicherstellen, dass alle<br />

für eine OP benötigten Instrumente vollzählig<br />

in den so genannten OP-Sieben<br />

enthalten sind. Keine einfache Aufgabe<br />

bei bis zu 160 Skalpellen, Scheren, Klammern<br />

und anderen Instrumenten, die<br />

möglichst effizient in ein solches Sieb gepackt<br />

werden müssen.<br />

Ein auf KI-Technologien basierendes<br />

Kamerasystem soll die Mitarbeitenden<br />

dabei zukünftig unterstützen: Es heißt<br />

Cir.Log und wird derzeit von Forschern<br />

des Fraunhofer IPK entwickelt.<br />

Die Kamera soll OP-Instrumente mithilfe<br />

von Algorithmen des maschinellen<br />

Lernens erkennen und verfolgen, und das<br />

markerlos, nur anhand ihres Aussehens.<br />

Sie soll zuverlässig unterschiedliche OP-<br />

Bestecke lokalisieren und prüfen,<br />

• welche Instrumente tatsächlich in ein<br />

Sieb gepackt wurden,<br />

Das Cir.Log-System erprobt hier Fraunhofer-Wissenschaftler Clemens Briese<br />

– in der AEMP des Campus Benjamin Franklin der Charité Berlin<br />

• welche noch fehlen und auch<br />

• Instrumente identifizieren, die nicht<br />

zum Sieb gehören.<br />

Wie ein Barcodescanner – aber<br />

eben ohne jede Markierung<br />

Cir.Log wird damit quasi wie ein Barcodescanner<br />

arbeiten, nur ohne Barcode.<br />

Teures und zeitintensives Aufbringen von<br />

Barcodes, Datamatrix-Codes oder RFID-<br />

Chips, wie es derzeit für das Tracking von<br />

OP-Instrumenten üblich ist, würde damit<br />

überflüssig. Aufgrund seines kompakten<br />

Designs ist das Kamerasystem platzsparend<br />

an handelsüblichen Packtischen einsetzbar<br />

und kann in jeder AEMP einfach<br />

installiert oder nachgerüstet werden.<br />

„Wir sind überzeugt davon, dass unsere<br />

Lösung einen großen Mehrwert für<br />

Krankenhäuser und Kliniken bietet, weil<br />

sie nicht nur Zeit und Kosten spart, sondern<br />

auch die Prozesssicherheit verbessert“,<br />

sagt Jan Lehr, wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Fraunhofer IPK. Cir.Log<br />

