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Ambos, Internationales Strafrecht Kreicker<br />
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Größeren Raum nimmt auch die Erörterung der – im Zuge<br />
einer Ausweitung der grenzüberschreitenden Kriminalität für<br />
die Strafrechtspraxis immer wichtiger werdenden – Regelung<br />
des transnationalen Doppelverfolgungsverbots in Art. 54<br />
SDÜ ein (§ 10 Rn. 104 ff.). Die von Ambos breit dargestellte<br />
und von ihm durch differenzierte eigene Positionen bereicherte<br />
Diskussion, inwieweit verfahrensbeendenden Entscheidungen<br />
der Staatsanwaltschaft mit Sanktionscharakter<br />
(etwa Einstellungen nach § 153a StPO) Strafklageverbrauch<br />
zukommt (§ 10 Rn. 108 ff.) und wann von einer Tat, auf die<br />
sich der Strafklageverbrauch erstreckt, gesprochen werden<br />
kann (§ 10 Rn. 115 ff.), zeigt exemplarisch auf, dass es angesichts<br />
der vielen in Europa gesprochenen Sprachen, der sehr<br />
unterschiedlichen Strafrechtsordnungen und der damit verbundenen<br />
verschiedenen Vorverständnisse ein sehr schwieriges<br />
Unterfangen ist, durch unmittelbar anwendbare europarechtliche<br />
Vorschriften eine Harmonisierung der Strafverfolgungspraxis<br />
in Europa zu erreichen.<br />
Sodann erläutert Ambos die Mechanismen zur Europäisierung<br />
des materiellen Strafrechts (§ 11), wobei er verschiedene<br />
völkerrechtliche Verträge auf der Ebene des Europarats<br />
vorstellt, welche die Staaten zur Schaffung materieller Strafnormen<br />
verpflichten (§ 11 Rn. 2), und ausführlich auf die<br />
Verzahnung des EU-Rechts mit dem materiellen Strafrecht<br />
der EU-Mitgliedsstaaten eingeht. Er beleuchtet die Aufladung<br />
von nationalen Strafnormen – etwa solchen zur Strafbarkeit<br />
von Falschaussagen vor Gericht – durch EU-Recht im Sinne<br />
einer Geltungserweiterung auf Handlungen gegenüber EU-<br />
Institutionen beziehungsweise gegen EU-Rechtsgüter (§ 11<br />
Rn. 20 ff.) und die vielfältigen Bezugnahmen auf EU-Rechtsvorschriften<br />
in nationalen Strafnormen (§ 11 Rn. 26 ff.). Insbesondere<br />
aber stellt Ambos in der hier besprochenen dritten<br />
Auflage die mit der EU-Reform von Lissabon neu geregelten<br />
Kompetenzen der EU zur Verabschiedung von Richtlinien<br />
vor, die – im Sinne einer Harmonisierung der nationalen<br />
Strafrechtsordnungen der EU-Staaten – die einzelnen Mitgliedsstaaten<br />
dazu verpflichten, ein Mindestmaß an Strafbarkeit<br />
für bestimmte Arten besonders schwerer Kriminalität,<br />
die von grenzüberschreitender Relevanz sind, im nationalen<br />
Recht festzulegen beziehungsweise nicht zu unterschreiten<br />
(§ 11 Rn. 5 ff., 32 ff.). Diese in Art. 83 AEUV normierten<br />
Richtlinienkompetenzen der EU sieht Ambos – ganz zu Recht<br />
– kritisch. Er weist darauf hin, dass solche EU-Richtlinien in<br />
der Tendenz zu einer Ausweitung der Strafbarkeit führen und<br />
damit die ultima ratio-Funktion des Strafrechts gefährden<br />
(§ 11 Rn. 7), dass das Strafrecht auf EU-Ebene opferzentriert<br />
auf die Funktion reduziert wird, Sicherheit durch repressive<br />
Maßnahmen zu gewährleisten (§ 11 Rn. 8), und dass die<br />
Kompetenznorm des Art. 83 AEUV in ihrer Weite mit dem<br />
Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung der EU-Organe<br />
durch das Primärrecht und der fehlenden Kompetenz-Kompetenz<br />
der EU zu kollidieren droht (§ 11 Rn. 6, 9).<br />
Im nächsten Abschnitt seines Lehrbuches befasst sich<br />
Ambos mit den verfahrensrechtlichen Regelungen zur Zusammenarbeit<br />
der Strafverfolgungsbehörden der Staaten Europas<br />
(§ 12). Seine Darstellung macht deutlich, dass die zunehmende<br />
Zahl von Straftaten mit transnationalem Bezug<br />
zwar eine Kooperation der Staaten bei der Strafverfolgung<br />
