30.12.2012 Aufrufe

Susanne Hehenberger - Löcker Verlag

Susanne Hehenberger - Löcker Verlag

Susanne Hehenberger - Löcker Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

tisiert wurden. Da zu den Quellenbeständen der ehemaligen Herrschaften nicht<br />

immer Inventarlisten oder Register existieren, dauert es oft lange, bis sie der<br />

Forschung zugänglich gemacht werden können. Noch weniger erschlossen sind die<br />

kriminalitätshistorisch interessanten Quellenbestände in ober- und niederösterreichischen<br />

Markt- und Gemeindearchiven. 11 Dieses Ungleichgewicht in den zugänglichen<br />

Beständen zwischen zentralen und lokalen Archiven ist vielen ArchivarInnen<br />

bewusst. So hat das Oberösterreichische Landesarchiv, um unkoordinierten<br />

Aussonderungen vorzubeugen, 1999 die Broschüre »Empfehlungen [...] für die<br />

Aufbewahrung archivwürdigen Schriftgutes der Gemeinden« (Skartierungsrichtlinien<br />

für Gemeindearchive) herausgegeben (OÖLA 1999). Für die österreichischen<br />

Städte sieht die Lage ein wenig besser aus: hier liegt bereits ein Überblick<br />

zu den ungedruckten Quellen in den verschiedenen Archiven vor (Lackner 1993).<br />

Zu den Beständen der kirchlichen und klösterlichen Archive gibt es zum Teil sehr<br />

gute Register in den Landesarchiven bzw. verfügen viele von ihnen auch über<br />

Homepages.<br />

Neben der geschilderten Archivsituation gibt es einen weiteren Aspekt, der die<br />

Erforschung von frühneuzeitlichen Sodomieprozessen erschwert: die obrigkeitlich<br />

angeordnete Diskretion im Umgang mit der »widernatürlichen Sünde«. Zwar wurden<br />

die Beschuldigten vom Gericht – auch unter Einsatz der Folter – angehalten,<br />

die ihnen angelasteten sexuellen Handlungen detailliert zu schildern, doch sollte<br />

der Inhalt dieser »Geständnisse« im öffentlich zu verlesenden Urteil möglichst<br />

ausgespart werden. So verfügten beispielsweise die niederösterreichische Landgerichtsordnung<br />

von 1656 und die oberösterreichische Landgerichtsordnung von<br />

1675, dass bei der Hinrichtung eines »Knabenschänders« »niemahlen aber in den<br />

Urth[ei]len, das jenige, so ergernuß geben möchte, offentlich abgelesen werden«<br />

solle (Ferdinandea Art. 73 §5; Leopoldina III Art. 15 §5). Jakob Michelsen weist<br />

in einem Aufsatz über Sodomieprozesse im Hamburg des 18. Jahrhunderts darauf<br />

hin, dass die Schreiber, die Kopien von Sodomieakten anfertigten, zur besonderen<br />

Verschwiegenheit verpflichtet waren, ja dass gegebenenfalls sogar die Originalakten<br />

selbst versiegelt verschickt wurden, um möglichst wenige Menschen von der<br />

»unaussprechlichen Sünde« wissen zu lassen (Michelsen 2002:12). Einige Historiker<br />

äußerten die Vermutung, dass die Prozessakten, um die Erinnerung an die<br />

»abscheuliche Tat« auszulöschen, oft gemeinsam mit den verurteilten Sodomiten<br />

verbrannt wurden, wenngleich mir kein empirischer Beleg dafür bekannt ist. So<br />

merkte Hans Albert Berkenhoff in seiner 1937 publizierten Studie »Tierstrafe,<br />

Tierbannung und rechtsrituelle Tiertötung im Mittelalter« an: »Selbst die Proceßakten<br />

werden bisweilen mitverbrannt. Keine Spur des Verbrechens, cujus ipsa<br />

nominatio crimen est, soll hinterbleiben« (Berkenhoff 1937:104, Anm. 3). Er<br />

beruft sich auf die französische Arbeit von Sorel (Sorel 1876/77), ohne selbst<br />

31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!