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Ärzteblatt Januar 2009 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern

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LEITARTIKEL<br />

Wie lange noch?<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

die Gesundheitsministerin hat ja wohl einen Sieg davongetragen,<br />

indem die Ärzteschaft, insbesondere die Niedergelassenen, sich<br />

in Fachärzte für Allgemeinmedizin und Fachärzte der übrigen<br />

Fachgebiete – hinsichtlich ihrer Verwaltung durch die Kassenärztlichen<br />

Vereinigung – haben spalten lassen bzw. die Spaltung<br />

selbst vorangetrieben haben. Wir sprechen immer vom Bürokratieabbau<br />

und fordern diesen von der Politik. Künftig wird es aber<br />

einen Bürokratieaufbau geben, indem zum einen die Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen für den Arzt zur Abrechnung zur Verfügung<br />

stehen und zum anderen für den hausärztlichen Bereich<br />

eine zusätzliche hausärztliche Vertragsgemeinschaft geschaffen<br />

wird – zumindest in den meisten Bundesländern. Hier muß ausdrücklich<br />

unserer Kassenärztlichen Vereinigung Dank und Anerkennung<br />

gezollt werden, denn Dr. Eckert hat als Vorsitzender<br />

der Kassenärztlichen Vereinigung M-V, eine Abspaltung der Hausärztinnen<br />

und Hausärzte von der Kassenärztlichen Vereinigung<br />

vermieden. Dr. Eckert verhandelt für diese Fachgruppe mit. <strong>Mecklenburg</strong>-<strong>Vorpommern</strong><br />

ist an dieser Stelle wieder Vorreiter, weil<br />

gemeinschaftlich für die niedergelassenen Ärzte die Abrechnung,<br />

die Qualitätssicherung in der Niederlassung und ähnliches geregelt<br />

werden. Anderenfalls hätte Ulla Schmidt auch in unserem<br />

Bundesland gewonnen – nach dem alten cäsarischen Prinzip „divide<br />

et impera“.<br />

Es ist schon merkwürdig, daß die Ärzte, die früher Selektivverträge<br />

verwehrt und den vorauseilenden Gehorsam gerügt haben,<br />

wie z. B. in Bayern und Baden-Württemberg, heute diese Selektivverträge<br />

abschließen und somit zur Spaltung der Ärzteschaft<br />

beigetragen haben. Aber es ist noch viel schlimmer, denn durch<br />

die Selektivverträge und die Disease-Management-Programme<br />

wird den Ärztinnen und Ärzten von den Krankenkassen eine<br />

Schulung auferlegt, die in vielen Fällen von regulärer Fortbildung<br />

zu differenzieren ist. In den Verträgen wird direkt von Schulung<br />

gesprochen und auf Bundesebene ist hinterfragt worden, ob diese<br />

auf die 250 zu erbringenden Punkte auch noch anrechenbar<br />

sein kann. Es werden spezielle Punkte vergeben und in einzelnen<br />

Selektivverträgen wird gefordert, in einer entsprechenden Anzahl<br />

von Stunden die Fortbildung für Palliativmedizin, für Geriatrie,<br />

für Psychosomatik und für Schmerztherapie nachzuweisen.<br />

Die Grenze des Erträglichen ist hier weit überschritten.<br />

Wie lange wollen wir Ärzte uns eigentlich noch von den Krankenkassen<br />

und der Gesundheitsministerin sowie ihren Mitarbeitern<br />

im Ministerium am Nasenring durch die Arena der Gesundheitspolitik<br />

ziehen lassen?<br />

Mindestens acht Prozent der Arbeitszeit widmen die Ärzte in der<br />

Bundesrepublik der Fortbildung. Das ergab eine jüngste Umfrage<br />

unter Ärzten. Welcher andere Berufsstand hat einen so hohen<br />

Fortbildungsanteil? Die Fortbildung für Krankenhausärzte ist<br />

durch den Beschluß des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)<br />

zur arbeitsvertraglichen Pflicht geworden. Was man seitens des<br />

G-BA und des Gesetzgebers unberücksichtigt ließ, ist, daß, wenn<br />

sie zur Dienstaufgabe wird, der Arzt dafür freizustellen ist. Hier<br />

haben die Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen die Zeichen<br />

