Schwanstetten 2024_04_01-32_neu_Druck
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RATGEBER RECHT<br />
Erbrecht: Erbschleicherei Teil 1<br />
Anhand von aktuellen Fällen in der Kanzlei<br />
und den mittlerweile jahrzehntealten Erfahrungen<br />
aus der Vergangenheit möchte der<br />
Verfasser des Artikels auf das Thema des<br />
Erbschleichens eingehen. Bei einem Todesfall<br />
steht kraft Gesetzes das gesamte Vermögen<br />
des Verstorbenen zur Disposition. Dies<br />
bedeutet, dass es über die erbrechtlichen<br />
Regelungen entsprechend des Gesetzes und<br />
des gegebenenfalls geäußerten letzten Willens<br />
des Verstorbenen <strong>neu</strong>en Eigentümern<br />
zugeordnet werden soll. Diese Situation machen<br />
sich sinister Denkende zunutze, um zu<br />
Geld und Vermögen zu gelangen. Vorab wollen<br />
wir darauf hinweisen, dass es fern liegt,<br />
jedermann sofort der Erbschleicherei zu bezichtigen<br />
oder den Verdacht zu hegen, dass<br />
aus unlauteren Motiven gehandelt wird. Hier<br />
ist jeder Fall einzeln zu betrachten, eine generelle<br />
Beurteilungsskala gibt es hier nicht.<br />
Es gibt grundsätzlich 2 Phasen, in welchen<br />
das Erschleichen von Vermögen, des späteren<br />
Erbes, vorkommt: vor dem Tod und nach<br />
dem Tod. Mit dem Gesetz und den Gestaltungsmöglichkeiten<br />
des Gesetzes ist es wie<br />
mit der Medizin und den Medikamenten:<br />
man kann diese für gute Zwecke einsetzen,<br />
genauso wie man sie als Waffe missbrauchen<br />
kann. Dies kann sogar soweit führen,<br />
dass für in der Sache beauftragte Notare und<br />
Anwälte nicht erkennbar ist, ob es sich im<br />
konkreten Einzelfall um Erbschleichen oder<br />
den tatsächlichen Willen eines Klienten handelt.<br />
Die Grenzen sind hier fließend, oftmals<br />
wird äußerst geschickt gehandelt, sodass<br />
das Erkennen einer solchen Situation nicht<br />
einfach ist.<br />
In der Kanzlei ist aktuell ein Fall, bei dem es<br />
um Erbschleichen vor dem Tod geht. Selbstverständlich<br />
sind sämtliche Handlungen, die<br />
im Rahmen des Erschleichens vorkommen,<br />
zu Lebzeiten des Opfers erfolgt. Nach dem<br />
Tode sind die Gestaltungsmöglichkeiten<br />
für den Erbschleicher äußerst limitiert. Erschleichen<br />
wird von Männern und Frauen,<br />
Diversen, Jung und Alt, also auch querbeet<br />
durch sämtliche Gesellschaftsschichten betrieben.<br />
Es ist auch keinesfalls so, dass nur<br />
arme Menschen sich hier betätigen, auch in<br />
den besten Familien kommt es vor. In dem<br />
konkreten Fall hat ein Ehepaar 35 Jahre<br />
gemeinsam in einem Haus in einer großen<br />
Stadt gelebt. Das Haus hat zum Zeitpunkt<br />
des Erwerbes am Rande der Stadt gelegen<br />
und war wenig wert. Mittlerweile liegt es an<br />
einem Park innerhalb der Stadt und gehört<br />
zu einer der besten Wohnlagen. Allein der<br />
Hauswert ist bei 1,5 Millionen €. Dazu hatte<br />
das Ehepaar noch Geldanlagen und hat gespart,<br />
bescheiden gelebt und somit weitere<br />
500.000 € Vermögen. Vor 2 Jahren ist nun<br />
die Ehefrau plötzlich und völlig unerwartet<br />
verstorben. Der Witwer lebte alleine in dem<br />
großen Haus, seine 3 erwachsenen Kinder<br />
sind über ganz Franken verstreut und besuchen<br />
ihn zwar regelmäßig, doch die meiste<br />
Zeit ist er alleine. Nunmehr hat der Witwer<br />
und Rentner ganz romantisch eine 25 Jahre<br />