erleichtere die Einarbeitung neuer Mitarbeitender<br />

und ermögliche auf Anhieb<br />

deutlich schnellere Packzeiten, insbeson-<br />

dere auch für ungelerntes oder neues Personal.<br />

„Wir schätzen, dass erfahrene Mitarbeitende<br />

mit Cir.Log 30 Prozent effektiver<br />

arbeiten können. Die Einarbeitungszeit<br />

für neues Personal verringert sich um 65<br />

Prozent“, so Lehr. Das Kamerasystem liefert<br />

darüber hinaus eine digitale Dokumentation<br />

zu jedem Packprozess und<br />

trägt so zur Qualitätssicherung in den<br />

AEMP bei.<br />

Prototypen von Cir.Log sind bereits im<br />

Einsatz, unter anderem am Charité Campus<br />

Benjamin Franklin in Berlin. Ziel des<br />

Forscherteams am Fraunhofer IPK ist es,<br />

das Kamerasystem bis zur Marktreife weiterzuentwickeln<br />

und anschließend in einem<br />

Spin-off des Instituts zu vertreiben.<br />

Dafür arbeiten die Forschenden aktuell<br />

im Rahmen des Exist-Forschungstransfers<br />

des Bundesministeriums für Wirtschaft<br />

und Klimaschutz (BMWK) an einem Businessplan<br />

und bereiten die Unternehmensgründung<br />

vor. Das BMWK fördert das Vorhaben<br />

mit rund 1 Mio. Euro.<br />

www.cirlog.de/umfrage<br />

(Bild: Fraunhofer IPK)<br />

54 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Antimikrobielle<br />

Schicht für Textilien<br />

Hygiene im Klinikum | Beschichtete Textilien, die Krankheitserreger<br />

hemmen, könnten künftig als antimikrobiell<br />

wirkende Vorhänge zum Einsatz kommen.<br />

So sieht die antimikrobielle Beschichtung auf den Textilfasern im<br />

Rasterelektronenmikroskop aus. Die Aufnahme ist koloriert und<br />

30 000-fach vergrößert<br />

(Bild: Empa)<br />

Unzählige Male pro Tag berühren im Krankenhaus Patienten,<br />

Besucher oder medizinisches Personal Oberflächen jeglicher<br />

Art. Glatte Flächen lassen sich nach einer Kontamina tion<br />

vergleichsweise einfach reinigen. Bei porösen Strukturen wie<br />

Textilien ist dies nicht so.<br />

Dieses Problem lösen nun schweizerische Empa-Forschende zusammen<br />

mit Experten der BASF, des Labor Spiez und der Technischen<br />

Universität Berlin. Sie behandeln Stoffe mit einem Beschichtungsverfahren<br />

so, dass bakterielle und virale Krankheitserreger<br />

inaktiviert oder im Wachstum gehemmt werden. So imprägnierte<br />

Textilien könnten als antimikrobiell wirkende Vorhänge<br />

zwischen Patientenbetten vor Keimen schützen.<br />

Bei dem Beschichtungsverfahren arbeiteten die Forschenden<br />

Benzalkoniumchlorid-haltiges Desinfektionsmittel gleichmäßig<br />

in die Klinikvorhänge ein. Sie optimierten dabei Konzentration,<br />

Einwirkzeit, Verarbeitungsdruck und Trocknung so lange, bis die<br />

Beschichtung stabil auf den Textilien haftete.<br />

„Die Ergebnisse der Laboruntersuchungen waren sehr erfreulich“,<br />

berichtet Prof. Peter Wick vom Particles-Biology-Interac -<br />

tions-Labor der Empa in St. Gallen. Die beschichteten Textilproben<br />

hemmten das Wachstum beispielsweise von Staphylokokken<br />

und Pseudomonas-Bakterien. Diese wurden „nach zehn Minuten<br />

deutlich reduziert oder sogar abgetötet“. Die Beschichtung inaktivierte<br />

auch über 99 % der untersuchten Viren.<br />

Nach mehrmonatiger Lagerung blieben die Beschichtungen<br />

wirksam. Dies erlaubt laut Wick eine Produktion auf Vorrat.<br />

www.empa.ch<br />

INTERNATIONALE FACHMESSE<br />

11.-14. JUNI 2024<br />

WWW.EPHJ.CH<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 55


■ [ INNOVATIONEN ]<br />

UKP-Laser für<br />

Medizinprodukte<br />

Lasermarkierung | Nach der Markteinführung in Europa<br />

stellt Foba seinen neuen UKP-Laser für besonders<br />

schwarze und materialschonende Markierungen<br />

erstmals auch in den USA vor.<br />

Der Ultrakurzpulslaser F.0100-ir eignet sich für tiefschwarze,<br />

materialschonende Markierungen in der Medizin<strong>technik</strong><br />

Der neue Ultrakurzpulslaser F.0100-ir von Foba Laser Marking<br />

+ Engraving soll sich vor allem für den Medizin<strong>technik</strong>markt<br />

