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mo. 04.02.2013 - Rondo

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Jazz CDs<br />

Vijay Iyer<br />

ACCELErANDO<br />

ACT/edel 1095242ACT/<br />

1095241ACT (LP) (60 Min., 8/2011)<br />

Das Trio bleibt das apollinische idealfor-<br />

mat für das Klavier. iyer hat mit stephan<br />

Crump am Bass und Marcus Gil<strong>mo</strong>re am<br />

schlagzeug seine alten Partner um sich ver-<br />

sammelt, und es entfaltet sich in einer iyer-<br />

typischen Mischung aus Originals und gen-<br />

reübergreifenden Fremdkompositionen ein<br />

Höchstmaß an Gruppenidentität. Ob kom-<br />

plementär oder gegenläufig zum Klavier,<br />

stets sind die stimmen auf es bezogen und<br />

von größtem Momentum. Besonders span-<br />

nend ist die Anverwandlung des Michael<br />

Jackson-Hits »Human Nature«: Hier scheint<br />

sie auf, diese typisch iyer’sche, intellektuell<br />

durchdrungene synthese von Keith Jarrett<br />

und McCoy Tyner aus dem Geiste südin-<br />

discher rückbesinnung. im Klangbild führt<br />

das allerdings – besonders durch die Be-<br />

tonung der unteren Mitte des schlagzeugs<br />

auf Kosten der lichten Beckenarbeit – fast<br />

zu einer dunklen Verklumpung. Welch unvergleichlicher<br />

Meister offener Ökonomie<br />

und tiefgründiger Lakonik iyer auch sein<br />

kann, beweist er mit der herrlich transparenten<br />

interpretation eines seiner Lieblingsstücke<br />

des großen verkannten Monk-schülers<br />

Herbie Nichols. Thomas Fitterling<br />

Red Baraat<br />

CHAAL BABy<br />

Jaro 4307-2<br />

(55 Min., ohne Aufnahmedatum)<br />

Balkan-Bläser, Bollywood-schlager, Mar-<br />

ching-Band-rock à la Trombone shorty –<br />

bei der neunköpfigen New yorker Forma-<br />

tion red Baraat könnte der Eindruck ent-<br />

stehen, dass ein genialischer Worldmu-<br />

sic-Produzent alles in einen schmelztiegel<br />

geworfen hat, was Ethno-Fans in den ver-<br />

gangenen Jahren zum Tanzen brachte.<br />

Dem ist allerdings nicht so. Hinter red<br />

Baraat steht der in rochester/New york auf-<br />

gewachsene schlagzeuger und Perkussio-<br />

nist sunny Jain, der ähnlich wie Vijay iyer<br />

30 RONDO 3/2012<br />

die Musik seiner indischen Eltern in einen<br />

<strong>mo</strong>dernen Us-amerikanischen Kontext<br />

setzt. Und wie er das tut!<br />

Ähnlich wie beim namensgebenden<br />

»Baraat«, dem traditionellen nordindi-<br />

schen Hochzeitsumzug, steht auch hier<br />

die Dhol, eine fassförmige Umhängetrom-<br />

mel, im Zentrum des Geschehens. Gemein-<br />

sam mit zwei weiteren Perkussionsinstru-<br />

menten sorgt sie bei red Baraat für eine<br />

fingerflirrende, brodelnde rhythmusbasis,<br />

die die sechs Bläser – darunter ein ausneh-<br />

mend wendiges sousafon als Bassstimme –<br />

zum Abheben bringt.<br />

Gewiss: red Baraat macht 1a Tanzmusik<br />

im Geiste von Fanfare Ciocarlia oder Go-<br />

ran Bregovic und lässt dabei ungehemmt<br />

New-Orleans-Backbeats auf indischen Fol-<br />

klore-Frohsinn los. Auch live ist die Band<br />

eine Wucht, wie die zwei vor Hu<strong>mo</strong>r und<br />

HipHop-Vibes strotzenden Konzertmitschnitte<br />

am Ende des Albums beweisen.<br />

Was red Baraat aber so besonders macht,<br />

sind die vorzüglichen solisten sowie die<br />

überraschend feinsinnigen Bläserarrangements.<br />

Bei »Arcana« und »samaro Mantra«<br />

meint man doch glatt, Gil Evans und Vince<br />

Mendoza lächelnd auf einem indischen Elefanten<br />

sitzen zu sehen. Josef Engels<br />

Marc Copland Trio<br />

sOME MOrE LOVE sONGs<br />

Pirouet/Edel 1018062POU<br />

(49 Min., 10/2010)<br />

Von Platte zu Platte wird deutlicher, welch<br />

exzellenter und sensibler Pianist der Ameri-<br />

kaner Marc Copland ist. Man kann ihn schon<br />

zu den weisen, alten Männern zählen –<br />

entsprechend unaufgeregt klingen auch<br />

»some More Love songs«, die er 2010 als<br />

62-Jähriger aufgenommen hat. Hier muss<br />

kein Heißsporn mehr eine Frau oder ein<br />

Publikum erobern, hier nimmt einer mit<br />

Gelassenheit, Aufmerksamkeit und leisem<br />

Hu<strong>mo</strong>r für sich ein. Wie schon bei der<br />

2005 eingespielten sammlung von »some<br />

Love songs« begleiten ihn der Bassist Drew<br />

Gress und der schlagzeuger Jochen rück-<br />

ert – mal schwingen sie einfühlsam mit,<br />

mal setzen sie sich eigenständig ab, ge-<br />

rade so, wie es in einer angenehmen Ge-<br />

Meilensteine des Jazz #75<br />

Gerry Mulligan and the Concert Jazz Band<br />

AT THE ViLLAGE VANGUArD<br />

Poll Winners Records PWR 27292 (gekoppelt mit dem Album<br />

