Vorschau Herbst 2024
Neuerscheinungen Herbst 2024
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NEUERSCHEINUNGEN<br />
»Andersch war nicht Trinker, nicht Frauenjäger, nicht süchtig. Dagegen stand<br />
sein Verstand. Er wollte die Welt verändern und wußte, das kann ich nicht.<br />
Er zeichnete sie.«<br />
Wolfgang Koeppen<br />
Alfred Andersch (1914–1980) besetzte in der<br />
Nachkriegszeit und den 1950er Jahren Schlüsselpositionen<br />
im westdeutschen Literaturbetrieb,<br />
gründete wegweisende Zeitschriften (»Der Ruf«,<br />
»Texte und Zeichen«) und Radioreihen, in denen<br />
er dem Feature eine ›funkische‹ Form, dem<br />
Hörspiel neue originelle Töne, der Streitkultur<br />
eine pluralistische Ausrichtung und mit alldem<br />
zahlreichen Kolleginnen wie Kollegen, umstrittenen<br />
wie unbekannten, gut bezahlte Sendungen<br />
verschaffte. Ein Pionier demokratischer<br />
Medienarbeit, stand er auch in seiner Autorschaft<br />
auf Seiten der littérature engagée. Der Stil<br />
seiner Prosa ist knapp und berichtend, seine<br />
Vorbilder waren Jean-Paul Sartre und Ernest<br />
Hemingway. Sein eigentliches Ziel, die Existenz<br />
als freier Schriftsteller, erreichte er endgültig<br />
1957 mit dem Roman »Sansibar oder der letzte<br />
Grund«. 1958 wanderte er, angewidert auch von<br />
der politischen Entwicklung in Deutschland, mit<br />
der Familie in die Schweiz aus.<br />
Eingeleitet wird der Band mit ausgewählten<br />
Briefen Anderschs an die Malerin und Grafikerin<br />
Gisela Groneuer. Sie erzählen von einer großen<br />
Liebe und vom Werden und Zusammenwachsen<br />
eines unkonventionellen Künstlerpaares. Die<br />
Briefe setzen mit Anderschs Rückkehr aus der<br />
amerikanischen Kriegsgefangenschaft im<br />
<strong>Herbst</strong> 1945 ein und erstrecken sich über vier<br />
Jahre, bis die Liebenden im Sommer 1949<br />
endlich ein gemeinsames Leben beginnen<br />
können.<br />
Seines Könnens war Andersch sich sehr bewusst;<br />
das machte ihn angreifbar. Denunziationen<br />
wurden lanciert, über seine Haft im KZ Dachau<br />
und über seine Desertion, die angeblich<br />
Erfindungen seien, über die Scheidung von<br />
seiner ersten Frau, die er böswillig im Stich<br />
gelassen habe. Quellenfunde entkräften diese<br />
Anwürfe und überraschen mit neuen Erkenntnissen.<br />
So war es bisher völlig unbekannt, dass<br />
Andersch aktiv der Resistenza zuarbeitete, bevor<br />
er während seines Kriegseinsatzes in der<br />
Toskana 1944 zu den Amerikanern überlief.<br />
Die literaturwissenschaftlichen Beiträge greifen<br />
einzelne Aspekte auf, die das Spektrum seines<br />
Schaffens wie seines Netzwerkens zeigen.<br />
Anderschs Engagement für einen demokratischen<br />
Rundfunk erweist sich am Abendgespräch<br />
zwischen Carl Schmitt und Werner Warnach.<br />
Andersch unterstützt Heinrich Böll, umwirbt<br />
Hans Werner Henze oder tritt energisch für Arno<br />
Schmidt ein. Von Beginn an ist sein Erzählwerk<br />
geprägt vom Umschlag genau beschriebener<br />
Faktizität in Utopie, noch verhalten bleibt die<br />
Auseinandersetzung mit den Verbrechen der<br />
Nationalsozialisten.<br />
MIT BEITRÄGEN VON<br />
Norman Ächtler, Lorenzo Bonosi, Axel Dunker, Clemens Fuhrbach, Carlo Greppi, Sven Hanuschek,<br />
Diego León-Villagrá, Angela Reinthal u. a.