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Das Wörterbuch – ein Spiegel der Zeit?! Teil 1 - bei DuEPublico

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1.1 Auffälligkeiten in Wörterbüchern<br />

„Auf Befehl von Hitler geschaffenes politisches Son<strong>der</strong>gericht in Berlin, das an<br />

Stelle des Reichsgerichts für die Aburteilung von Hoch- und Landesverrat und an<strong>der</strong>en<br />

politischen Delikten zuständig war.“ 13<br />

Die „Aburteilung“ von Tatbeständen ist <strong>bei</strong> SCHMITZ-BERNING als Funktion angegeben<br />

<strong>–</strong> nicht die Aburteilung <strong>der</strong> „Täter“ (wenngleich diese Unterscheidung für die<br />

Betroffenen sicherlich k<strong>ein</strong>en Unterschied machte) <strong>–</strong>, und in „Hoch- und Landesverrat“<br />

findet sich die m. E. geläufigere Anordnung <strong>der</strong> kürzeren vor <strong>der</strong> längeren linken<br />

Konstituente (hoch vor Landes), damit aber auch indirekt die Bedeutungsreihung<br />

‘Vergehen gegen die innere Sicherheit des Staates’ vor ‘Vergehen gegen die äußere<br />

Sicherheit des Staates’. Der Eintrag in Mackensen DW 1962 hingegen dürfte Roland<br />

Freisler und all die an<strong>der</strong>en Juristen freuen, die am Volksgerichtshof tätig waren<br />

(und von denen die demokratische Justiz bekanntermaßen später k<strong>ein</strong>en zur Verantwortung<br />

zog): Ihr „Richten“ wird noch 17 Jahre nach dem Ende ihres Wirkens in <strong>ein</strong>em<br />

deutschen <strong>Wörterbuch</strong> als gerechtfertigtes Tun dargestellt, denn <strong>–</strong> laut Eintrag <strong>–</strong><br />

waren sie vorrangig zuständig für die Wahrung <strong>der</strong> nationalen bzw. territorialen Sicherheit<br />

Deutschlands, d. h. mit <strong>der</strong> „Aburteilung von Landesverrätern“ wehrten sie<br />

Schaden vom deutschen Volk ab. Wie wenig dies mit <strong>der</strong> historischen Realität und<br />

mit <strong>der</strong> Bedeutungskonstitution des Ausdrucks Volksgerichtshof durch die Wirklichkeit<br />

zu tun hatte, läßt sich dem Artikel von L. GRUCHMANN im „Biographischen Lexikon<br />

zum Dritten Reich“ zu Freisler entnehmen:<br />

13 SCHMITZ-BERNING, CORNELIA: 1998. Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin, New York,<br />

S. 664. Diese Publikation ist die Fortschreibung ihrer 1964 erschienenen Monographie „Vom<br />

»Abstammungsnachweis« zum »Zuchtwart«“.<br />

Ich beziehe mich an <strong>ein</strong>igen Stellen m<strong>ein</strong>er Ar<strong>bei</strong>t auf die von C. SCHMITZ-BERNING vorgelegte<br />

Dokumentation, obwohl diese erhebliche Schwächen aufweist. So kritisiert ANDREA<br />

LEHR in ihrer Rezension „All<strong>ein</strong> mit Fleiß k<strong>ein</strong> Preis. Über CORNELIA SCHMITZ-BERNINGS VO-<br />

KABULAR DES NATIONALSOZIALISMUS“ in Lexicographica 14/1998 m. E. zu Recht z. B. „die<br />

Schwächen in <strong>der</strong> formalen lexikographischen Gestaltung“ (S. 266), die Undurchsichtigkeit<br />

<strong>der</strong> Lemmaselektion und die „Unvollständigkeit des […] ermittelten Bestands an NS-Ausdrücken“<br />

(S. 262). LEHR kritisiert außerdem die z. T. fehlende Distanz zur NS-Sprache und die<br />

„Einflechtung nationalsozialistischen Gedankenguts in die Bedeutungsparaphrase“ (S. 264),<br />

wie sie sich auch in <strong>der</strong> zitierten Passage („auf Befehl Adolf Hitlers“) und in an<strong>der</strong>en wie<strong>der</strong>gegebenen<br />

Ausschnitten andeuten. Im Unterschied zu LEHR kann ich es aber nicht SCHMITZ-<br />

BERNING anlasten, daß „die Zugriffsmöglichkeiten auf die dokumentierten Quellen, die zitierten<br />

Personen, die erörterten Inhalte und die im Nationalsozialismus verwendeten sprachlichen<br />

Formulierungen“ zu gering seien (S. 266); auch stimme ich LEHR nicht zu, daß sich die von<br />

SCHMITZ-BERNING zitierten Textstellen nicht „wechselseitig erläutern und kommentieren“ (S.<br />

266), wie die Verfasserin dies erhoffte. <strong>Das</strong> „Vokabular des Nationalsozialismus“ enthält<br />

durchaus interessante Materialien, die für Untersuchungen über den Sprachgebrauch im Faschismus<br />

ausgewertet werden können, z. B. „die Angaben zur Buchung in Wörterbüchern <strong>der</strong><br />

NS-<strong>Zeit</strong> sowie vor allem das reiche von <strong>der</strong> Autorin zusammengestellte Belegmaterial“<br />

(KINNE, MICHAEL: 1999. Neuere Ar<strong>bei</strong>ten zum Deutschen während <strong>der</strong> NS-<strong>Zeit</strong>. In: Sprachdienst<br />

1/99, S. 18).<br />

ELiSe, Beiheft 1.1, 2001 15

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