Programmheft herunterladen - Münchner Philharmoniker
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Gellermann: Es wäre natürlich für das<br />
Orchester angenehm gewesen, öfter mit<br />
Levine zu arbeiten. Aber er hatte einen<br />
Vertrag und den hat er voll erfüllt. Wenn<br />
München mehr gewollt hätte, hätte die<br />
Stadt einen anderen Vertrag schließen<br />
müssen. Übrigens befürchte ich, dass unter<br />
Christian Thielemann ähnliche Klagen zu<br />
hören sein werden. Er wird, und zwar erst<br />
ab der dritten Spielzeit, 30 Konzerte dirigieren,<br />
das sind gerade sechs Abende<br />
mehr als Levine. Ist das etwa so gigantisch<br />
mehr?<br />
Ist zumindest der Wunsch, Thielemann<br />
möge das Heft bei den <strong>Philharmoniker</strong>n<br />
wieder stärker in die Hand nehmen,<br />
eine Art Rückwendung zum Bild des Übervaters,<br />
wie es Celibidache war?<br />
Gellermann: Die Sehnsucht nach einem<br />
Übervater, einem musikalischen Beschützer,<br />
der für einen einsteht und mit dem man<br />
Erfolg hat, gibt es in allen Orchestern. Aber<br />
die Zeit der Diktatoren am Dirigentenpult,<br />
die ihr Orchester wie ein Privatinstitut behandelten,<br />
ist doch ein für allemal vorbei.<br />
Es stimmt, bei Levine war das Orchester<br />
deutlich mehr auf sich selbst gestellt. Das<br />
hatte aber den Vorteil, dass es eine künstlerische<br />
Selbstverantwortung entwickeln<br />
musste. Erst wenn ein Klangkörper ein solches<br />
Selbstbewusstsein besitzt, ist es ein<br />
adäquater Partner für einen großen Dirigenten.<br />
Und nicht nur willfähriges Instrument,<br />
ein verlängerter Arm sozusagen.<br />
Was waren, neben dem Programm, die<br />
wichtigsten Neuerungen Ihrer Amtszeit?<br />
Gellermann: Ganz vorne: Unsere dezidierte<br />
Jugendarbeit. Wir führen heute pro Spielzeit<br />
etwa 20.000 Kinder und Jugendliche in<br />
mehr als 150 Veranstaltungen an die klassische<br />
Musik und die Orchesterarbeit heran.<br />
Als wir damit begannen, waren wir in<br />
München die ersten. Heute ist es längst<br />
Standard. Keiner kann es sich mehr leisten,<br />
auf Jugendarbeit zu verzichten. Auch bei<br />
der Darstellung des Orchesters im Internet<br />
und auf CD-ROM waren wir ganz vorne<br />
dabei. Man kann sich jetzt sogar unsere<br />
<strong>Programmheft</strong>e vor dem Konzert aus dem<br />
Internet <strong>herunterladen</strong> und eingehend stu-<br />
dieren. Diesen Service gibt es nur bei uns.<br />
Nicht zuletzt haben wir mit den anlässlich<br />
des Millennium 2000 konzipierten Open Air<br />
Konzerten „Klassik am Odeonsplatz“ ein<br />
großes neues Publikum gewinnen können.<br />
Wenig geschehen ist bei der Vermarktung<br />
des Orchesters auf dem Schallplattenmarkt.<br />
Gellermann: Da ist in der Ära des Schallplattenverächters<br />
Celibidache leider eine<br />
große Chance vertan worden. Immerhin ist<br />
es mir trotz eines desolaten CD-Marktes<br />
gelungen, die Celibidache-Edition zu platzieren,<br />
die auch sehr erfolgreich ist. Zu<br />
Weihnachten soll sogar ein neuer Schuber<br />
auf den Markt kommen. Außerdem arbeiten<br />
wir an einer Levine-Edition, welche<br />
die Repertoirevielfalt unter seiner Ägide<br />
demonstrieren soll.<br />
Kann man eigentlich in Zeiten der Überflutung<br />
mit Kommerz-Musik junge Leute<br />
überhaupt noch für Klassik gewinnen?<br />
Gellermann: Im Prinzip, ja. Da bin ich gar<br />
nicht so pessimistisch. Im Grunde hat<br />
jeder das Potenzial, Klassik zu entdecken.<br />
Denken Sie nur an den türkischen Pianisten<br />
Fazil Say, der nach Ostanatolien geht, wo<br />
man üblicherweise keine Sinfonieorchester<br />
hört. Er spielt dort in Turnhallen und erklärt<br />
die Musik – und Tausende kommen, um<br />
ihm zuzuhören. Oder nehmen Sie das Beispiel<br />
von Daniel Barenboim, der jungen<br />
palästinensischen Musikern Gelegenheit<br />
gibt, mit ihm die grenzenlose Musik zu entdecken.<br />
Keine Kontrolle ist zu streng, um<br />
nicht doch zum Unterricht oder zu Proben<br />
in Ramallah zusammen zu kommen. Das<br />
sagt doch alles. Was gerade in Deutschland<br />
fehlt, ist die frühe Heranführung an die<br />
Musik zu Hause und in der Schule; Schlüsselerlebnisse<br />
zu vermitteln. Da gibt es<br />
große Defizite. Was ist eigentlich in unserer<br />
Gesellschaft passiert, dass die Hemmschwellen<br />
so hoch geworden sind? Sicher<br />
auch wegen der Konkurrenz und Reizüberflutung<br />
durch die rein kommerzielle Musik<br />
mit ihrem Entertainmentstatus und schnell<br />
wechselnden „Idolen“. Aber ist es nicht<br />
hoffnungsvoll, die zahlreichen Jugendorchester<br />
in vielen Ländern der Welt mit<br />
wachsender Teilnehmerzahl zu beobachten?<br />
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