eignen. Die Kombination einer hohen Pulsenergie mit<br />

sehr kurzen Pulsen zeichnet den F.0100-ir aus und ist der Schlüssel<br />

zu besonders schwarzen, permanenten, materialschonenden<br />

Markierungen: Beschriftungen mit dem Ultrakurzpulslaser zeigen<br />

sich unabhängig von Winkel und Lichteinfall matt und tiefschwarz.<br />

Da das Material kaum durch Hitze belastet wird, bleibt<br />

die Markierung selbst nach weiteren Bearbeitungsschritten, wie<br />

zum Beispiel Passivierung, zuverlässig lesbar und korrosionsbeständig.<br />

Das macht den Ultrakurzpulslaser zum idealen Markierlaser<br />

für medizinische Instrumente aus Edelstahl oder Titan und<br />

für eine Vielzahl an Kunststoffen, Glas und weiteren Metallen.<br />

Der F.0100-ir ist laut Anbieter eines der kleinsten Ultrakurzpuls-<br />

Markiersysteme am Markt und ermöglicht so einen Einsatz auf<br />

engstem Raum. Durch die sehr kompakte Bauweise lässt der<br />

Markierlaser sich einfach und reibungslos in Produktionslinien<br />

und Laserbeschriftungsgeräte wie die M-Serie integrieren. Auf<br />

der Messe MD&M West in Anaheim, Kalifornien, wird der Ultrakurzpulslaser<br />

F.0100-ir erstmals in den USA vorgestellt und dort<br />

in einem M2000-Laserarbeitsplatz zu sehen sein. „Wir wollen<br />

unsere Kunden aktiv bei den aktuellen und kommenden UDI-<br />

Kennzeichnungsstandards unterstützen“, sagt Jeffrey A. Kniptash,<br />

Sales Manager Americas bei Foba. Gemäß FDA-Vorschriften<br />

müssen alle wiederverwendbaren und wiederaufbereiteten<br />

Medizinprodukte eine direkt gekennzeichnete UDI, also einen<br />

eindeutigen numerischen oder alphanumerischen Code, tragen.<br />

Foba Laser Marking + Engraving , Selmsdorf<br />

www.fobalaser.com<br />

(Bild: Foba)<br />

Firmenscout (Redaktion/Anzeige)<br />

Aktormed ........................... 8<br />

Ensinger ............................ 16<br />

Hochschule<br />

Messe Frankfurt<br />

Springboard Pro ................ 8<br />

Aptar Digital Health ...... 10<br />

Erbe Elektromedizin ...... 16<br />

Furtwangen ..................... 32<br />

GmbH ..................................9<br />

STARLIM Spritzguss .......11<br />

BASF ................................... 55<br />

Eurazeo ............................. 10<br />

Holypoly ........................... 42<br />

Metrofunkkabel-Union<br />

Südpack Medica ............. 40<br />

Bellaseno .......................... 52<br />

EXSAL c/o Palexpo SA ....55<br />

Imfusion ............................. 8<br />

GmbH ................................59<br />

Technische Universität<br />

Bosch Sensortec ............. 58<br />

F. Gottinger<br />

IMT Information<br />

Nabtesco .......................... 22<br />

München ............................ 8<br />

Bossard ............................. 24<br />

Orthopädie<strong>technik</strong> ........ 26<br />

Management<br />

Nanoflex Robotics .......... 10<br />

TU Berlin ........................... 55<br />

Bürkert Werke .................21<br />

Foba Laser Marking<br />

Technology AG .......... 30, 27<br />

OKW<br />

TÜV Süd ............................ 10<br />

Carboliq ............................ 40<br />

+ Engraving ...................... 56<br />

Index Werke .................... 34<br />

Gehäusesysteme ............ 29<br />

Universität Basel ............ 15<br />

Carl Zeiss Meditec .......... 10<br />

Fraunhofer IFAM ...... 16, 52<br />

Innersight Labs .................. 9<br />

Ottobock ............................. 9<br />

Universitä t Erlangen-<br />

Contexo GmbH ...............15<br />

Fraunhofer IPK ................ 54<br />

Inselspital ......................... 12<br />

Paul Horn ......................... 34<br />

Nürnberg (FAU) ................. 8<br />

Covestro ........................... 38<br />

Fraunhofer LBF ................ 16<br />

ITK Engineering ................. 8<br />

PHOTOCAD GMBH &<br />

Universität Freiburg ...... 15<br />

Custom Surgical ................ 8<br />

Genthner GmbH System<br />

KAGER Industrieprodukte<br />

