Gemeindeblatt - Reformierten Kirchgemeinde Solothurn
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RefORmieRte KiRCHGemeinde<br />
SOlOtHuRn<br />
Aus den Gemeindekreisen<br />
Selzach-Lommiswil<br />
Liebe Gemeinde<br />
Ein kleines Detail aus mehreren<br />
Jesus-Geschichten berührt mich<br />
immer wieder. Nicht nur, dass er<br />
sich immer wieder zurückzieht<br />
und die Abgeschiedenheit sucht,<br />
auf dem Berg, im Garten oder in<br />
der Wüste, auch in der konkreten<br />
Begegnung mit Menschen meidet<br />
er das Spektakuläre und die grosse<br />
Öffentlichkeit. Zachäus nimmt<br />
Jesus aus der Menge heraus, um<br />
ihm persönlich zu begegnen (Lk<br />
19, 1–10). Wie mit der samaritanischen<br />
Frau am Brunnen redet Jesus<br />
mit Menschen in seelsorgerlicher<br />
Abgeschiedenheit, um ihnen<br />
das Heil Gottes zu schenken (Joh<br />
4, 1–42).<br />
Eine einmalige Beziehung<br />
Indem Jesus den Taubstummen<br />
(Mk 7,31–37) von der Menge absondert,<br />
bevor er ihn heilt, würdigt<br />
er ihn als einen einmaligen<br />
Menschen, zu dem Gott eine einmalige<br />
Beziehung pflegen möchte.<br />
Auch jeder einzelne von uns ist keine<br />
Nummer im Getriebe der Welt,<br />
Bellach<br />
Liebe Gemeindeglieder<br />
Im letzten <strong>Gemeindeblatt</strong> war<br />
ausführlich über die sogenannte<br />
Volx-Bibelausgabe zu lesen. Erinnerungen<br />
wurden wach, haben<br />
wir uns doch selbst hier in Bellach<br />
vor ein paar Jahren im Rahmen<br />
von ökumenischen Gesprächsabenden<br />
mit dieser umstrittenen<br />
Art der Bibelübersetzung befasst.<br />
Was haben wir geschmunzelt und<br />
gelacht, aber uns auch geärgert.<br />
Dieser Vorstoss ist damals selbst<br />
in «etablierten» Kreisen besser angekommen,<br />
als ich erwartet hatte.<br />
Dennoch wurden da und dort auch<br />
sehr kritische Stimmen laut.<br />
Die Bibel im Jugendslang, ja in<br />
der Gossensprache – für die Meisten<br />
in der Kirche ganz ungewohnt.<br />
In Ruhe reden – in Ruhe zuhören.<br />
kein unbedeutendes Massenprodukt,<br />
sondern ein einmaliger, nach<br />
Gottes Bild geschaffener Mensch.<br />
Darum möchte Gott auch mit jedem<br />
von uns eine einmalige, ganz<br />
persönliche und unverwechselbare<br />
Geschichte haben. Das gibt uns einen<br />
unbeschreiblichen Wert!<br />
Aber es ist schon richtig: Intensive<br />
Begegnung verträgt keine<br />
neugierigen und wundergeilen<br />
Zuschauer. Auch Heilung<br />
bedarf eines besonderen Raumes.<br />
Und Menschen, die anderen hel-<br />
Gewiss, die Bibel gehört allen,<br />
nicht nur dem Bildungsbürgertum<br />
oder den hohen Gelehrten<br />
und theologischen Sprachgenies<br />
wie Martin Luther. Entsprechend<br />
ist die Volxbibel nun mal ein basis-demokratisches<br />
Experiment,<br />
bei dem, dem Internet sei Dank,<br />
fen möchten, müssen sich für jeden<br />
Einzelnen erst einmal viel Zeit<br />
nehmen. Sie müssen einen eigenen<br />
Raum haben oder einen Raum<br />
schaffen, in dem man miteinander<br />
