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Susanne Hehenberger - Löcker Verlag

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den Landgerichtsordnungen von 1559 und 1627 und enthält Zivilrecht und einige<br />

Tatbestände der »kleinen Straffälligkeit« (Hellbling 1996:10; Hoegel 1904:45). 33<br />

Außerdem schreibt eine Belehrung aus dem Jahr 1740 der Carolina subsidiäre<br />

Wirkung für Österreich ob der Enns zu (Codex Austriacus IV:1135). Analog zur<br />

Ferdinandea ist Sodomie zwischen den Delikten des Giftmordes und der<br />

Blutschande eingebettet. Unterschiedlich ist nur die Artikelzählung. Definiert wird<br />

Sodomie in beiden Landgerichtsordnungen folgendermaßen:<br />

»Wer wider die Natur Unkeuschheit treibt, als Mann mit Mann, Weib mit Weib, oder aber<br />

ein Mensch mit einem vnvernünfftigen Viech, der fallt in die Land=Gerichtliche hernach<br />

gesetzte Straf [...]« (Ferdinandea: Art.73; Leopoldina III: Art.15).<br />

Als widernatürlich im strafrechtlichen Sinn galten demnach Bestialität und<br />

gleichgeschlechtliche Sexualität, die – im Gegensatz zu den früheren Landgerichtsordnungen<br />

– begrifflich getrennt werden. 34 Die Ferdinandea und die<br />

Leopoldina postulieren, dass »[d]ises abschewliche Laster« meist »an verborgenen<br />

Orthen verüebet« werde und daher kaum Spuren (»käntliche Warzaichen«) hinterlasse.<br />

Deshalb müsse nachgeforscht werden, wenn eine »verdächtigte Person ins<br />

gemain dises Lasters halber beschrayedt« sei und zugleich eine »Persohn wäre, zu<br />

der man sich solcher Ubelthat versehen möchte«. Der Aufenthalt einzelner<br />

Personen an »verdächtigen Orthen«, besonders zu »nächtlich: vnd finsterer Zeit«<br />

mache ebenso wie direkte Spuren, die eine Person »an, bey oder umb sich, oder<br />

dem Viech verlassen hette« (§1) landgerichtliche Nachforschungen unumgänglich.<br />

Um eine Verhaftung zu rechtfertigen, müsse entweder – sofern es sich um gleichgeschlechtliche<br />

Sexualität zwischen Männern handle – ein medizinisches Attest<br />

durch einen Arzt oder Barbier erstellt, oder der »Thäter [...] in der That betretten«<br />

worden sein. Anlass zum Einsatz der Tortur sahen die Leopoldina wie auch die<br />

Ferdinandea, wenn jemand »an Orth vnd Endt gesehen, so hierzue gelegen, auch<br />

hierzue beraiter gefunden« worden sei oder wenn ein Knabe solches über jemanden<br />

»mit glaublichen vmbständten« ausgesagt habe. Die Folter konnte zudem noch<br />

gegen einen hartnäckigen Leugner, der »seine Unschuldt aber nicht gnuegsam an<br />

Tag geben könnte« (§2) eingesetzt werden. Wichtig ist, dass der Begriff Knabe in<br />

der Frühen Neuzeit zweierlei bedeuten konnte:<br />

»In der weitesten Bedeutung, eine jede junge Mannsperson, selbst ein junger Mann, d. i.<br />

eine männliche Person, bis bald nach dem angetretenen männlichen Alter [...]. In engerer<br />

und gewöhnlicherer Bedeutung, ein Kind männlichen Geschlechtes, eine junge Mannsperson,<br />

so lange sie noch nicht das Jünglingsalter erreicht hat, d. i. von der Empfängniß<br />

an bis zum 14ten oder 15ten Jahre« (Adelung 2/1811:1648; vgl. Zedler 15/1737:991)<br />

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