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Ärzteblatt Januar 2009 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern

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KONGRESSBERICHT<br />

Weiterhin wurde in den letzten Jahren intensiv an Biomarkern<br />

gearbeitet, die als Frühwarnsystem für die Erkrankung<br />

gelten können. Hier kommen insbesondere die Anticitrullin-<br />

Antikörper (ACP oder CCP-AK) ins Blickfeld. Sie lassen sich<br />

manchmal bis zu acht Jahre vor dem Ausbruch der Erkrankung<br />

nachweisen, wobei allerdings nicht jeder Patient, der<br />

diese Antikörper hat, auch krank wird.<br />

Neue Labortests sind in der Lage, in der normalen Arztpraxis<br />

aus dem Blut der Fingerbeere in ca. 10-15 Minuten die CCP-<br />

Antikörper und die Rheumafaktoren nachzuweisen. Damit<br />

können schon vom Hausarzt Risikopatienten herausgefiltert<br />

werden. Bei der Entwicklung der Tests war besonders eine<br />

schwedische Arbeitsgruppe federführend.<br />

Nicht unwichtig ist auch unser Lebensstil, wie Prof. Angela<br />

Zink berichtete. Denn 50% des Erkrankungsrisikos sind durch<br />

die genetische Ebene und 50% durch die Umwelt und den<br />

Lebensstil bedingt. So konnte nachgewiesen werden, das<br />

Rauchen dreimal häufiger zur Erkrankung bei seropositiven<br />

Rheumatoidarthritis-Patienten führt; liegt zusätzlich ein<br />

Shared Epitop vor, ist das Risiko auf das 16fache erhöht. Interessanterweise<br />

soll das Risiko um 30 bis 50% sinken, wenn<br />

man regelmäßig geringe Mengen Alkohol zu sich nimmt.<br />

Bezüglich der Ernährung konnte über das Norfolk-Arthritis-<br />

Register nachgewiesen werden, daß bei demjenigen, der zu<br />

wenig Obst zu sich nimmt, das Risiko auf das 2,1fache ansteigt.<br />

Bei Vitamin C-Mangel um das 3,3fache.<br />

Positive Effekte gehen von Omega-3 Fettsäuren aus, also<br />

sollte man sich der mediterranen Kost etwas mehr widmen.<br />

Der Einfluß von Koffein konnte weder im positiven noch im<br />

negativen Sinne belegt werden.<br />

Ein weiterer interessanter Aspekt besteht darin, daß Patientinnen<br />

die mehr als zwei Jahre in ihrem Leben gestillt haben,<br />

ein um 50% reduziertes Risiko für diese Erkrankung haben.<br />

Aber auch schon nach einem Jahr Stillen ist eine deutliche<br />

Verbesserung des Risikos nachweisbar. Ob das Prolaktin eine<br />

Rolle spielt, ist noch nicht bewiesen. Geschützt werden besonders<br />

Patientinnen, die keinen Rheumafaktor haben.<br />

Auch die berufliche Exposition spielt eine Rolle. So konnte<br />

nachgewiesen werden, daß Personen die viel mit Silikon arbeiten,<br />

ein 3fach höheres Risiko aufweisen, und Personen bei<br />

langjährigem Umgang mit Mineralölen ein 1,5fach erhöhtes<br />

Risiko haben, eine seropositive Rheumatoidarthritis zu bekommen.<br />

Der sozialökonomische Status hat ebenfalls Einfluß, so haben<br />

Personen mit einem hohen Bildungsgrad ein deutlich verringertes<br />

Risiko. Es wurde beobachtet, daß bei RA-Kranken ein<br />

erhöhter Anteil sarkopenischer Personen gefunden wird, bei<br />

denen es zu einem übermäßigen Muskelabbau bei gleichzeitig<br />

stark erhöhtem Fettanteil (auch bei Normalgewicht)<br />

kommt. Diese Patienten haben ein deutlich erhöhtes Herz-<br />

Kreislauf-Risiko. Die wichtigste Therapie ist dabei ein präventives<br />

regelmäßiges Muskelaufbautraining, was bisher von<br />

den wenigsten Patienten durchgeführt wird. Deshalb sollte<br />

mehr an Funktionstraining und Motivation zu Eigenaktivitäten<br />

gedacht werden.<br />

Auch bei der medikamentösen Therapie gibt es Neues zu berichten.<br />

So konnte 60 Jahre nach Einführung der Glukokortikoide<br />

in die klinische Medizin erstmals ein Glukokortikoid<br />

vorgestellt werden, das am späten Abend eingenommen und<br />

ca. gegen 2.00 Uhr nachts im Körper freigesetzt wird, so daß<br />

der physiologische Ablauf der Nebennierenrindenaktivität<br />

simuliert werden kann. Dies ist besonders für Patienten mit<br />

Morgensteifigkeit ein deutlicher Schritt nach vorne. Die Einführung<br />

dieses Medikamentes ist für das I. Quartal <strong>2009</strong> avisiert.<br />

Außerdem wurden auch Langzeitdaten der Therapie mit Biologika<br />

und Studien neuer Biologika vorgestellt. Die Angriffspunkte<br />

der Therapie liegen nicht mehr nur bei TNF-Alpha<br />

oder Interleukin 1, sondern auch bei Interleukin 6, der<br />

B-Zelle und B-Zell Kostimulatoren sowie der Beeinflussung<br />

des sogenannten RANKL-Systems.<br />

Für Deutschland wurde festgestellt, daß nur 12% der entzündlich-rheumatischen<br />

Erkrankungen im ersten Jahr der<br />

Erkrankung eine Rehabilitation erhalten. 50% der Betroffenen<br />

hatten noch nie eine Rehabilitation. Da ein Teil der möglichen<br />

Therapie, insbesondere Patientenschulungen im ambulanten<br />

Bereich sehr spärlich durchgeführt werden können,<br />

wird hier der Stellenwert der Rehabilitation, die eventuell<br />

durch neue Modelle zu intensivieren ist, erneut betont.<br />

Aus orthopädischer Sicht gehen die Synovektomien deutlich<br />

zurück, da die medikamentöse Therapie den Patienten oft<br />

diesen Eingriff erspart.<br />

Hauptarbeitsgebiet sind jetzt endoprothetische Operationen,<br />

aber auch Arthrodesen.<br />

Einen weiteren großen Raum nehmen Operationen des Fußes<br />

und Vorfußes ein (z. B. Resektionsarthroplastiken). Hierbei<br />

ist die Zusammenarbeit zwischen internistischen und orthopädischen<br />

Kollegen sehr wichtig, um den richtigen Zeitpunkt<br />

zur Operation zu finden.<br />

In Deutschland werden jährlich mehr als 120 000 künstliche<br />

Hüft- und etwa 100 000 Kniegelenke eingesetzt, natürlich<br />

nicht nur bei Rheumapatienten.<br />

Rheumatologen und Orthopäden sollten in vertretbaren Abständen<br />

Röntgenkontrollen durchführen, da sehr oft die Klinik<br />

unauffällig ist und trotzdem die Erkrankung am Knochen<br />

weitergeht.<br />

Dr. med. R. Bruhn<br />

Seite 14 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN

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