CO. KG ...............................29<br />

Universität Gießen ........ 16<br />

DESOTEC GmbH<br />

Technologie ........................5<br />

GmbH ................................43<br />

Praxis ohne Plastik ......... 48<br />

Universitätsklinikum<br />

Sondermaschinenbau ...13<br />

Gerresheimer .................. 10<br />

Kammerer<br />

RCT Reichelt<br />

Freiburg ............................ 15<br />

Deutsches Zentrum für<br />

GF Machining<br />

Medical Systems ............ 46<br />

Chemie<strong>technik</strong><br />

Universitätsklinikum<br />

Luft- und Raumfahrt<br />

Solutions .......................... 33<br />

Karl Storz Venture<br />

GmbH + Co. ..........43,57,58<br />

Heidelberg ....................... 52<br />

(DLR) .................................... 8<br />

Gindele .............................23<br />

One Germany .................... 8<br />

Ruderer Kleb<strong>technik</strong> ...... 26<br />

Universitätsmedizin<br />

Dutch Ophthalmic<br />

Hartmetall Werkzeug-<br />

Karl Storz ............................ 9<br />

Sanner ................................. 8<br />

Göttingen (UMG)..............<br />

9<br />

Research Center .............. 10<br />

fabrik Paul Horn .............60<br />

Klinikum Rechts der<br />

Sitem ................................. 14<br />

Weiss Klima<strong>technik</strong> ....... 36<br />

ECHA ................................. 16<br />

HG Medical ...................... 34<br />

Isar ....................................... 8<br />

Skillqube .......................... 29<br />

ZORN Maschinenbau ....49<br />

ElringKlinger Kunststoff-<br />

Hochschule für ange-<br />

Maxon Motor ....................2<br />

Smalley Steel Ring<br />

<strong>technik</strong> ................................3<br />

wandte Wissenschaft<br />

Medical Mountains ....... 16<br />

Company ..........................57<br />

Empa .......................... 12, 55<br />

und Kunst (HAWK) ........... 9<br />

Spectaris .................... 10, 50<br />

56 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


Wir<br />

präsentieren<br />

Ihnen<br />

PARTNER der<br />

Industrie<br />

DAS<br />

FIRMENVERZEICHNIS<br />

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in der jeweiligen Branche zu finden.<br />

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RCT® Reichelt Chemie<strong>technik</strong> GmbH + Co.<br />

www.rct-online.de<br />

Reichelt Chemie<strong>technik</strong> steht für das Prinzip<br />

„Angebot und Vertrieb der kleinen Quantität“ gepaart<br />

mit einer viele Bereiche umfassenden Produktvielfalt<br />

und einem hohen technischen Beratungsservice.<br />

Das Angebot von Reichelt Chemie<strong>technik</strong> umfasst<br />

ca. 80 000 Artikel, die aus den Bereichen Schlauch<strong>technik</strong>,<br />

Verbindungselemente, Durchfluss<strong>technik</strong>,<br />

Labor <strong>technik</strong>, Halbzeuge, Befestigungselemente,<br />

Filtration und Antriebs<strong>technik</strong> stammen.<br />

Smalley Europa<br />

www. smalley.com/de<br />

Das vor mehr als 50 Jahren gegründete Unternehmen<br />

Smalley Steel Ring Company ist zum Weltmarktführer<br />

bei der Fertigung und Entwicklung von Spirolox<br />

Sicherungsringen, Schnappringen mit einheitlichem<br />

Querschnitt und Wellenfedern geworden. Smalley hat<br />

mit der Einführung modernster Produkte die Messlatte<br />

vorgegeben und wird alles dafür tun, dass seine<br />

Innovationen den Weg in die Zukunft auch weiterhin<br />

aufzeigen.<br />

www.industrie.de<br />

Reichelt Chemie<strong>technik</strong> GmbH + Co.<br />

Englerstraße 18, 69126 Heidelberg<br />

Tel. 0 62 21/3 12 50, info@rct-online.de<br />

01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 57


ISSN 1863–7604<br />

■ [ INNOVATIONEN ]<br />

Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />

Verlag:<br />

Konradin-Verlag<br />

Robert Kohlhammer GmbH<br />

Anschrift: Ernst-Mey-Straße 8,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen,<br />