in Ruhe reden kann und in Ruhe<br />
zuhören kann, vielleicht auch miteinander<br />
weinen und sich in den<br />
Arm nehmen kann.<br />
Was dann die anderen Leute<br />
denken, was sie befürchten, was sie<br />
meinen und erwarten, das soll in<br />
diesem Raum des Vertrauens jetzt<br />
erst mal ganz draussen bleiben. Jesus<br />
gibt dem Taubstummen einen<br />
alle in einem offenen Prozess mitwirken<br />
können.<br />
Da wird uns zugesagt, dass uns<br />
«Gott voll lieb hat», Paulus überbringt<br />
eine «supergeile Nachricht»,<br />
und die Gottlosen sind Menschen,<br />
«die keinen Bock auf Gott haben».<br />
Und so weiter. Das alles stammt<br />
aus Kapitel 1 des Römerbriefes von<br />
Paulus.<br />
Wie im Leitartikel in diesem Blatt<br />
gesagt: Wir sollen nicht sklavisch<br />
am Buchstaben kleben, wir müssen<br />
unterscheiden zwischen vorläufiger<br />
Sprachgestalt und effektivem<br />
Sachgehalt. Und falls (?) es möglich<br />
wäre, mit dieser Übersetzung<br />
tatsächlich mehr Menschen, vor<br />
allem Junge wohl, mit dem Evangelium<br />
zu erreichen, dann wäre das<br />
eine gute Sache. Schliesslich bezieht<br />
das Christentum seine Stärke<br />
als Weltreligion nicht zuletzt aus<br />
<strong>Gemeindeblatt</strong> der <strong>Reformierten</strong> <strong>Kirchgemeinde</strong> <strong>Solothurn</strong><br />
Abwesenheit wegen Gemeindereise<br />
und Ferien vom 1. bis 15.<br />
Oktober, Vertretung Pfr. Samuel<br />
Stucki, Tel. 032 623 93 80.<br />
freien Raum und schenkt ihm persönliche<br />
Zuwendung.<br />
Offener Spiel-Raum<br />
Auch das gehört elementar zur<br />
Aufgabe von Kirche: Unspektakuläre<br />
Räume der Stille und Offenheit<br />
für Einzelne zu schaffen – das<br />
ist mit Sicherheit heilvoller als das<br />
Lamentieren über angeblich leere<br />
Kirchenbänke. Weite Teile meiner<br />
Tätigkeit als Pfarrperson ereignen<br />
sich im Schatten des Rampenlichts,<br />
in der persönlichen Begegnung,<br />
im Zwiegespräch am Telefon<br />
oder per Mail.<br />
Und es ist gut, dass das nicht an<br />
die grosse Glocke gehängt wird.<br />
Aber erinnern darf man schon mal<br />
daran, dass Kirche auch einen offenen<br />
Spiel-Raum der unscheinbaren,<br />
wenig medienwirksamen<br />
Begegnungen bietet, der im Verborgenen<br />
blüht.<br />
Seien Sie herzlich gegrüsst,<br />
Ihr Pfarrer Hagenow<br />
der Fähigkeit, sich an immer neue<br />
Kulturen – und Subkulturen – anzupassen.<br />
Problematisch wird es dort, wo<br />
solche Übersetzungen aus blosser<br />
Freude am Ordinären entstehen<br />
und die Bibel in den Schmutz gezogen<br />
wird. Da gibt es durchaus<br />
auch grenzwertige Übersetzungsbeispiele.<br />
Entsprechend ist auch<br />
die Ablehnung der Volxbibel, z.B.<br />
in evangelikalen Kreisen, gross.<br />
Urteilen Sie selbst!<br />
Seien Sie herzlich gegrüsst<br />
Ihr Pfarrer Hermann Gilomen<br />
Ferien Pfr. Gilomen: 1.–15.<br />
Oktober; Vertretung: Pfr. Stucki,<br />
Riedholz, Tel. 032 623 93 80.<br />
10 10/2012<br />
Foto: sch