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Das Wörterbuch – ein Spiegel der Zeit?! Teil 1 - bei DuEPublico

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1.1 Auffälligkeiten in Wörterbüchern<br />

1.25 Juden […] Durch das Zusammenleben <strong>der</strong> J. mit ihren Wirtsvölkern<br />

ergab sich die Judenfrage. 40<br />

Wie sich dieses „Zusammenleben <strong>der</strong> Juden mit ihren Wirtsvölkern“ aus <strong>der</strong> Sicht des<br />

Antisemitismus gestaltete, ist in <strong>ein</strong>em zeitgenössischen Biologiebuch ausgeführt:<br />

„Trotz <strong>der</strong> Zerstreuung über alle Erdteile blieb das jüdische Volk durch viele Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

hindurch <strong>ein</strong>e ‚internationale Horde‘, die nach gem<strong>ein</strong>samen Plänen ihre<br />

verschiedenen Wirtsvölker aussaugt.“ 41<br />

Die Probleme mit 1.16 und den an<strong>der</strong>en reklamierten<br />

<strong>Wörterbuch</strong><strong>ein</strong>trägen könnten als Resultat nachlässigen<br />

lexikographischen Ar<strong>bei</strong>tens angesehen werden. Eine Erklärung<br />

für diese „Nachlässigkeit“ gerade <strong>bei</strong> Wörter-<br />

entarisieren […] enteignen;<br />

jüd. Besitz den rechtmäßigen<br />

Eigentümern wie<strong>der</strong>geben<br />

buch<strong>ein</strong>trägen zu „sensibler Lexik“ 42 ließe sich vielleicht in <strong>der</strong> Person des Herausgebers<br />

<strong>der</strong> Wörterbücher finden: LUTZ MACKENSEN.<br />

In ihrer Ar<strong>bei</strong>t zu „Sprachwissenschaft und Rassenideologie in Deutschland“<br />

schreibt RUTH RÖMER von ihm als „dem nationalsozialistischen Sprachwissenschaftler<br />

Mackensen“. 43 An an<strong>der</strong>er Stelle heißt es <strong>bei</strong> ihr:<br />

„Mit scharfen Ausfällen gegen Liberalismus, Judentum und Romanentum for<strong>der</strong>te<br />

Mackensen <strong>ein</strong> ‚Reichsamt zum Schutz des germanischen Altertums‘. Der Staat<br />

müsse die politische Wissenschaft von den Germanen in die Hand nehmen; k<strong>ein</strong><br />

40<br />

Volks-Brockhaus 1939, S. 325. An an<strong>der</strong>en Stellen in diesem Eintrag heißt es:<br />

„Im Laufe des 19. und 20. Jahrh. setzte sich die völlige Gleichstellung <strong>der</strong> J., z. T. gegen<br />

große Wi<strong>der</strong>stände, überall durch. Der Übertritt zum Christentum bot ihnen oft die Möglichkeit,<br />

ihre jüd. Herkunft zu verschleiern und so den Volkskörper des Wirtsvolks mehr und<br />

mehr zu durchsetzen. Diese Assimilation sollte <strong>ein</strong> allmähliches Aufgehen <strong>der</strong> J. in ihrem<br />

Wirtsvolk und damit die endliche Lösung <strong>der</strong> Judenfrage bringen. <strong>Das</strong> hat jedoch die Geschichte<br />

als Irrtum erwiesen. […] In Italien, Polen, Ungarn, Rumänien und vielen an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n drängt wie in Deutschland das völkische Erwachen zu <strong>ein</strong>er Lösung <strong>der</strong> Judenfrage.“<br />

Vier Jahre später, im Volks-Brockhaus 1943, <strong>der</strong> zu <strong>ein</strong>em <strong>Zeit</strong>punkt erschien, als die „endliche<br />

Lösung <strong>der</strong> Judenfrage“ in <strong>der</strong> Form des organisierten Genozids an den Juden schon begonnen<br />

hatte, fehlen im Übersichtsartikel zu Judentum die entsprechenden Passagen (im Artikel<br />

zu Juden wird nurmehr auf den Übersichtsartikel verwiesen): Der letzte Satz des Zitats<br />

ist ersatzlos weggefallen, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e verän<strong>der</strong>t: „Diese Assimilation sollte <strong>ein</strong> allmähliches<br />

Aufgehen <strong>der</strong> Juden in ihrem Wirtsvolk bringen. <strong>Das</strong> war <strong>ein</strong> Irrtum.“ (S. 331) Auch dies kann<br />

als <strong>ein</strong> Beispiel angesehen werden, wie sich <strong>Zeit</strong>geschichte aus den Resultaten lexikographischer<br />

Ar<strong>bei</strong>t rekonstruieren läßt.<br />

41<br />

GRAF, JAKOB: 1940. Biologie für Oberschule und Gymnasium. Der Mensch und die Lebensgesetze.<br />

Berlin, S. 146.<br />

42<br />

Der Ausdruck „sensible Lexik“ wird an an<strong>der</strong>er Stelle zu entwickeln s<strong>ein</strong>. Er verweist auf Einheiten<br />

des Wortschatzes, <strong>der</strong>en evaluative Bedeutungskomponenten direkt o<strong>der</strong> indirekt auf<br />

Wertungen von Personen o<strong>der</strong> Personengruppen abzielen.<br />

43 2<br />

RÖMER, RUTH: 1989. Sprachwissenschaft und Rassenideologie in Deutschland. München,<br />

S. 77.<br />

ELiSe, Beiheft 1.1, 2001 23

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