Germany<br />

Geschäftsführer: Peter Dilger<br />

REDAKTION<br />

Chefredakteurin:<br />

Redaktion:<br />

Ständige freie<br />

Mitarbeit:<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Layout:<br />

ANZEIGEN<br />

Gesamtanzeigenleiter:<br />

Dr. Birgit Oppermann (op),<br />

Phone +49 711 7594–459<br />

Susanne Schwab (su),<br />

Phone +49 711 7594–444<br />

Sabine Koll (sk),<br />

Daniela Engel,<br />

Phone +49 711 7594–452,<br />

Fax +49 711 7594–1452<br />

E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />

Ana Turina,<br />

Phone +49 711 7594–273<br />

Joachim Linckh,<br />

Phone +49 711 7594–565,<br />

Fax +49 711 7594–1565<br />

Auftragsmanagement: Melanie Strauß,<br />

Phone +49 711 7594–403,<br />

ABONNEMENTS<br />

Leserservice:<br />

Erscheinungsweise:<br />

medizin&<strong>technik</strong>,<br />

Postfach 810580, 70522 Stuttgart<br />

Telefon: 0711/ 72 52 254<br />

Fax: 0711/ 72 52 399<br />

E-Mail: leserservice@konradin.de<br />

6 x jährlich<br />

Bezugspreis:<br />

Inland jährlich 85,20 € inkl. Versandkosten und MwSt;<br />

Ausland: 91,80 € inkl. Versandkosten. Einzelpreis 14,25 €<br />

(inkl. MwSt zzgl. Versand).<br />

Für Schüler, Studenten und Auszubildende gegen Nachweis:<br />

Inland 47,70 € inkl. Versand u. MwSt., Ausland 54,30 € inkl. Versand.<br />

Bestellungen erbitten wir an den Verlag.<br />

Sofern die Lieferung nicht für einen bestimmten Zeitraum ausdrücklich<br />

bestellt war, läuft das Abonnement bis auf Widerruf.<br />

Bezugszeit:<br />

Das Abonnement kann erstmals vier Wochen zum Ende des<br />

ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach Ablauf des ersten<br />

Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils vier Wochen zum<br />

Quartalsende. Bei Nichterscheinen aus technischen Gründen<br />

oder höherer Gewalt entsteht kein Anspruch auf Ersatz.<br />

AUSLANDSVERTRETUNGEN<br />

Großbritannien/Irland:<br />

Jens Smith Partnership<br />

The Court, Long Sutton<br />

GB-Hook, Hampshire RG 29 1TA<br />

Phone 01256 862589<br />

Fax 01256 862182<br />

E-Mail: jsp@trademedia.info<br />

Japan:<br />

USA:<br />

Mediahouse Inc.<br />

D.A. Fox Advertising Sales<br />

Kudankita 2-Chome Building Inc. Detlef Fox<br />

2–3–6, Kudankita 5 Penn Plaza, 19th Floor<br />

Chiyoda-ku, Tokyo 102 New York, NY 10001<br />

Phone 03 3234–2161 Phone +1 212 8963881<br />

Fax 03 3234–1140 Fax +1 212 6293988<br />

E-Mail: detleffox@comcast.net<br />

Gekennzeichnete Artikel stellen die Meinung des Autors, nicht<br />

unbedingt die der Redaktion dar. Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte keine Gewähr. Alle in medizin&<strong>technik</strong> erscheinenden<br />

Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch<br />

Übersetzungen, vorbehalten. Reproduktionen gleich welcher Art<br />

nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Stuttgart.<br />

Druck: Konradin Druck, Leinfelden-Echterdingen<br />

Printed in Germany<br />

© 2024 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />

Leinfelden-Echterdingen<br />

Sensorik<br />

Kleinste MEMS-Beschleunigungssensoren mit<br />

Sprachaktivitätserkennung für Wearables und Hearables<br />

Beschleunigungssensor BMA580: Knochenleitung<br />

reduziert den Stromverbrauch<br />

In Hearables, Smartwatches und anderen<br />

tragbaren Geräten ist Platz kostbar und<br />

erfordert kompakte Komponenten.<br />

Gleichzeitig suchen OEMs nach Sensoren<br />

mit integrierten Funktionen, die eine einfache<br />

Implementierung ohne spezifisches<br />

Anwendungswissen ermöglichen. Für<br />

diese Anforderungen hat die Bosch Sensortec<br />

GmbH, Reutlingen, die MEMS-Beschleunigungssensoren<br />

BMA530 und<br />

BMA580 mit integrierten Funktionen entwickelt.<br />

Verglichen mit der Beschleunigungssensorengeneration<br />

(BMA253) von<br />

Bosch haben der BMA530 und der<br />

BMA580 eine um 76 % kleinere Grundfläche.<br />

Die Höhe reduziert sich auf 0,55 mm<br />

dank des Wafer Level Chip Scale Package<br />

(WLCSP). Ihre geringe Größe ermöglicht<br />

eine einfache Montage auf Leiterplatten,<br />

während ihre erweiterten Funktionen<br />

Entwicklern die Integration in ihre tragbaren<br />

Produkte erleichtern.<br />

Der BMA580 beinhaltet eine Sprachaktivitätserkennung<br />

und erweiterte Funktionen<br />

für Hearables. Statt permanent aktivierter<br />

Mikrofone, die viel Strom verbrauchen,<br />

nutzt der BMA580 die Knochenleitung,<br />

um die Stimmschwingungen des<br />

Trägers zu erkennen und das Mikrofon zu<br />

aktivieren. Der Beschleunigungssensor<br />

BMA530 eignet sich für Wearables, aber<br />

auch für Gestenerkennung, Sturzerkennung<br />

und Energiesparfunktionen.<br />

Bosch Sensortec, Reutlingen<br />

www.bosch-sensortec.com<br />

Verschlusselemente<br />

Kappen und Stopfen aus weichen Elastomeren<br />

und harten Kunststoffen<br />

(Bild: Bosch Sensortec)<br />

Verschlusselemente wie Kappen und<br />

Stopfen sind wichtige Komponenten in<br />

den verschiedenen Industriezweigen, von<br />

der Medizin über die Betriebs<strong>technik</strong> bis<br />

zur Lebensmittelverarbeitung. Sie verschließen<br />

Flaschen sowie Laborbehälter<br />

und schützen Rohrenden und Gewindestutzen<br />

vor Korrosion, Schmutz und Beschädigungen.<br />

Die Auswahl des Materials<br />

hängt von der Anwendung ab. Das Produktprogramm<br />

der Reichelt Chemie<strong>technik</strong><br />

GmbH + Co. umfasst Kappen und<br />

Stopfen aus Elastomeren und Kunststoffen.<br />

Bei der einfachsten Form von Kappen<br />

aus Polymeren handelt es sich um Schutzkappen<br />

mit flacher, abgeflachter oder gewölbter<br />

Haube. Sie schützen sensible Materialien<br />

vor mechanischen Beeinträchtigungen,<br />

Spritzwasser und Verschmutzung.<br />

Zum Verschluss von Flaschen und<br />

Behältern eignen sich Gewinde- oder Gewindeschutzkappen.<br />

Stopfen aus Elastomeren<br />

und Kunststoff gibt es in runder,<br />

rechteckiger und quadratischer Form.<br />

Stopfen mit rundem Querschnitt werden<br />

mit zylindrischem oder konischem Körper<br />

gefertigt. Auch Stopfen mit Außengewinde<br />

oder Lamellen sind verfügbar.<br />

Reichelt Chemie<strong>technik</strong>, Heidelberg<br />

www.rct-online.de<br />

Verschlusselemente aus verschiedenen<br />

Kunststoffen<br />

(Bild: Reichelt Chemie)<br />

58 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024


01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 59


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60 medizin&<strong>technik</strong> 01/2024

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