mo. 04.02.2013 - Rondo
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adam bałdych<br />
Wonne mit dem Bogen<br />
Das Geigen-kapitel der Jazz-Lexika ist übersichtlich. Jetzt erfährt es<br />
eine substanzielle erweiterung: In new York macht der franzose Scott<br />
tixier von sich reden, und der aus Polen stammende adam bałdych<br />
schreibt auf act Jazzgeschichte.<br />
neben frankreich mit Jean-Luc Ponty, dem Godfather<br />
der <strong>mo</strong>dernen Jazz-Geige, ist Polen mit<br />
Michał urbaniak und Zbigniew Seifert die andere<br />
große Jazzgeiger-nation. Dort besuchte 1995 der<br />
neunjährige bałdych zum ersten Mal eine Musikschule.<br />
Zwei Jahre später wechselte er vom klavier<br />
zur Geige. Weitere zwei Jahre später wurde er<br />
vom Jazz-bazillus befallen und mit 16 war er bereits<br />
international auf tournee. es folgte ein Studium<br />
in boston am berklee College und schließlich<br />
die umsiedlung nach new York. Stets jedoch<br />
hielt er kontakt zu Musikern seiner Heimat. beim<br />
berliner Jazzfest wurde er 2011 bejubelt, und die<br />
faZ pries ihn als »zweifellos größten Geigentechniker<br />
des Jazz«.<br />
Diese ausnahmebegabung blieb auch Siggi<br />
Loch nicht verborgen. Zusammen mit nils Landgren<br />
stellte er für den Polen eine maßgeschneiderte<br />
Studioband zusammen und produzierte ein außergewöhnliches<br />
album für sein echo-Preisträger-Label.<br />
Den Herkunftsländern der Musiker gemäß<br />
firmiert das ensemble als the baltic Gang.<br />
Dabei handelt es sich nicht etwa um eine besetzung,<br />
die auf bläser verzichtete, um die Geigenlinien<br />
nicht blass erscheinen zu lassen; nein, sie<br />
sucht vielmehr die komplementäre konfrontation<br />
mit einer trompete, gespielt vom finnischen Star<br />
Verneri Pohjola, und einem Saxofon, gespielt von<br />
Marius neset. nordische Weite und urbane Dichte<br />
ergeben sich als Spannungsfeld. unterfüttert wird<br />
es von Jacob karlzon am klavier, dem begnadeten<br />
Lars Danielsson am kontrabass (und Cello) und<br />
dem Meister vertrackt leichtfüßig lichter rhythmik,<br />
Morten Lund, am Schlagzeug. Gewisserma-<br />
20 RONDO 3/2012<br />
Muss nicht im Vordergrund stehen: Jazz-Revolutionär<br />
Adam Bal ´ dych an der Violine.<br />
ßen als Sahnehäubchen steuert Co-Produzent nils<br />
Landgren auf zwei tracks eine wunderbar samtene<br />
Posaunenstimme bei.<br />
Diese baltic Gang ist also ein wahres Staraufgebot.<br />
Doch es ist alles andere als eine allstar Jam<br />
Session entstanden. adam bałdych zeichnet als<br />
komponist und arrangeur des Programms verantwortlich.<br />
Ganz natürlich verbindet er wonnevoll<br />
elegisch nordisches mit eastcoast Sound und osteuropäischen<br />
reminiszenzen. Die Stimmen sind<br />
dabei seinen Mitmusikern auf den Leib geschrieben.<br />
nie drängt die Geige in den Vordergrund, sie<br />
ist vielmehr integrierter und gänzlich ebenbürtiger<br />
teil des bläsersatzes. Durch die so entstehende Dosierung<br />
des Streicherklanges, vor allem aber durch<br />
bałdychs spezifischen ton kommt nie dieser sägende<br />
Überdruss-effekt auf, den das elektrisch verstärkte<br />
Instrument mitunter auf Dauer auch bei den<br />
größten seiner kollegen auslöst. bałdychs bogen<br />
lässt die Geige singen, nicht aber im Sinne schluchzenden<br />
belcantos, sondern vielmehr im Sinne eines<br />
blues intonierenden Saxofons.<br />
ein Glück, dass dieses beglückende Studioprojekt<br />
auch live eine umsetzung erfahren wird. am<br />
30. Juni ist adam bałdych & the baltic Gang bei<br />
Jazz baltic zu erleben. thomas fitterling<br />
Neu erschienen:<br />
Adam Baldych &<br />
The Baltic Gang<br />
Imaginary room<br />
(aCt / edel 1095322aCt)