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Mavany, Die Europäische Beweisanordnung und das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung Pintaske<br />
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292<br />
B u c h r e z e n s i o n<br />
Markus Mavany, Die Europäische Beweisanordnung und das<br />
Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, Verlag C.F. Müller,<br />
Heidelberg u.a. 2012, 204 S., € 54,95<br />
Der Vertrag über die Europäische Union in der Fassung des<br />
am 1.12.2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon<br />
stellt in Art. 3 Abs. 2 fest, dass die Union ihren Bürgern „einen<br />
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ bietet.<br />
Gerade die Ausgestaltung des einen Raumes des Rechts steht<br />
auf dem Gebiet des Strafrechts in einem Spannungsfeld, da<br />
einerseits das Strafrecht als „letzte Bastion“ der nationalen<br />
Gesetzgebung angesehen wird, andererseits gerade die Strafverfolgung<br />
bei grenzüberschreitenden Aktivitäten darauf<br />
angewiesen ist, die Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu<br />
verbessern, um ihre Aufgaben effektiv zu erfüllen. Vor diesem<br />
Hintergrund legt Markus Mavany seine – von Prof. Dr.<br />
Mark Zöller (Universität Trier) betreute – Untersuchung vor,<br />
in der er sich mit dem Rahmenbeschluss 2008/978/JI über die<br />
europäische Beweisanordnung und dem ihm zugrunde liegenden<br />
Prinzip der gegenseitigen Anerkennung tiefgehend<br />
auseinandersetzt. Im ersten Teil seiner Arbeit stellt der Autor,<br />
ohne den strafrechtlichen Bezug aus den Augen zu verlieren,<br />
allgemein die Grundlagen des Prinzips der gegenseitigen<br />
Anerkennung vor, wozu die historische Entwicklung, der <strong>Inhalt</strong><br />
sowie dessen dogmatische Herleitung zählen. Anschließend<br />
analysiert Mavany die Übertragung des Prinzips auf das<br />
Strafrecht. Im zweiten Teil der Untersuchung widmet sich der<br />
Autor konkret dem Rahmenbeschluss über die europäische<br />
Beweisanordnung im Hinblick auf die Umsetzungsanforderungen<br />
und die Folgen für das deutsche Beweisrecht und für<br />
die deutschen Justizbehörden. Abschließend wird im dritten<br />
Teil der Untersuchung auf Grundlage der bisherigen Forschungsergebnisse<br />
ein Vorschlag für ein Umsetzungsgesetz<br />
der Kernregelungen des Rahmenbeschlusses unterbreitet.<br />
Letzteres zeigt die nicht nur wissenschaftliche sondern – aus<br />
Sicht der Strafverfolgung – auch praxisorientierte Bedeutung<br />
der Untersuchung, die bereits während ihrer Ausarbeitung auf<br />
Interesse des Ministerialdirigenten a.D. Hans Hilger gestoßen<br />
ist, wie das Vorwort der Untersuchung zeigt.<br />
Zu den Abschnitten der Untersuchung im Einzelnen: Der<br />
erste Teil (S. 1 bis 76) beinhaltet das Prinzip der gegenseitigen<br />
Anerkennung. Mavany zeigt bei der historischen Entwicklung<br />
des Prinzips in Europa zunächst auf, dass Ansätze<br />
eines Prinzips der gegenseitigen Anerkennung zwar bereits<br />
im 19. Jahrhundert zu finden sind, sich aber daraus Rückschlüsse<br />
für die heutige Auseinandersetzung mit dem Prinzip<br />
aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Ausgangslagen<br />
nur sehr bedingt ziehen lassen. Vielmehr seien die Vorläufer<br />
eines Prinzips der gegenseitigen Anerkennung, aber eben<br />
auch nicht mehr, in den Übereinkommen des Europarates auf<br />
dem Gebiet der Rechtshilfe sowie dem Schengen-Besitzstand<br />
zu sehen. Die Grundlagen des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung<br />
im Rechtsrahmen der EU wurden nach Ansicht<br />
von Mavany erst durch die Rechtsprechung des EuGH in den<br />
siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts konkretisiert. Der<br />