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<strong>ZIS</strong> 6/2012<br />
immer wichtiger werden lässt, das hierfür vorhandene rechtliche<br />
Instrumentarium aber ganz erhebliche Defizite aufweist.<br />
Ambos, der auch diesen Rechtsbereich souverän beherrscht<br />
und dem Leser durch eine klare Strukturierung sowie detaillierte<br />
Hinweise auf Rechtsprechung und weiterführende Literatur<br />
zugänglich macht, stellt das außerordentlich differenzierte<br />
Regelungsgefüge vor, das sich durch ein Ineinandergreifen<br />
von völkerrechtlichen Verträgen des Europarats, hierauf<br />
aufbauenden Normen des EU-Rechts und nationalem<br />
Recht auszeichnet. Zutreffend weist Ambos darauf hin, dass<br />
die einschlägigen Regelungen für den Studierenden, aber<br />
auch für den Strafrechtspraktiker sehr unübersichtlich sind<br />
(§ 12 Rn. 61). Ein schönes Beispiel für die Regelungskomplexität<br />
ist der Europäische Haftbefehl: Den eigentlich zur<br />
Vereinfachung der Rechtshilfe gedachten Rahmenbeschluss<br />
über den Europäischen Haftbefehl, auf den Ambos ausführlich<br />
eingeht (§ 12 Rn. 35 ff.), hat der deutsche Gesetzgeber<br />
nach dem Urteil des BVerfG von 2005 so umgesetzt, dass –<br />
wie Ambos darlegt – statt des klassischen zweistufigen Auslieferungsverfahrens<br />
nun sogar ein dreistufiges Verfahren zu<br />
verzeichnen ist (§ 12 Rn. 46, 54, 57). Den im Rahmen der EU<br />
eingeschlagenen Weg zur Verbesserung der Zusammenarbeit<br />
– der auf der Grundidee beruht, dass die Justiz des Staates, in<br />
dem ein Strafverfahren betrieben wird, die in einem anderen<br />
Staat durchzuführenden Maßnahmen (etwa Verhaftungen,<br />
Durchsuchungen) nach ihrem nationalen Recht anordnen und<br />
der andere Staat die Maßnahmen dann ohne eigene Prüfung<br />
und ohne Rücksicht auf das eigene nationale Recht ergreifen<br />
soll (Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, Art. 82 Abs. 1<br />
AEUV) – sieht Ambos mit guten Gründen außerordentlich<br />
kritisch (§ 12 Rn. 21, 41 f., 47, 61, 67). Ganz zu Recht betont<br />
er, dass eine solche bedingungslose Anerkennung ausländischer<br />
Festnahme- beziehungsweise Ermittlungsanordnungen<br />
im Grunde eine – nicht erstrebenswerte – weitgehende Vereinheitlichung<br />
der nationalen Strafrechtsordnungen voraussetzte<br />
und die Verteidigungsrechte der betroffenen Bürger<br />
gefährdet. Im Normalfall der Alltagskriminalität mit grenzüberschreitendem<br />
Bezug dürfte eine Durchführung erbetener<br />
Ermittlungsmaßnahmen nach Maßgabe und in den Grenzen<br />
des Rechts des ersuchten Staates im Übrigen wohl nicht als<br />
Hemmschuh wirken; die für die Strafrechtspraxis relevanten<br />
Defizite liegen vielmehr im Wesentlichen im organisatorischen<br />
Bereich der grenzüberschreitenden Kooperation. Auf<br />
die diesbezüglichen Bemühungen auf europarechtlicher Ebene<br />
durch Schaffung und Ausbau von Institutionen zur polizeilichen<br />
und justiziellen Zusammenarbeit wie Europol und<br />
Eurojust geht Ambos in einem abschließenden Kapitel des<br />
europarechtlichen Teils seines Lehrbuches ein (§ 13).<br />
Abgerundet wird das Werk durch ausführliche Verzeichnisse,<br />
und zwar ein dem Text vorgeschaltetes umfangreiches<br />
Literatur- und Quellenverzeichnis, in dem vor allem die kapitelübergreifend<br />
relevante Literatur aufgeführt ist, aber auch<br />
einschlägige nationale Gesetze und internationale Verträge<br />
gelistet sind (S. XXXV-LII), eine Aufstellung wichtiger Urteile<br />
und weiterer zentraler Dokumente internationaler Gerichte,<br />
unter anderem des IGH, des ICTY und des IStGH<br />
(S. 563-578) sowie ein umfangreiches Sachverzeichnis<br />
(S. 579-586). Letzteres könnte allerdings, auch wenn, viel-