der Zeit nicht erkannt. Sie haben die Ärztinnen und Ärzte für die<br />

Fortbildung (50 Punkte pro Jahr) freizustellen. Dies sind im Schnitt<br />

mehr als sechs Tage. Was bedeutet, daß die in den meisten Tarifverträgen<br />

abgeschlossenen drei Tage Freistellung im Krankenhaus<br />

contra legem sind. Anstatt die Ärzteschaft zu unterstützten und<br />

den Berufsstand wieder in das Licht zu setzen, das ihm gebührt,<br />

als demjenigen der Krankheiten heilt, Leiden lindert, Sterbende<br />

begleitet und Kinder auf diese Welt holt, läßt die Politik nichts<br />

unversucht, um im sogenannten BKA-Gesetz – das zur Zeit im<br />

Vermittlungsausschuß ist – die Ärzte hinsichtlich des Schutzes<br />

schlechter zu stellen, als zum Beispiel Abgeordnete. Hier sind die<br />

Innen- und Sozialminister der Länder aufgefordert, über den<br />

Bundesrat und im Vermittlungsausschuß die Ärzte und die Geistlichen<br />

gleichzustellen mit den Abgeordneten, nämlich in die Kategorie<br />

„höchste Vertraulichkeit“ einzustufen und somit das Arzt-<br />

Patienten-Verhältnis nicht zu gefährden.<br />

Im neuen Jahr wird der Gesundheitsfond kommen. Zunächst steht<br />

fest, daß eine halbe Milliarde Euro fehlt. Wir werden langfristig<br />

dabei feststellen müssen, daß wir keine schleichende Rationierung<br />

haben, sondern daß die Rationierung an der Tagesordnung<br />

ist, und es zukünftig bei Nichtbezahlung von Mehrleistungen zur<br />

Ausweitung von Wartelisten besonders in der operativen medizinischen<br />

Versorgung kommen wird. Wenn Mehrleistungen nicht<br />

bezahlt werden, ist auch keine Mengenausweitung vom Grunde<br />

her möglich, und letztendlich wird dies der Situation unserer Patienten<br />

nicht zuträglich sein. Wir sind aber nach wie vor der letzte<br />

und einzige Anwalt des Patienten und dürfen es nicht unterlassen,<br />

die Probleme stets bei der Politik anzumahnen. Darüber hinaus<br />

werden wir das Innen- und das Sozialministerium auffordern,<br />

den o. g. Entwürfen, die die Situation der Ärzteschaft im Verhältnis<br />

zu den Patienten nachhaltig verschlechtern, im Bundestag<br />

nicht zuzustimmen. Die Politik sollte eines nicht vergessen:<br />

<strong>2009</strong> ist Wahljahr und 330 000 Ärzte und ihre Patienten,<br />

die sie täglich zu betreuen haben, sind ein ungeahntes<br />

Wählerpotential. Ein staatliches Gesundheitswesen á la DDR<br />

hatte Defizite und Unterversorgung, und dieses wollen wir nicht<br />

wieder haben!<br />

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, rufe ich Sie dazu auf,<br />

Ihre Patientinnen und Patienten hinsichtlich der Gesetzgebung<br />

und der politischen Verantwortung auch in dem vor uns liegenden<br />

Jahr aufzuklären, damit wir das noch bestehende deutsche<br />

Gesundheitswesen nicht durch eine Ministerin auch Aachen bzw.<br />

Berlin kaputt machen lassen.<br />

Im Namen des Vorstandes der <strong>Ärztekammer</strong> <strong>Mecklenburg</strong>-<strong>Vorpommern</strong><br />

darf ich Ihnen, Ihren Familien und Ihren Mitarbeitern<br />

für das Jahr <strong>2009</strong> beruflich und persönlich alles Gute wünschen.<br />

In diesem Sinne verbleibe ich<br />

collegialiter<br />

Ihr<br />

Dr. med. A. Crusius<br />

Seite 4 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN

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