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Mit Ritalin leben - E-cademic

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Rolf Haubl / Katharina Liebsch, <strong>Mit</strong> <strong>Ritalin</strong> <strong>leben</strong><br />

Einführung 11<br />

haben wir uns in der Forschungsgruppe vorbereitet: zum einen durch<br />

eine Aufarbeitung der Forschungsergebnisse über die kognitive Entwicklung<br />

von Kindern, insbesondere was ihre Krankheitskonzepte<br />

betrifft (Johnson u. Wellman, 1982; Lohaus, 1993; Dreher u. Dreher,<br />

1999); zum anderen durch den Einsatz von Interviewer/-innen, die<br />

im Umgang mit Kindern geübt sind. Aufgrund der großen Variationsbreite<br />

des kognitiven Entwicklungsstands bei gleichaltrigen Kindern<br />

ist das Wissen um eine altersgemäße Kompetenz nur annäherungsweise<br />

hilfreich. Als sehr viel wichtiger hat sich die Feinfühligkeit<br />

der Interviewer/-innen erwiesen, ihre Interviewführung flexibel den<br />

aktuellen Verständigungsmöglichkeiten anzuschmiegen.<br />

Die Erwachsenen haben eine freundliche und bestätigende Haltung<br />

gegenüber den Kindern eingenommen: Die befragten Jungen<br />

werden als Experten ihrer selbst und ihrer Lebenswelt angesprochen.<br />

Deshalb erklären ihnen die Interviewer/-innen, dass die Erwachsenen<br />

noch viel zu wenig wissen, was betroffene Kinder über die AD(H)S<br />

und deren medikamentöse Behandlung denken. Sie, die Erwachsenen,<br />

müssen deshalb dumme Fragen stellen und die Kinder bekommen<br />

Gelegenheit, ihnen alles zu sagen, was sie ihnen sagen möchten.<br />

Da es für Kinder generell nicht leicht ist, handlungsentlastet zu<br />

sprechen, bedarf es auf Seiten der Interviewer/-innen einer großen<br />

Toleranz für assoziierte körperliche Bewegungen. Sie dürfen sie nicht<br />

als störend markieren, sondern müssen sie als notwendige Bedingung<br />

des Gesprächsverhaltens der Kinder akzeptieren. Hilfreich ist eine<br />

Interviewführung, die spielerische Ablenkungen und Pausen erlaubt.<br />

Auch der Einsatz von Zeichnungen, deren Anfertigung die Kinder<br />

durch lautes Denken begleiten, hat sich bewährt. Alles in allem haben<br />

die Interviewer/-innen viel Haltearbeit zu leisten gehabt.<br />

Forschungen, in denen qualitative Interviews mit Kindern<br />

durchgeführt werden, gestalten sich schwieriger als bei Jugendlichen<br />

und Erwachsenen, weil die Kompetenz, einem Fremden eigene Erfahrungen<br />

zu berichten, noch nicht voll entwickelt ist (Heinzel, 1997;<br />

Fuhs, 2000). Deshalb ist die Bereitschaft des erwachsenen Interviewers,<br />

sich auf eine Statusumkehr einzulassen, eine wichtige Voraussetzung<br />

für ein erfolgreiches Interview: Während es üblicherweise<br />

die Erwachsenen sind, die Kindern die Welt erklären, verlangt es die<br />

besondere Interviewsituation, eine Atmosphäre herzustellen, welche<br />

die Kinder davon überzeugt, dass sie die Wissenden sind. Es ist kei-<br />

© 2010 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-45186-1 — ISBN E-Book: 978-3-647-45186-2

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