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Inhalt AUFSÄTZE BUCHREZENSIONEN VARIA ... - ZIS

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Ambos, Internationales Strafrecht Kreicker<br />

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die völkerrechtlichen Grundlagen, auf denen die deutschen<br />

Regelungen beruhen und die ihre Reichweite zugleich legitimieren<br />

und begrenzen. Überzeugend legt er dar, dass sich<br />

jede extraterritoriale Strafgewalterstreckung am völkerrechtlichen<br />

Nichteinmischungsgrundsatz zu messen hat und potentiell<br />

Gefahr läuft, fremdstaatliche Souveränitätsrechte zu verletzen<br />

(§ 2). Dem Leser wird insofern ein breites völkerrechtliches<br />

Hintergrundwissen vermittelt, das ihn zu einer kritischen<br />

Rechtsanwendung befähigt, die sich nicht auf das deutsche<br />

Straf- und Verfassungsrecht beschränkt, sondern auch<br />

die internationalen Bezüge in den Blick nimmt.<br />

Anschließend werden die verschiedenen völkerrechtlichen<br />

Anknüpfungsprinzipien im Detail vorgestellt und wird dargelegt,<br />

inwieweit sie Eingang in das deutsche Recht gefunden<br />

haben (§ 3), wobei Ambos – wie auch in anderen Abschnitten<br />

seines Lehrbuches – das dargestellte deutsche Recht regelmäßig<br />

in Bezug setzt zu entsprechenden Regelungen in anderen<br />

Rechtsordnungen. Bereits hier fällt auf: Es ist geradezu<br />

ein Charakteristikum des zu besprechenden Werkes, dass<br />

nicht nur Rechtsprechung und Literatur aus dem deutschen<br />

Sprachraum ausgewertet worden sind, sondern (neben der<br />

internationalen) auch ausländische Rechtsprechung sowie<br />

fremdsprachige, insbesondere englischsprachige Literatur in<br />

großem Umfang Eingang in die Darstellung, namentlich in<br />

den außerordentlich differenzierten Fußnotenapparat gefunden<br />

haben. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, geht es doch<br />

um eine wahrhaft internationale Materie, weshalb derjenige,<br />

der sich intensiver mit ihr beschäftigen will, um die mittlerweile<br />

überwiegend in englischer Sprache geführte Diskussion<br />

nicht herumkommt.<br />

<strong>Inhalt</strong>lich ist dem Autor uneingeschränkt beizupflichten,<br />

wenn er vor dem Hintergrund des völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatzes<br />

eine Strafgewalterstreckung auf Auslandstaten<br />

nach einem absoluten aktiven beziehungsweise<br />

passiven Personalitätsprinzip, also ohne eine entsprechende<br />

Tatortstrafbarkeit, für völkerrechtswidrig erachtet (§ 3<br />

Rn. 40, 55 ff., 71 f.), wenn er eine Strafverfolgung nach dem<br />

Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege, wie sie in § 7<br />

Abs. 2 Nr. 2 StGB normiert ist, nicht nur von einer Tatortstrafbarkeit,<br />

sondern zudem einer Verfolgbarkeit der Tat am<br />

Tatort abhängig macht (§ 3 Rn. 52, 122), wenn er die gegenwärtige<br />

Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach dem so genannten<br />

Schutzprinzip (Realprinzip) für allzu weitgehend hält<br />

(§ 3 Rn. 79 ff.) und wenn er bei den völkerrechtlichen Kernverbrechen<br />

– hier gewissermaßen eine gegenläufige Position<br />

zu seiner ansonsten zu verzeichnenden Zurückhaltung bei der<br />

Bejahung extraterritorialer Strafgewalt einnehmend – eine<br />

Strafgewalterstreckung nach dem uneingeschränkten Weltrechtsprinzip<br />

für statthaft erachtet (§ 3 Rn. 93).<br />

Hervorzuheben ist, dass Ambos auch neue Rechtsfragen<br />

meinungsfreudig diskutiert, so etwa die von der Rechtsprechung<br />

noch nicht abschließend geklärte Frage des Tatortes<br />

bei Straftaten im Internet (§ 1 Rn. 19 ff.), wobei er die unterschiedlichen<br />

