Inspiration Nr 02- 2024
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Gipfeltreffen Nicole Niquille<br />
Thema Rubrik<br />
«Nur wer seinen<br />
Weg geht, hinterlässt<br />
Spuren.»<br />
Nicole Niquille war die erste Bergführerin mit Schweizer Pass und an<br />
den höchsten Bergen der Welt aktiv. Seit einem Unfall vor genau 30<br />
Jahren sitzt sie im Rollstuhl. Im Interview spricht sie über modernes<br />
Höhenbergsteigen, Barrierefreiheit am Berg und im Alltag – und<br />
warum das Breithorn für sie heute schöner ist als früher.<br />
Interview Stephanie Geiger<br />
«Wenn man lebt, dann muss<br />
man auch etwas erleben,<br />
sonst existiert man nur.» Auch<br />
nach vielen Höhen und Tiefen<br />
blickt Nicole Niquille, Jahrgang<br />
1956, unbeirrbar nach vorne.<br />
Nicole Niquille, wir haben schon lange<br />
nichts mehr gehört von Ihnen. Wie geht<br />
es Ihnen?<br />
Es geht mir sehr gut, danke. Mein Leben hat<br />
an dem Tag, an dem ich an den Rollstuhl gefesselt<br />
wurde, nicht aufgehört, es hat sich<br />
nur in eine andere Richtung entwickelt. Es<br />
ist nicht das Leben, von dem ich als Teenager<br />
geträumt hatte – ein Leben in den Bergen,<br />
mit Seilgefährten geteilt, das Gesicht<br />
Wind und Wetter ausgesetzt. Ich hatte das<br />
Privileg, dieses Leben ein Jahrzehnt lang<br />
zu leben! Aber ich würde mein jetziges Leben<br />
gegen das Leben von niemandem eintauschen<br />
wollen! Es ist mein Leben und ich<br />
liebe es mit all seinen Hindernissen.<br />
Seit dem Unfall im Mai 1994 sind mittlerweile<br />
fast dreissig Jahre vergangen. Auf<br />
einer Skala von 0 bis 10, wie stark muss<br />
man sein, um das Leben von Nicole Niquille<br />
leben zu können?<br />
Zehn. Ganz klar.<br />
Ich würde die Skala sogar erweitern und<br />
elf sagen. Sie waren vielfach Pionierin:<br />
1986 waren sie die erste Schweizerin mit<br />
Bergführerdiplom. Sie waren die erste<br />
Frau, die ohne Flaschensauerstoff eine<br />
Höhe von über 8000 Metern erreichte. Am<br />
K2 war das. Rekorde aufzustellen, die Erste<br />
zu sein, ist Ihnen so etwas wichtig?<br />
Darum ging es mir nie und geht es mir auch<br />
heute nicht. Als ich Bergführerin wurde,<br />
wusste ich nicht, dass ich die erste Schweizerin<br />
sein würde. Damals gab es schon<br />
Renata Rossi, die Bergführerin war und in<br />
der Schweiz lebte. Sie ist aber Italienerin.<br />
Und so war ich eben die erste Bergführerin<br />
mit Schweizer Pass. Weil ich ohne Flaschensauerstoff<br />
auf den K2 steigen wollte,<br />
ist es so gekommen, dass ich die erste Frau<br />
auf über 8000 Metern ohne Flaschensauerstoff<br />
war. Ich lebe mit diesen Rekorden. Ich<br />
habe es jedenfalls nicht darauf angelegt,<br />
aber sie haben mir gezeigt, dass ich schon<br />
ganz gut sein muss, wenn ich das erreiche.<br />
Foto: Caroline Fink<br />
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