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Gemeindeblatt - Reformierten Kirchgemeinde Solothurn

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Gemeindeleben +<br />

Ein Reisebericht aus der Türkei von Stephan Hagenow<br />

Hagia Sophia.<br />

Im Juni durfte ich im Rahmen einer<br />

Pfarrerbildungsreise für 10 Tage<br />

in die Türkei reisen, erst zwei Tage<br />

in die 14-Millionen-Metropole Istanbul<br />

und dann mit dem Bus von<br />

Antalya über 1800 km (in fünf Tagen)<br />

bis an die türkisch-syrische<br />

Grenze über teilweise abenteuerliche<br />

Strasse und Pisten. Wir sind bei<br />

Temperaturen um die 40 Grad auf<br />

den Spuren des Paulus gewandelt,<br />

die Texte der Apostelgeschichte begannen,<br />

sich mit Leben zu füllen –<br />

denn das Christentum breitete sich<br />

von Antiochia, dem heutigen Antakya,<br />

aus.<br />

Auch wenn der türkische Staat<br />

erst ganz allmählich eine Besin-<br />

10/2012<br />

Von<br />

nung auf die alten Zivilisationen<br />

und Kulturen zulässt, hat es<br />

die christliche Minderheit dort<br />

schwer. Im offiziellen Geschichtsbild<br />

beginnt die türkische Geschichte<br />

erst mit dem osmanischen<br />

Reich 1299. Dabei ist die<br />

Kirchengeschichte dort höchst lebendig,<br />

und sie spiegelt zugleich<br />

die Ablösung der Religionen. Aus<br />

der mächtigen Hagia Sophia in<br />

Konstantinopel/Istanbul wurde<br />

mit ein paar Handgriffen, Fahnen<br />

und Mosaiken eine Moschee. Der<br />

Inbegriff christlichen Überlegenheitsdenkens<br />

fiel in sich zusammen.<br />

Das Christentum musste weichen,<br />

die Steine blieben.<br />

Stein auf Stein<br />

Überall im Land lassen sich noch<br />

die christlichen Symbole entdecken,<br />

Fresken und Kreuze werden<br />

zu Ornamenten. Moscheen haben<br />

den Grundriss einer Kirche mit<br />

schiefen aufgesetzten Kuppeln und<br />

Türen, die sich nicht schliessen<br />

lassen. Man darf dabei aber nicht<br />

vergessen, dass auch die Christen<br />

bereits die Steine der alten griechischen<br />

Tempel und heidnischer<br />

Heiligtümer verwendeten, so fin-<br />

lebendigen<br />

Steinen,<br />

tapferen<br />

Christen und<br />

dem bedroh-<br />

ten Paradies<br />

den sich etwa Reliefe der Medusa<br />

in den Zisternen Istanbuls.<br />

Lebendige Gemeindem<br />

Die Steine sind Zeugnisse der<br />

Tradition und zugleich des Wandels.<br />

Gotteshäuser sind sie geblieben,<br />

aber unter anderen Vorzeichen.<br />

Aber es gibt nicht nur Steine<br />

und Trümmer als Zeugnisse untergegangener<br />

Epochen, es gibt lebendige,<br />

christliche Gemeinden<br />

mit etwa 125 000 Christen bei einer<br />

Einwohnerzahl von 74 Millionen<br />

Menschen. Je weiter man nach<br />

Osten kommt, desto orientalischer<br />

wird die Atmosphäre.<br />

In Antalya haben<br />

wir die einzige<br />

Kirche im Umkreis<br />

von 500 km<br />

besucht. Dort arbeitet<br />

der katholische<br />

Pfarrer Kordten, der erste<br />

Geistliche mit einer Arbeitsgenehmigung.<br />

Vorher mussten alle Pfarrpersonen<br />

einen Diplomatenpass<br />

haben und besassen damit keinen<br />

Rechtsstatus. Die türkische Kultur<br />

ist eine Gemeinschaftskultur mit<br />

<strong>Gemeindeblatt</strong> der <strong>Reformierten</strong> <strong>Kirchgemeinde</strong> <strong>Solothurn</strong><br />

Christogramm in der Grotte der<br />

Heiligen Thekla.<br />

einer Grundhaltung, die vor allem<br />

die Werte Familie und Gastfreundschaft<br />

betont. Rücksicht ist deshalb<br />

eine verbreitete Tugend. Als<br />

die Türkei die Beitrittsverhandlungen<br />

mit der EU aufnahm, war es die<br />

EU in Gestalt des holländischen<br />

Ministerpräsidenten, die Druck<br />

machte in Bezug auf die Religionsfreiheit.<br />

Ministerpräsident Erdogan<br />

schickte einen Staatssekretär<br />

zu Pfarrer Kordten, und es konnten<br />

vier Punkte durchgesetzt werden:<br />

• freier Zugang zum Gebäude<br />

• unbeschränkte Einfuhr von religiösen<br />

Büchern und die Erlaubnis<br />

eigener Publikationen, z.B. eines<br />

<strong>Gemeindeblatt</strong>es<br />

• seelsorgerliche Besuche im Spital<br />

und im Gefängnis<br />

• der Besitz von Immobilien.<br />

Bis vor kurzem: Polizeischutz<br />

Vor allem der letzte Punkt ist<br />

ganz wichtig. Vorher waren alle<br />

christlichen (bzw. nicht-muslimischen)<br />

Gebäude und Besitztümer<br />

rechtlich ungeschützt. Jetzt dürfen<br />

sich die Kirchen als Vereine organisieren<br />

und haben Rechtssicherheit.<br />

Aber auch die Kirche in Antalya<br />

stand zwei Jahre Tag und Nacht un-<br />

Betender Muslim. ><br />

Fotos: Stephan Hagenow<br />

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