jüngere, aus Südamerika stammende Dame<br />
kennengelernt, die er nach bereits 9 Monaten<br />
heiraten möchte. Der Witwer hat seine<br />
<strong>neu</strong>e Lebensgefährtin den Kindern vorgestellt.<br />
Die Begeisterung hielt sich in Grenzen.<br />
Dies lag unter anderem daran, dass die<br />
junge Lebensgefährtin auf einer sofortigen<br />
Hochzeit besteht, sowie der Meinung ist,<br />
dass Franken viel zu kalt ist und der Witwer<br />
es in Südamerika in ihrer Heimat Meer viel<br />
besser hat. Der Witwer ist Feuer und Flamme,<br />
auch wenn die <strong>neu</strong>e Lebensgefährtin<br />
erklärt, dass es vor der Hochzeit keinerlei<br />
Intimitäten geben soll.<br />
Dies hat die Kinder des Witwers bereits alarmiert,<br />
völlig entsetzt waren sie allerdings, als<br />
auch noch plötzlich ein Pflichtteilsverzicht<br />
durch den Witwer zulasten seiner Kinder<br />
gefordert wurde. Nun kann man natürlich<br />
unterstellen, die junge Dame wollte nur<br />
das Beste, der Witwer sei nach langjähriger<br />
Ehe Hals über Kopf verliebt und würde noch<br />
einmal aufblühen, was im zwischenmenschlichen<br />
Bereich durchaus der Fall sein kann,<br />
doch spätestens die schnelle Hochzeit, i.V.m.<br />
dem Pflichtteilsverzicht durch die Kinder,<br />
welchen er nun fordert, lässt völlig zurecht<br />
sämtliche Alarmglocken angehen.<br />
Dazu kommt, dass nunmehr auch noch das<br />
elterliche Haus zügig und deutlich unter<br />
dem Wert verkauft werden soll, damit man<br />
schnell nach Südamerika ans Meer auswandern<br />
kann. In so einer Situation ist es klar,<br />
dass hier „wahre Liebe“ vorhanden ist: nämlich<br />
allein zum Geld. Selbst wenn man völlig<br />
blauäugig die Situation betrachtet, sich alles<br />
Mögliche im zwischenmenschlichen Bereich<br />
noch vorstellen kann, dann sind sämtliche<br />
Einzelfaktoren zusammengenommen im<br />
Ergebnis eindeutig. Mit der Hochzeit nach<br />
deutschem Recht entsteht ein gesetzlicher<br />
Erbanspruch von 50 % des Erbes im gesetzlichen<br />
Güterstand der Zugewinngemeinschaft.<br />
Durch das auswandern i.V.m. dem<br />
schnellen Hausverkauf wird sämtliches Vermögen<br />
nach Südamerika verlagert. Damit<br />
ist es jedem Zugriff der Kinder selbst nach<br />
dem Tode des Vaters entzogen. Der Pflichtteilsverzicht<br />
bewirkt, dass selbst wenn noch<br />
Vermögen da wäre, selbst wenn kein Testament<br />
da wäre, die Kinder nichts bekommen<br />
werden. Dies bedeutet, dass hier jemand<br />
professionell vorgeht, dies ohne Rücksicht<br />
auf Verluste. Die abschließende Frage, wie<br />
lange der Witwer dann in Südamerika noch<br />
zu leben hat, wollen wir an dieser Stelle besser<br />
gar nicht betrachten. Reden wir darüber,<br />
bevor es für sie zu spät ist.<br />
Stephan Baumann<br />
Rechtsanwalt<br />
Fachanwalt für Familienrecht<br />
Erbrecht<br />
PR-Text<br />
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Stephan Baumann, Rechtsanwalt und Mediator<br />
Fachanwalt für Arbeits- und Familienrecht, Fachanwaltslg. für Erbrecht<br />
Dozent a. D. an der GEORG-SIMON-OHM Hochschule Nürnberg<br />
Peter Spies, Rechtsanwalt und Dozent der Verwaltungsgenossenschaft<br />
Wir sind für Sie auch auf<br />
folgenden Rechtsgebieten tätig:<br />
• Arbeitsrecht<br />
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<strong>32</strong> <strong>04</strong> | <strong>2024</strong>