»A Concert In Jazz«) (74 Min., 11/1960 und 7/1961)<br />

Diese eben erschienene Kopplung der Alben »At The<br />

Village Vanguard« und »A Concert in Jazz« ist der silberling<br />

der Wahl, um an ein Orchester zu erinnern, das<br />

wegen der Kürze seines Bestehens – 1960 bis 1962 – zu<br />

wenig Beachtung gefunden hat. Die Concert Jazz Band<br />

verfügte über geistvolle solisten, etwa den hu<strong>mo</strong>rvoll<br />

phrasierenden Trompeter Clark Terry und den 2011 verstorbenen<br />

Bob Brookmeyer, seines Zeichens der bedeutendste<br />

Ventilposaunist des ausgehenden 20. Jahrhunderts und ein bedeutender<br />

Arrangeur. Mulligan, führender Baritonsaxofonist und gelegentlicher Pianist der<br />

klavierlosen Formation, konzentrierte sich trotz seiner schreiberischen Fähigkeiten<br />

mehr auf seine solistischen Beiträge und ließ einige der bedeutendsten Arrangeure<br />

jener Jahre ans ruder, die wie Gary McFarland eigens für das kleine Orchester schreiben<br />

und dabei auf typische Bigband-Klischees verzichteten. George russell steuerte<br />

»All About rosie« und Johnny Carisi eine neue Version seines Blues »israel« bei, einst<br />

eine Wegmarke der beginnenden Cool Jazz-Ära. Obwohl hochkarätige Arrangeure<br />

am Werk waren, kam es nie zu einer überbetonung des Geschriebenen. im Gegenteil:<br />

Allenthalben fasziniert die vollkommene Balance zwischen Arrangement und<br />

improvisation. über lange strecken herrscht die Lockerheit einer gut geplanten Jam<br />

session. Die Arrangements, beflügelnde sprungbretter, nicht den ideenfluss hemmende<br />

Korsetts, sind im Geiste des Combo Jazz gehalten und verraten doch überall<br />

den scharfsinn ihrer schöpfer, die der überladenheit mancher Bigband-Musik jener<br />

Tage eine klar Absage erteilten. Von den 13 Musikern hört man meist nur Grüppchen,<br />

in kontrapunktischen stimmengeflechten wie sie auch Mulligans frühere Quartette<br />

und sextette auszeichneten. Mulligan schrieb mit seiner leichtfüßig, doch alles andere<br />

als leichtgewichtig swingenden Concert Jazz Band, ein wichtiges Kapitel in der<br />

Geschichte des orchestralen Jazz! Marcus A. Woelfle<br />

sprächsrunde üblich ist. sie träumen ge-<br />

meinsam bei »When i Fall in Love« und<br />

sie gestalten Joni Mitchells »i Don’t Know<br />

Where i stand« als von Zögern und Wi-<br />

dersprüchen gestaltete suche, in der sich<br />

das Hauptthema als fester Halt erweist. Et-<br />

was drängender – und auch aufgewühlter –<br />

gehen sie »My Funny Valentine« an, und<br />

Cole Porters »i’ve Got you Under My skin«<br />

kribbelt unter der Oberfläche des Themas<br />

bei ausschweifenden Variationen. Jeder der<br />

sieben Titel erzählt durch seine struktur<br />

eine eigene Geschichte – so auch das anrüh-<br />

rende, immer wieder auf Höhepunkte zu-<br />

steuernde, knapp davor abbrechende und<br />

einen nächsten Anlauf nehmende »Eighty<br />

One«, das ron Carter 1965 mit Miles Davis<br />

für dessen Album »E.s.P.« aufgenommen<br />

hatte. Marc Copland ist erneut eine wunderbare<br />

sammlung von Liebesliedern gelungen.<br />

Werner Stiefele<br />

Jazz ’N’ Spirit<br />

sECUNDO<br />

Audimax/Codaex AUD 912 1724<br />

(SACD, 67 Min., 6/2011)<br />

im Jazz gab es immer einen sinn für gutes,<br />

gehaltvolles Liedmaterial. Warum also als<br />

klassisch sozialisierter mitteleuropäischer<br />

Jazzer sich nicht auf das alte Kirchengesangbuch<br />

als ein Great European songbook<br />

besinnen, dessen Qualität die Jahrhunderte<br />

überdauert hat?<br />

Albert Mangelsdorff hat das einst mit<br />

großem respekt und entsprechendem Erfolg<br />

getan. Der saxofonist und Klarinettist<br />

Dirk Piezunka, sein Kontrabassisten-Bruder<br />

Jens und der Akustikgitarre spielende<br />

Martin Flindt tun genau dies. Aus einem<br />

aktualisierten Verständnis der Cool-Jazz-<br />

Ästhetik heraus betreiben sie die Anverwandlung<br />

der alten Melodien von Orlando<br />

di Lasso, Hans Leo Haßler, J. s. Bach und<br />

anderen. Nichts wirkt dabei aufgesetzt,<br />

verjazzt oder effekthascherisch gegen<br />

den strich gebürstet. Dabei ist der Klang<br />

des saxofons eine erfolgreiche Gratwanderung:<br />

Melodieselig und virtuos gespielt<br />

hat das instrument gerade genügend stan-<br />

Getz-Anteil, um nicht in das süßlich glatte<br />

Klangideal der Klassiktradition zu kippen.<br />

Gitarre und Bass stehen dem Bläser<br />

an Beweglichkeit und Anmut nicht nach.<br />

secundo ist das überzeugende Folgealbum<br />

des gefeierten CD-Debüts des Trios.<br />

Thomas Fitterling

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