in der Rechtswissenschaft vertretenen Positionen<br />

jeweils klar herausarbeitet und kritisch hinterfragt. Aufgrund<br />

des umfangreichen Fußnotenapparats, der von einer<br />

beeindruckend gründlichen Erfassung und Durchdringung der<br />

Rechtsprechung und wissenschaftlichen Literatur zeugt, bleibt<br />

dabei für den Leser leicht erkennbar, wo die Darstellung der<br />

in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung beziehungsweise<br />

der vorherrschenden Meinung in der Literatur folgt und<br />

wo Ambos hiervon abweichende eigene Positionen vertritt.<br />

Positiv fällt bei der Lektüre weiter auf, dass Ambos neben<br />

den deutschen Normen des Strafanwendungsrechts auch die<br />

sie flankierenden prozessualen Bestimmungen aufgreift (§ 3<br />

Rn. 45, 99 ff.), die bei Auslandstaten die grundsätzlich nach<br />

dem Legalitätsprinzip geltende Verfolgungspflicht (§ 152<br />

Abs. 2 StPO) aufheben (§ 153c StPO) beziehungsweise modifizieren<br />

(§ 153f StPO für Taten nach dem VStGB, die nach<br />

§ 1 VStGB nahezu alle dem uneingeschränkten Weltrechtsprinzip<br />

unterliegen). Der in diesem Zusammenhang von Ambos<br />

geäußerten Kritik an der restriktiven deutschen Verfolgungspraxis<br />

bei Taten nach dem VStGB (§ 3 Rn. 100 f.)<br />

vermag der Rezensent allerdings nicht beizupflichten. Denn<br />

die Ahndung völkerrechtlicher Verbrechen, die im fremdsprachigen<br />

Ausland, vielfach sogar in einem anderen Kulturkreis<br />

und zumeist als staatsverstärkte Kriminalität beziehungsweise<br />

in Gebieten mit fehlender oder sehr eingeschränkter<br />

staatlicher Infrastruktur verübt worden sind, ist mit ganz erheblichen<br />

Schwierigkeiten behaftet. Diesen Schwierigkeiten<br />

kann auch mit mehr Personal nur bedingt begegnet werden,<br />

was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass der personell sehr<br />

großzügig ausgestattete Internationale Strafgerichtshof (ISt-<br />

GH) erst kürzlich, zehn Jahre nach Aufnahme seiner Tätigkeit,<br />

ein erstes Urteil fällen konnte. Insofern erscheint es<br />

sinnvoll (und ist es von § 153f StPO gedeckt), aufwändige<br />

Verfahren nur bei einem klaren Inlandsbezug einer Tat durch<br />

einen (tatsächlichen oder zumindest sicher erwartbaren) Aufenthalt<br />

eines Beschuldigten in Deutschland und bei einer<br />

reellen Chance auf Erzielung eines nennenswerten Ermittlungserfolges<br />

zu betreiben.<br />

Abschließend geht Ambos im ersten Teil seines Lehrbuches<br />

der Frage nach, ob sich die verschiedenen völkerrechtlichen<br />

Anknüpfungspunkte des Strafanwendungsrechts in eine<br />

Rangfolge bringen lassen, die bei völkerrechtlichen Jurisdiktionskonflikten<br />

fruchtbar gemacht werden kann (§ 4) – eine<br />

innovative Überlegung, die sich so in anderen wissenschaftlichen<br />

Publikationen zum Strafanwendungsrecht nicht findet.<br />

Diese von der Rechtsprechung bislang nicht aufgegriffenen<br />

Überlegungen vermögen zwar die Reichweite einer extraterritorialen<br />

Strafgewalterstreckung, wie sie sich aus den §§ 3-7<br />

StGB ergibt, nicht zu beeinflussen, haben aber für die Strafrechtspraxis<br />

insofern durchaus Bedeutung, als sie ermessensleitend<br />

bei einer Entscheidung nach § 153c StPO über die<br />

Verfolgung einer Auslandstat herangezogen werden können<br />

(§ 4 Rn. 23).<br />

Der zweite Teil des Buches (S. 91-379) befasst sich auch<br />

in der Neuauflage ausführlich mit dem Völkerstrafrecht. Gerade<br />

für diesen klaren Schwerpunktteil des Werkes gilt, dass<br />

Ambos die nationale, ausländische und internationale (völkerstrafrechtliche)<br />

Rechtsprechung und Literatur in beeindruckendem<br />

Umfang, ja in geradezu sisyphosartiger Manier zur<br />

Kenntnis genommen, ausgewertet und im Fußnotenapparat<br />

verarbeitet hat, womit eine wahre Fundgrube weiterführender<br />

Quellen entstanden ist, die für denjenigen, der sich vertieft<br />

mit speziellen Fragestellungen befassen will, von unschätzba-<br />

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Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com<br />

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