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mo. 04.02.2013 - Rondo

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Fanfare<br />

Roland Mackes über Konzert- und<br />

Opern höhepunkte<br />

Berlin, München, Frankfurt, Hamburg. Das wären eigentlich die Metropolen,<br />

wo man eine weltberühmte Tanzkompanie wie das New York City Ballet erwarten<br />

würde, wenn es – reiseunlustig, teuer und zu Hause sehr beschäftigt –<br />

nach 32 Jahren und nur wenigen, ausgewählten Touren mal wieder den Weg<br />

nach Deutschland findet. Doch der seit 1990 amtierende Company-Chef Peter<br />

Martins und 60 seiner 90 Tänzer gastieren stattdessen in Ludwigshafen<br />

und Baden-Baden. Also auf in die Pfalz, zwei Tage lang deutsche Tanzweltstadt.<br />

Hier stellt man beglückt fest: Beim NYCB gilt nach wie vor – Der Star<br />

ist die Truppe. Natürlich hatten sich George Balanchine und Jerome Robbins,<br />

die beiden russischstämmigen Hauptchoreografen von Amerikas nach<br />

wie vor in der Klassik tonangebender Tanztruppe, einst durchaus individuelle<br />

Solisten herangezogen. Aber die blütenhaften, dabei hochkomplexen Arrangements<br />

zu Mozarts »Divertimento No. 15« oder die strengen Formationen in<br />

Strawinskys »Symphony In Three Movements« muss eine Gruppe erst einmal<br />

mit solcher spielerischen Präzision hinbekommen.<br />

Balanchine wird längst auch in Deutschland viel getanzt, doch seine ureigene<br />

Truppe ist diesem Bemühen nach wie vor um Lichtjahre voraus: Sie alle<br />

sind hochgezüchtete Magnolien aus Stahl und Samt. Und in Robbins‹ »Dances<br />

At A Gathering« ist die zärtliche Paarvertrautheit der zehn nicht nur durch<br />

ihre Kostümfarben voneinander abgesetzten, sich während sechzig seliger Minuten<br />

zu immer neuen Chopin-Begegnungen verflechtenden Protagonisten<br />

technisch auch nicht ohne. Mr. B ist seit 29 Jahren tot, Robbins seit 14 – und<br />

trotzdem scheint ihr Geist auch in der jüngsten, fast zur Gänze in der eigenen<br />

Schule ausgebrüteten NYCB-Tänzergeneration zu leuchten.<br />

Eher provinziell ging es indessen in der Hauptstadt Berlin zu. Da komplettierte<br />

die Deutsche Oper ihr viel gerühmtes Wagner-Repertoire, den 200.<br />

Richard-Geburtstag fest im Blick, mit einem neuen »Lohengrin«. Der aussah<br />

wie der alte. Auf von mausgrauen Wänden eingefasster Szene zwischen<br />

Schwanenschatten, Riesenkreuz, Münster im Goldrahmen und roter Theatergardine<br />

wird eine Götz-Friedrich-Schlachtplatte mit Burgfräuleins, Kräuterhexen<br />

und marschierenden Massen angerichtet. Kasper Holten, Chef der<br />

Londoner Covent Garden Opera, ist im pragmatischen Fahrwasser gestrandet,<br />

versteckt sich im Halbdunkel politischer Andeutung, wirft Köder aus und<br />

belohnt nur mit altbackener Personenführungs-Konfektion.<br />

Unten, wo Donald Runnicles waltet und rührt, klingt es nie sonderlich poe-<br />

38 RONDO 3/2012<br />

Noch immer haben die Choreografien von Robbins nichts an Inspiration eingebüßt<br />

– wenn sie vom New York City Ballet getanzt werden (r). Musiktheaterglück:<br />

Händels Orlando in Brüssel mit Bejun Mehta und Sun-Hae Im (l).<br />

tisch. Der Generalmusikdirektor entfesselt keine Zartheit und kein Hassgebrodel,<br />

nur – wenn keiner singt – Lautstärke als schottischen Highlander-Gewaltmarsch.<br />

Mehr Schatten als Licht auch bei den Sängern, wäre nicht zu seiner<br />

dritten Berliner »Lohengrin«-Produktion und zum wiederholten Mal Klaus<br />

Florian Vogt eingesprungen. Dessen Knabentrompete gewinnt immer mehr<br />

an virilen Farben, wie ein Astralkörper schwebt diese Stimme durch die herkulische<br />

Partie. Ungenügend die silbenverschluckenden Brummbären Albert<br />

Dohmen (Heinrich) und Gordon Hawkins (Telramund). Ricarda Merbeth als<br />

trutschige Elsa ohne Höhenglanz steigerte sich vehement im Brautgemach.<br />

Brabants vokale Retterin war aber Petra Langs virtuos vitriolspeiende Ortrud:<br />

die gegenwärtig beste Böse unter der »Lohengrin«-Sonne. Und natürlich die<br />

großartigen Mannen und Frauen: Heil, Chordirektor William Spaulding!<br />

In Berlin ist auch René Jacobs ein regelmäßiger Operngast, so wie in Wien<br />

und Brüssel. Doch an der Spree gelang ihm schon lange nicht mehr eine so<br />

makellose Produktion wie jetzt in Belgien mit Händels »Orlando«. Die düster<br />

psychologische Oper um den liebesirren Ritter Roland hat Pierre Audi<br />

als Trip in den Kopf eines Brandstifters inszeniert. Jacobs dirigierte erstmals<br />

das Genter Barockorchester B’Rock mit Verve und hinreißender Musikalität.<br />

Und Bejun Mehta, seit einiger Zeit sein bevorzugter Countertenor, riskierte<br />

alles: Wut und Koloraturzartheit. Dreieinhalb Stunden Musiktheaterglück.<br />

In Berlin biegt auch der stets mürrische Regieverweigerer Marek Janowski<br />

mit seinem Wagner-Zehnerpack mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester<br />

langsam in die Zielgerade. Nächste Saison droht nur noch der »Ring« (den<br />

dann auch Si<strong>mo</strong>n Rattle, Donald Runnicles und Daniel Barenboim dirigieren<br />

werden), gerade wurden ein eher sachlicher »Tristan« und ein tänzerisch<br />

beschwingter »Tannhäuser« gemeistert; beide Male mit der wunderbar dunkel<br />

nachdrücklichen, in den lokalen Opernhäusern seltsamerweise nie auftretenden<br />

Nina Stemme, mit Steven Gould als tenorelefantös nicht aus der<br />

Ruhe zu bringendem Tristan, Robert Dean Smith als zaghaft unsinnlichem<br />

Tannhäuser und dem liedhaft zarten wie melodramatisch durchdringenden<br />

Christian Gerhaher als wohl weltbestem Wolfram. Doch der nachdrücklichste<br />

Pluspunkt dieses gigantomanen Unternehmens bleibt der grandiose, sonst<br />

in der Oper selten zu hörende Rundfunkchor. Einzig dafür lohnt es sich. Im<br />

»Ring« haben dann nur noch die Mannen in der Gibichungenhalle Lautes und<br />

Kurzes zu vermelden.

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