Mit Ritalin leben - E-cademic
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Rolf Haubl und Katharina Liebsch<br />
Einführung<br />
Rolf Haubl / Katharina Liebsch, <strong>Mit</strong> <strong>Ritalin</strong> <strong>leben</strong><br />
Schätzungen zufolge zeigen 3 – 5 % der Kinder und Jugendlichen<br />
eines jeden Jahrgangs eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit oder<br />
ohne Hyperaktivität (AD[H]S) mit den Leitsymptomen einer Unkonzentriertheit,<br />
Impulsivität und motorischen Unruhe (Biederman,<br />
2005). Über keine Diagnose der Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie<br />
und -psychotherapie ist in den letzten Jahren weltweit so viel, so<br />
heftig und so kontrovers diskutiert worden wie über die AD(H)S –<br />
und das gleichermaßen in der fachlichen und außerfachlichen Öffentlichkeit.<br />
Obgleich die AD(H)S inzwischen als eine genetisch bedingte<br />
chronische hirnorganische Krankheit gilt, verstummen die<br />
kritischen Stimmen nicht, die diese biomedizinisch-psychiatrische<br />
Deutung in Zweifel ziehen (Timimi, 2002, 2005).<br />
In der Kritik steht nicht zuletzt die Behandlung der Kinder mit<br />
Psychopharmaka, am häufigsten mit dem Wirkstoff Methylphenidat,<br />
den Präparate wie <strong>Ritalin</strong>, Medikinet oder Concerta enthalten (Pelz,<br />
Banaschewski u. Becker, 2008). Ein Großteil der Kinder mit einer<br />
AD(H)S-Diagnose bekommen solche Präparate – als Bestandteil<br />
einer multimodalen Therapie, wie sie heute Standard sein sollte<br />
(Remschmidt, 2005), oder aber ohne anderweitige Förderung. Bezogen<br />
auf den Lebenslauf erfolgen die meisten Verordnungen für das<br />
Alter zwischen neun und zwölf Jahren. Insgesamt liegt die Zahl der<br />
medikamentös behandelten Kinder und Jugendlichen weltweit bei<br />
über zehn Millionen. Während die Medikamente 1993 lediglich in<br />
13 Ländern eingesetzt wurden, sind es inzwischen weit mehr als<br />
fünfzig Länder.<br />
Gleich, wo man sich in dieser leidenschaftlich, oft sogar feindselig<br />
geführten Kontroverse auch positioniert, eines verbindet die Kon-<br />
© 2010 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen<br />
ISBN Print: 978-3-525-45186-1 — ISBN E-Book: 978-3-647-45186-2