Susanne Hehenberger - Löcker Verlag

gerichtlichen Befragung, sondern erst nach dieser vom Richter niedergeschrieben.
Der Aufbau der Verhöre folgte einem einheitlichen Schema, die Beschuldigten
mussten einen festgelegten Fragenkatalog beantworten. Skeptisch machten Ulrike
Gleixner die fast wörtlichen Übereinstimmungen in den Antworten der vor dem
schulenbergischen Gericht stehenden Männer und Frauen. Es erschien ihr kaum
glaubwürdig, dass die Beschuldigten hochdeutsch und im Konjunktiv sprachen, so
dass sie auf eine »Modifizierung der Sprechakte durch den schreibenden Richter«
schloss. »Sieht man sich die verschriftlichten Antworttexte genau an, so fällt auf,
daß diese mit Hilfe verschiedener stilistischer Mittel wie Zusammenfassung,
Verkürzung, Hervorhebung und Kommentar gestaltet sind« (Gleixner 1994:22).
Die landgerichtlichen Akten zu den von mir untersuchten Sodomieprozessen
bestehen aus recht unterschiedlichen Schriftstücken: Konzepte und Reinschriften
von Verhören, Abschriften und Extrakte der Verhöre, Amtshilfegesuche an benachbarte
Gerichte bzw. Herrschaften und dazugehörige Antwortschreiben, rechtliche
Gutachten, Berichte an den Landgerichtsinhaber, die Landeshauptmannschaft bzw.
Landesregierung und deren Antworten bzw. Bescheide, Urteile, Endurteile,
Rechnungen.
Die Verhörprotokolle wurden entweder in summarischer Form verschriftlicht,
d.h. es wurden nur die Antworten zusammengefasst, die Fragen aber weggelassen
oder sie folgten einem Frage-Antwort-Schema. Meist sind die Verhöre vom
Landgerichtsverwalter unterzeichnet, manchmal auch von Beisitzern und einem
Gerichtsschreiber. Viele Protokolle sind entweder nur in Reinschrift überliefert
oder aber als Abschriften, die weder mit einem Datum noch mit Unterschriften versehen
sind. Ein besonders sensibler Quellentypus sind die Protokolle von »peinlichen
Befragungen« (Verhöre mit Foltereinsatz). Selten wird festgehalten, welche
Formen der Folter zur Erzwingung eines Geständnisses herangezogen wurde.
Auch die zuvor bereits schriftlich niedergelegten Fragstücke (Interrogatoria) sind
fast nie in diesen Protokollen verzeichnet. Wenn gar »gütige und peinliche
Bekandtnus« ohne Angabe, welche der Aussagen unter Folter erpresst wurden, zu
einem Protokoll verschmelzen, wird die Interpretation noch schwieriger. Die sauber
geschriebenen Protokolle suggerieren, dass der Inquisit – im Quellenkorpus
befinden sich keine »peinlichen« Verhöre mit Frauen – Punkt für Punkt ein
schwerwiegendes Delikt nach dem anderen gestanden und seine Reue bekundet
hätte. Diese Texte wirken durch ihren Aufbau oft so, als fordere der Beschuldigte
selbst die Todesstrafe für sich. Die Protokolle geben in der Regel keinen Aufschluss
darüber, welche Fragen gestellt wurden, wer bei der Tortur anwesend war
und wie lange die Qualen für denjenigen, der gestehen sollte, andauerten. Sie blenden
das Zustandekommen des Geständnisses aus.
Um Missverständnissen vorzubeugen: peinliche Verhöre waren im frühneuzeit-
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