Autor stellt diese Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit<br />
<strong>ZIS</strong> 6/2012<br />
dar und zeigt, wie sie sich auf andere Grundfreiheiten übertragen<br />
lässt. Dieser prägnanten Darstellung folgt die Darstellung<br />
der Übertragung des Prinzips auf das Strafrecht durch<br />
den Tampere-Prozess und das Haager Programm. Mavany<br />
arbeitet abschließend im historischen Teil heraus, dass das<br />
Prinzip der gegenseitigen Anerkennung durch den Vertrag<br />
von Lissabon im Primärrecht der Europäischen Union als leitendes<br />
Prinzip verankert und daher von einer wachsenden Bedeutung<br />
des Prinzips auszugehen ist.<br />
Nach der historischen Entwicklung widmet sich der Autor<br />
weiterhin im ersten Teil der Untersuchung dem Regelungsgehalt<br />
und den Grundlagen des Prinzips der gegenseitigen<br />
Anerkennung. In der Konzeption der Europäischen Union<br />
führe das Prinzip zu einer unmittelbaren und automatischen<br />
unionsweiten Geltung strafrechtlicher Entscheidungen in allen<br />
Deliktsbereichen. Der Schwerpunkt liege im Bereich der<br />
Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Der Autor arbeitet<br />
heraus, dass die Grundlage des Prinzips der gegenseitigen<br />
Anerkennung das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten<br />
in die jeweils ausländische justizielle Entscheidung ist. Der<br />
Schutz des Einzelnen durch die Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates<br />
werde durch die Vollstreckung einer ausländischen<br />
Maßnahme nicht unterlaufen, da innerhalb der EU gemeinsame<br />
Grundrechtsstandards bestünden und so zwar nicht<br />
die gleichen, aber gleichwertige Vorschriften vorhanden seien,<br />
so die von Mavany dargestellte herrschende Argumentationslinie.<br />
Ausgehend hiervon diskutiert Mavany bereits hervorgebrachte<br />
Bedenken gegen die Übertragung des Prinzips<br />
der gegenseitigen Anerkennung auf das Strafrecht. Die Gebotenheit<br />
der Übertragung bejaht er überzeugenderweise, denn<br />
das mit der Übertragung verfolgte Ziel liege nicht in der Verwirklichung<br />
des Binnenmarktzieles und der Gewährung von<br />
Grundfreiheiten, sondern in der Verwirklichung eines Raumes<br />
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Er lehnt<br />
ebenfalls die Bedenken gegen die Übertragung des Prinzips<br />
als Erweiterung von Rechten auf das eingriffsintensive Strafrecht<br />
ab, denn bei dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung<br />
handle es sich um ein neutrales Rechtsinstrument. Der<br />
<strong>Inhalt</strong> der konkreten Maßnahme müsse vom Regelungsgehalt<br />
abstrahiert werden. Sämtliche vom Autor dargestellten Bedenken<br />
wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip<br />
sowie der Gefahr des sog. „forum shoppings“<br />
werden argumentativ nachvollziehbar und überzeugend abgelehnt.<br />
Dabei legt der Autor zu Recht Wert darauf, dass zwischen<br />
der generellen Geeignetheit des Prinzips der gegenseitigen<br />
Anerkennung als rechtstechnisches Instrument und seiner<br />
konkreten Umsetzung bei der Strafverfolgung, wo der<br />
Gefahr des „forum shoppings“ und der Entstehung eines hybridisierten<br />
Verfahrensrechts entgegenzutreten ist, differenziert<br />
werde.<br />
Zum Abschluss des ersten Teils erarbeitet Mavany erstmals<br />
drei Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Prinzips<br />
der gegenseitigen Anerkennung: das Bestehen des gegenseitigen<br />
Vertrauens in die Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten,<br />
verbindliche Zuständigkeitsregelungen der Union<br />
für die Durchführung des Strafverfahrens und das Erfordernis<br />
eines effektiven Rechtsschutzsystems gegen die auf<br />
dem Prinzip beruhenden Maßnahmen. Der Autor stellt her-